Zwischen Schutz und Maskerade - RAV
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Zahlen die Behauptung, in der Türkei kämen<br />
Aussagen von Zeugen <strong>und</strong> Beschuldigten ausschließlich<br />
unter Folter zustande«.<br />
Zwar bestreitet die B<strong>und</strong>esanwaltschaft<br />
nicht, dass es in der Türkei zu Misshandlungen<br />
kommt. Für das Stammheimer Verfahren<br />
habe das aber nur dann Bedeutung, wenn<br />
die Folter im Einzelfall nachgewiesen werden<br />
könne. Die Absurdität einer derartigen<br />
Rechtsauffassung liegt auf der Hand: Wie<br />
sollte der von der B<strong>und</strong>esanwaltschaft für erforderlich<br />
gehaltene Nachweis im Einzelfall<br />
geführt werden? Dadurch, dass der türkische<br />
Staat eine entsprechende Erklärung abgibt?<br />
Dass der folternde Beamte ein entsprechendes<br />
Geständnis ablegt?<br />
Ist es bereits in einem Strafverfahren ohne<br />
Auslandsbezug problematisch, verbotene Vernehmungsmethoden<br />
konkret nachzuweisen, so<br />
steht eine entsprechende Überprüfung von Aussagen<br />
im Ausland unter besonderen Schwierigkeiten.<br />
In der Regel scheitert die Ladung der<br />
betroffenen Auslandszeugen an deren Erreichbarkeit.<br />
Im Stammheimer Verfahren kommt hinzu,<br />
dass die Türkei Mitglied der EU werden will.<br />
Sie tut alles, um sich den Anschein eines die<br />
Menschenrechte einhaltenden Rechtsstaates zu<br />
geben. Auf ihre Kooperation zu setzen, wenn es<br />
um den Vorwurf der Folter geht, ist reiner Hohn.<br />
Aufgr<strong>und</strong> dieser regelmäßig bestehenden Beweisnot<br />
<strong>und</strong> der damit verb<strong>und</strong>enen Benachteiligung<br />
der Angeklagten ist in Übereinstimmung<br />
mit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs<br />
für Menschenrechte zu fordern, dass<br />
Polizei <strong>und</strong> Staatsanwaltschaft die Beweislast<br />
dafür tragen, dass die Ermittlungsergebnisse<br />
unter Beachtung des Folterverbots erzielt worden<br />
sind. Eine Unverwertbarkeit ist bereits dann<br />
anzunehmen, wenn konkrete Anhaltspunkte dafür<br />
bestehen, dass eine Missachtung des Folterverbots<br />
stattgef<strong>und</strong>en hat. 2<br />
Oder anders ausgedrückt: »Für einen<br />
Rechtsstaat mit unabhängigen Richtern, für<br />
die ein faires Strafverfahren der vornehmste<br />
Ausdruck rechtsstaatlichen Anstands ist, sollte<br />
allein schon das reale Risiko i. S. einer ernsthaften<br />
Möglichkeit einer Verurteilung auf einer<br />
erfolterten Beweisgr<strong>und</strong>lage unerträglich<br />
sein.« 3<br />
Die Rechtsauffassung der B<strong>und</strong>esanwaltschaft,<br />
die offensiv auch auf dem letztjährigen<br />
Deutschen Juristentag vertreten wurde,<br />
läuft darauf hinaus, dass das in der deutschen<br />
Strafprozessordnung <strong>und</strong> der Antifolterkonvention<br />
verankerte Beweisverwertungsverbot<br />
bei Anwendung von Foltermethoden im Ausland<br />
unterlaufen wird. Dadurch findet indirekt<br />
eine Legitimierung der Folter in der Türkei<br />
<strong>und</strong> anderswo durch die deutsche Strafjustiz<br />
statt.<br />
Ein ausgeprägtes Problembewusstsein hinsichtlich<br />
der Verwertbarkeit der in der Türkei<br />
erzielten Aussagen scheint beim OLG Stuttgart<br />
nicht vorhanden zu sein.<br />
türkiSchE foltErbEamtE alS ZEugEn in<br />
StammhEim?<br />
Im Gegenteil: Zu den Hauptverhandlungsterminen<br />
am 6./7. <strong>und</strong> 13./14. Oktober 2008<br />
wurden vom Gericht überraschend zwei hochrangige<br />
Kriminalbeamte der Terrorismusabteilung<br />
des Polizeipräsidiums (PP) Istanbul<br />
geladen. Die Verteidigung protestierte heftig<br />
<strong>und</strong> stellte umfangreiche Anträge, mit denen<br />
der Befragung der Zeugen unter Hinweis auf<br />
deren naheliegende Verwicklung in Foltervernehmungen<br />
widersprochen wurde. Das OLG<br />
Stuttgart ließ es sich jedoch nicht nehmen, am<br />
6. Oktober 2008 trotzdem mit der Befragung<br />
des türkischen Polizeibeamten B. zu beginnen.<br />
Die Befragung des Leiters der Antiterrorabteilung<br />
der Polizei Istanbul soll zu einem späteren<br />
Zeitpunkt fortgesetzt werden.<br />
Mittlerweile ist der Verteidigung bekannt<br />
geworden, dass gegen B. in der Türkei zwei<br />
<strong>RAV</strong> INfobRIef #102 AUGUST 2009 . Seite 29