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Zwischen Schutz und Maskerade - RAV

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Stattdessen versucht das Gericht, den Zeugen<br />

mithilfe der Konstruktion partieller Aussageunfähigkeit<br />

zu halten. Dass das Gericht offensichtlich<br />

an diesem Zeugen festhalten will,<br />

spricht Bände <strong>und</strong> zeigt deutlich, dass nicht<br />

rechtsstaatliche Kriterien als Leitfaden dienen,<br />

sondern der unbedingte Wille für eine Verurteilung<br />

diesen Prozess bestimmt.<br />

Im November 2003 berichtete der FOCUS<br />

über den angeblichen Waffentransport unter<br />

der Überschrift: »Heiße Spur ins Konsulat«.<br />

In dem Artikel hießt es: »Trotz ihres Verbotes<br />

hat die DHKP–C in Deutschland noch ca. 1000<br />

Mitglieder — damit stellt sie für türkische Sicherheitsbehörden<br />

eine dauerhafte Provokation<br />

dar. Mainzer Ermittler im Fall Hüseyin H. gehen<br />

daher davon aus, dass Ankara die DHKP–C<br />

durch eine sorgsam eingefädelte Agentenoperation<br />

an den Pranger stellen wollte. Mit Hilfe<br />

des gedungenen V–Mannes Hüseyin H. sollte<br />

bewiesen werden, dass die Untergr<strong>und</strong>kämpfer<br />

von Deutschland aus ihre Genossen in der Türkei<br />

beliefern. Teile der Ermittlungsakte lassen<br />

diesen Schluss zu.« 4<br />

Es ist anzunehmen, dass das Münchner<br />

Nachrichtenmagazin neben den »Mainzer Ermittlern«<br />

über weitere Quellen verfügt. Doch<br />

selbst alleine in den Ermittlungsakten <strong>und</strong><br />

nicht zuletzt den Aussagen des Zeugen H. finden<br />

sich deutliche Hinweise, dass der MIT die<br />

Fahrt des Doppelagenten gesteuert hat <strong>und</strong> H.<br />

als Agent provocateur tätig war. An diesen Hinweisen<br />

aber zeigen sich weder B<strong>und</strong>esanwaltschaft<br />

noch Senat interessiert. Es wird Aufgabe<br />

der Verteidigung sein, diesen Sachverhalt weiter<br />

zu ermitteln <strong>und</strong> dem Gericht nahe zu bringen.<br />

ungESichErtE datEn alS bEwEiSE?<br />

Besorgniserregend unbesorgt geht der Senat<br />

auch mit so genannten Asservaten um, die bei<br />

mehreren Hausdurchsuchungen in den Niederlanden<br />

sichergestellt worden sein sollen.<br />

Dabei soll es sich um Teile eines angeblichen<br />

digitalen Archivs der DHKP–C handeln. Mit<br />

ihnen sollen die Strukturen der Organisation<br />

in Europa belegt werden. Allerdings sind weder<br />

die Sicherung <strong>und</strong> Gewinnung noch die<br />

Entschlüsselung dieser Daten forensisch hinreichend<br />

dokumentiert <strong>und</strong> nachgewiesen.<br />

Dass die ursprünglich sichergestellten Festplatten<br />

längst vernichtet sind, scheint weder<br />

Senat noch B<strong>und</strong>esanwaltschaft zu stören. Obwohl<br />

eine Aufklärung durch die niederländischen<br />

Behörden nicht zu erwarten ist, da diese<br />

den zuständigen Beamten keine Aussagegenehmigung<br />

erteilen, wird dieses Material weiterhin<br />

munter eingeführt <strong>und</strong> soll nach Auffassung<br />

des Senats auch verwertet werden.<br />

Ähnlich unbefangen zeigt sich das Gericht<br />

auch gegenüber den Nachweisen über die angeblich<br />

von der DKHP–C verübten Anschläge,<br />

die in der Anklage aufgeführt sind. In den<br />

meisten Fällen wurden die Taten der DHKP–C<br />

aufgr<strong>und</strong> von angeblichen Bekennerschreiben<br />

zugeordnet, die von dieser Organisationen<br />

nicht dementiert worden seien. Die Authentizität<br />

der Bekennerschreiben wurde allerdings<br />

nicht überprüft. In der Regel wurden sie einfach<br />

von verschiedenen Internetseiten heruntergeladen.<br />

Nun ist allgemein bekannt, dass im Internet<br />

nichts sicher <strong>und</strong> alles möglich ist. Bekannt ist<br />

zudem nicht erst seit dem letzten Skandal im<br />

Berliner Verfahren gegen mutmaßliche Mitglieder<br />

der »militanten gruppe«, dass sich Ermittlungsbehörden<br />

selbst an militanten Debatten<br />

beteiligen <strong>und</strong>, geheiligt durch Ermittlungszwecke,<br />

sich selbst als militante Organisationen<br />

gerieren. 5 Im hiesigen Verfahren kommt hinzu,<br />

dass inzwischen selbst der türkische Staat davon<br />

ausgeht, dass die von ihm erfolgte Zuordnung<br />

von Anschlägen zur DHKP–C unrichtig ist.<br />

So wird in der vor dem hohen Strafgericht<br />

in Istanbul erhobenen so genannten Ergenekon–Anklage<br />

behauptet, dass zumindest ein<br />

<strong>RAV</strong> INfobRIef #102 AUGUST 2009 . Seite 31

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