PDL praxis 01/2009
PDL praxis 01/2009
PDL praxis 01/2009
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
pdl-<strong>praxis</strong> <strong>01</strong>-<strong>2009</strong><br />
Die Pflegefachkraft-Quote<br />
Warum es wichtig ist, dass sie hoch ist – und<br />
„Wie berechnet man die Untergrenze“?<br />
Pflegefachkräfte sind teuer (z.B. 45 EUR pro Stunde), geringfügig<br />
beschäftigte Mitarbeiter und insbesondere in der Qualifikation als an-<br />
oder ungelernte Mitarbeiter kosten 20 – 30 EUR pro Stunde.<br />
Das ist eine zu naive Betrachtung, um als Folge hiervon die<br />
Pflegefachkraft-Quote niedrig zu halten.<br />
Eine niedrige Pflegefachkraft-Quote führt tendenziell eher zu negativen<br />
Betriebsergebnissen und zu Unzufriedenheit bei Kunden und<br />
Mitarbeitern. Doch, warum?<br />
Zunächst einmal möchte ich – rein mathematisch – die Untergrenze<br />
der Pflegefachkraft-Quote berechnen. Dafür gibt es grundsätzlich drei<br />
Ansätze oder Methoden:<br />
a) nach Umsatz<br />
b) nach Netto-Pflege-Zeit (D)<br />
c) nach Einsatz-Zeit (C)<br />
Berechnung der mindest notwendigen „Pflegefachkraft-Quote“<br />
Nachfolgende Beispielrechnungen machen deutlich, dass in einem<br />
durchschnittlichen Pflegedienst der Anteil der Pflegefachkräfte rein<br />
rechnerisch niemals unter 35% liegen dürfte.<br />
Berechnung der Untergrenze für die Pflegefachkraft-Quote<br />
nach Umsatz<br />
Beispiel mit geschätzten Zahlen<br />
gesetzlich notwendiger Anteil<br />
an Pflegefachkräften<br />
SGB V SGB XI<br />
Anteil am Umsatz 40% + 50% + 10% =<br />
Berechnung der<br />
Untergrenze der<br />
= ( 90% x 40% ) + ( 25% x 50% ) + ( 10% x 10% )<br />
Pflegefachkraft-Quote = 36,0% + 12,5% + 1,0% = 49,5%<br />
No. <strong>01</strong> <strong>2009</strong> pdl-<strong>praxis</strong> - hohe Pflegefachkraftquote berechnen © 2008 -<strong>2009</strong> Thomas Sießegger Seite 1<br />
andere<br />
Bereiche<br />
90% 25% 10%<br />
Berechnung der Untergrenze für die Pflegefachkraft-Quote<br />
nach Netto-Pflegezeit (D)<br />
Beispiel mit geschätzten Zahlen<br />
gesetzlich notwendiger Anteil<br />
an Pflegefachkräften<br />
Anteil nach Netto-Pflege-Zeit,<br />
gemessen in D-Stunden<br />
20% + 65% + 15%<br />
=<br />
100%<br />
Berechnung der<br />
Untergrenze der<br />
= ( 90% x 20% ) + ( 25% x 65% ) + ( 10% x 15% )<br />
Pflegefachkraft-Quote = 18,0% + 16,3% + 1,5% = 35,8%<br />
Anmerkungen:<br />
SGB V SGB XI<br />
Fahrtzeiten werden hier also nicht berücksichtigt, was prinzipiell richtig ist für diese Art der Analyse<br />
andere<br />
Bereiche<br />
90% 25% 10%<br />
100%
Berechnung der Untergrenze für die Pflegefachkraft-Quote<br />
nach Einsatz-Zeit (C)<br />
Beispiel mit geschätzten Zahlen<br />
gesetzlich notwendiger Anteil<br />
an Pflegefachkräften<br />
Anteil an den Einsatz-Stunden<br />
(C)*<br />
50% + 40% + 10% =<br />
Berechnung der<br />
Untergrenze der<br />
= ( 90% x 50% ) + ( 25% x 40% ) + ( 10% x 10% )<br />
Pflegefachkraft-Quote = 45,0% + 10,0% + 1,0% = 56,0%<br />
Anmerkungen:<br />
* ... also mit Fahrt- und Wegezeiten<br />
weitere Anmerkungen:<br />
SGB V SGB XI<br />
andere<br />
Bereiche<br />
90% 25% 10%<br />
o Im SGB V geht man im Allgemeinen nicht mehr davon aus, dass wirklich alle<br />
Behandlungspflegen von Pflegefachkräften erbracht werden müssen, 90% sind hier eine<br />
realistische Annahme.<br />
100%<br />
o Im Bereich der „Grundpflegen SGB XI“ kann aber auch nicht alles von „Helferinnen“ erbracht<br />
werden, manche Fälle sind so schwer, daß eine Pflegefachkraft benötigt wird, oder es wird für<br />
die Anleitung und Qualitätssicherung ein bestimmter Anteil benötigt, z.B. 25%<br />
o de facto muß die Pflegefachkraft-Quote höher sein als die errechnete Untergrenze, da es in<br />
der Realität einen bestimmten Anteil an Einsätzen gibt, bei denen sowohl SGB V- als auch<br />
SGB XI-Leistungen erbracht werden, also so genannte „gemischte Hausbesuche“.<br />
o Für die Berechnung der Untergrenze sollte besser die Zeit verwendet werden, da der<br />
Zeitanteil bei der Leistungserbringung wesentlicher ist als der Umsatzanteil.<br />
o Der tatsächliche Anteil muss aber wesentlich höher sein als der errechnete, da es in ca.<br />
15% - 25% der Hausbesuche zu Mischeinsätzen von SGB V und SGB XI kommt, und es<br />
oft ökonomischer (und pflegefachlich besser) ist, auch bei Leistungen, für die normalerweise<br />
„geeignete Pflegekräfte“ zum Einsatz kommen können, von Pflegefachkräften durchführen zu<br />
lassen.<br />
No. <strong>01</strong> <strong>2009</strong> pdl-<strong>praxis</strong> - hohe Pflegefachkraftquote berechnen © 2008 -<strong>2009</strong> Thomas Sießegger Seite 2
Durch eine niedrige Pflegefachkraftquote wird die Personal-Einsatz-<br />
Planung wesentlich schwieriger. Auch die Leitungsquote muss höher<br />
sein als bei einem Pflegedienst der überwiegend mit examinierten<br />
Pflegefachkräften arbeitet. Denn:<br />
Erstens sind die Mitarbeiter besser ausgebildet, so dass man sie<br />
[hoffentlich] nicht so stark anweisen muss wie eine Helferin.<br />
Zweitens muss nicht überlegt werden von Seiten der<br />
Pflegedienstleitung, welche Mitarbeiterin man wohin schicken kann,<br />
denn Pflegefachkräfte können theoretisch [fachlich] alles machen.<br />
Die niedrigeren Stundenkosten der Helferinnen werden also durch<br />
höhere Leitungskosten kompensiert. Außerdem: Je länger die<br />
Fahrtwege sind, desto weniger lohnt sich der [zusätzliche] Einsatz<br />
einer Helferin.<br />
Der Pflegefachkraft-Anteil sollte eine Zielgröße von 50%-90%<br />
betragen, um erfolgreich am Markt agieren zu können, je nach<br />
Leistungszusammensetzung und je nachdem, wie häufig, SGB V- und<br />
SGB XI-Leistungen zusammen erbracht werden.<br />
Die Begründung für eine hohe Pflegefachkraft-Quote (aus<br />
wirtschaftlicher Sicht)<br />
In der ambulanten Pflege muss die Frage nach der optimalen<br />
Qualifikations-Zusammensetzung durch die oft gleichzeitige<br />
Erbringung von Leistungen aus SGB V, SGB XI, SGB XII und<br />
Privatzahler-Leistungen, anders beantwortet werden als in der<br />
stationären Pflege.<br />
Dabei sollte aus betriebswirtschaftlicher und aus pflegefachlicher Sicht<br />
begründet werden.<br />
Checkliste, warum Pflegefachkräfte “günstiger” sind<br />
Das Argument, die niedrigeren Stundenkosten der un- und angelernten<br />
Mitarbeiter (Helferinnen) in der Mischung mit Pflegefachkräften (PFK), führten<br />
zu niedrigeren Gesamtkosten, ist falsch.<br />
Folgende zusätzliche Kosten entstehen, wenn immer funktional entschieden<br />
wird, "welche Qualifikation ist unbedingt notwendig für den jeweiligen<br />
Einsatz?"<br />
1. zusätzliche Fahrtzeiten der Helferinnen verursachen Arbeitszeit und damit<br />
Personalkosten, denn anstatt dass die PFK die Leistungen der<br />
Grundpflege im Zusammenhang mit der Behandlungspflege erbringt,<br />
muss zusätzlich eine Helferin für die Grundpflege zum Patienten fahren<br />
2. zusätzliche Organisations- und Koordinationszeiten (und damit wiederum<br />
Kosten) für Absprachen zwischen den PFK und den Helferinnen<br />
3. zusätzliche Leitungsanteile der Pflegedienstleitung, welche die<br />
Koordination der Einsätze übernimmt<br />
4. zusätzliche Fahrzeuge (und damit Sachkosten), da man mehr Fahrzeuge<br />
für die zusätzlichen Einsätze benötigt<br />
Diese zusätzlichen (unnötigen) Kosten für zu viele Helferinnen<br />
überkompensieren in ihrer Summe die (scheinbar) niedrigeren<br />
Personalkosten.<br />
Eine weitere - paradox erscheinende - Erkenntnis: Je höher die<br />
durchschnittlichen Wegezeiten von Patient zu Patient, desto höher<br />
muss die Pflegefachkraftquote sein. Das hat nichts damit zu tun, dass<br />
Pflegefachkräfte besser oder schneller Auto fahren können.<br />
Je höher die Wegzeiten sind, desto weniger lohnt sich der Einsatz von<br />
Helferinnen, da diese zusätzliche Fahrtzeiten im Auto verbringen<br />
müssen und damit Personalkosten verursachen, welche die<br />
Kostenvorteile der Qualifikation wieder überkompensieren.<br />
Pflegedienste mit einer Pflegefachkraftquote von 70%-80% erreichen<br />
nachweisbar wesentlich bessere betriebswirtschaftliche Ergebnisse als<br />
Pflegedienste mit nur 40%.<br />
No. <strong>01</strong> <strong>2009</strong> pdl-<strong>praxis</strong> - hohe Pflegefachkraftquote berechnen © 2008 -<strong>2009</strong> Thomas Sießegger Seite 3
Die pflegefachlichen Gründe für eine hohe Pflegefachkraftquote seien<br />
hier nur kurz erwähnt:<br />
Die höhere Ganzheitlichkeit der Leistungserbringung<br />
Die qualitativen Anforderungen der Pflegeversicherung lassen sich mit<br />
Pflegefachkräften besser erfüllen als mit Helferinnen.<br />
<strong>PDL</strong><strong>praxis</strong>-Tipps<br />
Wenn Sie feststellen, dass Sie eine zu<br />
niedrige Pflegefachkraft-Quote haben:<br />
keine Panik. Nutzen Sie die<br />
a) natürliche Fluktuation: Jede<br />
Mitarbeiterin, die „geht“, wird ersetzt<br />
durch eine Pflegefachkraft - oder<br />
b) Expansion: Der Pflegebedarf steigt pro<br />
Jahr 5% - 10%, die nächsten 15-20<br />
Jahre. Nutzen Sie die Anstellung von<br />
neuen Mitarbeitern, um die<br />
Pflegefachkraft-Quote zu steigern.<br />
BWL-Lexikon<br />
Fachkräftemangel und Arbeitslohn<br />
Fachkräftemangel tritt dann auf, wenn in<br />
bestimmten Phasen oder Jahren<br />
Leitungskräfte oder Mitarbeiterinnen mit<br />
bestimmten Ausbildungen nicht zur<br />
Verfügung stehen. Bei ambulanten<br />
Pflegediensten ist in den Jahren 2008 –<br />
2030 sowohl für Pflegedienstleitungen als<br />
auch für Pflegefachkräfte mit<br />
entsprechendem Mangel zu rechnen.<br />
Gründe hierfür sind der demografische<br />
Wandel, der den Bedarf an Pflege massiv<br />
ansteigen lässt als auch die zunehmend<br />
akademischen Anforderungen an<br />
Leitungskräfte. Insbesondere bei<br />
Wohlfahrtsverbänden und anderen Tariforientierten<br />
Trägern halten die<br />
Möglichkeiten der Bezahlung dem Ergebnis<br />
von Angebot und Nachfrage nicht stand.<br />
Fachkräftemangel führt für diese<br />
Personengruppen mittelfristig zu<br />
steigenden Löhnen und Personalkosten.<br />
Die Ausbildung der PFK beinhaltet das Führen und Erstellen der<br />
Pflegeplanung und der Pflegedokumentation. Helferinnen müssen immer<br />
wieder angeleitet und kontrolliert werden.<br />
Thomas Sießegger<br />
Dipl. Kfm., Organisationsberater und<br />
Sachverständiger für ambulante<br />
Pflegedienste<br />
Internet: www.siessegger.de<br />
Email: pdl-<strong>praxis</strong>@siessegger.de<br />
No. <strong>01</strong> <strong>2009</strong> pdl-<strong>praxis</strong> - hohe Pflegefachkraftquote berechnen © 2008 -<strong>2009</strong> Thomas Sießegger Seite 4