Ganzheitliche Kieferorthopädie als Lebensabschnittskonzept ... - Spitta
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<strong>Ganzheitliche</strong> <strong>Kieferorthopädie</strong> <strong>als</strong> <strong>Lebensabschnittskonzept</strong><br />
Einleitung<br />
von Dr. med. univ. et dent. Eva-Maria Höller<br />
In unserer hektischen Zeit wollen Eltern und Kinder eine möglichst schnelle und mühelose Korrektur der<br />
ästhetischen Zahnstellung. Dazu kommen in allen Ländern Verrechnungsmodalitäten der Kassensysteme, die<br />
effektive und complianceunabhängige Methoden forcieren.<br />
Demgegenüber steht die ganzheitliche Philosophie, dass Orthopädie eigentlich den Begriff gerader,<br />
aufrechter, gesunder Kinder impliziert. Dazu beginnt man am besten schon bei der Schwangerenberatung<br />
und begleitet <strong>als</strong> Familienzahnarzt die gesamte Entwicklung des Kindes und Jugendlichen. Durch den selbst<br />
in einer Großstadt noch hohen Bedarf an kieferorthopädischen Spezialisten besteht meine Hauptaufgabe<br />
mittlerweile in Zahnregulierungen für alle Altersstufen - oft lange vorbehandelt.<br />
Nach Möglichkeit setze ich hier meine Kenntnisse bei kleinen Geschwistern ein - die beste Regulierung im<br />
ganzheitlichen Sinn ist die, die sich erübrigt.<br />
Kariesprophylaxe beginnt vor der Geburt<br />
Milchzahnverlust führt zu Raummangel und Asymmetrien, Füllungen sind problematisch. Sinnvoll ist daher<br />
frühzeitige Kariesprophylaxe. Komplementärmediziner empfehlen schon der Schwangeren und bei<br />
Kleinkindern Calcium fluoratum oder Calcium carbonicum D 12, täglich 5 Globuli, bei größeren Kindern mit<br />
minderwertigem Schmelz hilft das Schüssler-Salz Nr. 11, Calcium fluoratum D 6, 3x1 Tablette für 3 Monate,<br />
dann <strong>als</strong> Kur zweimal jährlich 1-2 Monate lang. Die Mehrzahl der Zahnärzte betreibt auch Putz- und<br />
Ernährungsberatung, angesichts Candy- und Cola-Gesellschaft leider mit mäßigem Erfolg.<br />
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Haltungsfehler und Habits<br />
Ideal wäre eine osteopathische Kontrolle und gegebenenfalls Behandlung besonders nach komplizierten<br />
Geburten (für Mutter und Kind). Nicht allzu schwere Läsionen reponieren sich zum Glück aber auch von<br />
selbst, z.B. durch angemessenen ausgleichenden Sport oder forcierter Atmung.<br />
Stillen und anatomisch geformte Schnuller sind Grundlage einer normalen Kieferentwicklung. Viel zu wenig<br />
beachtet werden allerdings die vielen Habits und Haltungsfehler <strong>als</strong> Ausdruck von Verhaltensstörungen<br />
durch ständige Reizüberflutung. Schnuller und Nuckelflaschengebrauch empfehlen wir ab dem vollendeten<br />
ersten Lebensjahr, spätestens aber mit drei Jahren einzustellen. Bis zu diesem Zeitpunkt können sich die<br />
Verformungen der Kiefer auch ohne nennenswerte Therapie wieder auswachsen.<br />
Eine Mundvorhofplatte <strong>als</strong> "Schnuller für die Großen" hilft beim Herstellen des physiologischen<br />
Gleichgewichts zwischen Lippen und Zunge. Sie wird zuerst ca. 1 Monat lang 1 Stunde am Tag getragen,<br />
dann nachts. Falls sie herausfällt, zuerst die Tagtragezeit auf 2, dann 3 Stunden steigern (Abb. 1).<br />
Myofunktionelle Therapie, Osteopathie, Begleittherapien<br />
Abb. 1: Mundvorhofplatte mit Zungengitter<br />
Ohne großen Kostenaufwand können wir mit einfachen myofunktionellen Übungen und Begleittherapien viel<br />
bewirken. Meist lasse ich diese gerade während der Lieblingsvorabendserie anwenden. Im Rahmen dieses<br />
Beitrages stellen wir für einige Fehlfunktionen einen kleinen Ausschnitt der häufigsten Übungen und<br />
Begleittherapien vor.<br />
Genauso wie die Fehlstellungen oft kombiniert auftreten, können wir auch die Übungen entsprechend<br />
zusammenstellen. Unsere Begleittherapie soll ein altersgemäßes Bewegungs- und Spielverhalten fördern,<br />
das könnte viele Fehlstellungen bessern bis beseitigen, ist aber den Kindern von sich aus nicht immer<br />
möglich, auch z.B. durch Überprotektion wegen leichter Allergiesymptome.<br />
Offener Biss, Tonguethrust, Klasse 2 oder 3<br />
Ab ca. 4 Jahren empfehlen wir die Traubenzuckerübung - <strong>als</strong> Variante von Mother"s delight nach Daniel<br />
Garliner:<br />
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Ein Fizzers-Zuckerl * oder für Hardliner ein Stück Dörrobst wird mit der Zungenspitze bis zur Auflösung an<br />
der Papilla incisiva festgehalten. Liegt die Zunge dort, wird die Oberkiefer-Entwicklung und Ausformung der<br />
Nasennebenhöhlen gefördert und Kieferorthopäden und H<strong>als</strong>-Nasen-Ohren-Ärzten viel Arbeit abgenommen.<br />
* Ein Fizzers ist ein rundes Traubenzuckerstück, Durchmesser ca. 1/2 cm, beidseits eingedellt, so dass es wie ein Elastic ideal auf der<br />
Zungenspitze liegt. Es ist bunt gefärbt, schmeckt nach Brausepulver und zerfällt in etwa 10 Minuten. Wird in Rollenform mit 10 oder<br />
20 Stück gehandelt und ist billig.<br />
Ab 5-6 Jahren wird die Grundschluckübung nach Garliner durchgeführt: Ein kieferorthopädischer<br />
Elastic-Ring wird beim Schlucken an der Papilla incisiva festgehalten. Dabei erfolgt die Kontrolle im<br />
Spiegel, ob die Zunge nirgends zwischen den Zähnen durchkommt. Anweisung: 3mal täglich 12 mal<br />
hintereinander schlucken. Später soll die Übung auch ohne Gummiring mehrm<strong>als</strong> täglich zwischendurch<br />
gemacht werden. (Abb. 2).<br />
Abb. 2: Das Elastic liegt "einsatzbereit" auf der Zungenspitze<br />
Hartnäckige Fälle schicken wir zum Logopäden für eine ausgiebige Behandlung nach Garliner,<br />
Castillo-Morales oder Padovan. Mit Begleittherapie ist das nur extrem selten nötig.<br />
Mit etwas Übung kann man bei der Untersuchung durch Auflegen der Hände im H<strong>als</strong>- und Oberbauchbereich<br />
spüren, ob hier Spannungen der H<strong>als</strong>faszie (oft nach rezidivierender Tonsillitis), ins Mediastinum oder<br />
Abdomen (nach Bronchitiden, bei Darmdysbiose) oder zur H<strong>als</strong>wirbelsäule (Otitiden, Traumen) bestehen.<br />
Sind Spannungen vorhanden, gibt es einfache manualtherapeutische Fasziendehnungen, die auch für<br />
Zahnärzte in kürzester Zeit durchführbar sind.<br />
Sehr oft benötigen die Kinder eigentlich eine Allergiebehandlung und/oder Symbioselenkung. Als<br />
Testsystem verwende ich hierbei kinesiologische Verfahren. Bei auf Grund des offenen Bisses ausgewählten<br />
Kindern finden wir hier sehr häufig eine Unverträglichkeit auf Kuhmilch, oft auch Hausstaub,<br />
vergesellschaftet mit Gräserpollen, Tierhaaren und Metallen - besonders Nickel. Dementsprechend ist eine<br />
individuelle, altersgemäße Behandlung mit Diät, Darmsanierung, homöopathischen Mitteln und<br />
Enzymsubstitution angezeigt.<br />
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Oberlippenschwäche, Unterkieferrücklage, Fehlstatik<br />
Bei der Spatelübung nach Prof. Fränkel wird ein Holzspatel nur mit den Lippen (bei geschlossener<br />
Zahnreihe) quer gehalten. Dies ist eine echte Turnübung und sehr anstrengend. Man beginnt mit 3-5 Minuten<br />
und steigert auf 20 Minuten durchgehend, 1x täglich - beispielsweise beim Fernsehen. Falls schon eine<br />
Zahnspange vorhanden ist, kann deren Wirkung durch das Durchführen der Übung mit der Spange im Mund<br />
gesteigert werden. Oberstes Ziel ist ein entspannter Lippenschluss. Auch hier empfiehlt sich ein Abchecken<br />
von Allergien und Dysbiose (Abb. 3).<br />
Abb. 3: Spatelübung nach Fränkel<br />
Atem- und Turnübungen wie von Prof. Balters empfohlen, wären optimal. Die typische Körperhaltung<br />
eines lymphatischen Kindes wird aber auch durch die anderen Begleitbehandlungen verändert. Eine<br />
Grundumstimmung kann man mit homöopathischen Lymphmitteln, manueller Lymphdrainage, Magnetfeld<br />
oder Gelblicht absteigend entlang der H<strong>als</strong>lymphwege erreichen.<br />
Unterstützend wirkt eine Übung zur Selbsttherapie: Zwischen Schlüsselbein und Rippe beidseits kreisförmig<br />
von der Mitte nach außen rubbeln - mit mäßigem Druck, 10 Minuten täglich. Zusätzlich kann man die<br />
Zwischenzehenräume plantar massieren und mit Gelblicht bestrahlen.<br />
Gerade bei dieser Fehlhaltung können wir oft erkennen, dass eigentlich eine psychologische<br />
Familientherapie angebracht wäre, gleichzeitig wollen die Eltern aber "nur" eine Zahnspange. Wir<br />
beschränken uns dann darauf, mit Homöopathika und Lichttherapie nach Peter Mandel die Persönlichkeit des<br />
Kindes zu stärken. Dies bewirkt häufig eine neue heilsame Dynamik in der Familiensituation.<br />
Kreuzbisse<br />
Für die Sackerlblasübung nach Raphael van Assche wird ein Papiersäckchen oder ein Gummihandschuh 10<br />
x hintereinander aufgeblasen und dabei aus dem Säckchen wieder eingeatmet (Abb. 4). Dabei steigt der<br />
CO 2 -Gehalt der Atemluft, was eine maximale Aktivierung des Craniosacr<strong>als</strong>ystems bedeutet. Eine<br />
begleitende Craniosacraltherapie ist bei kieferorthopädischen Behandlungen sehr hilfreich.<br />
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Abb. 4: Handschuhaufblasen<br />
Beseitigung eines Kreuzbisses ohne Zahnspange ist mir bei Kindern mit 3-5 Jahren schon damit öfters<br />
gelungen. Allerdings ist die rasche und rezidivfreie Therapie nur mit Zahnspange im Wechselgebiss ebenfalls<br />
möglich, und zwar mit hochelastischen Spangen. Bei hartnäckigen Kreuzbissen sollte man unbedingt die<br />
Funktion der Nebenniere kontrollieren (kinesiologisch und/oder osteopathisch).<br />
Klasse 3, anteriorer Kreuzbiss<br />
Bei Klasse 3 müssen wir meist eine echte Frühbehandlung ab 5-6 Jahren durchführen und über das gesamte<br />
Wachstum behandeln. Ein normaler frontaler Überbiss muss möglichst früh hergestellt und fortlaufend<br />
gesichert werden, da sich die Pathologie sonst selbst verstärkt und fixiert.<br />
Abb. 5: Kybernetor mit OK-Pelotten und Kinnkäppchen<br />
Ab ca. 4 Jahre arbeiten wir mit Kinnkäppchen zu Combiheadgearhäubchen mit leichtem Zug - ca. 200 g pro<br />
Seite. Mit einem Beißblock (Gummikeil, wie bei epileptischen Anfällen verwendet wird) versuchen wir den<br />
frontalen Kreuzbiss zu überstellen (Abb. 5).<br />
Tiefbisse, Deckbisse, extremer Raummangel<br />
Neben der kieferorthopädischen Behandlung ist beim tiefen Biss primär Entspannung angesagt. Außerdem<br />
Turn- und Atemübungen sowie Homöopathie.<br />
Die für alle Beteiligten relativ einfachen und kostengünstigen myofunktionellen und<br />
komplementärmedizinischen Maßnahmen bewirken oft eine völlige Verhaltensveränderung der Kinder<br />
und einen deutlichen Wachstumsschub. Das hat zunehmend dazu geführt, dass ich nun auch bei<br />
Konzentrationsstörungen, Legasthenie, Hyperaktivität, retardiertem Wachstum und Verhalten sowie <strong>als</strong><br />
Spezialist für Regulierungen bei Behinderten konsultiert werde. In allen Fällen gelten die oben aufgeführten<br />
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und eigentlich schon von Balters erkannten Grundregeln.<br />
Grundsätze zu Regulierungsbeginn und Dauer<br />
Klasse 3 mit großem Unterkiefer, frontaler Kreuzbiss<br />
Frühbehandlung: ab 4-5 Jahre, über gesamtes Wachstum, bei Jungen bis zum 20. Lebensjahr möglich,<br />
Alternative ist nur Chirurgie<br />
Kleiner Unterkiefer, offener Biss, extremer Tiefbiss, Deckbiss, beidseitiger Kreuzbiss<br />
während des Hochwachsens der Prämolaren im Kiefer, mit (7)"8 Jahren, Dauer meist 4 Jahre<br />
Durchschnittliche Fehlstellungen<br />
beginnender Seitzahnwechsel, 9-10 Jahre, Dauer 2-3 Jahre<br />
Später Beginn ist bei großem Oberkiefer und mäßigem Tiefbiss möglich. Es muss allerdings noch<br />
ausreichend Wachstum zu erwarten sein. Im Allgemeinen erwarten wir eine Körpergröße zwischen Vater und<br />
Mutter, Mädchen wachsen ab der Menarche wenig. In Grenzfällen machen wir immer Handwurzelröntgen.<br />
Planung<br />
Außer der Modellvermessung führen wir bei centric slide stets eine Artikulatormontage (SAM) durch und bei<br />
Erwachsenen evtl. mit Axiographie. Zur Röntgendiagnostik benötigen wir eine Panoramaschichtaufnahme<br />
und vermessen das Fernröntgenbild nach Ricketts, Björk und Jarabak.<br />
Neben der Myofunktionsanalyse, erfolgt evtl. eine Faszien- und Craniosacralüberprüfung, oft einen<br />
kinesiologischen Materialtest, und eine kurze kinesiologische Überprüfung von Darm, Leber und Nebenniere.<br />
Unser Grundsatz:<br />
Wenn es vom Alter her geht,<br />
wird korrigiert, was f<strong>als</strong>ch ist.<br />
Beim Erwachsenen sind wir damit oft im Grenzbereich zur Chirurgie und akzeptieren Kompromisse.<br />
Keinesfalls aber sollte ein sagittales Problem durch Verbreiterung behandelt werden<br />
Gerätetechnische Prinzipien<br />
Alle Geräte müssen ein harmonisches Muskelmuster ermöglichen. Konventionelle Platten und Aktivatoren<br />
lassen oft zu wenig Raum für die Zunge, die dann gegen den Kunststoff presst und damit für einen<br />
Tonguethrust geradezu trainiert wird. Pelotten und Schilde, elastische Aufbisse, Zungengitter oder Spikes<br />
sowie "Spielkugerln" nach Castillo-Morales können in jede Spange integriert werden, selbst in manchmal<br />
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nötige fixe Apparaturen.<br />
Alle Drähte, die den Gaumen queren, werden nach den Empfehlungen von Balters gestaltet. Wir verwenden<br />
auf Anraten unserer Osteopathen möglichst elastische Drähte mit großen Schlaufen, das gilt auch für<br />
festsitzende transpalatal bars.<br />
Alle Kunststoffgeräte müssen einen eindeutigen therapeutischen Biss haben. Herumrutschen durch<br />
fehlende Orientierungspunkte bedeutet Stress, fördert Bruxismus und kann ungleichmäßiges<br />
Kondylenwachstum und Kiefergelenksprobleme bewirken.<br />
Abb. 6: Skoliosen und Schulterschiefstand können durch den<br />
Konstruktionsbiss ausgeglichen werden. Der Biss kann durch reines<br />
Beobachten überprüft werden.<br />
Ein f<strong>als</strong>cher Unterkieferbiss bewirkt schiefes Wachstum. Die Fehllage des Kiefers wird über die<br />
Wirbelsäule korrigiert, was bis zur Skoliose führen kann. Umgekehrt kann man bei kleinen Kindern eine<br />
Rückenkorrektur mit einer optimalen Bissnahme erzielen, bei Jugendlichen und Erwachsenen zumindest<br />
erhebliche Verspannungen reduzieren. Die Bissnahme, der Konstruktionsbiss und die fertige Spange können<br />
mit kinesiologischen Techniken überprüft werden (Abb. 6).<br />
Materialien<br />
Bei Allergiekindern immer möglichst nickelfrei arbeiten. Da der Anteil der Allergiekinder unselektiert rund<br />
15 %, bei kieferorthopädischen Fehlstellungen an die 30 % und bei offenen Bissen nach unseren<br />
Untersuchungen über 90% beträgt, überlegen wir den generellen Einsatz von Spezialdrähten.<br />
Wir verwenden Menzaniumdrähte, Goldlot oder Laserschweißung, Dehnschrauben aus Titan. Headgearbügel<br />
gibt es ebenfalls aus Menzanium, das nur minimale Spuren von Nickel enthält und üblicherweise auch bei<br />
manifesten Allergien gut vertragen wird. Bänder und hochelastische Drähte gibt es nicht nickelfrei. Hier gilt<br />
es zu überlegen, ob wir eine toleranzsteigernde Begleitbehandlung durchführen oder uns über kurze Zeit mit<br />
Niccolum D12 behelfen, da die superelastischen Drähte eine extrem schnelle, aber auch weitgehend<br />
physiologische und schmerzfreie Therapie ermöglichen.<br />
Ästhetisch, gut zu pflegen und haltbar sind Keramikbrackets, die Kleber werden getestet (Akrylat und<br />
Glasionomer). Die Kleber erwiesen sich bisher bei unseren Patienten <strong>als</strong> gut verträglich.<br />
Der Kunststoffanteil besteht aus Akrylat mit Lebensmittelfarben, lustige Bilder werden eingearbeitet. Hier<br />
habe ich bisher kaum Unverträglichkeit gefunden. Bei echten Multisensitiven würde ich trotzdem Clear ohne<br />
Zierrat empfehlen. Flitter ist bei unseren Patienten in etwa 10% der getesteten Fälle <strong>als</strong> unverträglich<br />
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einzustufen.<br />
Kieferorthopädische Apparaturen<br />
Der Bionator gilt <strong>als</strong> das biologische Gerät, sollte aber <strong>als</strong> Muskelharmonisierungsgerät tagsüber getragen<br />
werden. Das ist für die meisten meiner Patienten schwierig, da sie meist Ganztagsschulen besuchen und<br />
Zahnspangen dort noch nicht <strong>als</strong> cool gelten.<br />
Meine Ausbildung erfolgte am Dr. Wilhelm Brenner Institut, das die Wiener Ärztekammer für die<br />
kieferorthopädische Fortbildung gegründet hat, später war ich dort Oberarzt. Unter der Leitung vom Prim.<br />
Dr. Alfred Hangl entstand dort eine neue Wiener Schule der Funktionskieferorthopädie, die auch<br />
ganzheitliche Methoden einbezog. Ich möchte hier die Geräte präsentieren, die sich in den nunmehr 18<br />
Jahren kieferorthopädischer Praxis <strong>als</strong> wirkungsvoll erwiesen haben.<br />
Der Elastisch Offene Aktivator nach Klammt (EOA)<br />
Der EOA ist in meinen Augen das biologischste Gerät überhaupt. Er liegt ganz locker im Mund und federt<br />
leicht beim Zubeißen. Dadurch regt er die Muskelaktivität an, die Kinder spielen unbewusst auf der Spange<br />
herum. Er vereint viele Vorteile des Bionators und des Aktivators: Transversalbügel und Labialbögen sind<br />
wie beim Bionator gestaltet, die Anregung der Myofunktion erzielt einen gewissen Sog. Gleichzeitig übt er<br />
auch aktiven Druck auf den Gaumen aus, genau an den Stellen und in der Stärke, dass eine der Osteopathie<br />
entsprechende Wirkung erzielt wird. Die Nachentwicklung des Oberkiefers und der Nasennebenhöhlen ist<br />
optimal möglich.<br />
Man kann gezielt den Prämolarenbereich stärker aktivieren. Der Einbau aktiver Federchen z.B. zur Rotation<br />
der Eckzähne ist problemlos möglich. Wir löten auch oft Federchen am Labialbogen an, wie bei<br />
Crozatgeräten. Pelotten, elastische Aufbisse und kleine Zungenspieße können kombiniert werden.<br />
Die Aktivierung ist für Anfänger schwierig. Am besten funktioniert sie (unelegant), indem man den Aktivator<br />
mit beiden Händen auseinander zieht. Wie beim Crozat kann allerdings jede Verbiegung das ganze Gerät<br />
verändern. Durch den geringen Kunststoffanteil hat die Zunge größten Freiraum, die Kinder können damit<br />
sehr verständlich sprechen und tragen ihn daher zu Hause auch tagsüber gerne.<br />
Indikationen<br />
Verbreiterungen bis ca. 14 mm, Kompressionsgeräte bei Raumüberschuss sind möglich.<br />
Überstellen einer vollen Klasse 2 bei kleinem Unterkiefer (Pelotten), sowie von ein- und beidseitigen<br />
Kreuzbissen. Klasse 3 - Behandlung bei kleinem Oberkiefer. Ungeeignet zur Klasse 3 - Behandlung bei<br />
Schuld im Unterkiefer.<br />
Bei Tiefbiss kann man Frontkantbiss einstellen, sonst lasse ich fast durchbeißen, das gibt angenehme, kleine<br />
Geräte.<br />
Bei Tonguethrust wird der EOA oft verloren, daher setze ich ihn hier selten ein.<br />
Er funktioniert auch bei Spätbehandlung in der Pubertät, dann sollte er allerdings 12-14 Stunden getragen<br />
werden. Dabei gibt es kein nennenswertes Unterkiefer-Wachstum mehr, aber durch Mentalisumbau eine gute<br />
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Frontentwicklung.<br />
Maxillator nach Prim. Dr. Hangl<br />
Das Gerät wird horizontal geteilt, der Oberkiefer-Teil ist ein elastischer Aktivator mit Oberkiefer-Pelotten.<br />
Im Unterkiefer ist ein starrer Kunststoffteil, der mit dem Oberkiefer durch zwei seitliche linguale U-Bügel<br />
verbunden wird. Bei beidseitigem Kreuzbiss und zirkulär kleiner Maxilla.<br />
Bimler Geräte<br />
(Abb. 7). Die Bimler Geräte beruhen auf ähnlichen Überlegungen, der Unterkiefer Teil besteht nur aus Draht.<br />
Die Aktivierung der Unterkiefer-Schlaufen erweist sich aber <strong>als</strong> schwierig. Bei den häufig vorkommenden<br />
Brüchen benötigt man ein Lager an Originalteilen.<br />
Platten<br />
Abb. 7: Das Aufbissplateau bei Bimlergeräten funktioniert beim<br />
Heben gut.<br />
Prinzipiell könnte man auch Platten nach biologischen Überlegungen anfertigen, indem man zwei seitliche<br />
Kunststoffteilchen mit einer Coffinfeder aus 0.36 Inch Draht verbindet und mit Halteelementen wie etwa<br />
Pfeilklammern versieht. Labialbogen und Frontfedern wären wie beim elastisch offenen Aktivator.<br />
Es ist aber sehr schwierig, mit Platten beide Kiefer gleichmäßig zu fördern, oft wird der Oberkiefer<br />
überdehnt. Will man außerdem die Lage der Kiefer zueinander beeinflussen, müsste man Leitstrukturen im<br />
Unterkiefer wie Doppelvorschubschienen oder schiefe Kunststoffebenen einbauen, die unangenehm zu tragen<br />
sind. Für noch wachsende Individuen bevorzuge ich daher einteilige "Turngeräte".<br />
Kybernetor nach Schmuth<br />
(Abb. 8). Er ist die praxisgerechteste starre Aktivatorvariante. Der frontal reduzierte Kunststoff ist selbst<br />
beim Einbau einer Dehnschraube zart und bildet eine Rutschfläche für die Zunge in Richtung Papilla incisiva.<br />
Der verstärkende Palatinalbügel muss breit gestaltet werden - wie beim Bionator. Bei hartnäckigen<br />
Zungenproblem kann man kleine Spießchen am Ort des Tonguethrust einbauen, die stören, aber nicht stechen<br />
sollen. Damit wird die Zunge unbewusst von dort umgelenkt.<br />
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Abb. 8: Kybernetor mit Pfeilklammern, Mesialisierungsfedern 36, 46<br />
Meist bauen wir im Oberkiefer Seitzahnbereich 4 Pfeilklammern ein und verklemmen das Gerät leicht. Als<br />
elastischen Ausgleich haben wir aber bei Prämolaren und Frontzähnen Rotations- und Protrusionsschlaufen<br />
(Abb. 9).<br />
Abb. 9: Kybernetor mit elastischem Kunststoffbiss, UK-Pelotten,<br />
Mesialisierungsfedern<br />
Der Kybernetor ist hervorragend mit Pelotten und elastischem Aufbiss kombinierbar. Der Aufbiss direkt am<br />
Kunststoff reicht zum Verhindern der weiteren Extrusion, elastische Varianten können auch aktiv intrudieren.<br />
Indikationen<br />
Der Raumgewinn ist nicht ganz so stark wie bei elastischen Geräten, Klasse 2 bis zu voller Prämolarenbreite<br />
ist möglich - beim ersten Biss aber nur 2-4 mm vorstellen. Kreuzbisse, offene und tiefe Bisse, sehr gut für<br />
Klasse 3 Behandlung.<br />
Am angenehmsten sind die Geräte, wenn der Biss nur minimal (0,5 mm) gesperrt wird. Entgegen erster<br />
Proteste der Zahntechniker ist ein Kybernetor auch ohne echte Bisssperre gut möglich.<br />
Kybernetor - Headgear<br />
(Abb. 10). Die Grundidee der Nutzung einer extraoralen Kraft stammt von Teuscher, unsere Überlegungen<br />
zum physiologischen Wachstum sowie osteopathische Routinekontrollen haben aber zu völlig anderer<br />
Kraftdosierung geführt. Sanfte extraorale Kräfte, Abfederung durch elastische Drähte und ganz leicht<br />
eingestellte Dehnschrauben regen das Craniosacr<strong>als</strong>ystem an und steuern das Wachstum in die gewünschte<br />
Richtung - wir verwenden nur 200-250 Gramm pro Seite.<br />
10
Abb. 10: Der Headgearbügel wird in einen normalen Kybernetor<br />
eingebaut. Dieses Gerät hat einen elastischen Aufbiss mit<br />
Kunststoffabstützung, UK Pelotten und Mesialisierungsfedern für<br />
die oberen Frontzähne.<br />
Wir bauen den Headgearbügel fix in die Prämolarensperrzone eines Kybernetors ein - manchmal auch, um<br />
anfängliches Verlieren des Gerätes zu verhindern.<br />
Das Gerät behindert die Schlaflage nicht, Sabbern durch leichte Irritation des Lippenschlusses gibt sich nach<br />
ein paar Tagen.<br />
Indikation<br />
Bremsen des Maxillawachstums<br />
- auch noch mit ca. 12 Jahren kann man bei 12-14 Stunden Tragezeit eine volle Klasse 2 überstellen, ohne<br />
obere Sapientes auszublocken. Der Konstruktionsbiss kann gleich in Klasse 1 Relation eingestellt werden.<br />
Vertikal kann man durch gezieltes Einstellen der Länge und Richtung des Headgearbügels den Biss<br />
schließen oder öffnen. Dadurch kann man die Palatinalebene kippen, die Wachstumsrotation des<br />
Unterkiefers ändern und ein Gummy smile beseitigen.<br />
Funktionsregler nach Fränkel<br />
(Abb. 11, 12). Das Klasse 2 Gerät ist ein reines Trainingsgerät. Die einzige dentale Abstützung erfolgt am<br />
zweiten Milchmolaren, wo man eine Aufruhe-Rille einschleifen sollte (haben wir meist unterlassen, lagert<br />
sich auch interdental ein).<br />
Der Unterkiefer findet nur zwischen Frontfedern und Pelotte eine Ruhelage, dazu muss er aber aktiv<br />
vorgehalten werden. Das ist anfangs sehr anstrengend, die Kinder müssen das Gerät zuerst tagsüber 1 Stunde<br />
tragen, nach 1 Monat 2, nach einem weiteren 3, dann erst nachts.<br />
Abb. 11: Funktionsregler Iic<br />
11
Abb. 12: Funktionsregler nach Fränkel von Lingual: Minimalismus<br />
pur<br />
Wird der Funktionsregler nach Fränkel zu schnell längere Zeit getragen, ermüdet die Muskulatur, der<br />
Unterkiefer sinkt nach unten und die Pelotten drücken.<br />
Prof. Fränkel lässt das Gerät auch tagsüber tragen und Spatelübungen damit machen.<br />
Indikationen<br />
Das Gerät ist in seiner Auswirkung genial und ermöglicht ein röntgenologisch nachweisbares verstärktes<br />
Unterkiefer-Wachstum der Korpuslänge um 1 cm gegenüber der Wachstumsprognose.<br />
Durch gezieltes Einstellen der Pelotten kann man offene oder Tiefbisse behandeln, Verbreiterung geht durch<br />
den leichten Zug am Periost sehr gut.<br />
Nachteile<br />
Das Ausmessen der Pelotten ist schwierig, anfangs gibt es auch seitlich oft Druckstellen.<br />
Der Unterkiefer wird zuerst nur 2 mm vorgestellt, dann werden die seitlichen Schlitze erweitert und wieder<br />
mit Kunststoff fixiert. Das ist arbeitsaufwendig, aber unspektakulär. Der Einbau aktiver Federn ist nicht<br />
möglich. Die Eltern haben den Eindruck, dass der Therapeut immer nur "schaut".<br />
Die Behandlung muss während des Hochwachsens der Prämolaren beginnen, <strong>als</strong>o mit 7-8 Jahren. Sie dauert<br />
bis Vollendung des Zahnwechsels, <strong>als</strong>o rund 5-6 Jahre.<br />
Meist verwenden wir 2 Jahre den Funktionsregler, dann einen elastisch offenen Aktivator oder Kybernetor.<br />
Nur wenige Eltern haben Verständnis für Langzeittherapien, auch wenn wir den Preis moderat gestalten. Das<br />
Klasse 3 Gerät ist eine wunderbare Möglichkeit bei der Retention über das Schlusswachstum: Der<br />
Labialbogen bremst den Unterkiefer, die auftretende Kraft fördert zugleich über die den gesamten Oberkiefer<br />
umfassenden Pelotten maximal das Oberkiefer-Wachstum.<br />
Crozatgeräte<br />
(Abb. 13,14). Die grazilen Crozatgeräte sind eine optimale Erwachsenentherapie. Wir verwenden die von<br />
Prim. Dr. Hangl entwickelte Light wire Variante, wo nur der Bodywire aus 0.36 Elgiloy besteht, die<br />
anderen Drähte sind nur 0.22 inch dick. Die Geräte werden hitzevergütet.<br />
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Abb. 13: OK Crozat in Light-wire-Technik/Grundgerät<br />
Abb. 14: Crozatgeräte aus Menzanium sind etwas dicker<br />
und schwer zu reparieren.<br />
Menzaniumvarianten sind etwas dicker, Reparaturen sind durch das nötige Goldlot schwierig. Bei häufigem<br />
Einsatz sollte das Labor über ein Laserschweißgerät verfügen.<br />
Sanfte, federnde Kräfte sollen 20-22 Stunden wirken<br />
, d.h. immer außer beim Essen und Putzen. Die Geräte sind ästhetisch wenig auffällig und stören nur anfangs<br />
beim Sprechen.<br />
Durch die dauernde leichte Kraft sind auch Veränderungen der Knochenbasen möglich. Anlöten diverser<br />
Federn ermöglicht Einzelzahnbewegungen, durch Anbringen zarter Ätzcomposite-Retentionen an den<br />
Zähnen geht auch Intrusion oder Extrusion.<br />
Elastics, Lipbumper, Facial mask oder Schienen können über Hilfselemente mit Crozats verbunden werden.<br />
Retention<br />
Wir verwenden Crozats auch <strong>als</strong> Retentionsgeräte nach Multibandtherapie, da sie lange getragen und<br />
schrittweise abgesetzt werden können. Positioner ermöglichen keine Korrekturen, wenn sie nicht wie<br />
empfohlen durchgehend getragen werden.<br />
Die oft empfohlene Dauerkleberetainer von 33 bis 43 erscheinen mir aus ganzheitlicher Sicht wegen der<br />
weitgehenden Verblockung von 6 Zähnen nicht opportun. Außerdem verwendet man dafür üblicherweise<br />
Stahldrähte und Composites, was <strong>als</strong> Dauerlösung auch problematisch sein kann.<br />
Multibandtechnik<br />
Die Multibandtechnik ist aus unserer Sicht manchmal wegen späten Beginns, starker Fehlstellung,<br />
unzureichender Vorbehandlung oder Patientencompliance nötig.<br />
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Vor der Therapie unwilliger Jugendlicher möchte ich aber ausdrücklich warnen. Sie zerstören öfter unsere<br />
Apparate, sodass völlig unberechenbare Kräfte auftreten. Manchmal stellen sie auch das Putzen völlig ein.<br />
Die Entscheidung für eine Behandlungstechnik muss immer individuell erfolgen.<br />
Bei starken Bewegungen und speziell beim Überstellen eines Kreuzbisses oder in der singulären<br />
Antagonismusphase der Klassenkorrektur testet eine fixe Zahnspange im kinesiologischen Test schlecht, das<br />
sollte aber maximal 3-6 Wochen der Fall sein. Dabei treten oft auch diskrete Kiefergelenksgeräusche auf,<br />
diese sind kurzfristig unbedenklich und reversibel. Ich mache die Patienten darauf aufmerksam und bitte sie<br />
um genaues Beobachten.<br />
En bloc-Bewegungen, hochelastische Drähte und die Berücksichtigung der Erkenntnisse aus der<br />
Funktionskieferorthopädie bei der Gestaltung von transpalatal bars oder der Einbeziehung von Lipbumpern<br />
ermöglichen auch fixe Zahnspangen ohne nennenswerte Beeinträchtigung.<br />
Individualität und Vielfalt<br />
Zusammenfassend könnte man sagen, dass gute <strong>Kieferorthopädie</strong> sehr variantenreich und höchst<br />
individuell ist. Der überwiegende Anteil unserer Patienten erhält phasenweise Begleittherapien aus der<br />
breiten Palette der Komplementärmedizin.<br />
Bei ausreichender Planung und guter Mitarbeit der Patienten ist zwar manchmal eine Änderung der Geräte<br />
nötig, aber kein fauler Kompromiss bei der funktionellen Zahnstellung. Schäden durch kieferorthopädische<br />
Maßnahmen sind prinzipiell möglich, bei Ausschöpfen der vielen unterstützenden Möglichkeiten aber<br />
vermeidbar. Viel eher bedeutet echte <strong>Kieferorthopädie</strong>: Entwicklungsförderung und einen großen Schritt<br />
in Richtung Gesundheit und Belastbarkeit..<br />
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