KURZNACHRICHTEN · KURZNACHRICHTEN · KURZNACHRICHT
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herrschbar und kontrollierbar. Ressourcen<br />
sind nur begrenzt verfügbar, exakte Planungen<br />
unmöglich, aber auch die Prognosefähigkeit<br />
nimmt ab. Festgelegte Reaktionsmuster,<br />
also eine Lösung für alle<br />
Fälle, scheitern an der Vielfalt und Komplexität<br />
der Situationen. Manche Führungskräfte<br />
(und Regierungen) neigen<br />
dazu, alles bis ins Kleinste regulieren und<br />
genau kontrollieren zu wollen, damit<br />
keine Fehler (Abweichung vom Bekannten)<br />
passieren. Aber wie können dann<br />
Chancen gesehen und genutzt werden<br />
und Innovationen erfolgen? Gleichwohl<br />
werden Verlässlichkeit und Zuverlässigkeit<br />
staatlichen Handelns erwartet, wo Offenheit<br />
und Flexibilität notwendig sind. In<br />
diesem Spannungsfeld ist ein vorbereiteter,<br />
wacher Geist gefragt, ist Achtsamkeit<br />
(awareness) und Aufnahmefähigkeit<br />
(absorption) erforderlich.<br />
Mancher der in der aktuellen Managementliteratur<br />
vorgeschlagenen Rezepte<br />
und Methoden zum Umgang mit Unsicherheit<br />
erinnern an Früherkennungssysteme<br />
im Rahmen des strategischen Managements.<br />
Sieht man die Früherkennung<br />
nicht nur als Warnung vor Krisen,<br />
sondern auch als Hinweis auf Chancen,<br />
lassen sich durchaus Parallelen zwischen<br />
dem Management von Turbulenzen und<br />
dem Innovationsmanagement erkennen.<br />
Einige Ansätze seien hier genannt:<br />
• Die Aufmerksamkeit sollte sich<br />
auf Unterschiede und Abweichungen<br />
richten sowie auf Faktoren,<br />
die Abweichungen auslösen können<br />
(Sollbruchstellen, kritische Ereignisse)<br />
• Der Blick sollte über die Organisationsgrenzen<br />
hinausgelenkt werden.<br />
Von aussen nach innen und aus der<br />
Zukunft zurück, von der Lösung statt<br />
vom Problem her gedacht, um andere<br />
Perspektiven einzunehmen.<br />
• Vorliegende Berichte sollten nicht<br />
zu stark vereinfacht und nivelliert<br />
werden, um dezentrale Besonderheiten<br />
und Unterschiede bei einzelnen<br />
Entwicklungen zu erkennen.<br />
• Eigene Annahmen und Erwartungen<br />
sollten immer wieder auf ihre Übereinstimmung<br />
mit der Realität überprüft<br />
werden.<br />
• Fehler sollten nicht getadelt werden.<br />
Vielmehr ist um Offenlegung zu<br />
ersuchen, um daraus zu lernen.<br />
• Veränderungen von Kontexten<br />
innerhalb und ausserhalb der<br />
Organisation sollten sorgfältig<br />
analysiert werden.<br />
• Sich herausbildende und verändernde<br />
Muster sollten beobachtet werden.<br />
• Ein kritischer Blick auf ungeschriebene<br />
Gesetze, Tabus und eingeübte<br />
Verhaltensweisen ist erforderlich,<br />
um Gewohnheiten in Frage zu stellen.<br />
• Einwandfreie Verläufe und Erfolge<br />
sollten nicht dazu dienen, sich allzu<br />
sehr in Sicherheit zu wiegen.<br />
• Verschiedene Szenarien sollten<br />
entwickelt und durchgespielt werden,<br />
um Verfahrensouveränität zu<br />
erlangen.<br />
Insgesamt führt dies dazu, dass Ungleichgewichte<br />
akzeptiert werden müssen, allmähliche<br />
Veränderungen der Wahrnehmung<br />
bedürfen, eine strategische Orientierung<br />
an relevanten Aufmerksamkeitsfeldern<br />
und Bezugspunkten erforderlich ist<br />
und eine Kultur der Wechselbeziehungen,<br />
des Austauschs, Dialogs und der Perspektivenänderung<br />
etabliert werden muss. Die<br />
gute Nachricht dabei ist, dass Zukunft dabei<br />
als offen und damit auch zugleich gestaltbar<br />
erkannt wird.<br />
Effektuierung statt<br />
linear-kausales Denken gefragt<br />
Im Anschluss an grundlegende Arbeiten<br />
von Karl E. Weick und Kathleen M. Sutcliffe<br />
wird neuerdings wieder der Umgang<br />
mit Extremsituationen durch Aufbau organisatorischer<br />
Fähigkeiten am Beispiel<br />
erfolgreicher Hochsicherheitsorganisationen<br />
(High Reliability Organizations),<br />
wie Flugzeugträger, Atomkraftwerke<br />
oder Chemieunternehmen empfohlen.<br />
Dazu gehören:<br />
• Die intensive Beschäftigung mit<br />
Überraschungen und Fehlern.<br />
• Die Verhinderung vereinfachender<br />
Erklärungen.<br />
• Eine hohe Sensibilität gegenüber<br />
tatsächlichen Verläufen statt der<br />
Fixierung auf Pläne und Kennzahlen.<br />
• Eine Flexibilität und Redundanz<br />
in den Abläufen sowie alternative<br />
Kommunikationswege.<br />
NEW PUBLIC MANAGEMENT<br />
Krisenmanagment<br />
• Flexible Formen der Entscheidungsfi<br />
ndung mit dem Nutzen dezentraler<br />
Beobachtung, bei der entgegen der<br />
Hierarchie auch dem Flugzeugkapitän<br />
widersprochen werden muss.<br />
Im Rahmen des Umgangs mit Unsicherheit<br />
und Ungewissheit wird auch eine neue Art<br />
des Denkens vorgeschlagen. Das klassische<br />
linear-kausale Denken eigne sich demnach<br />
für eine planbare Zukunft mit fi xen Zielen<br />
und einer stabilen Umwelt. Bei ungewisser<br />
Zukunft, verhandelbaren Zielen und einer<br />
gestaltbaren Umwelt sei dagegen ein anderes<br />
Denken gefragt, das mit «effectuation»<br />
bezeichnet wird. Wer in einem stabilen Umfeld<br />
zielorientiert vorgeht, sucht nach Mitteln<br />
und Wegen, um ein zuvor festgelegtes<br />
Ziel möglichst effi zient zu erreichen. Die Logik<br />
der Effektuierung geht dagegen nicht<br />
von einem fi xen Ziel aus, das in einer ungewissen<br />
Zukunft auch schwer erreichbar<br />
wäre, sondern von den vorhandenen Mitteln<br />
und Möglichkeiten. Sie fragt statt nach<br />
dem erwarteten Ertrag nach dem leistbaren<br />
Verlust. Unerwartete Umstände und<br />
Zufälle werden nicht als Störung auf dem<br />
Weg zum Ziel wahrgenommen, sondern als<br />
Chancen und Hebel genutzt. Die rich tigen<br />
Partner werden nicht erst lange gesucht,<br />
vielmehr werden Vereinbarungen und Partnerschaften<br />
mit denen eingegangen, die<br />
bereit sind, mitzumachen.<br />
Diese Methode erscheint insgesamt pragmatischer<br />
als das klassische strategische<br />
Management. Sie geht von einer Beurteilung<br />
der aktuellen Situation aus und<br />
orientiert sich an tatsächlich vorhandenen<br />
Handlungs- und Gestaltungsmöglichkeiten.<br />
Möglicherweise ist dies in einem<br />
Zeitalter ständiger Turbulenzen eine Herangehensweise,<br />
die besser als bisher Achtsamkeit<br />
sowie Aufnahmefähigkeit garantiert<br />
und Handlungsfähigkeit für die Zukunft<br />
ermöglicht und sichert.<br />
* Prof. Dr. Hermann Hill ist Professor an<br />
der deutschen Hochschule für Verwaltungswissenschaften<br />
in Speyer. An der<br />
SGVW Herbsttagung sprach er zum<br />
Thema Risikomanagement und Krisenmanagement<br />
in der Praxis.<br />
Quelle: Hermann Hill, Staatliches Innovationsmanagement<br />
– Bilanz und Perspektiven,<br />
in: Hermann Hill/Utz Schliesky (Hrsg.),<br />
Innovationen im und durch Recht, Band 15<br />
der Schriftenreihe Verwaltungsressourcen<br />
und Verwaltungsstrukturen, Nomos-Verlag<br />
Baden-Baden, 2010, S. 285–302. Weitere Informationen<br />
fi nden Sie unter www.sgvw.ch<br />
SKR 1/11 23