10|3 - Verkehrshaus der Schweiz
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INTERVIEW<br />
Grübeln ohne Bleistift im mund<br />
ruminer sans crayon à mâchonner<br />
Interview Manuel Huber<br />
Sein Büro ist kalt und nass, sein Beruf aber<br />
exklusiv. Dr. Thomas Reitmaier ist Archäologietaucher<br />
und erforscht, überwacht und<br />
schützt Kulturgut in <strong>Schweiz</strong>er Gewässern.<br />
Und er träumt von <strong>der</strong> Südsee genauso wie<br />
von Grönland.<br />
Herr Dr. Reitmaier, sind Sie mehr Taucher<br />
o<strong>der</strong> Archäologe?<br />
Sicherlich mehr Archäologe. Tauchen ist<br />
lediglich Mittel zum Zweck, um unter Wasser<br />
gelegene Fundstellen wie Pfahlbauten o<strong>der</strong><br />
Wracks zu erforschen. Doch gerade in <strong>der</strong><br />
Pfahlbauforschung im Flachwasser bleibt<br />
vom unbeschwerten Tauchgefühl eigentlich<br />
wenig.<br />
Was macht die Faszination <strong>der</strong> Kombination<br />
aus?<br />
Die Exklusivität. Nur wenige haben das<br />
Glück, beruflich als Archäologe zu arbeiten.<br />
Betreibt man Ausgrabungen unter Wasser,<br />
wird <strong>der</strong> Personenkreis noch exklusiver.<br />
Sie waren in <strong>der</strong> Tauchequipe <strong>der</strong> Stadt<br />
Zürich. Was ist <strong>der</strong>en Aufgabe?<br />
Die Betreuung des Kulturgutes in den heimischen<br />
Gewässern, insbeson<strong>der</strong>e <strong>der</strong> vielen<br />
14<br />
urgeschichtlichen Seeufersiedlungen. Das<br />
Aufgabenspektrum ist vielfältig: Erforschen<br />
von noch unbekannten Gewässern, Kontrollen<br />
von Anlegestellen und Häfen o<strong>der</strong> Rettungsgrabungen<br />
bei drohendem Totalverlust<br />
einer Fundstelle.<br />
Inwiefern unterscheidet sich Ihre Arbeit<br />
gegenüber jener eines Archäologen an<br />
Land?<br />
Beim Grübeln und Nachdenken unter Wasser<br />
kann man lei<strong>der</strong> keinen Bleistift in den<br />
Mund nehmen. Und sich auch nicht mit<br />
einem Kollegen unterhalten. (lacht)<br />
Mit welchen speziellen Methoden o<strong>der</strong><br />
Geräten arbeiten Sie unter Wasser?<br />
Neben dem Tauchgerät ist das sogenannte<br />
Strahlrohr das wichtigste Hilfsmittel. Es<br />
sorgt an <strong>der</strong> Ausgrabungsstelle durch eine<br />
künstlich erzeugte Strömung immer für klare<br />
Sicht. Ansonsten ist alles sehr ähnlich wie an<br />
Land.<br />
Wie viel Zeit verbringen Sie pro Jahr<br />
unter Wasser?<br />
Mit wenigen Unterbrüchen bin ich das ganze<br />
Jahr über im Einsatz. Bei zwei Tauchgängen<br />
pro Tag à zwei bis drei Stunden komme ich<br />
auf mehrere hun<strong>der</strong>t Stunden unter Wasser.<br />
Eine lange Zeit. Was tun Sie gegen die Kälte?<br />
Möglichst viel anziehen. Und manchmal auch<br />
frieren!<br />
Welches war Ihr aufregendster Fund?<br />
In beson<strong>der</strong>er Erinnerung ist mir <strong>der</strong> allererste<br />
Tauchgang in <strong>der</strong> Pfahlbausiedlung<br />
von Kehrsiten im Vierwaldstättersee, die<br />
2003 entdeckt wurde. So müssen sich die<br />
Pioniere <strong>der</strong> Pfahlbauforschung vor 150<br />
Jahren gefühlt haben.<br />
Haben Sie auch gefährliche Momente unter<br />
Wasser erlebt?<br />
Eigentlich nie. Man ist sich immer bewusst,<br />
dass man in einem Medium arbeitet, wo man<br />
eigentlich nicht hingehört. Zudem gibt es<br />
regelmässige Sicherheitstrainings.<br />
Und in welche Gewässer <strong>der</strong> Welt träumt<br />
sich ein Archäologietaucher zuweilen?<br />
Im Winter in die warme Südsee. Gern würde<br />
ich aber mal vor Grönland tauchen. Auch<br />
dort gibt es archäologische Fundstellen<br />
unter Wasser.