Hören, Vernehmen, Verstehen
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gewonnen Form, eine Maus dar; allein dies schon, die Metapher der Maus,<br />
immerhin ein Lebewesen, und ein niedliches dazu, bietet viel Raum für<br />
Interpretation. Die iconischen und indexikalischen Darstellungsbeziehungen<br />
des gesamten Maus-Komplexes aber sind hier von größerem funktionalen<br />
Gewicht. In einer ganzen Kette von Analogiebeziehungen - und auch<br />
Analogiebeziehungen können digital codiert sein -, die zum Teil physiologisch<br />
begründet sind, zum Teil technisch und zum Teil rein konventionell,<br />
repräsentiert der Cursor auf dem Bildschirm den Blick des Benutzers auf<br />
einzelne Teile und Ausschnitte des Bildfeldes, oder genauer: den Focus; und<br />
zwar sowohl den Focus als Blick- und visuelles Schärfezentrum wie auch als<br />
Zentrum der Aufmerksamkeit, jenseits dessen zunächst ein Unschärfebereich,<br />
eine Dunstzone noch abgeblendeter möglicher nächster oder vorhergehender<br />
Focusssierung liegt. Diese Kette verläuft von der Aufmerksamkeit des Blicks<br />
über die Auge-Hand-Beziehung zur Maus selbst und von dort über das<br />
Mousepad bis zum Cursor auf dem Bildschirm. In vielen Anwendungen<br />
repräsentiert der Cursor sogar den Benutzer selbst, nämlich alle seine<br />
funktionalen Handlungsmöglichkeiten in der dargebotenen Welt. Daraufhin<br />
erst wird es möglich und sinnvoll, den Cursor auch visuell als Figur, als<br />
Abbildung einer Hand, eines Körpers zu gestalten und ihn als virtuelle Person,<br />
als Avatar im wahrsten Sinne des Wortes auszuführen, wie er uns<br />
beispielsweise im Videospiel begegnet. Die nächste, die indexikalische Stufe<br />
der Repräsentationsfunktion wird wiederum im Mausklick erreicht, diesem<br />
technischen und auch epistemologischen Zentrum des gesamten Maus-<br />
Komplexes. Der Cursor repräsentiert jetzt die Hand; genauer: den Zeigefinger,<br />
das digitum des Benutzers und das Moment der Berührung. Das Aufleuchten,<br />
Hinterlegen, Beschriften oder sonstige Herausheben des repräsentiert die<br />
Deixis, die Zeigehandlung, durch die die eigentliche Selektion bereits angelegt<br />
und dann in der Berührung der Taste realisiert wird. Die gesamte<br />
Kulturtheorie der Deixis, die semiotischen, psychologischen und<br />
epistemologischen Verzweigungen der elementaren und primären „Dies-Dort-<br />
Du-Dann“-Relation und des Ursache-Wirkungs-Zusammenhangs, die durch<br />
die Deixis aufgepannt wird und die bis hin zu magischen und rituellen<br />
Praktiken der Berührung und des Handauflegens, zu den Schöpfungsmythen<br />
und zu seltsamen Alltagsbräuchen wie dem Händedruck führt, braucht hier<br />
nicht ausgeführt zu werden. Wichtig ist, daß durch den Mausklick in dem<br />
durch den Bildschirm zur Unterscheidung freigegebenen Material eine<br />
konkrete Unterscheidung getroffen wird (dieses hier und alles andere -<br />
wenigstens jetzt erst einmal - nicht), und zugleich die ausgewählte Seite der<br />
Unterscheidung positiv markiert, bezeichnet wird (dies hier). Die Maus wählt<br />
jedoch nicht nur aus, sie löst auch aus und gibt ganze Handlungsroutinen frei,<br />
die sich sich entlang mehr oder weniger fester Schemata aus dem<br />
Zusammenspiel der getroffenen Wahl und der dadurch ausgelösten Arbeit des<br />
Rechners selbst ergeben. Auch zum Phänomen der Auslösung als der<br />
spezifischen Funktion des Schalters existiert eine ausgearbeiteter<br />
Theoriekontext, in dem insbesondere als Kern maschineller und<br />
maschinisierter Vorgänge nicht etwa der energetische oder der mechanische<br />
Prozeß ausgemacht wird, sondern vielmehr der regelungstechnische Eingriff<br />
der Unterbrechung und Auslösung der mechanischen Bewegung. In diesem<br />
Sinne repräsentiert die Maus nicht nur die Welt des Benutzers und seine<br />
Handlungsmöglichkeiten auf dem Bildschirm, sondern zugleich auch die Welt<br />
des Gerätes und seiner Möglichkeiten; gleichsam das Innere des Geräts oder