Hören, Vernehmen, Verstehen
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Verweilen ein; die wichtigsten Flächen sind die Weiter- und<br />
Zurückschaltbefehle. Der Nutzer ist nie so richtig da, wo er gerade ist, sondern<br />
immer schon und immer noch woanders, dort. wo er herkommt oder dort, wo<br />
er als nächste hingehen könnte; und er fühlt sich immer weggezogen. Wir<br />
kennen den Effekt auch von der Fernbedienung, die das Verharren bei Ein- und<br />
Demselben zugunsten des Wechsels zum Anderen unwahrscheinlich macht. Es<br />
braucht nicht hervorgehoben zu werden, wie sehr diese Verfassung der<br />
digitalen Welt als Produkt von Wahl und Auswahl, als gesamtraum zu<br />
treffender Wahlen, auch die Suggestivkraft der revidierbaren Wahl, der<br />
umkehrbaren Entscheidung, der Gleichzeitigkeit des Nebeneinander<br />
Möglichen - das Eine und das Andere auch -, das Prinzip des Hier und zugleich<br />
anderswo, das auch beispielsweise in Medien wie dem Walkman und ganz<br />
besonders dem Handy wirksam ist, sich pragmatisch wie phänomenal in den<br />
Funktionszusammenhang eines hochgezüchteten Konsum- und<br />
Dienstleistungskapitalismus mit seinen Flexibilisierungsanforderungen, seinem<br />
Ubiquitätsdruck und seinen Komplexitätszumutungen fügt.<br />
- Das Restproblem jedoch bleibt der prekäre Status der so beschaffenen Welt<br />
selbst. Denn die digitale Welt als eine mithilfe geeigneter Werkzeuge - und<br />
zwar als Werkzeuge erkennbare Werkzeuge wie eben der Maus - eigens und<br />
künstlich verfertigte Welt ist nicht nur Fläche, Raum und Rahmen der<br />
Wählbarkeit, sondern selbstverständlich ihrerseits nur plural und kontingent<br />
vorstellbar, ein Selektionsprodukt, das genauso gut ganz anders ausfallen<br />
könnte. Damit ist das, was wir traditionell als „Die Welt“ für den Inbegriff der<br />
Einheit und der Differenzlosigkeit, für Allheit schlechthin halten, die uns auch<br />
allen gleichermaßen und vorazussetzungslos gegeben ist und der nur der<br />
Abgrund des Nichts gegenübersteht, nur mehr als unentrinnbare Vielheit zu<br />
haben, zu der es aber andererseits nicht einmal mehr ein Nichts als<br />
undenkbaren Außenraum zu geben scheint. Die digitale Welt ist aufgespalten,<br />
differenziert, plural, einerseits eine reine Innenwelt aber, ohne Außenraum<br />
andererseits. Die allfällige Rede von der Globalisierung hat genau hier ihren<br />
Sinnkern, sie meint nämlich eine binnendifferenzierte, aber unentrinnbare,<br />
gleichsam nur noch von innen begehbare Innenwelt ohne Außenansicht.<br />
Gemeinsamkeit kann in der digitalen Welt weder vorausgesetzt noch einfach<br />
angetroffen werden, die Welt ist keine bedingungslose Folie der<br />
Gemeinsamkeit mehr. Gemeinsamkeit muß vielmehr immer erst gewählt, jedes<br />
Mal einzeln erdacht und hergestellt werden, und es gäbe auch stets<br />
Alternativen zu ihr, so daß sie immer fragil, temporär und gefährdet bleibt. Die<br />
einzige apriorische Gemeinsamkeit, die niemand in Frage stellen kann, weil<br />
die Mittel dazu fehlen würden, sind eben die Mittel selbst, sind die Werkzeuge<br />
der Weltgenerierung, der Sinnerfahrung und der Selektion, von Nietzsches<br />
Schreibmaschine bis zur heutigen Computermaus.