12.06.2013 Aufrufe

2012/1 - Rudolf-Steiner-Schule Schwabing

2012/1 - Rudolf-Steiner-Schule Schwabing

2012/1 - Rudolf-Steiner-Schule Schwabing

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

SCHLAGLICHTER<br />

<strong>Rudolf</strong>-<strong>Steiner</strong>-<strong>Schule</strong> <strong>Schwabing</strong><br />

1/12


„Bei aller Liebe...“<br />

EDITORIAL<br />

In diesem Heft der Schlaglichter denken wir über ein Thema nach, das sich scheinbar eng mit der Er-<br />

ziehungsaufgabe von <strong>Schule</strong> und Elternhaus verbunden hat: das Strafen oder auch die Konsequenzen,<br />

die Erziehungsmaßnahmen, die Ordnungsmaßnahmen, die Disziplinierung …. also alle mehr oder weniger<br />

unangenehmen Handlungen, die ein gewünschtes Verhalten bewirken sollen und die Ordnung<br />

innerhalb einer Gruppe, einer Klasse aufrechterhalten sollen.<br />

Gerne greift man da auf ein eingespurtes Repertoire zurück, oft gilt es schnell zu sein, um aufkeimendes<br />

Chaos einzudämmen und dem Lernen einen klaren Rahmen zu garantieren. Vorsitzen, Abschreiben,<br />

Extra-Aufgaben, ……… wer kennt das nicht?<br />

Was bedeutet es aber, wenn zu viel und zu humorlos zur Vernunft gerufen wird und Maßnahmen wirkungslos<br />

werden? Gibt es Alternativen? Unter welchen Umständen sind Konsequenzen wirksam – unter<br />

welchen nicht? Gibt es ein mehr und ein weniger gelungenes Maßregeln oder gar Tipps zum besseren<br />

Bestrafen? Ist Originalität und Kreativität in den Erziehungsmaßnahmen möglicherweise wirkungsvoller<br />

als die Anwendung eines Konsequenzen- Kataloges?<br />

In der <strong>Schule</strong> geht es zunehmend um Erziehungsaufgaben, die nicht mehr selbstverständlich von einer<br />

allgemeinen Verhaltenskultur getragen werden. Eher im Gegenteil: auch die Erwachsenenwelt leistet<br />

sich gerne lockere und unverbindliche Formen des Zusammenlebens.<br />

Dazu eine kleine Anekdote: zur letzten Monatsfeier kamen 40 Menschen mit Verspätung und wollten<br />

natürlich unverzüglich in das Theater eilen. Nur mit Mühe konnte die zuständige Lehrerin darauf bestehen,<br />

die Türen nur zwischen den Beiträgen der Klassen zu öffnen, um die ruhige, konzentriere Atmosphäre<br />

der Monatsfeier zu erhalten. „Wollen Sie uns jetzt etwa auch noch erziehen?“, war die trockene<br />

Bemerkung eines der Zuspätkommer, der diese Regel nicht akzeptieren wollte.<br />

Gruppen brauchen Regeln und Gruppen geben sich Regeln, um als Gruppe überhaupt zu funktionieren.<br />

Diesem archaischen Grundgesetz des Zusammenlebens wirkt gegenwärtig etwas entgegen, das<br />

man fast als Karikatur der großen Vision einer freien Entfaltung der Persönlichkeit erleben kann, die sich<br />

wenigstens im Kleinen alle Freiheiten erlaubt.<br />

Das Lernfeld bleibt für alle Beteiligten, die richtige Balance zu finden zwischen Bedürfnis und Notwendigkeit,<br />

zwischen Respekt und Eigensinn, zwischen Laissez faire und Disziplin.<br />

In dieses Spannungsfeld stellen wir unser Heft mit seinem Focus und freuen uns wie immer, wenn Ihnen<br />

bei der Lektüre gute Ideen und Gedanken kommen oder beim Betrachten der Bilder neue Erkenntnisse<br />

zufliegen!<br />

Gisela MeininG-schopf<br />

3


INHALT<br />

editorial 3 Gisela Meining-schopf<br />

iM foKUs: sTRafen<br />

erziehung. strafe. Definitionen 6 diverse<br />

Tipps zum richtigen Bestrafen 8 lehrerfreund<br />

strafe oder die chance zur ... 10 christof Wiechert<br />

Zehn alternativen zur strafe 14 Jan hunt<br />

Wie machen die es in summerhill? 17 sZ-Magazin<br />

Die Welt-schule in Rinkeby 21 brand einst<br />

Glosse 22 Dorothea seror<br />

aUs DeM schUlleBen<br />

12.Klass-spiel 26 Wolfgang Runknagel<br />

parisfahrt 28 Josefine oelschlegel u.a.<br />

Berlinfahrt 33 Wolfgang Runknagel<br />

Klassentreffen 36 Mathias Ueblacker<br />

Bistro 38 Maria Knilli<br />

Rumänien 40 Walter Kraus<br />

sommerzeit abschaffen 43 Wolfgang Runknagel<br />

Was tun? – schulversammlung 45 stephanie ihlenfeldt<br />

poRTRaiT<br />

anna lóvasz 49<br />

Daniela salzmann 50<br />

TeRMine 53<br />

iMpRessUM 54


6<br />

Erziehung. Strafe. Definitionen.<br />

IM FOKUS<br />

Erziehung und erziehen (von ahd. irziohan „herausziehen”, das nach lat.ēducāre „auf-, großziehen,<br />

ernähren“ gebildet ist) bedeutet, jemandes Geist und Charakter zu bilden und seine Entwicklung zu<br />

fördern.<br />

“Unterrichtsstörungen sind Ereignisse, die den Lehr-Lernprozess beeinträchtigen, unterbrechen<br />

oder unmöglich machen, indem sie die Voraussetzungen, unter denen Lehren und Lernen erst stattfinden<br />

kann, teilweise oder ganz außer Kraft setzen.” l o h m a n n (2003)<br />

Der Begriff “Unterrichtsstörungen” wurde in der pädagogischen Literatur bis in die 90er Jahre vergleichsweise<br />

wenig verwendet. Er rückt jedoch neben einigen anderen dieses Phänomen beschreibenden<br />

Begriffen (z.B. Disziplinkonflikte, schwierige Schüler, Erziehungsschwierigkeiten, Verhaltensprobleme,<br />

bei extremeren Formen verhaltensauffällig, verhaltensgestört) immer mehr in den<br />

Mittelpunkt, wenn es um das Schaffen und Erhalten von lernfördernden Unterrichtsbedingungen<br />

geht. Dies wird auch an der gestiegenen Anzahl an Literatur zu diesem Themenbereich deutlich.<br />

( q u e l l e: w w w. u n t e r r i c h t s s t ö r u n g e n.de)<br />

Erziehungsmaßnahmen sind Reaktionen des Erziehenden, die im Anschluss auf ein positiv oder<br />

negativ empfundenes Verhalten des Edukanten (der/die zu Erziehende) folgen. Die pädagogischen<br />

Handlungen und Mittel werden eingesetzt, um ein Erziehungsziel (individuell) zu erreichen bzw. ein<br />

gewünschtes Verhalten angemessen zu erzielen.<br />

Erziehungsmittel sind zum Beispiel Lob/Tadel, Übung, Ermahnung, Erinnerung, Arbeit, Spiel, Gewöhnung,<br />

Gespräch, Beispiel, Vorbild, Konsequenzen/Belohnen, etc. (…) Im modernen Sinn versteht man<br />

jede Form von positiven (Belohnung) und negativen Rückmeldungen (Konsequenz; im Sinne von<br />

Druckmitteln) als Erziehungsmittel. (…)<br />

Erziehungsmaßnahmen suggerieren in der Regel ihre Wirksamkeit im Hinblick auf den zu Erziehenden.<br />

Dabei wird die Eigendynamik des Kindes oft unterschätzt. Sehr deutlich ist dieses Verhältnis im Umkreis<br />

der negativen Konsequenz zu erkennen: Konsequenz in Form von Strafe bzw. Sanktion wirkt<br />

meist nicht so, wie es vom Erziehenden intendiert ist. Zum Beispiel wird Gehorsam nicht aus Einsicht<br />

heraus betrieben, sondern aus Furcht vor Strafe und Sanktionen. Ebenso tritt bei häufigem Strafen<br />

eine gewisse Gewöhnung ein, was auch die Wirkung negativ beeinträchtigt, bzw. letztlich in Lügen<br />

und Verschweigen gipfelt. Aber auch die kontinuierliche Verstärkung etwa kann Abhängigkeit vom<br />

Erziehenden schaffen, obwohl zum Beispiel Selbstständigkeit beabsichtigt ist. ( q u e l l e: w i k i p e d i a)<br />

Ordnungsmaßnahmen als Erziehungsmaßnahmen<br />

Zur Sicherung des Bildungs- und Erziehungsauftrags oder zum Schutz von Personen und Sachen<br />

können nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit Ordnungsmaßnahmen gegenüber Schülerinnen<br />

und Schülern getroffen werden, soweit andere Erziehungsmaßnahmen nicht ausreichen.<br />

( b a y erziehungs-und unterrichtsgesetz, ar t 86(1))<br />

Der Begriff Strafe bedeutet ´Tadel, Schelte, Sühne für ein begangenes Delikt, Züchtigung´. Mittelhochdeutsch:<br />

strãfe. Das Verb strafen (mhd. strãfen) bedeutet ´mit tadelnden Worten zurechtweisen,<br />

schelten, züchtigen, mit Leibes- oder Geldstrafe belegen´, die Herkunft ist jedoch unbekannt. Das<br />

Verb erscheint um 1200 im Mittelhochdeutschen und löst das althochdeutsche refsen ´schelten,<br />

scharf tadeln, schlagen, strafen´ ab. Eine Beziehung zum altfriesischen straf(f)ia ´bestreiten, schelten´<br />

bietet sich an, so dass das Verb auch aus dem Friesischen ins Hochdeutsche gelangt sein kann.<br />

Älter als die Verwendung im Sinne des körperlichen Züchtigens ist die des Scheltens und Tadelns mit<br />

Worten. ( e t y m o l o g i s c h e s wö r t e r b u c h des deutschen, stichwo r t „ s t r a fe n“, s. 1372)<br />

Allgemein wird Strafe definiert als ein Übel, das jemand einem anderen mit Absicht zufügt, weil<br />

dieser eine missbilligte Handlung begangen hat. Das Ziel des Strafens besteht hier darin, die Wahrscheinlichkeit<br />

künftiger missbilligter Handlungen herabzusetzen. ( b r o c k h a u s- e n z y k l o p ä d i e,<br />

s t i c hwo r t „ s t r a fe“, s. 268) In der Erziehung (Pädagogik und Psychologie) sollen Strafen zur<br />

Unterdrückung von Verhaltensweisen und Einstellungen dienen, die mit dem Erziehungsziel nicht<br />

übereinstimmen ( b r o c k h a u s- e n z y k l o p ä d i e, s t i c hwo r t „ s t r a fe“, s. 268). Sie stellen somit<br />

negative Sanktionen dar, im Gegensatz zu positiven Sanktionen wie Belohnungen (s. dazu auch<br />

Kerner in: k l e i n e s k r i m i n o l o g i s c h e s wö r t e r b u c h, stichwo r t „ s a n k t i o n e n“, s. 438 f.).<br />

7


Der Lehrerfreund rät:<br />

Tipps zum richtigen Bestrafen<br />

8<br />

nur wenige lehrer/innen haben in ihrem langjährigen Berufsleben noch nie<br />

eine/n schüler/in des Zimmers verwiesen oder noch nie einen Klassenbucheintrag<br />

verfasst, denn im Regelschulbetrieb gibt es hin und wieder situationen,<br />

in denen die lehrer/in eine strafmaßnahme durchführen muss. Das ist unvermeidlich.<br />

Schüler/innen akzeptieren Strafen nur dann, wenn sie diese als gerecht<br />

wahrnehmen. Durch nicht korrekt durchgeführte strafmaßnahmen kann sich<br />

das Verhältnis zu den schüler/innen außerordentlich verschlechtern. Um dies<br />

zu vermeiden, orientieren sie sich an den folgenden Tipps.<br />

9<br />

1. STRAFEN SIE TRANSpARENT<br />

Obwohl es sich bei der Strafe um einen “aggressiven Akt” handelt, dient sie einem konstruktiven<br />

Zweck (z.B. Sicherung der Unterrichtsqualität). Benennen Sie deshalb den<br />

Grund für Ihre Strafmaßnahme stets präzise.<br />

Bevor Sie eine Strafe verhängen, müssen Sie diese immer androhen. Die Schüler/in muss<br />

die Möglichkeit haben, die Strafmaßnahme zu vermeiden - oder sie billigend in Kauf zu<br />

nehmen. Es ist ein trockener Deal zwischen Lehrperson und Schüler/in: “Du kannst die<br />

Kreide werfen, kein Problem, aber dann geschieht X.” Kein Grund zur Aufregung.<br />

2. STRAFEN SIE bERECHENbAR<br />

Wenn Sie eine Drohung aussprechen, müssen Sie sie im Aktivierungsfall konsequent<br />

realisieren. Das macht Sie berechenbar und enthebt Sie dem Vorwurf der Willkür.<br />

Regeln sind häufig hilfreich, um zeitraubenden Diskussionen aus dem Weg zu gehen<br />

(“Wer sein Deutschbuch zum dritten Mal vergisst, der ...”). Machen Sie klar, dass diese<br />

Regeln der Aufrechterhaltung der Ordnung dienen und nicht der Befriedigung Ihrer<br />

sadistischen Gelüste. Stellen Sie die Regeln gemeinsam mit der Klasse auf.<br />

3. STRAFEN SIE EMOTIONSLOS<br />

Emotionen wie Zorn oder Hass haben bei der Bestrafungsaktion ebensowenig zu suchen<br />

wie die Freude und Lust. Wenn Sie die Strafmaßnahme explizit angedroht haben und sie<br />

vermeidbar gewesen wäre, dann ist die Bestrafung eine unangenehme Formsache, die<br />

sachlich-kühl erledigt werden kann. Geben Sie der bestraften Person gerne den Hinweis,<br />

dass die Bestrafung keine persönliche Wertung Ihrerseits darstellt und dass Ihnen die Bestrafung<br />

keinerlei Vergnügen bereitet - aber es gibt nun keine Alternative mehr.<br />

In Situationen, in denen Ihr Puls vor Aufregung gestiegen ist, sollten Sie niemals strafen, sondern<br />

die Strafe nur ankündigen und erst dann verhängen, wenn Sie wieder bei Verstand sind.<br />

4. STRAFEN SIE SINNvOLL<br />

Mit Ihrer Strafmaßnahme wollen Sie die betroffene Schüler/in zur Ordnung rufen - nicht<br />

ihm/ihr möglichst viel Leid zufügen. Deshalb müssen Ihre Strafen angemessen und<br />

sinnvoll sein. 15 Seiten aus dem Geschichtsbuch abschreiben ist fast nie angemessen<br />

und zudem völlig sinnfrei. Das wird bei der bestraften Schüler/in negative Emotionen<br />

Ihrer Person gegenüber wecken. Stellen Sie bei Ihren Strafen nach Möglichkeit einen<br />

Unterrichtsbezug her.<br />

5. STRAFEN SIE RüCKSTANDSLOS<br />

Durch das Verhängen der Strafe haben Sie das letzte Mittel gewählt. Wenn die Strafe<br />

vollzogen bzw. abgegolten ist, beginnt der Prozess von Neuem. Nehmen Sie keine emotionalen<br />

Reste mit in die nächste Runde - dieses Recht hat sich die Schüler/in durch das<br />

Absitzen oder Ableisten der Strafe verdient.<br />

FAzIT<br />

Als Lehrer/in sollte man Strafmaßnahmen nach Möglichkeit vermeiden und versuchen,<br />

Probleme durch Gespräche oder Abmachungen gemeinsam mit dem/der betroffenen<br />

Schüler/in zu beseitigen. Das funktioniert in den meisten Fällen, wenn man sich<br />

die dafür erforderliche Zeit nimmt und nach wirklichen, dauerhaften Lösungen sucht.<br />

Wer diese Option nicht vollständig ausschöpft, den wird auch eine gerechte und transparente<br />

Strafkultur nicht vor destruktiven zwischenmenschlichen Spannungen schützen.<br />

h t t p://w w w. l e h r e r f r e u n d.de/in/schule/1 s/tipps-lehrer-bestraf e n


Die Strafe<br />

10 11<br />

Ein Anderes, was sehr zum gesunden Klima in<br />

einer Klassengemeinschaft beiträgt, ist die Art,<br />

wie der Lehrer oder die Lehrerin mit Strafen umgeht.<br />

Der Umgang mit den Strafen ist für unsere<br />

Selbsterkenntnis ein wichtiges Indiz, wie wir in<br />

der Klasse stehen, wie wir mit den Tatsachen in<br />

der Klasse leben. Bekanntlich weckt eine Ungezogenheit<br />

der Kinder leicht unseren Unmut. Das<br />

ist die Falle, in die man als Lehrer hineintappt.<br />

Die tadelnswürdige Tat soll den Lehrer seelisch nicht berühren, er soll frei davon bleiben. Das ist<br />

leicht gesagt, schwerer getan und doch auch wieder nicht so schwer. Um es gelingen zu lassen,<br />

sollte man eisern an dem von <strong>Steiner</strong> gegebenen Grundsatz festhalten: man verurteile die Tat, nicht<br />

den Täter (es sind ja Kinder).<br />

Als Nächstes versuche man, sich zur Sühne etwas möglichst Originelles einfallen zu lassen. Das Originelle<br />

wirkt wie eine Erlösung. Es trägt ungemein zur Lebendigkeit in der Klasse bei, wenn es einem<br />

gelingt, Schablonen wie Abschreiben, Nachsitzen oder aus dem Klassenzimmer schicken zu vermeiden.<br />

Es ist ein Gebiet, wo man direkt die eigene Phantasiefähigkeit prüfen kann.<br />

... ein Beispiel. Ein Neuntklässler gebärdete sich in der Eurythmiestunde ganz unmöglich. Da riss<br />

der Lehrerin die Geduld und sie sagte ihm: „Wissen Sie, wie schwer es ist, eine Eurythmiestunde zu<br />

geben? Bei der nächsten Stunde übernehmen Sie die Hälfte des Unterrichts. Sie werden die Eurythmiestunde<br />

geben, genau 25 Minuten!“ Es wurde eine tolle, unvergessliche Eurythmiestunde. Der<br />

Schüler war seit diesem Zeitpunkt bei der Sache und der Lehrerin in Hochachtung ergeben.<br />

Auch die entdeckte Untat kann zu einer Entwicklung bei einem Schüler und der Klasse führen,<br />

zu einem echten Durchbruch. Das gelingt aber auch hier nur, wenn der Lehrer einen kühlen Kopf<br />

behält. Auf Umwegen wird dem Lehrer berichtet, dass ein Schüler im benachbarten Laden schon<br />

einige Male etwas weggenommen hat. Der Lehrer nimmt den Betreffenden zur Seite und befragt<br />

ihn. Nach einigem Zögern gesteht der Schüler. Der Lehrer geht in das Geschäft und spricht mit dem<br />

Inhaber. Man kommt überein, der Junge soll einige Mittage in dem Geschäft mithelfen.<br />

Nachdem dieser seine Scham überwunden hat, hilft er dort aus, und es entsteht ein ganz herzliches<br />

Verhältnis zwischen dem ‚Sünder‘ und dem Landeninhaber (‚ich war ja auch mal jung‘). Oft wird man<br />

oder die Chance<br />

zur Originalität<br />

erfahren, dass in solchen Fällen auch ein<br />

helfendes, relativierendes Gespräch mit<br />

den Eltern vonnöten ist, um das Kind<br />

nicht unnötig zu bedrängen. Strafe als<br />

Ahndung und Sühne ist im neuen Erziehungsparadigma,<br />

wie es durch die Erziehungskunst<br />

gegeben ist, ein veralteter<br />

Begriff. Er sollte in der pädagogischen<br />

Situation durch die Chance ersetzt werden.<br />

So entpuppt sich Strafe als Chance,<br />

das, was sich nicht richtig entfalten kann, umzugestalten. ‚Strafe geben‘ ist somit auch für den Lehrer<br />

eine Chance, pädagogisch kreativ zu sein.<br />

Wenn ein Zehntklässler in der <strong>Schule</strong> rauchend erwischt wird und das den Schulregeln widerspricht,<br />

was tut man damit dann? Man kann ihm (wie die Schulregeln es fordern) eine Abmahnung geben,<br />

einen Brief an die Eltern schicken..., kurz, das gewohnte bürgerliche Gehabe.<br />

Die Lehrerin oder der Lehrer könnte aber auch so vorgehen: „In 14 Tagen halten Sie in meiner Stunde<br />

einen Vortrag (mit Tafelzeichnungen) über die Pflanze Tabacco Nicotiana, ihr Aussehen, ihre Wachstumsweise<br />

und ihre Wirkung als Heilpflanze.“<br />

So eine ‚Strafe‘ versauert die Seele nicht. Und der Schüler, dem dies widerfuhr, wird sein Leben lang<br />

mit schmunzelnder Seele sich dieser Situation erinnern.<br />

So auch die junge Dame, die in der Abiturvorbereitungsklasse eine einfache Antwort nicht wusste,<br />

worauf der Lehrer – ohne zu schimpfen (!) - ihr drohte, wenn sie es in 30 Sekunden nicht wisse,<br />

würde er, der Lehrer, dieses Stück Wandtafelkreide aufessen. Sie wusste es nicht, und er tat es – zur<br />

Freude aller Beteiligten. Danach erklärte er ihr seelenruhig, wie man sich aus einer Blockade befreit.<br />

Solche Situationen machen das Schulleben retrospektiv erinnerungswert. Aus der Resilienzforschung<br />

weiß man, wie wichtig positive Erinnerungen an die Schulzeit sind...<br />

a u s : c h r i s t o f w i e c h e r t : l u s t a u f s l e h r e r s e i n ? ! ,<br />

v e r l a g a m g o e t h e a n u m 2 0 1 0


Der erzieher muss so wirken,<br />

dass er gewissermaßen das Wahre, Gute und schöne<br />

dem Kinde nicht bloß darstellt,<br />

sondern es ist.<br />

Was er ist, geht auf das Kind über,<br />

nicht, was er ihm lehrt.<br />

<strong>Rudolf</strong> steiner, 1861-1925, aus: Ga 36


Zehn Alternativen zur Strafe<br />

vON JAN HUNT:<br />

‚Mensch Kind‘, anahita Verlag 2010<br />

1. Verhindern Sie das Auftreten von ungewolltem Verhalten, indem Sie die Bedürfnisse<br />

Ihres Kindes erfüllen, wenn sie erstmalig auftreten. Dies ist vielleicht der beste Ansatz. Es verhindert<br />

nicht nur schlechtes Benehmen, es teilt dem Kind auch mit, dass Sie es wirklich lieben. Wenn seine<br />

gegenwärtigen Bedürfnisse erfüllt sind, kann sich das Kind befreit der nächsten Phase des Lernens<br />

widmen.<br />

2. stellen Sie eine sichere, kinderfreundliche Umgebung bereit. Es macht wenig Sinn, kostbare<br />

Dinge in Reichweite eines Kleinkindes aufzubewahren, wenn man sie genauso gut wegstellen<br />

könnte, bis das Kind alt genug ist, vorsichtig damit umzugehen. Bieten Sie älteren Kinder Gelegenheiten<br />

zum aktiven Spiel.<br />

3. Wenden Sie die Goldene Regel an: denken Sie darüber nach, wie Sie gerne behandelt<br />

werden würden, wenn Sie in der gleichen Lage wären wie Ihr Kind - und behandeln Sie Ihr Kind<br />

entsprechend. Ein Mensch ist ein Mensch, ungeachtet des Alters.<br />

4. Zeigen Sie Einfühlungsvermögen für die Gefühle Ihres Kindes. Selbst wenn das Verhalten<br />

des Kindes unlogisch erscheint, sind die zugrunde liegenden Gefühle und Bedürfnisse echt und<br />

14 viele Eltern haben die schädlichen Auswirkungen der körperlichen Strafe erkannt.<br />

Sie haben gelernt, dass ein Klaps, Schläge und prügel nur Gewalt lehren, das Selbst-<br />

müssen ernst genommen werden. Zu sagen „Du sieht richtig unglücklich aus“ ist eine gute Möglichkeit,<br />

einem Kind zu zeigen, dass man sich für seine Bedürfnisse und Gefühle interessiert.<br />

15<br />

vertrauen des Kindes zerstören, Wut hervorrufen, das Lernen beeinträchtigen und der<br />

beziehung zwischen Eltern und Kind schaden.<br />

5. Bestätigen Sie die Gefühle Ihres Kindes, damit es weiß, dass wir es verstehen, dass es<br />

akzeptabel ist, die Gefühle zuzulassen, die man empfindet, und dass es nicht zurückgewiesen wird<br />

Aber zu wissen, was man nicht tun sollte, ist nur der erste Schritt.<br />

aufgrund bestimmter Gefühle, die es hat. Zum Beispiel: „Das hat mir auch Angst gemacht.“<br />

6. erfüllen Sie zunächst das zugrunde liegende Bedürfnis, das zu dem Verhalten geführt<br />

Eltern, die Strafen vermeiden wollen, fragen sich, was sie anstatt dessen tun sollten. Unglücklicher-<br />

hat. Wenn wir das äußerliche Verhalten bestrafen, wird das weiterhin unerfüllte zugrunde liegende<br />

weise empfehlen die meisten Erziehungsbücher und –artikel „Alternativen“, die sich bei näherem<br />

Bedürfnis immer wieder auf anderen Wegen zu Tage treten bis es schließlich erfüllt wird. Ein Beispiel<br />

Hinsehen lediglich als alternative Bestrafungsmethoden entpuppen. Dazu zählen die sogenannten<br />

„logischen“ Konsequenzen, die Auszeit und der Entzug von Privilegien.<br />

wäre hier: „Bist Du traurig, weil Dein Freund wegzieht?“<br />

7. Bleiben Sie auf der Seite Ihres Kindes. Wo immer es möglich ist, sollte eine Lösung gefunden<br />

Alle diese Methoden haben viel gemeinsam mit der körperlichen Strafe, und alle übermitteln die<br />

werden, die für beide Seiten ein Gewinn ist und die die Bedürfnisse aller Beteiligten erfüllt. Um die Fertig-<br />

gleiche Botschaft: dass die Eltern kein Interesse haben an dem zugrunde liegenden unerfüllten Bedürfnis,<br />

das zu dem Verhalten geführt hat, und dass die Eltern bereitwillig ihre Überlegenheit durch<br />

keit zur Konfliktlösung zu erlernen, sollten Sie sich mit der „Gewaltfreien Kommunikation“ beschäftigen.<br />

Körpergröße und Macht über das Kind ausnutzen. Vor allem vermitteln sie dem Kind, dass die Men-<br />

8. Versichern Sie Ihrem Kind, dass es geliebt und geschätzt wird. Sogenanntes schlechtes<br />

schen, die es liebt und denen es vertraut, ihm Schmerzen zufügen möchten. Diese Botschaft macht<br />

Benehmen ist oft der Versuch des Kindes, das Bedürfnis nach mehr Liebe und Aufmerksamkeit aus-<br />

das Kind „verrückt“, weil es im krassen Gegensatz zum intuitiven Verständnis des Kindes steht, wie<br />

zudrücken, auf die beste Art und Weise, auf die es in dem Moment dazu in der Lage ist. Wenn es<br />

sich Liebe darstellen sollte. Und schließlich werden durch all diese Ansätze die besten Gelegen-<br />

dieses Bedürfnis auf eine reifere Art ausdrücken könnte, würde es dies tun. Zum Beispiel könnten<br />

heiten des Lernens verpasst, weil sie das Kind in Rachefantasien ablenken. Es wird zu sehr davon<br />

abgehalten, sich auf das wirkliche Problem zu konzentrieren. Wirkliche Alternativen zur Strafe sind<br />

Sie fragen: „Würdest Du gerne mit mir ein Buch lesen, damit wir etwas Zeit miteinander haben?“<br />

solche, die dem Kind helfen auf gesunde Art und Weise zu lernen und aufzuwachsen. Es gibt wenig<br />

9. sorgen Sie für positive abwechselnde Erlebnisse und produktive Aktivitäten. Bieten Sie<br />

größere Freuden im Leben als einem Kind zu erlauben, uns zu lehren, was Liebe ist.<br />

Buntstifte an, lesen Sie vor, lassen Sie das Kleinkind in der Badewanne spielen oder genießen Sie<br />

Hier sind zehn Alternativen, die dem Kind nur positive, liebevollen Botschaften mitgeben:<br />

einen gemeinsamen Spaziergang. Dies kann die Aufmerksamkeit von einer Situation ablenken, die<br />

zu stressig geworden ist, um sie in dem Moment zu lösen: „Lass uns Knete herstellen!“<br />

10.fragen Sie sich selbst: „Werde ich später an diese Situation zurückdenken und lachen?“<br />

Wenn ja, warum nicht gleich jetzt lachen? Ergreifen Sie die Gelegenheit, die Erinnerung zu<br />

erschaffen, die Sie später gerne an diesen Tag hätten. Die Situationen, die uns am meisten herausfordern,<br />

können entschärft werden, wenn wir zur richtigen Zeit gutmütigen Humor einsetzen: „Oh<br />

nein, ihr habt Euch gegenseitig grün angemalt? Wartet, lasst mich die Kamera holen!“<br />

Durch diese Mittel können wir die aufrichtige Zusammenarbeit herbeiführen, die wir uns wünschen.<br />

Aber unsere größte Belohnung wird eine lebenslange enge Beziehung zu unserem Kind sein, geprägt<br />

von gegenseitiger Liebe und gegenseitigem Vertrauen.


Wie machen es<br />

die in Summerhill?<br />

aus einem interview des Sz-Magazins vom 3.2.<strong>2012</strong> mit zoë Readhead,<br />

der leiterin von summerhill zum Thema Regeln und Konsequenzen<br />

16 17<br />

sZ-MaGaZin: Viele Eltern und Pädagogen sind auch heute noch der Meinung, dass die Erwachsenen<br />

die Familie mit Strenge regieren sollten. Bernhard Bueb, ehemaliger Leiter des Internats Schloss Salem<br />

und Autor des Buches „Lob der Disziplin”, zum Beispiel sagt: »Erziehung ist nur erfolgreich, wenn sie die zu<br />

Egoismus neigende menschliche Natur gegen den Strich bürstet!«<br />

ReaDheaD: Das hat uns auch die Kirche über Jahrhunderte eingeredet: Der Mensch ist in Sünde<br />

geboren. In Summerhill gehen wir von dem Gegenteil aus: Man muss Kindern nicht beibringen, gut<br />

zu sein; alles, was wir tun müssen, ist, sie gut sein zu lassen.<br />

Wenn nun so ein Kind ohne Regeln nach Summerhill kommt …<br />

… hat die Schulversammlung eine Menge zu tun. Summerhill ist eine selbst verwaltete Gemeinschaft,<br />

und in der Schulversammlung, dem zentralen Gremium, werden alle wichtigen Beschlüsse<br />

per Mehrheitsentscheid gefasst. Dort werden auch sämtliche Regeln beschlossen und Verstöße dagegen<br />

geahndet.<br />

Was war die letzte Regel, die die Versammlung beschlossen hat?<br />

Wir haben zum Beispiel letzte Woche abgestimmt, dass man nicht auf die Wege spucken darf. Für<br />

mich ist offensichtlich, dass das nicht geht, aber offenbar nicht für alle. Also brachte jemand den Vorschlag<br />

in die Versammlung, und die Mehrheit hat dafür gestimmt. Oder das Küchenpersonal hat sich<br />

beschwert, dass bei der Essensausgabe oft so ein Lärm herrscht, dass es seine Arbeit nicht tun kann.<br />

Wir haben beschlossen, dass es ab sofort zwei Zuständige gibt, die für Ruhe in der Essensschlange<br />

sorgen. Gut möglich, dass irgendwann alle Schüler und Lehrer diese Regel verinnerlicht haben, dann<br />

schaffen wir sie vielleicht wieder ab.<br />

Wenn Sie von Zuständigen sprechen …<br />

… sind das Kinder. Auch die Schulversammlung wird von einem Schüler oder einer Schülerin geleitet.<br />

Wie viele Regeln gibt es aktuell?<br />

Zwischen 150 und 200.


Das klingt nicht gerade nach viel Freiheit.<br />

Die Zahl ist hoch, aber es sind auch viele Sicherheits- und Hygieneregeln dabei. Was die Freiheit<br />

angeht, sind wir sehr klar: Jeder ist frei, sein eigenes Leben zu leben und zu tun, was ihm gefällt,<br />

solange er damit niemand anderen stört. Aber wenn ich nachts um eins Schlagzeug spielen möch-<br />

te, hört meine Freiheit auf.<br />

18 19<br />

Das Kind, das bisher keine Grenzen kannte, wird sich kaum daran halten.<br />

Dann muss es die Konsequenzen tragen. Die Schulversammlung vergibt für Regelverstöße Strafen:<br />

Das können kleinere Geldbeträge oder eine halbe Stunde Arbeitseinsatz sein. Wer etwas kaputt<br />

gemacht hat, muss es reparieren, oder wer während der Bettruhe Lärm macht, muss früher<br />

schlafen gehen.<br />

Der neue Schüler sagt dann vielleicht: Ist mir doch egal, das mach ich nicht.<br />

Dann bekommt er eine höhere Strafe, und unsere Ombudsmänner und -frauen – ebenfalls Schüler<br />

– versuchen, ihm zu erklären, warum das wichtig ist. Wenn er sich weiter verweigert, muss er die<br />

<strong>Schule</strong> für eine Weile verlassen. Wir haben gerade erst wieder einen Jungen für eine Woche nach<br />

Hause geschickt.<br />

Das kann unter Umständen ein weiter Weg sein: Nur wenige Kinder sind Tagesschüler, die meisten leben<br />

hier im Internat und kommen aus anderen Teilen Englands und der ganzen Welt, ob Korea, den<br />

USA oder Deutschland.<br />

Wir sind da sehr strikt. Das Kind soll sich zu Hause bewusst werden, ob es wirklich hier sein möchte.<br />

Und wenn es das will, muss es auch die Regeln unserer Gemeinschaft akzeptieren.<br />

Wie ist die Wirkung?<br />

Oft ändert sich das Verhalten der Kinder massiv, wenn sie selbst bewusst entscheiden: Ich möchte<br />

auf diese <strong>Schule</strong> gehen! Aber es gibt auch welche, die wir endgültig von der <strong>Schule</strong> verweisen<br />

müssen.<br />

Wie gehen Sie mit Mobbing um?<br />

Das ist bei uns zum Glück kein großes Thema, weil solche Vorfälle immer schnell ans Licht kommen.<br />

Besonders die älteren Schüler sind da wachsam. Aber wer tatsächlich jemand anderen<br />

mobbt, kommt auf die Mobbingliste: Er wird von allen Gemeinschaftsveranstaltungen ausgeschlossen<br />

und muss sich als Letzter in der Reihe beim Essen anstellen.<br />

...


20 21<br />

Zu den Kräften,<br />

welche bildsam auf die physischen organe wirken,<br />

gehört also freude an und mit der Umgebung.<br />

heitere Mienen der erzieher, und vor allem<br />

redliche, keine erzwungene liebe.<br />

solche liebe,<br />

welche die physische Umgebung gleichsam warm<br />

durchströmt,<br />

brütet im wahren sinn des Wortes<br />

die formen der physischen organe aus.<br />

<strong>Rudolf</strong> steiner, 1861-1925,<br />

aus: Die erziehung des Kindes ... (Ga 34)<br />

Die Welt-<strong>Schule</strong> in Rinkeby<br />

...<br />

eine schule, die zu den besten schwedens gehört, obwohl sie in einer der übelsten Gegenden<br />

des landes steht und der Rest schwedens weit entfernt scheint: 99 prozent der<br />

schüler haben nichtschwedische eltern, rund 70 verschiedene ethnien mit ebenso vielen<br />

sprachen teilen sich Klassenzimmer, aula, Mensa, Bibliothek. Das leben. in manchen<br />

Klassen gibt es keine nationalität zweifach.<br />

...<br />

Jeder Regelverstoß wird geahndet<br />

Ein Wissenschaftler, der die Erfolgsfaktoren der <strong>Schule</strong> analysiert hat, nannte die „non-negotiability“<br />

der Regeln an erster Stelle. Über bestimmte Dinge wird hier nicht diskutiert, damit über andere<br />

umso mehr geredet werden kann. Das schaffe ein Klima hoher Stabilität und Verlässlichkeit, eine<br />

wesentliche Voraussetzung für gute Leistungen und das Erlernen sozialer Kompetenzen.<br />

Worüber nicht verhandelt wird, hängt eingeschweißt an den Schwarzen Brettern. Die „Trivsel Reglar“,<br />

die „Regeln der Behaglichkeit“: Du sollst nicht fluchen. Erweise jedem Respekt. Keine Gewalt. Keine<br />

rassistischen Sprüche. Störe nicht die Aktivitäten der anderen. Mehr steht da nicht. In den Klassenräumen<br />

gelten noch ein paar zusätzliche Gebote: Sei pünktlich. Lass jeden ausreden. „Common Sense“,<br />

sagt Ehrstrand. Aber er wird systematisch geübt, etwa bei Zuhör-Übungen in den Klassen, denn<br />

„aufmerksames Zuhören ist der größte Respekt, den man erweisen kann“.<br />

Gar nicht common aber ist, dass an der Rinkebyskolan noch der kleinste Regelverstoß sofort geahndet<br />

wird, konsequent, ohne Ausnahme, seit 20 Jahren. Einmal verspätet ohne triftigen Grund, einmal<br />

zugeschlagen, ein einziger rassistischer Spruch und sofort, das heißt: im Idealfall innerhalb einer<br />

Viertelstunde, sitzen der Mentor des Schülers, einer der Lehrer und die Eltern zusammen und beraten,<br />

was zu tun ist. Meistens ist es nicht viel mehr als ein Gespräch mit dem Delinquenten, selten ein<br />

formeller Tadel. Ein Schulverweis sei noch nicht nötig gewesen, sagt Ehrstrand, denn längst habe<br />

sich eine Kultur geformt, in der Regelbrecher nicht cool, sondern doof seien.<br />

Allerdings vertrauen die Lehrer nicht allein der Kraft der Worte. Um Ärger zu vermeiden, haben sie<br />

die gemeinsamen Pausen aller Schüler abgeschafft. 340 Jugendliche auf dem Schulhof - das mutet<br />

sich hier niemand zu. Im Vergleich ist die Mühe, zeitversetzte Stundenpläne für jede Klasse auszuarbeiten,<br />

ein Vergnügen.<br />

…<br />

a u s b r a n d e i n s , h e f t 5 / 2 0 1 1<br />

© 1999-<strong>2012</strong> brand eins | Webhosting by SysEleven | Inhaltsverzeichnis


Es war einmal ein dickes Mädchen. Ihre Eltern waren reich. Dieses Mädchen liebte einen Jungen.<br />

Er ging in dieselbe <strong>Schule</strong> wie sie. Eine Waldorfschule.<br />

Dieser Junge lebte bei seiner Mutter. Die Mutter war arm. Der Junge malte und zeichnete gerne.<br />

Eines Tages gab ihm seine Mutter ein paar Euro mit auf den Weg. Weil es in einem großen Kaufhaus in der<br />

22<br />

GLOSSE<br />

Nähe der <strong>Schule</strong> Sprayfarben billig gab. 1 Euro die Dose. Der Junge kaufte sich fünf Dosen und nahm sie<br />

mit in die <strong>Schule</strong>. Die Waldorfschule. Nach der <strong>Schule</strong> spielte er mit seinen Freunden Fußball im Hof der<br />

<strong>Schule</strong>. Sie sprayten Farbe auf ihre Schuhe. Aus Spaß. Das dicke Mädchen saß auf einer Bank und schaute<br />

den Jungen beim Fußballspielen zu. Niemand beachtete sie. Auch der Junge nicht. Da nahm sie eine<br />

Spraydose und sprayte auf eine Wand der <strong>Schule</strong>: Sind wir nicht alle ein bisschen Waldorf?<br />

Am nächsten Tag rief die <strong>Schule</strong> bei der Mutter des Jungen an. Ihr Junge sei gesehen worden. Mit Sprayfarben.<br />

Die Mutter sprach mit dem Jungen. Es war das dicke Mädchen, sagte er. Das sagte er auch in der<br />

<strong>Schule</strong>. Aus Angst vor Strafe. Der Sohn sprach mit dem dicken Mädchen am Telefon. Sie war stolz auf ihre<br />

Tat. Sie wollte den Jungen beeindrucken. Ihrer Mutter hat sie gesagt, dass sie nichts mit der Tat zu tun<br />

habe. Aus Angst vor Strafe.<br />

Die reiche Mutter ging mit der Tochter in die <strong>Schule</strong>. Sie wollte die Übeltäter finden. Damit die Richtigen<br />

bestraft würden. Die Tochter hatte gesagt, dass es die Fußball spielenden Jungs waren. Und dass sie nicht<br />

genau wisse, wer es war. Damit niemand bestraft würde. Die Tochter zeigte wahllos auf verschiedene<br />

Jungs. Die waren es. Als der Junge das sah, sagte er: Es sind meine Farben gewesen. Damit nicht die<br />

Falschen bestraft würden. Die <strong>Schule</strong> ließ kostenaufwendig die Farbe entfernen. Die reiche Mutter und<br />

die arme Mutter wurden verpflichtet, sich die Kosten zu teilen.<br />

23<br />

„Aus Angst vor Strafe<br />

oder sind wir nicht alle<br />

ein bisschen Waldorf?“<br />

Es gab keine Strafe, weil es keine bekennenden Täter gab. Die größte Strafe war eine Geldstrafe für<br />

die Mutter des Jungen: aus ihren geringen Mitteln musste sie die teure Reinigung der Wand bezahlen.<br />

Hat sie die Straftat verursacht, weil sie die Tatgegenstände finanziert hat? Ist somit die Tat<br />

gesühnt und die Strafe an der richtigen Adresse gelandet?<br />

Um Strafe abzuwenden haben die Kinder sowohl gepetzt als auch geschwiegen.<br />

Sie haben sich bekannt und verleugnet.<br />

Aus Angst vor einer unbekannten Bestrafung.<br />

Wovor genau hatte das dicke Mädchen Angst. Angst vor Liebesentzug? Wovor der Junge?<br />

Wäre er als möglicher Täter von der <strong>Schule</strong> bestraft worden? Wie?<br />

Vielleicht hätte ein präzises Regelwerk die Straftat verhindert oder modifizierbar gemacht und die<br />

Strafe für die Täter kalkulierbar:<br />

„Auf das Bemalen von schuleigenen Wänden steht pro Quadratmeter Fläche das Reinigen von je<br />

einer Toilette.“<br />

Die Angst vor Bestrafung scheint jedenfalls eher zu Verschleierung als zur Klärung von Tatsachen<br />

beizutragen.<br />

DoRoThea seRoR


Verlorene, Gescheiterte, Verwirrte,<br />

Suchende, Vorwurfsvolle, Liebende ...<br />

Rückblick auf einen präzisen dramatischen<br />

Bilderbogen außer-ordentlicher<br />

Beziehungen<br />

Wer `Das Leben auf der Praca Roosevelt´<br />

sah, im `Theater Leo 17´ dargestellt von<br />

unserer Zwölften Klasse in der Woche vor<br />

den Faschingsferien, erinnert sich: an eine<br />

Bühne, in deren Hintergrund auf halber<br />

Höhe dunkle Gestalten den Betrachter im<br />

24 AUS DEM SCHULLEbEN<br />

Zweifel ließen, ob sie den Platz vor ihnen<br />

gelangweilt anschauen, neugierig beobachten<br />

oder (an)gespannt observieren; an<br />

die Isoliertheit bestimmter Stellen, Nischen<br />

und Milieus auf der Praca; an die vom Polizisten<br />

genannten Gegensätze von Bordell<br />

und Klinik, Bingohalle und Büro, Transenstrich<br />

und Kleinfabrik; an den Bruch zwischen<br />

anfänglich harmonisch tanzenden<br />

Paaren und nachfolgend disharmonisch<br />

agierenden Einzelnen; an hoffnungsvolle<br />

und klagende, kühle und schrille, schroffe<br />

und stumpfe, vertrauliche und vorwurfsvolle,<br />

melancholische und zynische Töne in<br />

alles überdunkelnder Nacht; an einander<br />

sich Reibende, Stoßende in gewohnten<br />

und an einander Annehmende, Wärmende<br />

in ungewohnten Verbindungen; an eine<br />

mehrsträngig verwobene Kette schlaglichtartiger<br />

Charakter- und Beziehungsstudien;<br />

an ein starkes, stark nachwirkendes,<br />

psychologisch präzises, Täter und Opfer,<br />

Mächtige und Ohnmächtige realistisch porträtierendes<br />

Stück – bewährt professionell<br />

25


einstudiert durch Regisseur Bodo Bühling und<br />

Regie-Assistentin Konstanze Kennerknecht,<br />

gesanglich brasilianisch temperiert von<br />

Chorleiterin Elfriede Gröbl, im Kostüm originell<br />

profiliert von Katharina Brunnenkant, tontechnisch<br />

geschickt moderiert von Sebastian Rühle<br />

(12. Klasse).<br />

Im Gedächtnis bleibt der künstlich beatmete,<br />

im Koma auf dem Krankenbett liegende<br />

Polizist Mirador, dem die Ehefrau viel vorhält:<br />

Orangenkonsum, falsche Einstellung, falschen<br />

Beruf, Schuld am Tod des Sohnes, eines ebenfalls<br />

massenhaft Orangen Essers. Der mitleidlos<br />

Kritisierte sieht seinen Dienst als sinnlos an,<br />

sich zum Glück nicht in die Geschäfte seiner<br />

Kollegen verwickelt, das zufällige Zusammentreffen<br />

mit seinem Sohn auf der Praca als<br />

wusste Frau, die ihren Mann „zum Teufel“<br />

schickte, ihre erwachsenen Kinder zu Unabhängigen<br />

von sich erzog, gern den hübschen<br />

Polizisten-Sohn in der Firma gehabt hätte;<br />

die niemandem hat, dem sie etwas von ihrem<br />

Krebs sagen kann; die gern ihren Neffen auf<br />

dem Armenfriedhof besucht, dort Aurora<br />

kennenlernte.<br />

Auch das Bild von Aurora bleibt haften: als<br />

Kennerin des latenten örtlichen Gewaltpotenzials<br />

warnt sie Mundo, als alte, immer noch attraktive<br />

Nachtclub-Sängerin und Transsexuelle<br />

teilt sie ihre Bude mit Transe Bibi, katzenallergisch<br />

hält sie Distanz zu Freundin Concha.<br />

Unvergessbar: der Mann mit Anzug, Koffer und<br />

Handy, rasender Arbeitsucher; ohne Geld für<br />

die Fahrt zur fernen Vater-Beerdigung; vor der<br />

Unglücksbeginn, den Platz als schiefen Ort, wo Wahl, eine seiner 3 Habseligkeiten zu verkau-<br />

26 die Dealer auf Bäumen wohnen und den Leufen; Jongleur im Telegrammstil, in auswegloser<br />

27<br />

ten auf den Kopf spucken oder pinkeln, ohne Situation.<br />

mit Widerstand rechnen zu müssen.<br />

Nicht zu vergessen: die ihre Identität verlie-<br />

Erinnerbar bleiben zwei ehemalige Kollegen rende, weil per PC verdoppelte Maria, die<br />

des arbeitslosen, fast stumm, mit Augenblen- kritische, komische und einsame Glückszahden<br />

auf dem Platz hockenden, alles hörenden, lensprecherin Bingo, die „überirdisch schöne“<br />

allen ratenden Mundo: ängstlich, ebenso rasch Transe Susana, die Frau mit Knochen, der<br />

entlassen zu werden; verständnislos für sein Mann mit Elefantenkrankheit.<br />

Anhören der Lebensgeschichten, die ihm die Gesamtbild: Die Liebe ist bei den Verrufenen<br />

Leute erzählen, und für sein anschließendes und Verelendeten, die Lieblosigkeit bei den<br />

Fürbitten-Schreiben; schwankend zwischen Bürgerlichen und Besitzenden, das Stück<br />

Belustigung und Bemitleidung.<br />

beiläufig ein Lehrstück über Schein und Sein,<br />

Weiter im Sinn bleibt der Fabrikbesitzer Vito: über Maske und Charakter, über Vorurteil und<br />

begierig, nach seinem Befinden, nicht nur dem<br />

seines Geschäfts gefragt zu werden; überdrüs-<br />

Wahrheit – nachdenklich machend.<br />

sig allen vom Vater übernommenen Materials<br />

und Personals, speziell des seiner Sekretärin<br />

Concha anhaftenden Katzendreck-Gestanks<br />

(der sich als Geruch ihrer Medikamente gegen<br />

Krebs herausstellt); mitleidlos gegenüber den<br />

von ihm Entlassenen, ein Verhungernde gegen<br />

Erschossene Aufrechnender.<br />

Eingraviert hat sich Concha: die selbstbe-<br />

W. RUnKnaGel


Paris on t’aime!<br />

28 29<br />

Wer hätte gedacht, dass München nur ein Vorort von Paris ist?! Im Morgengrauen stiegen wir in ir-<br />

gendeinen harmlos aussehenden Zug und landeten mittags in Paris. Von da an wirbelten wir durch<br />

fünf wunderschöne Tage.<br />

Geleitet von unserem Führer George, alias „Schorschi“, erlebten wir die Stadt von allen Seiten: Notre<br />

Dame, Louvre, Le Marais, Place des Voges, Eiffelturm, Sacre Cœr, Moulin Rouge, Arc de Triomphe,<br />

Champs Élisées und viele andere schöne Dinge. Wir aßen Couscous, Crèpes und meterlange Baguette.<br />

Schorschi brachte uns mit schimpansenartiger Mundakrobatik nicht nur die Stadt, sondern auch die<br />

französische Sprache näher: „Ça c’est une träh,träh wijäii égli-sehh!!“<br />

Der krönende Abschluss unserer Fahrt war eine nächtliche Schifffahrt auf der Seine, bei der wir unter<br />

anderem Herrn Blasks Geburtstag mit Kinderchampagner, Fertigkuchen und Strampelanzügen feierten.<br />

Diese tolle Reise verdanken wir nicht nur der Stadt, sondern auch unseren Betreuern: Frau Schützenberger,<br />

Herrn Blask und vor allem Frau Steinle, die nicht nur alles fantastisch organisiert hatte, sondern<br />

auch immer gut gelaunt und gut geschminkt war.<br />

Josefine oelschleGel, 11. Klasse


… Puis tout le groupe est allé au Louvre<br />

et nous avons visité le Louvre médiéval.<br />

Nous avons vu des sculptures greques et<br />

des peintures, comme la Joconde. C‘était<br />

magnifique, mais deux heures n‘étaient pas<br />

assez pour vraiment tout regarder!<br />

Josefine oelschleGel<br />

Dienstag begann unser Tag mit der<br />

Besichtigung des Platz Trocadéro. Dort<br />

angekommen, erblickten wir in der Ferne<br />

den Eiffelturm, umgeben von einer dicken<br />

Nebelschicht.<br />

In die Bodenplatten waren mehrere<br />

Inschriften eingemeißelt. Eine war die<br />

Erklärung der Menschenrechte, welche<br />

sinngemäß verhieß: Freiheit, Gleichheit,<br />

Brüderlichkeit für alle. Die andere war eine<br />

Hommage an die Journalisten und war der<br />

Denk- und Meinungsfreiheit gewidmet.<br />

Unsere Besichtigung wurde von einem<br />

sehr erschreckenden Zwischenfall unterbrochen.<br />

Ein Schwarzer hatte vermutlich<br />

Taschendiebstahl begangen und wurde von<br />

zwei zivilen Polizisten verfolgt. Als sie ihn<br />

hatten, schlugen sie brutal auf ihn ein und<br />

als er schließlich am Boden lag, hörten sie<br />

nicht auf. Final führten sie ihn in Handschellen<br />

gelegt ab. Ihm war die Ausweisung<br />

nun sicher.<br />

lena TilK<br />

30 31<br />

Der Canal Saint-Martin ist ein Schifffahrtskanal<br />

im Nordosten von Paris... er<br />

wurde im Jahr 1825 eröffnet, nachdem sein<br />

Bau unter der Herrschaft von Napoleon Bonaparte<br />

im Jahr 1802 beschlossen worden<br />

war. … Nach seiner Sanierung wird der<br />

Kanal heute hauptsächlich von Ausflugsschiffen<br />

genutzt. Die Umgebung ist zu<br />

einem beliebten Erholungsgebiet geworden.<br />

Benno UnD siMon<br />

„Concierge“ wurde in Frankreich ursprünglich der<br />

Türwärter oder Pförtner einer Burg genannt.<br />

Sie liegt auf der l‘Île de la Cité, im Herzen von Paris.<br />

Sie ist ein Teil des Palais de la Cité. Heute ist<br />

die Conciergerie Sitz der Justizverwaltung. Kleine<br />

Teile sind für die Öffentlichkeit zugänglich.<br />

Vom 10. bis 14. Jahrhundert war die Conciergerie<br />

Sitz der französischen Könige. Während der französischen<br />

Revolution diente sie als Gefängnis, von wo<br />

die Gefangenen zur Guillotine geschickt wurden.<br />

Während der französischen Revolution, wurden<br />

ca. 2780 Menschen in drei Wochen hingerichtet,<br />

genannt wurde diese Periode « La Terreur ».<br />

Es gab insgesamt drei Arten von Zellen für die<br />

verschiedenen Bevölkerungsschichten. Einfache<br />

Leute bekamen eine Zelle zu mehreren und mit<br />

Stroh ausgelegt, diejenigen, die etwas mehr Geld<br />

zur Verfügung hatten, bekamen ein Bett in einer<br />

Zweier-Zelle, die Reichen konnten sich eine alleine,<br />

mit Bett und Tisch, erkaufen. Dazu kamen noch die<br />

Register-, Waffenkammer und die, in der die Verurteilten<br />

für ihre Hinrichtung vorbereitet wurden,<br />

d.h. ihnen wurden die Haare geschnitten und sie<br />

mussten ein besonderes Gewand anziehen.<br />

Es gab zwei verschiedene Arten, hingerichtet zu<br />

werden: Wenn jemand hingerichtet werden sollte,<br />

konnte er dem Henker Geld geben, damit dieser die<br />

Hinrichtung schnell und schmerzlos vollzog. Konnte<br />

man ihn nicht bezahlen, ließ er sich Zeit und<br />

machte daraus eine große Show für die Zuschauer.<br />

Im Laufe der Zeit entwickelten sich andere<br />

Hinrichtungsmethoden. Der Elektrische Stuhl,<br />

bei dem die Hinrichtung 3-7 Minuten dauerte.<br />

Bei Gas dauerte es bis zu 10 Minuten und bei der<br />

Giftspritze konnte es bis zu 20 Minuten dauern.<br />

Wenn man das bedenkt, war die Guillotine noch die<br />

schmerzloseste Variante. In Frankreich wurde die<br />

Todesstrafe unter François Mitterrand im Jahre<br />

1980 abgeschafft....<br />

anna schReiBeR UnD Josefine oelschleGel


32<br />

Berlin – eine Woche politikkulturelle Vollwertkost<br />

für auskunfthungrige Jugendliche<br />

7 Gründe für die Beliebtheit der Bildungsfahrt in<br />

die Bundeshauptstadt bei unseren Elftklässlern<br />

1. Unser Reisebusfahrer chauffiert uns (zeit)punktgenau zu unseren Zielen: Am Samstag ist ab<br />

15.00 Uhr die Stadtrundfahrt in Potsdam geplant – 2 Ampelschaltungen später treffen wir ein; am<br />

Freitag ist der letzte Termin für 15.00 Uhr bei der Chinesischen Botschaft vereinbart – trotz Wochenendverkehr<br />

und Umleitung kommen wir 4 Minuten danach an.<br />

2. An jeder Adresse stehen auf unseren Besuch vorbereitete Menschen bereit und empfangen<br />

uns ausgesprochen freundlich, manchmal mit gastlichem Tisch: `Linke´, CDU und Bayerische Landesvertretung<br />

bieten Getränke zu freier Wahl; die SPD offeriert Orangensaft und Kaffee, macht ein<br />

Foto der Klasse und schenkt es nach einer Viertelstunde jedem Mitglied; CSU-MdB Johannes Singhammer<br />

lädt zu Speis’ und Trank ins Besuchergruppen-Restaurant des Bundestags ein; die Chinesische<br />

Botschaft serviert einen Imbiss.<br />

3. Überall werden wir beschenkt - mit Aufmerksamkeit, Zeit, fundiertem Wissen: In Potsdam<br />

ist die Stadtführerin so gut, dass der viele Vergleichsmöglichkeiten besitzende Busfahrer sie nach<br />

dem ersten Kennenlernen vor ein paar Jahren sofort seinem Arbeitgeber für diesen Ort empfahl;<br />

im Jüdischen Museum erwartet uns ein Trio, das uns in 3 Gruppen durch 3 Themen-Bereiche führt:<br />

eine junge Frau verlängert das Gespräch mit ihren aktiven Zuhörer/inne/n um eine halbe Stunde; im<br />

Atomschutzbunker unter der Ausstellung `Story of Berlin´ gibt ein junger Mann doppelt so lang wie<br />

üblich Auskunft und erweitert die Führung auch räumlich angesichts von Fragenfülle und Sonderwunsch;<br />

im Ex-Stasi-Gefängnis Hohenschönhausen spricht einer von 2 Zeitzeugen mit seiner Gruppe<br />

über 30 Minuten länger als üblich aufgrund des an seinem Schicksal gezeigten Interesses; im<br />

Mauermuseum am Checkpoint Charlie beendet ein ehemaliger Offizier der Nationalen Volksarmee,<br />

Flüchtling aus der DDR und Fluchthelfer Führung und Vortrag 45 Minuten später als vorgesehen,<br />

weil ihm bis kurz vor 22 Uhr und bis dahin fast volle 3 Stunden lang sehr aufgeschlossen zugehört<br />

wird; auf der Berliner Rundfahrt im Videobus zu `Orten der Demokratie´ spricht ein studierter Stadtführer<br />

2 Stunden lang perfekt strukturiert und engagiert, kompetent und eloquent über doppelt<br />

anschaulich gemachte Brennpunkte politischen Geschehens.<br />

4. Nirgends liegen politisch-kulturelle Orte und Themen räumlich und zeitlich so dicht erlebbar<br />

beisammen: Am Sonntag ließen sich binnen Kurzem Jüdisches Museum und Klezmer-Musik im Jüdischen<br />

Theater wahrnehmen, am Montag das Holocaust-Denkmal und die Gedenkstätte `Topographie<br />

des Terrors´ auf dem Reichssicherheitshauptamt-Gelände; am Dienstag die ehemalige Zentrale<br />

der DDR-Staatssicherheit, ihr Gefängnis für politische Häftlinge und ein von ihr mit Mordabsicht Verfolgter;<br />

am Mittwoch 3 von 6 Parteien in ihren Zentralen oder im Berliner Abgeordneten-Haus; am<br />

Donnerstag Bundeszentrale für politische Bildung, Bundestag-Plenarsitzung, MdB-Gespräch und<br />

politisches Kabarett; am Freitag die Landesvertretung Bayerns und die Botschaft Chinas.<br />

33


5. Politik wird intensiv wie sonst nirgends und nie individuell und vielfältig erfahrbar: Dem theo-<br />

rienbildend ausholenden und kritisch reflektierenden `Linken´ folgt eine systematisch erläuternde,<br />

auf korrektes Deutsch achtende junge US-Vizekonsulin, ihr ein versierter Bundesrat-Darsteller und<br />

-Rollenspielleiter, diesem ein routinierter FDP-Mann, ihm ein konkrete Fakten und Zahlen einbringender<br />

SPD-Repräsentant, dem ein alternativer und basisdemokratisch dominanter `Pirat´, diesem<br />

ein mit großen Themen und Perspektiven befasstes CSU-Fraktionsmitglied, ihm ein informativer Bayern-Vertreter,<br />

dem eine junge, konservative CDU-Frau, ihr ein in sich konträres kleines chinesisches<br />

Team.<br />

6. Die <strong>Schwabing</strong>er <strong>Steiner</strong>-Schüler genießen einen guten Ruf: explizit bei der Potsdamer<br />

Stadtführerin,bei einem der Zeitzeugen im früheren Stasi-Gefängnis, bei dem DDR-Flüchtling und<br />

-Fluchthelfer im Mauermuseum, in der Bundeszentrale für politische Bildung.<br />

Dadurch entsteht aber<br />

eben erst das richtige Bewusstsein im lehrer.<br />

Und das hat er, wenn er sich sagt:<br />

Jede erziehung ist im Grunde genommen<br />

selbsterziehung des Menschen.<br />

[...] Jede erziehung ist selbsterziehung, und wir<br />

sind eigentlich als lehrer und erzieher<br />

nur die Umgebung des<br />

sich selbst erziehenden Kindes.<br />

Wir müssen die günstigste Umgebung abgeben,<br />

damit an uns das Kind sich so erzieht,<br />

wie es sich durch sein inneres schicksal<br />

erziehen muss.<br />

7. Das Bemühen der Parteien um Interesse der Jugend ist groß: Die Grünen konnten uns wegen<br />

eines Gauck-Besuchs nicht empfangen; dafür kommt ihre Fraktionsvorsitzende aus dem Bayerischen<br />

Landtag am 8.3. für 2 Stunden in die elfte Klasse. Sehr willkommen.<br />

W. RUnKnaGel<br />

<strong>Rudolf</strong> steiner,<br />

aus:, Ga 306, s. 131 vom 20.4.1923<br />

34 35


Eine in die Jahre gekommene<br />

Klassengemeinschaft.<br />

Am 1. September 1948, etwas mehr als 3 Jahre nach dem Ende des 2. Weltkrieges, hatte Dr. Karl Pollmann,<br />

der Klassenlehrer der neuen 1. Klasse, „seine“ Kinder zum ersten Mal um sich geschart. Es war<br />

der zweite Jahrgang der neu gegründeten <strong>Rudolf</strong>-<strong>Steiner</strong>-<strong>Schule</strong> in München, damals in der Baracke<br />

Leopoldstraße 46 a, hinter dem damaligen Goethesaal. Heute steht dort das Haus der Christengemeinschaft.<br />

In einer heute unvorstellbar kargen, für die Erwachsenen nach traumatisierenden Kriegsereignissen<br />

schweren Zeit durften wir Kinder damals dank Eltern und <strong>Schule</strong> im Vertrauen in die Welt aufwachsen.<br />

Die uns umgebenden Ruinen waren mehr interessant und abenteuerlich als erschreckend, die<br />

Not konnten wir als solche nicht erfassen, wir kannten ja kein anderes Leben und überdies konnten<br />

wir den Wiederaufbau lernend beobachten. Bis zu 13 gemeinsame Jahre haben wir miteinander<br />

verbracht. Man lernt sich gut kennen in solch langer Zeit, bis hinein in die Wesensart und Körpersprache.<br />

Auch nach 50 Jahren und mehr erlebt man spontan die Vertrautheit mit einem - inzwischen älter<br />

Ein schon in der <strong>Schule</strong> ambitionierter Geiger schilderte seinen Beginn als 17-Jähriger im Gärtnerplatztheater,<br />

seinen Aufstieg dort zum Konzertmeister, den Wechsel zu den Berliner Philharmonikern, die<br />

Gründung der Berliner Solisten und die Geschäftsführung der Gesellschaft der Berliner Philharmoniker.<br />

Schlusspunkt war die künstlerische Intendanz der Münchener Philharmoniker in der Zeit ihres Chefdirigenten<br />

James Levine.<br />

Nur wenige der Berichte können hier skizziert werden. Weitere Berufsleben, u.a. als Malerin, Betriebswirtschaftler,<br />

Keramikerin, Buchhandelskaufmann, Gold- und Silberschmiedin, Steueranwalt, Rechtsanwalt<br />

und Abgeordneter des Bayerischen Landtags, Architekt, Puppenspieler bereicherten die Palette.<br />

Was aber von allen als eine gemeinsame Grundlage für das berufliche Leben hervorgehoben wurde,<br />

war das reiche Rüstzeug, das jeder von der <strong>Schule</strong> mitbekommen hat, das jeden befähigte, in seiner<br />

ganz eigenen Art seine Frau, seinen Mann zu stehen. Alle sprachen große Anerkennung aus für ihre<br />

<strong>Schule</strong>, die ihnen neben dem lebenspraktischen Wissen vor allem Vertrauen und innere Sicherheit auf<br />

den Lebensweg mitgegeben hat.<br />

Wenn das bei einem Rückblick auf 50 Jahre des Erwachsenenlebens von einer Klassengemeinschaft<br />

übereinstimmend gesagt werden kann – gibt es einen schöneren Dank an die ehemalige <strong>Schule</strong>?<br />

MATHIAS UEbLACKER<br />

36<br />

gewordenen - Gesicht, noch bevor man den Namen des Mitschülers parat hat.<br />

Am 12. November 2011 traf sich die Klasse wieder, zwar nicht zum ersten Mal, jetzt aber 50 Jahre nach<br />

dem Abitur oder anderen Abschlüssen. Von den 56 Schülern, die wir im Maximum waren, konnten<br />

immerhin 23 anwesend sein und sich freuen, dass mit Frau May auch noch eine unserer LehrerInnen<br />

gekommen war; derer, die uns inzwischen verlassen haben, gedachten wir in liebevoller Erinnerung.<br />

Der längste, spannendste Teil des Treffens gehörte den Berichten der Ehemaligen über ihren Lebensweg.<br />

Hier öffnete sich ein weites Panorama individueller Wege auch derjenigen, die schon vor dem<br />

Abitur ins Leben gestartet waren.<br />

Auf die SEKKEM – Farm von Ibrahim Abouleish nahe Kairo führte der Bericht unseres Mitschülers, der<br />

Pharmazie studiert und den väterlichen Betrieb übernommen hatte. So war er in Kontakt gekommen<br />

mit dem biologisch-dynamischen Landwirtschaftsunternehmen in Ägypten, das seit 1977 seinen<br />

einheimischen Arbeitern nicht nur Arbeit, sondern auch Bildung gibt, heute vom Kindergarten über<br />

die <strong>Schule</strong> bis zur Hochschule. Bis heute ist er ein enger Berater dieser Initiative.<br />

Ein Klassenkamerad, Rechtsanwalt mit ebenso sportlichem Können wie ebensolchem Ehrgeiz, hatte<br />

Deutschland bei zwei Olympiaden als Fechter vertreten und setzt seine Kunst heute in übertragenen<br />

Sinn für seine Mandanten ein.<br />

Eine Mitschülerin dirigierte als Chefsekretärin die entsprechende Etage bei Siemens, ein Architekt mit<br />

Schreiner-Gesellenbrief war als Vertreter des Freistaats für das gesamte baurechtliche Genehmigungsverfahren<br />

beim neuen Münchener Flughafen verantwortlich.<br />

Sein Psychologiestudium hier und in den USA (Harvard University) führte einen Mitschüler zu einer<br />

Professur in Groningen / Holland. Seine Emeritierung wurde bereits zum zweiten Mal verschoben, weil<br />

die Forschung zur Frage, wie das Umfeld, sozial und von den örtlichen Gegebenheiten her, das Verhalten<br />

eines Menschen beeinflusst, unbedingt fortgesetzt werden soll, jetzt, da die praktische Umsetzung<br />

der Ergebnisse in Amsterdam positive Auswirkungen auf das Verhalten junger Menschen hat.<br />

37<br />

schUlanfanG 1948


BISTRO BOOMT<br />

Unser Bistro leo 17 erfreut sich dank des Kochs Bobi filipovic und seines Teams größter<br />

Beliebtheit. Und Küche und speiseraum platzen aus allen nähten! Besonders in der<br />

kalten Jahreszeit haben wir das deutlich zu spüren bekommen. ein paar initiativen sollen<br />

die situation verbessern:<br />

1. Es wäre wünschenswert, wenn möglichst viele Gäste die Bistro-Essensmarken nutzen, dann wird<br />

das Warten in der Schlange kürzer! Als Anreiz gibt es beim Kauf von 10 Essensmarken jetzt eine<br />

Essensmarke gratis dazu! Vorverkauf jeden Morgen bei Mila im Bistro.<br />

2. Alle Horte haben gemeinsam einen Zeitplan entwickelt, nach dem sie versetzt zum Essen gehen,<br />

damit sie einander nicht „im Wege“ sind und nach Möglichkeit auch mit dem Essen fertig, wenn um<br />

13:15h der Ansturm der höheren Klassen kommt.<br />

3. Wir alle sind aufgerufen, Jacken und Taschen an der Garderobe zu lassen, dann wird das Geran-<br />

gel zwischen den Stühlen weniger.<br />

38 39<br />

4. Mittels einer kleinen Baumaßnahme voraussichtlich an Decke und Wänden soll die Akustik im<br />

Bistro verbessert werden, Thomas Kubsa aus dem Baukreis hat sich dieses Projektes jetzt angenommen.<br />

5. Und langfristig dürfen wir auf Entlastung hoffen: Im Zuge der Überlegungen und Vorbereitungen<br />

für eine bauliche Erweiterung unserer <strong>Schule</strong> ist auch eine Vergrößerung des Speiseraums<br />

und der Küche vorgesehen.<br />

Bobi und sein Team kochen durchschnittlich 140 Mittagessen pro Tag und bereiten etwa 60 Brotzeiten<br />

vor. Im Herbst vergangenen Jahres stand der Kindergarten in der Kantstraße plötzlich ohne<br />

Caterer da, seither kocht Bobi auch noch 50 bis 60 Essen für den Kindergarten. Ein wahres Virtuosenstück<br />

in der kleinen Küche! Frau Hahnemann, die seit zwei Jahren das Bistro als schuleigenen<br />

Betrieb leitet, setzt darauf, dass sich die Versorgung des Kindergartens - zunächst für ein Jahr auf<br />

Probe - auch wirtschaftlich positiv auswirken wird.<br />

Mit dem vergangen Schuljahr war unsere Teilnahme an der Fördermaßnahme „Bio für Kinder“ der<br />

Stadt München und des Tollwood-Festivals ausgelaufen. Die Umstellung unserer Schulverpflegung<br />

auf 100% Bio-Lebensmittel und die Wandlung des Bistro Leo 17 in einen schulvereinseigenen<br />

Zweckbetrieb verdanken wir dieser zweijährigen Unterstützung.<br />

Wir bedanken uns beim Küchenteam und bei Frau Hahnemann für ihren tatkräftigen Einsatz.<br />

MaRia Knilli füR Den eRnähRUnGsKReis


Jahresabschlußbericht zum Schülerprojekt<br />

„Schüler helfen Roma-Familien in Rumänien“<br />

seit 2002 absolvieren einige oberstufenschüler der <strong>Rudolf</strong>-steiner-schule Münchenschwabing<br />

regelmäßig ein dreiwöchiges sozialpraktikum im Dorf Rosia in siebenbürgen/<br />

Rumänien. Ziel des praktikums ist es u.a., zur Verbesserung der lebensumstände von Roma<br />

in Rumänien beizutragen.<br />

In den vergangenen 10 Jahren renovierten die Schüler viele Wohnhäuser bedürftiger Romafamilien,<br />

deren Kinder die Hans Spalinger Waldorfschule besuchen. Außerdem wirkten sie mit an der Errichtung<br />

eines Mensagebäudes sowie am Erhalt der Schulanlage. Zur Verbesserung des Freizeitangebots<br />

für Romakinder installierten sie eine Outdoor-Tischtennisplatte und beteiligten sich am Neubau des<br />

Dorffußballplatzes. Zudem wird jährlich eine Weihnachtspaketaktion für bedürftige Roma in Rosia und<br />

umliegenden Dörfern durchgeführt.<br />

Seit 2007 existiert der gemeinnützige Verein Pro Rosia e.V., der die oben genannten Aktivitäten koordiniert<br />

und finanziert.<br />

in einem Klassenzimmer betreut.) Die pädagogische Frühförderung ist für Kinder aus Familien mit<br />

40 aKTiViTäTen in 2011<br />

schlechtem sozioökonomischen Status besonders wichtig. Zudem vergrößert die Betreuungsmöglich- 41<br />

Die Renovierungsarbeiten an Roma-Wohnhäusern entfielen dieses Jahr einmalig.<br />

keit für die Kleinen den Spielraum zum Gelderwerb für die Eltern.<br />

Es gibt aber zu berichten, dass der Dorffußballplatz, dessen Neugestaltung im Sommer 2010 von<br />

Das geplante Kindergartengebäude umfasst neben einer Küche und sanitären Anlagen mehrere Grup-<br />

Schülern der <strong>Rudolf</strong>-<strong>Steiner</strong>-<strong>Schule</strong> München-<strong>Schwabing</strong> mit finanzieller Unterstützung der Stiftung<br />

penräume, einen Kinder-Schlafraum sowie Räumlichkeiten zur Unterbringung von Praktikanten.<br />

„Sternstunden“ begonnen wurde, inzwischen fertiggestellt ist und mit einem lokalen Freundschafts-<br />

Die Unterstützung des Kindergartenaufbaus wird in den nächsten Jahren großen Raum in den Förderturnier<br />

angemessen eingeweiht wurde.<br />

aktivitäten des Vereins Pro Rosia e.V. einnehmen.<br />

Bei der alljährlichen Weihnachtspaketaktion wurden 2011 ca. 600 Pakete mit Grundnahrungsmitteln,<br />

Hygieneartikeln, Süßigkeiten und Schulutensilien sowie gut erhaltener, gebrauchter Kleidung nach<br />

Rosia gesandt. Jedes Kind, das die <strong>Schule</strong> oder die Kindergartengruppe besucht, erhielt dabei ein<br />

persönlich adressiertes Paket. Weitere<br />

Pakete wurden an das Schulpersonal sowie bedürftige Kinder und Senioren der Nachbardörfer verteilt.<br />

Die Paketaktion wurde von der <strong>Rudolf</strong>-<strong>Steiner</strong>-<strong>Schule</strong> <strong>Schwabing</strong>, der Klosterschule Dachau, der<br />

Grundschule Dachau Ost, der Montessori <strong>Schule</strong> Dachau, dem Ignaz Taschner Gymnasium Dachau und<br />

diversen Privatleuten unterstützt. Allen Beteiligten ein herzliches Dankeschön!<br />

Natürlich gilt unser Dank auch allen, die die Aktivitäten von Pro Rosia e.V. durch finanzielle Unterstützung<br />

gefördert haben. Es gingen in 2011 ca. 2.500 Euro an Spenden durch Privatpersonen ein. Weitere<br />

großzügige Spenden gingen ein von der Hermes-Österreich-Stiftung und von der „Ideeninitiative<br />

Zukunft“ des dm-Marktes, bei dem das Projekt „Schüler helfen Romafamilien“ einen Ideenwettbewerb<br />

gewann. Nicht zuletzt bedanken wir uns vielmals bei den Verantwortlichen für die Ausrichtung der<br />

Dachauer Hallenmeisterschaft im Juniorenfußball, die die Hälfte der Einkünfte des Turniers Pro Rosia<br />

e.V. gespendet haben.<br />

Der Verein pro Rosia überwies aus dem vorhandenen Guthaben folgende Spendengelder an die Hans<br />

Spalinger Waldorfschule für Romakinder:<br />

• 500 Euro für den Kauf von Fußballtrikots<br />

• 1.500 Euro zur Erhaltung des Kleinbusses, der Kinder aus anderen Dörfern zur <strong>Schule</strong> bringt<br />

• 350 Euro für Lebensmittel für die Schulmensa<br />

• 250 Euro für Handarbeitsmaterialien<br />

• 1.350 Euro für laufende Kosten des Schulgebäudes und –betriebs<br />

• 1.580 Euro für Vorlaufkosten zum Kindergartenbau (siehe unten)<br />

planUnG füR <strong>2012</strong><br />

Dieses Jahr werden voraussichtlich wieder 22 Schülerinnen und Schüler der <strong>Rudolf</strong>-<strong>Steiner</strong>-<strong>Schule</strong><br />

<strong>Schwabing</strong> zusammen mit zwei Lehrern nach Rosia fahren und sich in drei Bauprojekten engagieren:<br />

Renovierung von Wohnhäusern in Rosia, Renovierung von Wohnhäusern im Nachbardorf, und Bau des<br />

Kindergartens.<br />

Der geplante Kindergartenbau ist ein vielversprechendes Projekt für Rosia: Dort soll zukünftig die<br />

25-köpfige Roma-Kindergartengruppe betreut und gefördert werden. (Jetzt werden sie behelfsmäßig<br />

Abschließend sei noch einmal allen Unterstützern<br />

von Pro Rosia e.V. ganz herzlich gedankt.<br />

Bitte bleiben Sie uns gewogen und fördern Sie<br />

auch in Zukunft die Romakinder in Rosia!<br />

Mit den besten Wünschen fürs neue Jahr<br />

WalTeR KRaUs<br />

VoRsiTZenDeR Von pRo Rosia e.V.


Ein Widerspruch zu freier <strong>Schule</strong> und<br />

menschenkundlicher Erziehungskunst<br />

Beseitigen wir ihn!<br />

Frei von engen Vorgaben staatlicher curricularer Lehrpläne, gestalten Waldorfschulen ihre Unterrichte<br />

selbstverantwortlich – mit stetigem Blick auf Alter und Aufnahmefähigkeit, Entwicklungsstand und<br />

Entfaltungsvermögen, ganzheitliche Bedürfnisse und grundlegende Fragen ihrer Schüler. Um diese<br />

gesund zu erhalten, achten viele Eltern und unser Schulkoch auf vollwertige Ernährung aus biologischdynamischen<br />

Anbau. Damit die Schüler wach werden, sind oder bleiben – für aktive und ergiebige Teilnahme<br />

am Unterricht - bietet ihnen unser Schulbistro schon vor 8 Uhr diverse Kaffees. Um ihre Kinder<br />

erholsam schlafend zu wissen, befürworten Eltern von Schülern der Unter- und Mittelstufe den Beginn<br />

öffentlicher Monatsfeiern am frühen, kritisieren deren Ende am späten Abend. <strong>Rudolf</strong> <strong>Steiner</strong> wurde<br />

und seine Interpreten werden nicht müde, Wichtigkeit und Wert des (in regelmäßigem Rhythmus und<br />

ausreichendem Maß stattfindenden) Schlafes fürs Lernen und Leben zu betonen.<br />

Im Widerspruch zu dieser Orientierung an Freiheit und Gesundheit, Wachheit und Schlaf nimmt unsere<br />

<strong>Schule</strong>, nehmen Schüler, Eltern, Lehrkräfte eine Regelung hin, die -<br />

• seit 30 Jahren von oben aufgezwungen<br />

• nur mit Europas Gleichschritt legitimiert<br />

• von immer mehr Menschen abgelehnt<br />

• mit Energie-Einsparung nicht begründbar<br />

• neuerdings medizinisch als schädlich erwiesen<br />

• durch keinen vernünftigen Grund zu halten<br />

• mit der schönen Bezeichnung „Sommerzeit“ verharmlost wird.<br />

•<br />

Warum dulden wir Schlafentzug und Biorhythmusstörung in ihrem Gefolge noch länger?<br />

Keine Rede kann von menschengemäßer, gar menschenkundlicher „Erziehungskunst“ unter dem Vorzeichen<br />

dieser alljährlichen Zumutung sein. Wer zum „Chronotyp“ der früh aufstehenden „Lerchen“<br />

zählt, mag die Zeitverschiebung ertragen, da er abends immer früh zu Bett geht. Wer aber zum „Chronotyp“<br />

der bis 0 Uhr und darüber hinaus aktiven „Nachteule“ gehört, leidet nach der Umstellung auf<br />

„Sommerzeit“ unter erhöhtem Schlafmangel.<br />

Die vor wenigen Jahren im Elternrat aktiven Initiatoren für Beibehaltung der Normalzeit finden in der<br />

Wochenzeitung `Die Zeit´ vom 25. 3. 2010 im Ressort `Wissen´ (S. 42) Unterstützung durch zahlreiche<br />

Argumente, basierend auf wissenschaftlich gesicherten Beobachtungen und Erkenntnissen. Die wichtigsten<br />

sind dem Münchner Professor Roenneberg zu verdanken. Von ihm schreibt `Die Zeit´: „Keiner<br />

hat die Auswirkungen der Sommerzeit so ausführlich erkundet wie er“, und nennt als Fazit seiner über<br />

100 Fachzeitschriften-Beiträge:<br />

43


Was der erzieher tut,<br />

kann nur in geringem Maße davon abhängen,<br />

was in ihm durch allgemeine normen<br />

einer abstrakten pädagogik<br />

angeregt ist;<br />

er muss vielmehr in jedem augenblicke seines Wirkens<br />

aus lebendiger erkenntnis des werdenden Menschen<br />

neu geboren sein.<br />

<strong>Rudolf</strong> steiner,<br />

aus: Die pädagogische Grundlage der Waldorfschule, 1919, Ga 298, s. 11<br />

<strong>Schule</strong>, so der Referent, sei nötig. Die Waldorfschule will und kann nur durch Hingabe der in ihr Tätigen<br />

44 wachsen und so können auch neue Ideen entstehen. Bewährtes kann Bestand haben. Zusammenarbeit<br />

sei ein gemeinsamer Auftrag, in permanentem, unendlichem Zukunftsimpuls das pragmatisch-geistige<br />

45<br />

• „Unsere innere Uhr, insbesondere diejenige der `Eulen´, passe sich kaum an die Zeitverschie-<br />

Gleichgewicht zu finden und zu halten. Den gedanklichen Grundstein hierfür legte <strong>Rudolf</strong> <strong>Steiner</strong> 1919<br />

bung an. (...) So schlafen aufgrund der Sommerzeit die meisten Menschen weniger – und zwar<br />

in 28 pädagogischen Vorträgen – 14 zur allgemeinen Menschenbildung, 14 zur Didaktik und Methodik.<br />

bis zum Herbst hindurch.“ Schlaf-Forscher Jürgen Zulley schlussfolgert:<br />

Seitens der Schüler äußerten Nikolaus Bergner und Jakob Bodensteiner (Kl. 12), Anna Hell und Kon-<br />

• „Es würde unserer Biologie eher entsprechen, in der Winterzeit zu bleiben.“ Nach einer Untersustantin<br />

Jannone (Kl. 11) sowie Karolina Balog, Lina Eberle, Johanna Meyer und Marie Wagner (Kl. 10)<br />

chung des finnischen Gesundheitsministeriums von 2006<br />

aktuelle Unzufriedenheit damit, nicht auf Augenhöhe wahrgenommen zu sein. So werde ihr Ober-<br />

• mindert der Wechsel in die Sommerzeit die „Fähigkeit, sich im Schlaf zu erholen.“ Als wüssten<br />

stufenraum als Hortraum genutzt, obwohl die im Vorfeld von der Schulführung einberufene Ver-<br />

das Deutschlands Gesundheits- und Kultusminister, plazieren sie die Zeitumstellung an den<br />

sammlung der Oberstufenschüler per Unterschriftensammlung der Nutzung durch den Hort nur<br />

Anfang der dadurch eingeschränkten Osterferien. Eine DAK-Untersuchung vom Frühjahr 2009,<br />

zustimmte bei entsprechendem Ersatz. Nach den Ferien waren die Hortkinder eingezogen, die<br />

wonach „in den ersten 3 Tagen nach der Zeitumstellung ein Viertel mehr Menschen mit Herzin-<br />

Schüler ihrer Meinung nach ohne adäquaten Ersatz, lediglich mit einem kleinen, schmuddeligen<br />

farkt im Krankenhaus landen als im Jahresdurchschnitt“, wird junge Menschen kaum beeindru-<br />

Durchgangsraum bedacht und mit dem Gefühl konfrontiert, nicht ernst genommen worden zu sein.<br />

cken. Doch Schlaf-Forscher sind sich einig:<br />

Sie wünschen sich: mehr echte Mitsprache; die Wahl(pflicht-)Fächer Politik und Wirtschaft - letzte-<br />

• „Die Sommerzeit stört unseren natürlichen Rhythmus. Und damit kann sie uns langfristig krank<br />

re speziell für die Berufsorientierung; die Schaffung von Gruppen zum differenzierten Betätigen<br />

machen.“ Ein Zwischen-Titel im `Zeit´-Artikel formuliert sehr griffig:<br />

der großen Potenziale in Kunst, Theater, Sport; mehr Raum und weniger Stau im Bistro während<br />

• „Die Sommerzeit ist schädlich, überflüssig und schlecht begründet.“<br />

30 Jahre Zumutung sind genug. Seien wir endlich konsequent und glaubwürdig vernünftige, freie, ge-<br />

der Mittagspause; kompakteren Nachmittagsunterricht mit wirklichen Gelegenheiten zum qualifizierten<br />

Erfüllen von Hausaufgaben; die Rückgewinnung der mittlerweile vier Horträume für Klassen.<br />

sundheitsbewusste Menschen! Behandeln wir also per Beschluss für unsere <strong>Schule</strong> die Sommerzeit so,<br />

Aus dem Fundraisingkreis sprachen Ulrike de Vries und Ursula Will für die Eltern über ihre Wünsche: indi-<br />

wie nicht nur medizinische Argumente von Schlaf-Forschern nahelegen:<br />

viduell geförderte Schüler, engagierte und fair bezahlte Lehrer, Bildungsqualität, Raum und Platz für alle<br />

Bedürfnisse; ein Gesamtteam aus Lehrern, Eltern und Schülern, bei dem jeder Einzelne mitdenkt und<br />

„Weg damit!“<br />

nach seinen Verhältnissen mitgestaltet. Natürlich ist hier auch die finanzielle Seite zu bedenken und die<br />

Frage, wie dazu Lösungen gefunden werden können.<br />

WolfGanG RUnKnaGel<br />

Was tun für unsere <strong>Schule</strong><br />

im 10-Jahre-Vorblick?<br />

Unsere schulversammlung trug das vielseitige Motto „Wie stellen wir uns unsere schule in<br />

10 Jahren vor - und was können wir dafür tun?“. eingeladen waren alle an der schule Tätigen,<br />

also lehrer, eltern und angestellte sowie schüler der oberstufe. anwesend waren 15<br />

lehrer/innen, 45 eltern, 7 schüler. Geschäftsführer stephan Götte moderierte die Versammlung<br />

in bekannt professioneller und einfühlsamer Weise.<br />

Zur Einführung sollten drei kurze Impulsreferate von Vertretern der Lehrer, Eltern und Schüler gehalten<br />

werden. Hier merkte ein jeder jedoch schon bald, dass jeder Seite viele Wünsche und Bedürfnisse unter<br />

den Nägeln brennen, die nicht in fünf Minuten befriedigend wiedergegeben werden können.<br />

Aus der Lehrerschaft stellte Karl Hejny die Frage, ob Eltern und Schüler sich ihre Beweggründe zum<br />

Besuch einer Waldorfschule immer wieder bewusst machen. Eine Rückbesinnung auf Grundsätze der


46<br />

Im anschließenden Diskussionsforum - sowohl im großen Kreis, als auch mit der Fishbowl-Technik (kleiner<br />

Gesprächszirkel von circa sechs Menschen in der Mitte) - wurde sehr offen über subjektiv empfundene<br />

und für objektiv gehaltene Herausforderungen der <strong>Schule</strong> gesprochen.<br />

Die Schüler(vertreter) brachten sich auch hier intensiv und direkt ein. Sie betonten die Bedeutung ihrer<br />

Zugehörigkeit zu dieser <strong>Schule</strong>, ebenso die der Bewältigung des Abiturs. Ihre Impulse waren:<br />

• Umwandlung der künstlerischen Fächer in Wahlpflichtfächer, Einführung eines erweiterten Angebots<br />

in Kursform (etwa Politik)<br />

• Minderung der Wochenstundenzahl in Kunst und Musik, Plädoyer für freiwillige Teilnahme<br />

• Vermehrung der Themen- und Arbeitsvielfalt im Fach Musik<br />

• Sinnvollere, vor allem zeitökonomischere Strukturierung der Ganztagsschule<br />

• Überdenken des Epochenunterrichts in der Oberstufe zugunsten größerer (bes. für die Abiturvorbereitung<br />

wichtiger) Kontinuität in Fachstunden-Unterrichten, regelmäßig und öfter in Geo-<br />

graphie und Geschichte, künftig auch in Politik und Philosophie<br />

Ein ernsthafter Austausch der Schüler mit dem Kollegium ist sehr gewünscht. Um ihre Interessen kompakter<br />

zu vertreten, denken sie an eine Wiederbelebung der SMV (Schülermitverantwortung).<br />

Aus dem Oberstufenkollegium gab Wolfgang Runknagel sein Bild von unserer <strong>Schule</strong> im Jahr 2022:<br />

• Längst autonom aufgehobener Sommerzeit-Zwang gemäß schon 2011 besserem Wissen<br />

• Durch Umbau gewonnener Raum für ein Bistro mit Ruhe für Essen und Gespräch<br />

• „Betriebseurythmie“ täglich in der Hauptunterrichtszeit für alle<br />

• Früh-, nicht nur Spätentwickler-Förderung<br />

• Geschlechtertrennung in bestimmten Unterrichtsfächern und Jahrgangsstufen<br />

• Suche-orientierte Wahlfächer in der Mittel-, ziele-orientierte Pflichtfächer in der Oberstufe<br />

• Politik und Wirtschaft als Unterrichtsfächer ab Klasse 10<br />

• Philosophie freiwillig ab Klasse 10, Pflicht in den Klassen 12 und 13<br />

• Aufwertung und Voll-Integration von Religionsunterricht und -lehrkräften<br />

• Hausaufgaben als fraglos sinnvolle individuelle Übmöglichkeiten<br />

• Erziehung zu wachem, bildungs- u. sozialintegrativem, souveränem Mediengebrauch<br />

• Selbständiges, differenziertes (Mit-)Schreiben statt Textübernahme und Simplifizierung<br />

• Lesen, speziell klassischer Literatur, zur Förderung von Sprach-, Denk- und Schreibvermögen<br />

• Verstärkte Beschäftigung mit Kunst zur Schulung freien, statt nur funktionalen Wahrnehmens<br />

• Intensive elterliche Erziehung in Kooperation mit der <strong>Schule</strong> zu Selbst- und Mitverantwortung<br />

• Kritische Zeitgenossenschaft durch Presselektüre, Zukunftsmitgestaltung durch Projekte<br />

• Stetiges Neu-Erringen nachhaltiger Bildungsfreiheit<br />

Aus der Elternschaft wurde viel Diskussionsbedarf ermittelt. Grundsätzlich wünschen wir uns eine <strong>Schule</strong>,<br />

in der jeder motiviert, erfüllt, gefördert, gefordert, verstanden und glücklich ist. Hierzu zählt auch das<br />

Verständnis der Philosophie einer Waldorfschule; Themenabende dazu sind willkommen.<br />

Zur Situation unserer <strong>Schule</strong> in 10 Jahren: Braucht es die Waldorf-<strong>Schule</strong> dann noch? Zur Zeit findet ein<br />

Allgemein-Werden vieler ihrer Elemente statt. Zahlreiche <strong>Schule</strong>n machen sich Gedanken über ihre Pädagogik,<br />

der waldorfspezifische Grundimpuls ist breit geworden. Parallel dazu entfernen sich die Waldorfschulen<br />

immer mehr von ihrem Kern. Was also wird in 10 Jahren sein? Wir werden bis dahin immer<br />

mehr in Konkurrenz stehen zu anderen Privatschulen – das zeigt sich schon heute in den Schülerzahlen.<br />

Und: Wo wird die Gesellschaft in 10 Jahren stehen? Wie ist unsere Außenansicht? Welche Werte werden<br />

Zuhause und in der <strong>Schule</strong> gelebt? Wie steht es mit dem Qualitätsentwicklungsprozess der <strong>Schule</strong> und<br />

mit ihrem Alleinstellungsmerkmal?<br />

Das große Thema: Eltern-Engagement. Wie bewegen sich Eltern (dauerhaft) dazu, Engagement für<br />

die <strong>Schule</strong> aufzubringen? Kann man in dieser Hinsicht Druck ausüben (z.B. durch das Verlangen nach<br />

Ableisten von Arbeitsstunden)? Sind Eigeninitiative und Freiwilligkeit noch aufrecht zu erhalten? Hier<br />

entstand eine lebhafte Diskussion. In manchen Haushalten müssen beide Elternteile arbeiten, auch,<br />

um das <strong>Schule</strong>geld aufzubringen. Unter dieser Notwendigkeit leiden freiwillige Hilfen für die <strong>Schule</strong>.<br />

Die Einsatzbereitschaft lässt nach. Schaffen andererseits einige scheinbar alles, so birgt auch diese einseitige<br />

Leistung Gefahren. Der Grundgedanke einer Erziehung zur Freiheit umschließt auch elterliche<br />

Freiheit der Mitgestaltung. Die <strong>Schule</strong> lebt von diesem Engagement, von Zusammenarbeit und Mittun<br />

der Eltern. Warum kommen von 380 Elternhäusern nur 45 Eltern zu einer Schulversammlung?


48<br />

Ein Zusammentragen von Elternressourcen und -kompetenzen wurde angesprochen, z.B. für<br />

• Praktika und Unterrichtsunterstützung. Dies birgt zwar datenschutzrechtliche Schwierigkeiten,<br />

sollte aber nochmals geprüft werden.<br />

• Arbeitskreise müssen besser publik und transparent gemacht werden; hieran wird schon intensiv<br />

gearbeitet.<br />

• Bei den neuen Eltern der 1. Klasse soll im Vorhinein ein deutliches Bewusstsein geschaffen werden,<br />

dass Elternarbeit essentiell ist für ein Existieren der <strong>Schule</strong>; dies wurde von unserem Vorstandsmitglied<br />

Jakob Marti intensiv gestaltet.<br />

• Eine Sensibilisierung der Eltern und Familien auf Bedürfnisse der <strong>Schule</strong> ist regelmäßig nötig,<br />

auch was Geldspenden angeht.<br />

• Die neue Homepage wird sicher ein sehr hilfreiches Mittel zur besseren Transparenz und Informationsbeschaffung<br />

sein.<br />

Ebenfalls ein zentrales Thema war unser hoffentlich bald bevorstehender Umbau. Von allen Seiten wird<br />

die Raumsituation als extrem belastend empfunden. Traurig ist schon, dass sich Kinder, trotz hervorragenden<br />

Essens im Bistro, wegen der langen Warteschlange und der Enge entschließen, außerhalb zu<br />

essen. Durch die Ausgabe von Essenmarken soll hier eine erste Abhilfe geschaffen werden; das Platzproblem<br />

ist damit jedoch nicht gelöst.<br />

Sobald nähere Informationen der öffentlichen Stellen spruchreif sind, wird anschließend kurzfristig zu<br />

dem Thema „Umbau“ eine Schulversammlung einberufen werden.<br />

Fazit: Die Resonanz war übergreifend positiv. Ein Austausch dieser Art ist wertvoll für alle Beteiligten<br />

und soll regelmäßig und in kürzeren Abständen weiter geführt werden.<br />

sTephanie ihlenfelDT, MiTGlieD iM elTeRn-lehReR-RaT<br />

Mein Dank geht an Ulrike Becker-Nicklas,<br />

Ulrike de Vries und Wolfgang Runknagel,<br />

deren Mitschriften ich verwenden durfte.<br />

Anna Lovász<br />

Mein name ist anna lovász. ich bin Ungarin, seit september arbeite ich in der hortgruppe<br />

3. ich bin sehr dankbar, dass ich hier sein kann.<br />

ich kam für ein Jahr aus der Waldorfschule fót (15 Km von Budapest), wo ich 14 Jahre<br />

lang in der oberstufe (Kl. 9-13) Deutsch und Ungarisch unterrichtete, Zweit- bis Viertklässlern<br />

förderstunden gab, und wo ich später weiter arbeiten werde. Vorher unterrichtete<br />

ich ca. 15 Jahre lang in staatlichen Gymnasien und an der hochschule für finanzen und<br />

Rechnungswesen in Budapest, aber überall hatte ich probleme mit den prinzipien des<br />

staatlichen Bildungssystems. schon bei meinem ersten Gespräch vor meiner anstellung<br />

in fót hatte ich das Gefühl, dass ich endlich zu hause ankam. seit 2002 bin ich auch<br />

Mitglied der Ungarischen anthroposophischen Gesellschaft.<br />

auch in schwabing anzukommen tat mir gut. Die Kolleginnen und Kollegen empfingen<br />

mich hilfsbereit und freundlich, sogar liebevoll. Wer mehrere steiner-schulen kennt, weiß,<br />

dass sie irgendwie alle ähnlich sind. auch in der steiner-schule schwabing fand ich die<br />

atmosphäre vertraut. andererseits ist es ein großer Unterschied, dass diese schule über<br />

60 Jahre alt ist, dass es hier viele schüler gibt, deren Großeltern schon diese schule<br />

besucht haben. hier geht alles selbstverständlicher, regulierter, stressloser. Die Waldorfschule<br />

fót – obwohl sie die Zweitälteste in Ungarn ist – ist erst 21 Jahre alt, für die schüler,<br />

eltern und lehrer ist das dort eine neue Möglichkeit, eine neue Welt, daher sind sie<br />

vielleicht noch begeisterter, aktiver.<br />

ein anderer Unterschied ist, was ich echt großartig finde, dass hier sehr viele Kinder aus<br />

„internationalen familien“ kommen. in unserer Gruppe sind auch eltern praktisch aus aller<br />

Welt.<br />

pORTRAIT<br />

Und kurz zu meinem privatleben: ich bin geschieden, habe zwei erwachsenen söhne<br />

(30 und 26 Jahre), und auch zwei enkelkinder (9 und 5 Jahre) sie und meine schwiegertochter<br />

sind für mich am wichtigsten, Urlaube und feiertage verbringen wir immer<br />

zusammen. am liebsten gehe ich mit ihnen in die Wälder von pilis (ein märchenhaftes<br />

Gebirge nordwestlich von Budapest) wandern und zelten. Dank der Technik können wir<br />

über internet auch in diesem Jahr fast täglich den Kontakt halten<br />

anna lóVasZ<br />

49


Daniela Salzmann<br />

Mein name ist Daniela salzmann. ich bin in oboga (Walachei) in Rumänien geboren.<br />

in diesem Teil Rumäniens regierte einst der fürst Vlad Tepes (sprich: Tzepesch), besser bekannt<br />

als Dracula. nach einer glücklichen Kindheit auf dem land bei meinen Großeltern,<br />

wo ich mitten in einer unberührten natur unter dem einfluss der Rhythmen, die diese natur<br />

vorgab, lebte, verbrachte ich die weitere Zeit in Brasov/ Kronstadt (Transylvanien) am<br />

fuße der Karpaten. in unmittelbarer nähe befindet sich eines der schönsten schigebiete<br />

Rumäniens mit dem namen poiana Brasov.<br />

nach meiner Grundschulzeit erhielt ich eine ausbildung zur lehrerin. Meine Kindheit auf<br />

dem lande und mein innerer Wunsch nach einer Veränderung der schule, wie ich sie<br />

kennengelernt hatte, führten mich dann an das seminar für Waldorfpädagogik in die<br />

hauptstadt nach Bukarest. Dort wurde ich mit der schulform vertraut gemacht, die ich mir<br />

so sehr gewünscht habe und der ich mich verbunden fühle.<br />

es folgten dann zehn Berufsjahre als Klassenlehrerin in einer schule in Brasov, in der als<br />

experiment die Waldorfschule von Klasse 1 bis 8 integriert war. Mit großem engagement<br />

wurde dieses projekt durchgeführt. Drei ausgebildete Waldorfpädagoginnen betreuten jeweils<br />

fünf Kolleginnen ohne Waldorfausbildung, arbeitstage mit einem doppelten pensum<br />

an arbeitsstunden und kein Zuwachs an lehrkräften führten dazu, dass dieses schulprojekt<br />

nach 12 Jahren schließen musste.<br />

50<br />

Durch eine patenschaft mit der Tübinger freien Waldorfschule bin ich dann nach Tübingen<br />

gekommen. Dort hatte ich die Möglichkeit, ein praktikum am Waldorfkindergarten zu<br />

absolvieren. ich lernte meinen Mann kennen, der an der Tübinger freien Waldorfschule<br />

als Klassenlehrer tätig war. nach unserer hochzeit half ich, eine notsituation im hortbereich<br />

zu überbrücken. Der im aufbau begriffene Ganztageshort drohte zu scheitern.<br />

schwanger übernahm ich diese aufgabe bis eine nachfolgerin gefunden werden konnte.<br />

nach unserem sohn paul folgte die Tochter Theodora. Bald schon kam dann eine anfrage<br />

aus dem Kernzeit/Wartehort der zweizügigen schule. Durch eine langjährige praxis<br />

erfahrener Kolleginnen waren zwei ausgezeichnet geführte horte gewachsen, in denen<br />

die Kinder gemischt von Klasse 1 bis 4 bis um 14:00 Uhr betreut wurden.<br />

51<br />

Vor fünf Jahren sind wir nach München umgezogen. im Kindergarten, damals noch in<br />

der fürstenrieder straße, war gerade eine Kleinkindgruppe am entstehen. Wieder wurde<br />

ich gebeten in einer personellen notsituation und im aufbau mitzuarbeiten. es folgte der<br />

Wechsel in die camerloher straße. in den folgenden Jahren entstand eine Kleinkindgruppe,<br />

die zum festen Bestandteil des Kindergartens wurde. Die arbeit war geprägt durch<br />

die besonderen anforderungen, die Kinder in diesem alter an die Betreuer stellen.<br />

nun bin ich dem Ruf an die schule nach schwabing gefolgt, um einen dritte hortgruppe<br />

zu leiten. in kürzester Zeit und mit viel einsatz von eltern und Mitarbeitern wurde aus einem<br />

Raum im Keller ein provisorium für ein Jahr geschaffen. es galt eine Raumatmosphäre zu<br />

schaffen, die den Bedürfnissen der Kinder entspricht. Das ist in weiten Teilen gut gelungen,<br />

ideal ist es noch nicht. eine direkte, einsehbare einheit von innen- und außenraum wäre<br />

wünschenswert. es gibt aber auch sonst noch Verbesserungswünsche, die uns aufgaben für<br />

die Zukunft ans herz legen.<br />

in diesem hort 3 sind in diesem Jahr 20 Kinder ausschließlich aus der 4.Klasse. Die damit<br />

verbundenen aufgaben können nur gemeinsam gelöst werden. Wie durch ein Wunder<br />

ist bei dem momentan großen Bedarf an erzieherinnen und Kinderpflegerinnen frau anna<br />

lovasz aus Budapest innerhalb kurzer Zeit vor der Tür gestanden und hat sich beworben.<br />

Mit ihr zusammen kümmere ich mich um die Mädchen und Buben der vierten Klasse. Wir<br />

sind gut eingebettet in die schule und die beiden anderen horte. Unter der leitung von frau<br />

sonnberger konferieren wir jeden Mittwoch und helfen uns gegenseitig. es ist eine produktive<br />

und gelingende Zusammenarbeit, getragen von einer herzlichen atmosphäre.<br />

ich hoffe, dass die auf uns zukommenden anforderungen gemeinsam angegangen werden<br />

und zum Wohle der uns anvertrauten Kinder bestmöglich erfüllt werden können.<br />

Daniela salZMann


Raum für Notizen:<br />

Do 29.03.<strong>2012</strong> 19:00 ThEATER Konzert<br />

Sa 21.04.<strong>2012</strong> SchuLhof Flohmarkt<br />

TeRMine<br />

<strong>2012</strong><br />

Sa 05.05.<strong>2012</strong> 13:00 SchuLhAuS Maifest<br />

19:00 ThEATER „Es menschelt“<br />

Mo<br />

bis<br />

fr<br />

21.05.<strong>2012</strong><br />

bis<br />

25.05.<strong>2012</strong><br />

jeweils<br />

20:00<br />

ThEATER<br />

Premiere<br />

Theateraufführungen der 8. Klasse<br />

Derniere<br />

Do<br />

fr<br />

28.06.<strong>2012</strong><br />

29.06.<strong>2012</strong><br />

19:00<br />

19:00<br />

ThEATER<br />

Präsentation der Jahresarbeiten der<br />

8. Klasse<br />

fr 06.07.<strong>2012</strong> 19:00 ThEATER Öffentliche Monatsfeier<br />

Do 19.07.<strong>2012</strong> 20:00 ThEATER Eurythmieaufführung der 11. Klasse<br />

Do 26.07.<strong>2012</strong> 15:00<br />

Premiere Zirkus Leopoldini<br />

fr 27.07.<strong>2012</strong> 16:00 LoDEnfREy- Vorstellung Zirkus Leopoldini<br />

Sa 28.07.<strong>2012</strong> 16:00 GELänDE Vorstellung Zirkus Leopoldini<br />

So 29.07.<strong>2012</strong> 15:00<br />

Vorstellung Zirkus Leopoldini<br />

Do<br />

fr<br />

Sa<br />

26.07.<strong>2012</strong><br />

27.07.<strong>2012</strong><br />

28.07.<strong>2012</strong><br />

20:00<br />

20:00<br />

20:00<br />

LoDEnfREy-<br />

GELänDE<br />

Premiere Leopoldini „das Variete“<br />

Vorstellung Leopoldini „das Variete“<br />

Vorstellung Leopoldini „das Variete“<br />

Di 31.07.<strong>2012</strong> 08:15 ThEATER Feier zum letzten Schultag<br />

52 TERMINE 53


54 IMpRESSUM<br />

alle Rechte vorbehalten.<br />

herausgegeben von der <strong>Rudolf</strong>-steiner-schule<br />

schwabing leopoldstr.17 80802 München<br />

www.waldorfschule --schwabing.de<br />

Mitglied im Bund der freien Waldorfschulen<br />

Mitarbeiter dieser ausgabe:<br />

ReDaKTion:<br />

Michaela Bodensteiner, Bodo Bühling,<br />

saba Bussmann, Gisela Meining-schopf,<br />

Julia schützenberger, Bettina seifert<br />

laYoUT + BilDBeaRBeiTUnG:<br />

saba Bussmann<br />

enDKoRReKTUR:<br />

Bodo Bühling<br />

Redaktionsanschrift:<br />

redaktion@waldorfschule-schwabing.de<br />

ausgabe 1 april <strong>2012</strong><br />

Druck: flyermaschine.de<br />

Bankverbindung: hypoVereinsbank<br />

BlZ 70020270, Konto 6060269406<br />

Unverlangt eingesendete Beiträge können<br />

nicht zwangsläufig berücksichtigt werden.<br />

Die Redaktion behält sich Kürzungen<br />

vor (Richtwert 2000 Zeichen).<br />

Bildnachweis:<br />

fotos und Bilder von schülern, lehrern,<br />

eltern und onkels der schule<br />

Umschlagbild: leah Bohsung<br />

Wer mit schlechten Augen<br />

gestraft ist,<br />

sollte sich mit einer<br />

hübschen Brille belohnen.<br />

z.B. von Optik Bussmann<br />

Anzeige


w w w . l e h m k u h l . n e t<br />

BUCHHANDLUNG LEHMKUHL OHG<br />

L e o p o l d s t r a s s e 4 5 8 0 8 0 2 M ü n c h e n<br />

TEL 089. 380 150- 0 FAX 089. 39 68 40<br />

e m a i l : s e r v i c e @ l e h m k u h l . n e t<br />

Lehmkuhl

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!