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Patenkindberichte 2008 von Romakindern aus Roşia/Rumänien

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<strong>Patenkindberichte</strong> <strong>2008</strong><br />

<strong>von</strong> <strong>Romakindern</strong><br />

<strong>aus</strong> <strong>Roşia</strong>/<strong>Rumänien</strong>


Patenkindbericht <strong>von</strong> Aimée Andersen....................................3<br />

Patenkindbericht <strong>von</strong> Paul Weyh ..............................................5<br />

Patenkindbericht <strong>von</strong> Magdalena Balog..................................7<br />

Patenkindbericht <strong>von</strong> Christoph Kugler..................................9<br />

Patenkindbericht <strong>von</strong> Jonathan Ort.......................................12<br />

Patenkindbericht <strong>von</strong> Laura Schwellensattl ........................14<br />

Patenkindbericht <strong>von</strong> Arne Rehn ............................................16<br />

Patenkindbericht <strong>von</strong> Amelie Nabih .......................................18<br />

Patenkindbericht <strong>von</strong> Ruben Pfanner....................................21<br />

Patenkindbericht <strong>von</strong> Marina Sengmüller............................24<br />

Patenkindbericht <strong>von</strong> Lara Fischer.........................................25<br />

Patenkindbericht <strong>von</strong> Ari Meyerowitz (Gastschüler) .........27<br />

DIE PATENKINDER<br />

Da unser Praktikum in <strong>Rumänien</strong> nicht nur handwerklicher Art,<br />

sondern hauptsächlich ein Sozialpraktikum ist, suchen sich die<br />

Schüler während der Zeit des Praktikums ein Patenkind, das sie<br />

über die drei Wochen hinweg begleiten, beobachten und zum<br />

Schluss beschreiben sollen.<br />

Gleich am zweiten Tag bekamen sie die Gelegenheit dazu, die Kin-<br />

der etwas näher kennenzulernen und sich dann für eines zu ent-<br />

scheiden, als sie in Gruppen aufgeteilt den Unterricht der ersten<br />

vier Klassen der Waldorfschule in <strong>Roşia</strong> besuchten. Schon nach<br />

kurzer Zeit hatten viele eine besondere Zuneigung zu einem der<br />

Kinder gefasst und wählten dieses als ihr Patenkind. Es wurde<br />

dieses Jahr auch ein Ausflug mit den Patenkindern unternommen.<br />

2<br />

Walter Kr<strong>aus</strong>


Patenkindbericht <strong>von</strong> Aimée Andersen<br />

Juli, 10 Jahre, 4. Klasse Waldorfschule <strong>Roşia</strong><br />

Juli (rechts) mit einer Freundin<br />

Juli ist zehn Jahre alt und geht, wenn auch nur selten, in die<br />

Waldorfschule in <strong>Roşia</strong>.<br />

Ihr Äußeres ist relativ gepflegt und ihre Kleidung, wenn auch nur<br />

selten<br />

gewechselt, meistens sauber. Ich lernte sie während unserer Ar-<br />

beit im Unterdorf kennen; durch ihre liebevolle, zurückhaltende<br />

Art fiel sie mir sehr schnell auf.<br />

3


Sie lebt im Unterdorf mit ihrer Mutter, ihrer älteren Schwester<br />

und deren drei kleinen Kindern sowie ihrem ein Jahr älteren<br />

Bruder Claudio, der auch die Waldorfschule besucht. Juli küm-<br />

mert sich viel um ihre kleinen Nichten. Ich denke, dass sie des-<br />

halb so selten den Unterricht besucht. Ihr Vater ist Schäfer in der<br />

Umgebung <strong>von</strong> <strong>Roşia</strong> und kommt nur selten nach H<strong>aus</strong>e, doch<br />

wenn er da ist, wird er seiner Familie gegenüber handgreiflich.<br />

Die Mutter machte auf mich einen sehr freundlichen Eindruck;<br />

ich möchte aber nicht <strong>aus</strong>schließen, dass auch sie gewalttätig ih-<br />

ren Kindern gegenüber ist. Das H<strong>aus</strong>, in dem die Familie lebt, ist<br />

in einem guten Zustand, relativ sauber und aufgeräumt, wenn-<br />

gleich sehr eng.<br />

Da Juli, wie erwähnt, nur selten in die Schule geht, sei es, weil<br />

sie Baby sitten muss oder keine Lust hat, hat sie große Wissens-<br />

lücken. Ihre Hefte sind im Gegensatz zu denen Anderer fast leer,<br />

und auch im Unterricht tut sie sich schwer, mitzukommen. Sie<br />

ist zwar interessiert und bemüht, aber man merkt schnell, dass<br />

ihr die Grundlagen fehlen. Innerhalb ihrer Klasse wird Juli viel<br />

gehänselt und beschimpft, den genauen Grund dafür konnte ich<br />

nicht her<strong>aus</strong>finden. Freunde hat sie aber trotzdem, in anderen<br />

Klassen und im Unterdorf.<br />

Juli ist ein auffallend liebes Kind, das bei Hinwendung regelrecht<br />

aufblüht. Ich halte sie für einen liebenswerten und besonders<br />

zuwendungsbedürftigen Menschen, und auch wenn ich nicht<br />

glaube, dass sie den Weg <strong>aus</strong> dem Dorf schaffen wird, so wün-<br />

sche ich ihr viel Glück für ihr Leben.<br />

4


Patenkindbericht <strong>von</strong> Paul Weyh<br />

Ovidiu Topolog, 13 Jahre, 7. Klasse der Woldorfschule Hans-<br />

Spalinger<br />

Ovidiu besucht seit der 5. Klasse die Waldorfschule Hans-<br />

Spalinger in <strong>Roşia</strong>, also nun seit zwei Jahren. Bevor er auf sie<br />

wechselte, besuchte er die Staatsschule nebenan. Ovidiu ist ein<br />

aufmerksamer und intelligenter Schüler, der regelmäßig und<br />

meistens auch pünktlich zum Unterricht erscheint und gute<br />

Leistungen erbringt. Darüber hin<strong>aus</strong> scheint er sehr bemüht und<br />

engagiert zu sein, da er im Schulorchester spielt und sein In-<br />

strument, eine Art Geige, auch relativ gut beherrscht.<br />

Ich suchte mir Ovidiu als Patenkind <strong>aus</strong>, weil er sehr bald nach<br />

unserer Ankunft in <strong>Roşia</strong> <strong>von</strong> selbst auf mich zukam. Auch wenn<br />

5


er anfangs noch öfters versuchte, mich zum Basketballspiel her-<br />

<strong>aus</strong>zufordern, wohl um seine Überlegenheit zu beweisen, hörte er<br />

bald auf, verbissen um den Sieg zu kämpfen und betrachtete es<br />

eher als Unterhaltung anstatt als eine Situation, in der er seine<br />

Überlegenheit beweisen muss. Nachdem er das erkannt hatte,<br />

wurde er sehr viel freundlicher zu mir. Dies wurde mir vor allem<br />

deutlich, als er damit anfing, mich freudig zu grüßen wann immer<br />

er mich sah und mich zu Basketballspielen einzuladen, bei denen<br />

er vorher lieber nur mit seinen Freunden allein gespielt hatte.<br />

Ovidiu verhielt sich, im Gegensatz zu Anderen, beim Spielen und<br />

auch sonst im Umgang mit anderen Kindern sehr sozial. Fühlte<br />

er sich allerdings ungerecht behandelt, so wurde er sofort wütend<br />

und versuchte seine Position, soweit möglich, nur verbal zu ver-<br />

teidigen. Dies tat er allerdings auch, wenn sein Gegenüber älter<br />

war als er, weshalb er des öfteren <strong>von</strong> anderen, älteren Jugendli-<br />

chen zurechtgewiesen wurde.<br />

Leider konnte ich Ovidiu aufgrund seines Widerwillens nicht zu-<br />

h<strong>aus</strong>e besuchen, trotzdem erzählte er mir einiges über sein Leben<br />

in <strong>Roşia</strong>:<br />

Ovidiu wohnt in einem soliden und verhältnismäßig gut gepfleg-<br />

ten Steinh<strong>aus</strong> im Unterdorf. Seine Eltern arbeiten in Sibiu, des-<br />

halb sind sie meist tagsüber außer H<strong>aus</strong>. Aus diesem Grund<br />

bleibt Ovidiu gewöhnlich allein mit seiner Großmutter daheim -<br />

wenn er denn zu H<strong>aus</strong>e bleibt; denn nachmittags ist er meist mit<br />

Spielkameraden gleichen Alters, ebenfalls Waldorfschüler, im<br />

Dorf unterwegs. Er hat zwar eine zwanzigjährige Schwester, diese<br />

ist allerdings verheiratet. Sie lebt zwar noch im Dorf, jedoch au-<br />

ßerhalb des H<strong>aus</strong>es. Trotzdem ist ein großes Glück für Ovidiu,<br />

dass seine Eltern in Sibiu arbeiten; denn obwohl sie oft nicht da<br />

6


sind, kann er aufgrund ihres verhältnismäßig hohen Einkom-<br />

mens einen hohen Lebensstandard genießen. Er ist immer gewa-<br />

schen und gepflegt, besitzt relativ viele Spielsachen sowie mehre-<br />

re Sätze Textilien, alle in einem sehr gepflegten Zustand. Er<br />

scheint zudem auch in einen gewaltfreiem H<strong>aus</strong>halt zu leben.<br />

Alles in Allem kann ich wohl sagen, dass Ovidiu, trotz des Um-<br />

stands, dass er mit seiner Familie im Unterdorf wohnt, ein sehr<br />

gutes Leben dort führt, und ich glaube, er wird, falls er weiterhin<br />

so regelmäßig wie bisher die Schule besucht, vor allem auch we-<br />

gen der Arbeitskontakte seiner Eltern und seines Engagements,<br />

die Möglichkeit haben, ein gutes Leben in Wohlstand zu führen.<br />

Patenkindbericht <strong>von</strong> Magdalena Balog<br />

Eli, 7 Jahre, 1.Klasse Waldorfschule <strong>Roşia</strong><br />

Wir arbeiteten die erste Woche <strong>aus</strong>schließlich an einem H<strong>aus</strong> im<br />

Unterdorf. Gegenüber wohnt Eli mit ihrer Familie. Sie hat, soweit<br />

ich das beurteilen und sehen konnte, zwei Geschwister: eine älte-<br />

re Schwester und eine jüngere. Als Eli uns an dem H<strong>aus</strong> arbeiten<br />

sah, brachte sie uns Hundebabys. Da sie sah, wie süß wir die<br />

Tiere fanden, brachte sie uns noch drei weitere.<br />

Sie selber macht einen sehr gepflegten Eindruck: Sie hat kurze<br />

schwarze Haare, braune Augen und sieht leicht knabenhaft <strong>aus</strong>.<br />

Von ihren Klassenkameraden wird sie gut aufgenommen, obwohl<br />

sie sich nicht in den Mittelpunkt drängt, eher ruhig ist. Haupt-<br />

sächlich sieht man sie aber mit ihrer älteren Schwester und ei-<br />

nem Mädchen namens Juli.<br />

7


In der Schule war sie fast jeden Tag. Dort ist sie sehr aufmerk-<br />

sam, und weiß viel.<br />

Dadurch ist sie den anderen einen Schritt vor<strong>aus</strong>.<br />

Sie wohnt in einem für die Verhältnisse des Unterdorfes sehr ge-<br />

pflegten H<strong>aus</strong>. Das hat zwei Zimmer. Ich konnte leider nicht hi-<br />

neingehen, da ihre Eltern nicht da waren. Dadurch konnte ich die<br />

Eltern nicht kennen lernen. Sie müssen aber gute Eltern sein, da<br />

Eli nicht den Eindruck macht, zuh<strong>aus</strong>e Gewalt zu erfahren. Das<br />

merkte ich erstens daran, dass sie nicht zusammenzuckt, wenn<br />

jemand lauter wird oder die Hand hebt, und zweitens daran, dass<br />

sie nicht so anhänglich ist wie die anderen Kinder. Das liegt wohl<br />

daran, dass sie genug Liebe <strong>von</strong> ihren Eltern bekommt und sich<br />

diese nicht außerhalb des Elternh<strong>aus</strong>es suchen muss.<br />

8


Ich wünsche ihr alles gute auf ihrem weiteren Lebensweg.<br />

Patenkindbericht <strong>von</strong> Christoph Kugler<br />

David Gimpoer, 1.Klasse<br />

Als ich an unserem ersten Tag in die 1. Klasse der Waldorfschule<br />

ging, bemerkte ich sofort eine besonders wache und neugierige<br />

Ausstrahlung an David. Ich wollte mehr über ihn wissen und<br />

wählte ihn zu meinem Patenkind.<br />

Er ist ein siebenjähriger, sehr kleiner und dunkelhäutiger Junge,<br />

der gerade im Zahnwechsel ist. Am besten erkannte ich ihn an<br />

seiner riesigen Brille, die ihn wie ein kleiner Opa <strong>aus</strong>schauen<br />

lässt, und an seinem strahlenden Lächeln, das er immer zeigt,<br />

wenn er jemanden ansieht.<br />

Seine Anziehsachen sahen immer sauber <strong>aus</strong>, doch manchmal<br />

trug er auch welche <strong>von</strong> seinen Schwestern, was ihn aber meines<br />

Erachtens nicht störte.<br />

Er ist ein sehr lebhaftes Kind und rennt die meiste Zeit umher.<br />

Wenn ich ihn im Unterdorf sah, flitzte er an mir vorbei, lächelte<br />

mich kurz an, sagte „Salut“ und dann war er auch schon wieder<br />

weg.<br />

Zu anderen Kindern und Leuten ist David sehr freundlich und<br />

hilfsbereit. Als ich ihm einmal ein Eis kaufte und dann andere<br />

Kinder auch etwas da<strong>von</strong> wollten, gab er ihnen sofort etwas ab.<br />

Er hat einige Freunde und spielt gerne mit ihnen.<br />

9


In der Schule ist David erstaunlich aufmerksam für seine Leb-<br />

haftigkeit. Er kann sehr gut malen und ist auch sonst ein guter<br />

Schüler. Allgemein ist die 1. Klasse schon sehr fortgeschritten im<br />

Vergleich zu den anderen, und man könnte sie fast mit einer<br />

deutschen gleichsetzen. In <strong>Rumänien</strong> nehmen viele Eltern die<br />

10


Schulpflicht nicht ernst und lassen ihre Kinder oft zu H<strong>aus</strong>e.<br />

Doch David ist häufig anwesend.<br />

Davids Eltern sind selten zu H<strong>aus</strong>e, weil sie beide arbeiten. Die<br />

Mutter in einer Parkettfabrik und der Vater als Bauarbeiter in Si-<br />

biu. Dadurch hat die Familie einen gewissen Wohlstand, den man<br />

im H<strong>aus</strong> auch sehen kann. Dies ist zwar ein bisschen traurig für<br />

David, aber als Vorbildfunktion sind die Eltern sehr gut, weil sie<br />

fleißig sind und dadurch die Vorurteile über Zigeuner aufheben.<br />

David hat noch zwei große Schwestern, <strong>von</strong> denen eine schon ein<br />

kleines Baby hat, und einen großen Bruder. Als ich die Familie<br />

besucht habe, waren immer nur die Geschwister da, die sich um<br />

den H<strong>aus</strong>halt gekümmert haben. Sie waren sehr nett zueinander<br />

und auch zu mir.<br />

Das H<strong>aus</strong> ist wie alle in dem Dorf bunt und klein. Doch es hat<br />

richtige Isolationsfenster und -türen. Innen ist es für meinen Ge-<br />

schmack zu kitschig, aber nett eingerichtet. Die Familie besitzt<br />

sogar gute Möbel, einen Linoleumboden und funktionierende E-<br />

lektrogeräte.<br />

Ich glaube, dass es David für die dortigen Verhältnisse sehr gut<br />

geht und er Chancen auf eine erfolgreiche Zukunft hat. Und ich<br />

hoffe, dass ihn seine Fröhlichkeit durch das ganze Leben beglei-<br />

tet.<br />

Es war sehr spannend, einen Einblick in Davids Leben zu be-<br />

kommen und seine Lebensverhältnisse kennen zu lernen. Bei all<br />

den erschütternden Erlebnissen in <strong>Rumänien</strong> haben mir diese<br />

Erfahrungen Hoffnung für die zukünftigen Generationen ge-<br />

bracht.<br />

11


Patenkindbericht <strong>von</strong> Jonathan Ort<br />

Maria, 10 Jahre, 4. Klasse Waldorfschule <strong>Roşia</strong><br />

Es ist eine ungleich schwere Rolle in der sich die Viertklässlerin<br />

Maria sieht, denn sie merkt sehr wohl, dass sie sich <strong>von</strong> den üb-<br />

rigen <strong>Romakindern</strong> ihrer Klasse unterscheidet.<br />

12


Sie wohnt nicht im Unterdorf, sondern ist die Tochter der Schul-<br />

leiterin Leila, welche sich mit viel Fleiß und unbezwingbarem<br />

Willen den Weg <strong>aus</strong> dem Unterdorf und den damit verbundenen<br />

sozialen und intellektuellen Aufstieg trotz vieler Hindernisse erar-<br />

beitet hat. Heute wohnt Maria mit ihrer Mutter und deren Eltern<br />

in einer vom Romadorf abgesetzten Straße. Natürlich hat Marias<br />

Mutter ihr den Fleiß und Lernwillen weitergegeben, aber gerade<br />

das macht das Leben in der Klassengemeinschaft für Maria<br />

schwer. Während andere Kinder mühsam Zahlen und Buchsta-<br />

ben <strong>von</strong> der Tafel abmalen, schreibt Maria mit sauber leserlicher<br />

Handschrift ganze Texte in ihr immer sorgsam geführtes Heft und<br />

besonders in Mathe ist sie extrem unterfordert. Das merken na-<br />

türlich auch ihre Mitschüler und jeder kann sich denken wie<br />

Kinder reagieren, wenn neben ihnen ein Kamerad Aufgaben in<br />

sekundenschnelle löst, die es selbst nicht einmal begreift.<br />

Es werden Stifte zerbrochen und Spiele ohne Maria gespielt. Aber<br />

Maria hat Freunde, nur dass diese eben in ihrer Straße wohnen<br />

und nicht auf die "Hans-Spalinger-Waldorfscoula "gehen. Das<br />

wiederum hat zur Folge, dass Maria sich immer mehr <strong>von</strong> den<br />

anderen absetzt, sich verschließt. Ich musste Maria nicht als Pa-<br />

tenkind wählen, denn das tat sie selbst, mit Erfolg. Als wir an un-<br />

serem ersten Tag <strong>von</strong> der Besichtigung unserer zukünftigen Bau-<br />

stellen kamen, hörte ich plötzlich <strong>aus</strong> dem Speisesaal einen ge-<br />

wohnten Klang; ein geigespielendes Kind. Als Maria mich zwei<br />

Minuten später mit meiner Geige die Treppe runterkommen sah,<br />

bat sie mich sofort mit ihr zu spielen, dar<strong>aus</strong> entwickelte sich<br />

mehr und mehr eine Art betreutes Üben für sie und fortan trafen<br />

wir uns täglich. Am vorletzten Tag unserer Abreise hatte sie eine<br />

Prüfung an der Musikschule <strong>von</strong> Sibiu, welche sie mit Erfolg be-<br />

13


stand. Nächstes Jahr soll Maria auf ein Gymnasium in Sibiu ge-<br />

hen.<br />

Patenkindbericht <strong>von</strong> Laura Schwellensattl<br />

Benni ist 7 Jahre alt und besucht die 1. Klasse der Waldorf-<br />

schule in <strong>Roşia</strong>. Er ist der jüngste <strong>von</strong> vier Brüdern; der Vater<br />

ist allein erziehend, da seine Frau vor 4 Jahren an Brustkrebs<br />

starb. Benni ist ein zarter Junge, und wirkte auf mich teilweise<br />

sehr verängstigt und schüchtern, manchmal aber auch sehr<br />

unbeschwert und fröhlich. In der Gruppe erschien er mir gut<br />

akzeptiert, doch zurückgezogen, er ist vorsichtig, geht Räube-<br />

reien und Auseinandersetzungen <strong>aus</strong> dem Weg. Dadurch steht<br />

er, denke ich, leicht als „Verlierer" da. Ich beobachtete ihn zum<br />

14


Beispiel, als er allein mit einem Ball spielte. Als andere Schüler<br />

hinzukamen, ihm den Ball wegnahmen und gingen, stand er<br />

einfach da und fing an zu weinen.<br />

Seine Lehrerin achtet vielleicht deshalb bei ihm besonders dar-<br />

auf, dass er nicht zu kurz kommt, da er oft nichts sagt oder<br />

nicht auf sich aufmerksam macht, wenn er etwas braucht oder<br />

möchte. Als wir mit den Kindern einen Ausflug machten, bei<br />

dem wir grillten, stand er längere Zeit abseits und schaute zu,<br />

wie die anderen Kinder sich Essen holten; erst als seine Lehre-<br />

rin ihn rief und ihm eine Wurstsemmel machte, kam er. In der<br />

Schule sah ich Benni ziemlich regelmäßig. Als ich in seiner<br />

Klasse hospitierte, stellte ich fest, dass er sich mit dem Schrei-<br />

ben sehr schwer tut; bei einem Diktat hatte er nur 2 Wörter - es<br />

war das schlechteste der Klasse. Insgesamt ist er im Unterricht<br />

schnell abgelenkt, konzentriert sich höchstens 10 Minuten,<br />

dann ist er überhaupt nicht mehr bei der Sache, schaut in der<br />

Gegend herum oder träumt vor sich hin. Wenn ich da war,<br />

drehte er sich immer zu mir und lachte.<br />

Benni und seine Familie wohnen in einem recht großen, sehr<br />

unordentlichen H<strong>aus</strong> mitten im Unterdorf. Während meiner<br />

Anwesenheit reparierte der Vater Nelu mit seinen älteren Söh-<br />

nen gerade ein Pferdezaumzeug vor dem H<strong>aus</strong>. Die Menschen<br />

und ihre Beschäftigung boten ein sehr harmonisches Bild, und<br />

ich denke, Nelu versucht wirklich, seine Aufgabe als Vater so<br />

gut wie möglich zu erfüllen - was man seinen Kindern ansieht:<br />

Sie sind alle vier sehr sauber und ordentlich angezogen. Doch<br />

die Belastung <strong>von</strong> Nelu ist sicherlich sehr hoch; im H<strong>aus</strong> sah<br />

ich mehrere leere Bierdosen herumliegen, und Frau Wiecken<br />

erzählte mir, dass er regelmäßig Alkohol trinke und dann auch<br />

15


mal die Beherrschung verlieren könne. Anscheinend kam es<br />

schon vor, dass am nächsten Tag keiner der Brüder in der<br />

Schule erschien (...). Frau Wiecken betonte allerdings, das pas-<br />

siere selten; normalerweise versuche Nelu für seine Kinder so<br />

gut es geht zu sorgen.<br />

Mir gegenüber wurde Benni nach anfänglicher Skepsis mit der<br />

Zeit sehr offen. Mit ihm zu spielen machte Spaß: Er ist so leicht<br />

für etwas zu begeistern. Ich habe ihn sehr lieb gewonnen und<br />

wünsche ihm alles, alles Gute für seine Zukunft.<br />

Patenkindbericht <strong>von</strong> Arne Rehn<br />

Alin, 8 Jahre, 2. Klasse Waldorfschule <strong>Roşia</strong><br />

Meine erste Begegnung mit meinem Patenkind fand gleich am<br />

ersten Tag statt. Unsere Klasse wurde durch das Unterdorf ge-<br />

führt, wo sie sich ihre erste B<strong>aus</strong>telle mit der sie anfangen soll-<br />

ten, zeigen ließ. Mein Patenkind Alin wohnt schräg gegenüber <strong>von</strong><br />

der B<strong>aus</strong>telle und kam, wie alle anderen Kinder, zu uns gelaufen,<br />

um die Neuankömmlinge zu bestaunen und Hallo zu sagen. Der<br />

Junge ging noch lange neben uns her, aber verschwand dann<br />

plötzlich.<br />

Alin ist 8 Jahre alt und geht in die 2. Klasse der Waldorfschule<br />

<strong>von</strong> <strong>Roşia</strong>. Er ist 1,15 m groß, damit fast der Kleinste seiner Klas-<br />

se. Er hat braune Augen, braune Haare und abstehende Ohren.<br />

Er lächelt, ist ziemlich wild und spielt den ganzen Tag mit den<br />

anderen Kindern.<br />

Wiedergesehen habe ich ihn als wir einen Tag dazu nutzten, uns<br />

den Schulalltag der Kinder anzusehen. Ich ging in die 2. Klasse<br />

16


und Alin saß in der ersten Reihe und war wie alle anderen Mit-<br />

schüler sehr gespannt auf das, was die Klassenlehrerin ihnen er-<br />

zählte. Als ich die Klassenlehrerin fragte, wie Alin so ist, erzählte<br />

sie mir, dass er in der Schule sehr schüchtern und zurückhal-<br />

tend sie ist, er arbeite zwar mit und bemühe sich im Unterricht,<br />

aber da er nie seine H<strong>aus</strong>aufgaben mache, falle es ihm sehr<br />

schwer. Weiter sagte sie, in den Fächern Handarbeit und Rech-<br />

nen arbeite er fast gar nicht mit und zeige auch keine Lust, aber<br />

es gäbe natürlich auch Aufgaben die er sehr möge und in denen<br />

er gut mitarbeite, das seien Schreiben, Gedichte <strong>aus</strong>wendig ler-<br />

nen und Geschichten erzählen.<br />

17


Nach der Schule geht Alin nach H<strong>aus</strong>e zu seiner Familie im Un-<br />

terdorf. Ihre Zwei-Zimmer-Wohnung ist verhältnismäßig nett ein-<br />

gerichtet und gut aufgeräumt. Aber auch in der Familie <strong>von</strong> Alin<br />

läuft nicht alles glatt: Sein Vater ist Alkoholiker, schlägt die Kin-<br />

der oft und ist <strong>von</strong> morgens bis abends betrunken.<br />

Seine Mutter arbeitet den ganzen Tag bis abends um 8 Uhr in<br />

Hermannstadt und kommt erst spät nachh<strong>aus</strong>e. Er hat 3 Ge-<br />

schwister: zwei Brüder- einen älteren und einen jüngeren- und<br />

eine ältere Schwester. Der älteste Bruder geht auf die Staats-<br />

schule <strong>von</strong> <strong>Roşia</strong> und seine Schwester in die 5. Klasse der Wal-<br />

dorfschule, sein jüngere Bruder kommt nächstes Jahr in die dor-<br />

tige 1. Klasse.<br />

Als wir kurz vor unserer Abreise noch mal einen Ausflug mit den<br />

Klassen<br />

1 bis 4 machten, freute er sich sehr, mit mir an der Hand zu ge-<br />

hen. Es machte ihm auch immer riesig Spaß, wenn ich ihn trug,<br />

was aber für mich schlecht war, weil er nicht mehr herunter<br />

wollte. Er zeigte mir den Wald und suchte mit mir Walderdbeeren.<br />

Zum Abschluss spielten wir alle Fußball, Federball oder Volley-<br />

ball.<br />

Ich habe Alin in der Zeit, die ich in <strong>Roşia</strong> war, sehr ins Herz ge-<br />

schlossen und mir vorgenommen, ihn dort noch einmal zu besu-<br />

chen, wenn ich mit der Schule fertig bin, denn es hat mir in sei-<br />

ner Heimat sehr gut gefallen.<br />

Patenkindbericht <strong>von</strong> Amelie Nabih<br />

Rebeca Ursu, 8 Jahre, Waldorfschule <strong>Roşia</strong><br />

18


Ich sah Rebeca das erste Mal an unserem ersten Tag in <strong>Roşia</strong> bei<br />

einem Spaziergang durch das Dorf. Sie trug ein farbenprächtiges<br />

Kleid und hielt ein kleines Mädchen an der Hand. Als sie be-<br />

merkte, dass ich eine Kamera bei mir trug, kam sie sofort ange-<br />

rannt und wollte fotografiert werden.<br />

Rebeca ist 8 Jahre alt und ungefähr 1,25 m groß. Sie hat, wie die<br />

meisten kleinen Mädchen hier, eine Kurzhaarfrisur, ich schätze<br />

<strong>aus</strong> praktischen Gründen. Ihre Haut ist dunkel und ihre Augen<br />

sind schwarz. Sie hat immer ein verschmitztes Lächeln auf den<br />

Lippen. Ihre Zähne sind im Gegensatz zu denen anderer Kinder in<br />

relativ gutem Zustand, vorne hat sie jedoch eine Milchzahnlücke.<br />

Rebecas Kleidung ist zwar schmutzig, jedoch nicht kaputt; au-<br />

ßerdem wechselt sie sie regelmäßig. Ihr großer Bruder Gite ist 18<br />

Jahre alt, er scheint nicht oder nicht mehr in die Schule zu ge-<br />

hen. Als ich die Familie zu H<strong>aus</strong>e besuchte, saß er teilnahmslos<br />

auf dem Sofa und rauchte. Ihre große Schwester Carmen ist 17<br />

Jahre alt, sehr hübsch, mit glattem braunen Haar und brauner<br />

Haut. Ihre zweite große Schwester heißt Veta und ist 11 Jahre<br />

alt; sie geht wie mein Patenkind in die Waldorfschule. Rebecas<br />

kleinste Schwester Andrea ist 2 Jahre alt, sie wirkte sehr brav<br />

und schüchtern.<br />

Rebecas Mutter Carmen ist H<strong>aus</strong>frau, ihr Vater arbeitet in Sibiu,<br />

der nächstgrößeren Stadt, auf dem Bau. Ihn konnte ich leider<br />

nicht kennen lernen, aber ich weiß <strong>von</strong> einer Lehrerin, dass er<br />

relativ gut für seine Familie sorgt und seine Kinder selten oder nie<br />

schlägt.<br />

Das H<strong>aus</strong> der Familie ist in gutem Zustand, es hat einen verhält-<br />

nismäßig großen Hof, der <strong>von</strong> einem hohen Bretterzaun einge-<br />

19


fasst ist. Das Innere des H<strong>aus</strong>es ist relativ sauber und ordentlich.<br />

Es gibt zwei Zimmer und drei Betten für die sieben Familienmit-<br />

glieder.<br />

In der Schule ist Rebeca mittelmäßig gut, ihre Klassenlehrerin<br />

sagte mir, Rebeca sei zwar klug, aber faul. Sie schreibe schön,<br />

mache aber ihre H<strong>aus</strong>aufgaben nicht regelmäßig, sie rechne gut,<br />

komme aber nicht jeden Tag zur Schule und fast immer zu spät.<br />

Außerdem sagte mir ihre Lehrerin, dass Rebeca sie sehr gern ha-<br />

be, sich Mühe gebe, im Unterricht mitzumachen, und sich sehr<br />

eifrig an Spielen beteilige.<br />

Unter den anderen Kindern ist Rebeca sehr beliebt; am meisten<br />

spielt sie mit ihren zwei besten Freundinnen und Nachbarinnen<br />

Veta und Larisa, die sie Rebi nennen. Gegenüber den großen<br />

20


Kindern ist sie schlagfertig und weiß sich zu helfen, wenn sie je-<br />

mand ärgert oder dumm anredet.<br />

In den drei Wochen, die wir in <strong>Roşia</strong> verbrachten, lernte ich Rebe-<br />

ca ganz gut kennen, da ich viel Zeit mit ihr verbrachte.<br />

Ich habe den Eindruck, dass sie ein kluges Mädchen ist, aber auf<br />

jeden Fall mehr <strong>aus</strong> sich machen könnte. Wenn sie regelmäßig in<br />

die Schule gehen und ihre H<strong>aus</strong>aufgaben machen würde, könnte<br />

sie sogar gut genug werden, um es eines Tages weiter zu bringen<br />

als die meisten im "Unterdorf".<br />

Ich wünsche ihr viel Glück auf ihrem Lebensweg.<br />

Patenkindbericht <strong>von</strong> Ruben Pfanner<br />

Ursu Ioan Christian 9 Jahre, 3.Klasse, Waldorfschule in <strong>Roşia</strong><br />

Christians Mutter ist abgehauen als er 3 oder 4 Jahre alt war,<br />

seitdem lebt er mit seinem Vater alleine. Christi hat eine Zwil-<br />

lingsschwester, die bei den Eltern des neuen Mannes seiner<br />

Mutter in einem Nachbardorf lebt. Seine Mutter hat noch in Ru-<br />

mänien einen Mann kennen gelernt und ist dann mit ihm nach<br />

Italien zum Arbeiten <strong>aus</strong>gewandert.<br />

Sie kommt einmal im Jahr, um ihn im Sommer zu besuchen. Iich<br />

habe richtig gemerkt wie er daraufhin fiebert seine Mutter wieder<br />

zu sehen.<br />

Es war relativ schwer, etwas über die Mutter her<strong>aus</strong>zubekom-<br />

men, da sein Vater behauptet, dass sie tot sei und Christi immer<br />

<strong>aus</strong>gewichen ist, wenn ich das Thema angesprochen habe.<br />

Der Vater ist ein sehr guter Handwerker und geht meist regelmä-<br />

ßig arbeiten, aber er ist auch ein dorfbekannter Alkoholiker.<br />

21


Durch Leila, seine Lehrerin in der 3. Klasse, auf die ich später<br />

noch zu sprechen komme, habe ich erfahren, dass Christi regel-<br />

mäßig geschlagen wird und öfters sehr hungrig in die Schule<br />

kommt. Wenn der Vater es wieder nicht auf die Reihe bekommt,<br />

für Christi zu sorgen sind es meist die Nachbarn, die ihm etwas<br />

zu essen geben und auf ihn aufpassen.<br />

Christi ist normal groß und stark für sein Alter. Seine Kleidung<br />

ist meist in einem heruntergekommenen Zustand und ihm läuft<br />

fast immer die Nase. Seine Augen und Haare sind, wie bei den<br />

meisten <strong>Romakindern</strong>, dunkel. Christian wirkt trotz seiner Prob-<br />

leme immer fröhlich.<br />

Ich habe viel mit Christi gemacht, aber wenn ich ihn darauf ange-<br />

sprochen habe, ob ich mit ihm nach H<strong>aus</strong>e darf, ist er immer<br />

ängstlich und unglücklich geworden. Man hat richtig gemerkt,<br />

dass er nie nach H<strong>aus</strong>e will. In den letzten Tagen habe ich ihn<br />

dann doch noch begleitet, umso näher wir seinem H<strong>aus</strong> gekom-<br />

men sind, desto nervöser und trauriger wurde er. Am Anfang<br />

wollte er mich nicht rein lassen, erst als er gemerkt hat, dass sein<br />

besoffener Vater schläft, durfte ich hinein. Christian hat keine<br />

Ahnung, was eine echte Familie ist und er hat sicher mitbekom-<br />

men, dass sein Vater ihn in ein Waisenh<strong>aus</strong> abschieben will, da-<br />

für braucht er aber die Erlaubnis der Schule, die er aber nicht<br />

bekommt.<br />

Durch all diese Probleme würde man denken, das Christi ein sehr<br />

aggressives und schwieriges Kind ist, aber Christi ist ein sehr<br />

fröhlicher Junge, der immer lachen kann und nie brutal seinen<br />

Mitschülern gegenüber ist, was hier Seltenheitswert hat. Christi-<br />

an steht oft im Mittelpunkt der Gruppe und ist gut integriert.<br />

22


Wenn man ihn nicht kennt, würde man auf ein intaktes Eltern-<br />

h<strong>aus</strong> und eine fröhliche Kindheit tippen.<br />

In der Schule ist Christian nicht sehr gut, für eine dritte Klasse<br />

schreibt er schlecht. Aber er kommt regelmäßig in die Schule und<br />

macht die H<strong>aus</strong>aufgaben auch in der Schule.<br />

Obwohl er nicht so gut in der Schule ist, bin ich da<strong>von</strong> überzeugt,<br />

dass Christi klug ist.<br />

Da Christian keine echte Mutter hat, ist Leila, seine Klassenlehre-<br />

rin, so was wie seine Ersatzmutter.<br />

Christians Verhältnis zu Leila ist sehr intensiv, er hat sie ein gan-<br />

zes Jahr Mama genannt und jeden Morgen in der Schule gibt er<br />

ihr einen Kuss. Es war maßgebend Leila, die verhindert hat, dass<br />

Christian ins Waisenh<strong>aus</strong> kommt.<br />

Wenn der Vater Christi keine Schulsachen, Essen oder Anziehsa-<br />

chen kauft, übernimmt Leila es meistens. Christi wollte schon oft<br />

bei Leila übernachten,<br />

aber der Vater erlaubt<br />

es nicht.<br />

Christian und sein Va-<br />

ter wohnen im letzten<br />

H<strong>aus</strong> im Unterdorf. Das<br />

Dach des H<strong>aus</strong>es wurde<br />

vorletztes Jahr <strong>aus</strong>ge-<br />

bessert, ist aber seit<br />

langem wieder renovie-<br />

rungsbedürftig, so wie das ganze H<strong>aus</strong>. Ich habe selbst gesehen,<br />

dass der Vater gut mauern und verputzten kann, aber sein H<strong>aus</strong><br />

besteht nur <strong>aus</strong> Stöcken und Lehm. Die Wände sind nicht ver-<br />

putzt und es gibt auch keine richtigen Türen. Es gibt einen klei-<br />

23


nen Vorraum, wo nur Schrott steht, und ein Zimmer, wo Christi-<br />

an mit seinem Vater lebt. Es gibt nur ein Bett im Raum, was<br />

ziemlich eng sein wird für 2 Personen. Sonst gibt es nur eine<br />

Waschmaschine, einen Herd, ein Waschbecken und natürlich ei-<br />

nen Fernseher, der Rest ist nur Müll.<br />

Ich wünsche Christi alles Gute für die Zukunft und dass er es<br />

schafft, so fröhlich zu bleiben, trotz seiner schweren Kindheit,<br />

und dass er vielleicht <strong>aus</strong> dem Unterdorf her<strong>aus</strong>kommt. Er hat<br />

mich durch seine Lebensfreude <strong>von</strong> allen hier am meisten beein-<br />

druckt.<br />

Patenkindbericht <strong>von</strong> Marina Sengmüller<br />

Christiana, 8 Jahre, 2.Klasse, Waldorfschule in <strong>Roşia</strong><br />

Ich lernte ein Mädchen namens Christina kennen. Sie fiel mir<br />

gleich auf, da sie ruhiger und schüchterner war als all die ande-<br />

ren Kinder. Ihre braunen, schulterlangen Haare waren zu einem<br />

Pferdeschwanz gebunden. Sie trug alte, abgetragene Kleider, die<br />

schmutzig waren. Wenn sie mit anderen Kindern spielte, war sie<br />

sehr zurückhaltend, ihr Blick verträumt und abwesend. Christina<br />

erweckte meine Aufmerksamkeit. Ich wollte sehen, wie sie lebt,<br />

und her<strong>aus</strong>finden, ob ihre Zurückhaltung ein Wesenszug ist, oder<br />

eine andere Ursache hat.<br />

Frau Wiecken, die ich deswegen ansprach, erzählte mir daraufhin<br />

erschreckende Dinge über Christinas Familie. Ihre Mutter, die ich<br />

auch persönlich kennenlernte, ist die Hure des Dorfes. Sie er-<br />

wartet gerade ihr viertes Kind, dessen Vater, wie bei ihren ande-<br />

ren Kindern, unbekannt ist. Sie ist eine große, kräftige Frau, de-<br />

ren Gesicht <strong>von</strong> der schweren Kindheit stark geprägt ist. Obwohl<br />

24


sie mich freundlich grüßte und sich bedankte, dass ich ihre<br />

Tochter nach der Schule nach H<strong>aus</strong>e brachte, fühlte ich mich<br />

nicht wohl in ihrer Nähe. Ich denke, das lag hauptsächlich daran,<br />

dass ich wusste: Eine Mörderin steht vor mir. Sie brachte ihren<br />

eigenen Vater um, der sie misshandelt hatte. Die Mutter der Mör-<br />

derin übernahm die Schuld der Tat und sitzt nun lebenslänglich<br />

im Gefängnis.<br />

Christinas Mutter kümmert sich nicht wirklich gut um ihre Kin-<br />

der. Sie ist sehr cholerisch und manchmal auch gewalttätig. Sie<br />

achtet nicht darauf, dass ihre Tochter einigermaßen ordentliche<br />

Kleidung trägt, um in die Schule gehen zu können. Dadurch fehlt<br />

Christina auch oft im Unterricht, in dem sie sich wegen Konzent-<br />

rationsmangel ohnehin schon schwer tut.<br />

Von der Klassengemeinschaft wird sie <strong>aus</strong>geschlossen. Das geht<br />

sogar so weit, dass Mitschüler nicht neben ihr sitzen oder sie<br />

beim Spielen an die Hand nehmen wollen.<br />

Für mich scheint das Leben <strong>von</strong> Christina wie <strong>aus</strong> einem<br />

schlechten Film. Ich lernte sie und ihre Familie kennen, weiß et-<br />

was über ihr schweres Schicksal, kann aber nicht begreifen, dass<br />

es wirklich so ist. Diese Reise gemacht zu haben, das Leben im<br />

Dorf <strong>Roşia</strong> und Christina kennengelernt zu haben, war eine gro-<br />

ße, vielfältige Erfahrung. Und wahrscheinlich werde ich auch<br />

noch einige Zeit brauchen, um das alles, oder zumindest etwas<br />

mehr, zu verstehen, denn im Moment kann ich es noch nicht.<br />

Patenkindbericht <strong>von</strong> Lara Fischer<br />

ANA-MARIA, 1. Klasse, Hans-Spalinger-Waldorfschule, <strong>Roşia</strong><br />

25


Ana-Maria ist die Jüngere <strong>von</strong> zwei Töchtern der Familie, deren<br />

H<strong>aus</strong> wir als erstes hergerichtet haben. Doch wirklich wahrge-<br />

nommen habe ich sie erst, als wir zum ersten Mal in den Klassen<br />

hospitiert haben. Sie ist dem ersten Anschein nach schüchtern,<br />

wenn man jedoch ein bisschen mehr mit ihr zu tun hat erkennt<br />

man, dass sie ein sehr fröhliches und vor allem intelligentes Kind<br />

ist. Durch die Bauarbeiten am H<strong>aus</strong> ihrer Familie hat sich sehr<br />

gezeigt, dass zwischen ihr und ihrer Familie ein sehr herzlicher<br />

Umgang herrscht, und dass man sich auch sehr um sie und ihre<br />

Schwester kümmert. Ihr Vater arbeitet in Sibiu als Maurer, daher<br />

haben wir ihn nur einmal bei der Monatsfeier gesehen. Ihre Mut-<br />

ter ist H<strong>aus</strong>frau, und da sie sehr stark beim H<strong>aus</strong> mitgeholfen<br />

hat, haben wir sie als hilfsbereite, liebenswürdige und nicht ar-<br />

beitsscheue Frau kennengelernt, für die ihre Kinder das Höchste<br />

sind und um die sie sich sehr stark kümmert. Ana-Maria, meis-<br />

tens Ana genannt, hat den Fortschritt des H<strong>aus</strong>es sehr interes-<br />

siert mitverfolgt und am Ende auch beim Streichen mitgeholfen,<br />

wobei sie erst lediglich zugeschaut hat, wie ich streiche und<br />

dann, ohne lang zu überlegen, einen Pinsel geholt und mir gehol-<br />

fen hat. Sie hat mir dann alle fünf Minuten voller Stolz ihre ge-<br />

malten Stellen gezeigt. Wenn es gerade nichts zu tun gab, habe<br />

ich mich mit ihr zusammengesetzt und mit ihr sowohl deutsche<br />

als auch rumänische Wörter in den Sand geschrieben. Als ich ihr<br />

„zeigbare“ Dinge, wie Pulli oder Hose auf Deutsch gesagt habe,<br />

hat sie diese Worte mit großem Eifer wiederholt und sich einge-<br />

prägt.<br />

In den Schulp<strong>aus</strong>en zeigte sich, dass Ana bei den anderen Mäd-<br />

chen ihres Alters einen hohen Status hat und daher auch bei<br />

Hüpf-, Spring- und Klatschspielen den Ton angab.<br />

26


Sie geht regelmäßig zur Schule und arbeitet dort auch intensiv<br />

mit, im Deutschunterricht bei den Singspielen war sie sogar zum<br />

Teil schneller als alle anderen.<br />

Sie hätte auf jeden Fall das Zeug dazu, einen guten Abschluss zu<br />

schaffen.<br />

Patenkindbericht <strong>von</strong> Ari Meyerowitz (Gastschüler)<br />

Magdalina, 4. Klasse, Hans-Spalinger-Waldorfschule, <strong>Roşia</strong><br />

Magalina ist sehr intelligent und wahrscheinlich die Beste in ihrer<br />

Klasse. Sie kann lesen, rechnen und geht fast jeden Tag in die<br />

Schule (die meisten Kinder sind leider nicht so oft dort). Ihre<br />

Mutter ist eine Lehrerin in der Waldorf Schule- vielleicht ist das<br />

der Grund, weswegen sie so oft die Schule besucht und so gut<br />

lernt. Sie hat viele Freunde im Dorf, aber das ist normal, denn<br />

das Dorf ist so klein. Jeder kennt jeden, doch ihre beste Freundin<br />

ist ihre Cousine.<br />

Magdalina wohnt im Unterdorf, ist zwar nicht die Ärmste, aber<br />

immer noch arm. Wir gingen einmal zusammen zu ihr nach Hau-<br />

se; ich finde, es war sehr bequem für ein rumänisches H<strong>aus</strong>. Es<br />

ist in zwei Zimmer unterteilt, in einem hingen einige Familienfo-<br />

tos. Auf einem dieser Bilder ist ein Bruder <strong>von</strong> ihr zu sehen, den<br />

ich aber nicht getroffen habe. Wir blieben nur kurz dort, denn sie<br />

freute sich darauf, zusammen mit ihrer Cousine und mir draußen<br />

zu spielen.<br />

Insgesamt war es eine sehr schöne Erfahrung, ein Patenkind zu<br />

finden, dennoch waren in diesem kleinen Dorf alle so nett, sodass<br />

27


jedes Kind mein Patenkind hätte sein können und bin immer<br />

noch dankbar, dass ich dieses Praktikum machen konnte.<br />

Bei Fragen wenden Sie sich bitte an Walter Kr<strong>aus</strong><br />

Tel.: 089/3801 4025<br />

email: oberstufe@waldorfschule-schwabing.de<br />

Im Internet finden Sie unter:<br />

http://www.waldorfschule-schwabing.de/schule/projekte/schule_projekt_rosia.htm<br />

frühere Patenschafts- oder Tätigkeitsberichte.<br />

Wir wären Ihnen sehr dankbar, wenn Sie unser Aufbauprojekt in<br />

<strong>Rumänien</strong> mit Geld unterstützen würden. Sie erhalten eine<br />

Spendenbescheinigung über oben angegebene Adresse.<br />

Kontoverbindung:<br />

Förderverein Steiner Schule<br />

Raiffeisenbank Gilching<br />

BLZ:70169382<br />

28<br />

KontoNr.: 140023<br />

Verwendungszweck:<br />

<strong>Rumänien</strong>-Projekt Rosia

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