Jahresbericht 2007 - Weisser Ring e.V.
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Opferforum <strong>2007</strong>: Wer nimmt die Interessen junger Opfer wahr?<br />
Gespannt auf die Ergebnisse<br />
„ ... Der WEISSE RING ist mit<br />
seinen vielfältigen Hilfsangeboten<br />
und seiner bundesweiten Präsenz<br />
für viele Menschen, die durch<br />
Straftaten Leid und Schmerz, Verunsicherung<br />
und Furcht erfahren<br />
mussten, zu einer unverzichtbaren<br />
Institution geworden“, schreibt<br />
Bundesjustizministerin Brigitte<br />
Zypries in ihrem Grußwort zum<br />
18. Mainzer Opferforum. Sie sei sehr<br />
gespannt auf die Ergebnisse dieser<br />
Tagung.<br />
Das Thema Kinder und Jugendliche als Opfer von Sexual- und Gewaltdelikten ist uns durch<br />
die tägliche Zeitungslektüre bedrückend nah. „Wir müssen junge Menschen durch geeignete<br />
Gesetzesregelungen und Verwaltungsmaßnahmen schützen vor körperlicher und geistiger<br />
Misshandlung, vor Vernachlässigung und Ausbeutung“, erläuterte Bundesvorsitzender<br />
Prof. Dr. Reinhard Böttcher das Anliegen des 18. Mainzer Opferforums des WEISSEN RINGS.<br />
Da auch die Europäische Kommission das Thema in den Fokus gerückt habe, verstehe der<br />
Verein dieses Opferforum als seinen Beitrag zur Diskussion.<br />
Fachkundig vorbereitet vom Fachbeirat Strafrecht unter Vorsitz von Prof. Dr. Heinz Schöch,<br />
beteiligten sich rund 170 Experten aus Politik und Justiz, Medizin und Rechtsmedizin, Polizei<br />
und Versorgungsverwaltung sowie Jugend- und Sozialämtern an dem zweitägigen Opferforum<br />
Mitte November <strong>2007</strong> in Mainz. Dass der Staat sein Wächteramt ausübe, könne keine<br />
Frage von Ländergrenzen sein, so der saarländische Ministerpräsident Peter Müller.<br />
Der Ausdruck „Vernachlässigung der Vernachlässigung“ wurde bereits 1984 geprägt, er<br />
beschreibt den nach wie vor anhaltenden nachlässigen Umgang mit diesem Phänomen.<br />
Seriöse Aussagen zum Ausmaß können nicht getroffen werden, nicht einmal zum Hellfeld.<br />
Das Delikt Vernachlässigung, also die ausgeprägt unzureichende Pflege, Ernährung, gesundheitliche<br />
Fürsorge, Beaufsichtigung und Entwicklungsförderung ist nicht in der Kriminalstatistik<br />
ausgewiesen. Schätzungen schwanken zwischen 50.000 und 500.000 Fällen, so<br />
Prof. Dr. Günther Deegener, Leiter der Kinder- und Jugendpsychiatrie der Universitätsklinik<br />
Homburg und Vorsitzender des Fachbeirats Medizin/Psychologie des WEISSEN RINGS.<br />
Vernachlässigung ist die mit Abstand größte Gefahr für Kinder, nicht nur in Deutschland,<br />
sondern beispielsweise auch in den USA: Sie steht in einer Untersuchung zur Anrufung von<br />
Familiengerichten durch Jugendämter mit zwei Dritteln an der Spitze vor seelischer<br />
(36,8 Prozent) und körperlicher (23,6) Misshandlung, Erwachsenen-Konflikten ums Kind (23,6)<br />
und sexuellem Missbrauch (16,7). Mehrfachnennungen waren möglich.<br />
Weitere Themenbereiche beim 18. Mainzer Opferform <strong>2007</strong> waren die staatliche Entschädigung<br />
von Kindern und Jugendlichen, die Glaubhaftigkeitsbegutachtung bei kindlichen und<br />
jugendlichen Zeugen, der Täter-Opfer-Ausgleich, die posttraumatische Belastungsstörung<br />
bei kindlichen und jugendlichen Opfern sowie die ehrenamtliche Prozessbegleitung und<br />
-betreuung von Kindern und Jugendlichen. In Kurzreferaten wurde das Thema „Sexueller<br />
Missbrauch von Kindern – von der Verdachtsschöpfung zur Anzeige“ aus dem Blickwinkel der<br />
Polizei, der Staatsanwaltschaft, der Rechtsmedizin und des Jugendamtes beleuchtet. Zum<br />
Umgang der Justiz mit kindlichen und jugendlichen Opferzeugen berichteten Experten aus<br />
Sicht des Gerichts, der Staatsanwaltschaft, der Verteidigung, der Nebenklage, des Jugendamtes<br />
sowie der Sachverständigen.<br />
Das Opferforum <strong>2007</strong> schloss mit einer Podiumsdiskussion zur Rolle der Medien im Spannungsfeld<br />
zwischen notwendiger Berichterstattung und purer Vermarktung. Dabei wurde<br />
festgestellt, dass im Pressekodex, den Richtlinien für die publizistische Arbeit nach den<br />
Empfehlungen des Deutschen Presserates, zwar auf Täterbelange eingegangen, die Perspektive<br />
gerade der jungen Opfer von Kriminalität und Gewalt jedoch nur unzureichend dargestellt<br />
wird. Der WEISSE RING strebt eine entsprechende Ergänzung des Pressekodexes an.<br />
In einem Grußwort zum Mainzer Opferforum sprach Bundesjustizministerin Brigitte Zypries<br />
den ehrenamtlichen Helfern des WEISSEN RINGS Dank und Anerkennung für ihre Arbeit aus.<br />
Fortbildungsveranstaltung für Rechtsanwälte<br />
Rechtshilfezusagen stellen in der täglichen Arbeit des WEISSEN RINGS eine wichtige Hilfe<br />
zur Überwindung der Tatfolgen dar. Zu wissen, was in der Hauptverhandlung auf einen zukommt,<br />
läßt Opfer diesem Termin ruhiger entgegen sehen. Die eigenen Rechte zu kennen,<br />
ob diese gegenüber dem Täter geltend gemacht werden sollen oder gegenüber staatlichen<br />
Leistungsträgern, z. B. gegenüber der Versorgungsverwaltung, gibt Sicherheit und mehr<br />
Möglichkeiten diese Rechte mittels anwaltlicher Unterstützung auch durchzusetzen.<br />
Doch selbst in Anwaltskreisen sind Opferansprüche und Opferrechte oft nicht hinreichend<br />
oder überhaupt nicht bekannt. Bislang findet die Ausbildung von Juristen im materiellen<br />
Strafrecht und Strafprozessrecht ausschließlich aus Tätersicht oder Sicht des Strafverteidigers<br />
statt. Auch Weiterbildungsangebote gibt es wenig.<br />
Der WEISSE RING fordert seit langem, die Opferrechte in die Ausbildungsinhalte für<br />
Juristen aufzunehmen. Angesichts dieses Defizits hat der WEISSE RING ein Fortbildungsangebot<br />
für Opferanwälte entwickelt, das von der Rechtsanwaltskammer anerkannt ist.<br />
Rechtsanwälte und Psychologen vermitteln notwendiges Wissen, um ein Kriminalitätsopfer<br />
als Zeuge, Nebenkläger oder im Adhäsionsverfahren qualifiziert vertreten zu können.<br />
Darüber hinaus wird auch fachübergreifendes Wissen zur Glaubwürdigkeitsbegutachtung<br />
und der Begutachtung psychischer Tatfolgen insbesondere im Bereich der Posttraumatischen<br />
Belastungsstörung sowie zum Täter-Opfer-Ausgleich und Zuständigkeitsproblemen<br />
im Rehabilitationsrecht angeboten.<br />
2006 fanden zwei Fortbildungsveranstaltungen in Mainz und Berlin statt. Aufgrund<br />
der großen Nachfrage wurde Ende September <strong>2007</strong> eine weitere Veranstaltung in<br />
Nürnberg durchgeführt. Der WEISSE RING wird diese Veranstaltungsreihe fortführen.<br />
Forschungsförderung