Jahresbericht 2007 - Weisser Ring e.V.

Nach Tanjas Tod: Die Finsternis weicht nicht
8 | 9
T | Tötung | 8,2%
S | Sexualdelikt | 29,8%
D | Diebstahl | 8,3%
SO | Sonstiges | 9,7%
Tanja wurde ermordet. Als Dreizehnjährige. Was damals geschah, weiß niemand ganz ge-
nau. Das Mädchen war wie so oft bei ihrer Oma zu Besuch. Ihr kleiner Bruder hatte seinen
MP3-Player auf dem Spielplatz vergessen. Ein Bursche aus Tanjas Bekanntenkreis erzählte
der besorgten Schwester, ihn gefunden zu haben und versprach, ihn zurückzugeben.
Wenn – ja, wenn sie sich mit ihm in einem bestimmten Abbruchhaus träfe. Die Arglose
ging zum verabredeten Treffpunkt. Während der Gerichtsverhandlung berichtete der Täter,
ein damals 14-Jähriger, Tanja geschlagen und gewürgt zu haben. Anschließend habe er die
Leiche versteckt.
Sabine M., Tanjas Mutter, machte sich, als sie vom Verschwinden ihrer Großen hörte, sofort
gemeinsam mit ihrem Lebensgefährten auf die Suche. Panisch fuhren sie umher und
beschädigten ihr Auto. Sie verloren jede Hoffnung. Ihre Tochter wurde gefunden. Tot. Fragt
man Sabine M. heute nach dieser Zeit, so ist es, als versuche sie einen Albtraum zu greifen.
„Ich weiß es nicht mehr“, sagt die junge Frau immer wieder und kämpft gegen die Tränen.
Die Finsternis um die Mutter weicht nicht.
„Ich komme schon zurecht“ meint sie, als die Mitarbeiterin des WEISSEN RINGS wieder einmal
fragt, ob sie nicht doch psychologische Hilfe in Anspruch nehmen möchte, so wie sie
ihre Kinder erfahren. Die ehrenamtliche Helferin ist vermutlich eine der ganz Wenigen
außerhalb der Familie, die die junge Mutter ein Stück in ihre Trauer hineingelassen hat.
Über eine Bekannte hatten die Betroffenen zuerst Kontakt zu einem Anwalt, dann zum
WEISSEN RING aufgenommen. „Wir haben es nicht bereut. Nicht nur wegen des Geldes.
Aber auch das hat uns geholfen. Wir konnten unser Auto reparieren lassen, sonst hätten
wir das mit den Fahrten mit den Kindern zum Psychologen nicht hingekriegt. Und wir
konnten die Rechnung für das Begräbnis begleichen. Und manchmal denken wir: Wir sind
ja nicht die Einzigen, denen so was Schlimmes passiert.“
S
Deliktstruktur 2007
in %
D
T
SO
ST
HG
R
KV
ST | Stalking/Telefonterror | 6,0%
HG | Häusliche Gewalt | 8,2%
KV | Körperverletzung | 21,4%
R | Raub | 7,2%
F | Freiheitsberaubung
und Kindesentzug | 1,2%
PS | Beratungsscheck für eine psychotraumatologische
Erstberatung | 6%
RH | Rechtsschutz/Opferanwalt | 13%
BS | Beratungsscheck für eine
anwaltliche Erstberatung | 34%
420 Außenstellen des WEISSEN RINGS bundesweit
Der Begriff Außenstelle des WEISSEN RINGS bedeutet, dass sich für den Bereich eines Landkreises
oder einer kreisfreien Stadt mehrere Mitglieder des Vereins zusammen gefunden
haben, um Opfern von Kriminalität und Gewalt bei der Bewältigung der Tatfolgen mit Rat
und Tat zur Seite zu stehen. Vor ihrer Ernennung zu ehrenamtlichen Helferinnen und Helfern
werden sie im Rahmen von Schulungsveranstaltungen auf ihre verantwortungsvolle
Aufgabe vorbereitet (vgl. hierzu Seite 24).
Der Leiter/die Leiterin einer Außenstelle koordiniert den Einsatz der Mitarbeiterinnen
und Mitarbeiter, der neben der unmittelbaren Opferhilfe auch Aktivitäten im Bereich
der Kriminalitätsvorbeugung sowie zur Steigerung des Bekanntheitsgrades des
WEISSEN RINGS umfasst. Ziel der Außenstelle ist es – als Teil eines lokalen Netzwerks – im
Zusammenwirken mit staatlichen Institutionen wie Polizei, Justiz und Verwaltung sowie
mit allen weiteren mit der Opferthematik tangierten gesellschaftlichen Stellen Kontakt zu
Betroffenen zu finden.
Ein großer Teil hilfesuchender Opfer wendet sich auch direkt an die örtlichen Ansprechpartner
des WEISSEN RINGS. In einem ersten persönlichen Gespräch zwischen Opfer und
Helfer wird eine Vertrauensbasis aufgebaut, auf der dann jeweils auf den individuellen
Fall abgestimmte Unterstützungsmöglichkeiten besprochen und realisiert werden. Dabei
stehen der menschliche Beistand und weitere immaterielle Hilfsangebote im Vordergrund.
Die Leistungen des WEISSEN RINGS erfolgen kostenlos und unabhängig von einer
Vereins-Mitgliedschaft (vgl. hierzu Seiten 6/7). Finanzielle Zuwendungen brauchen nicht
zurück gezahlt werden. Die Dauer der Betreuung ist vom Einzelfall abhängig, wobei der
WEISSE RING dem Opfer Hilfe zur Selbsthilfe geben möchte. In bundesweit rund
420 Außenstellen sind mehr als 3.000 Helferinnen und Helfer des WEISSEN RINGS ehrenamtlich
tätig. Sie erhalten lediglich Erstattung von Fahrt-, Porto- und Telefonkosten.
RH
BS
PS
Hilfeart 2007
in %
SH
AK
FH
OH
SH | Soforthilfe | 20%
OH | Opferhile | 18%
FH | Ferienhilfe | 3%
AK | Aufmerksamkeiten | 6%
O p f e r h i l f e