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30 FEBRUAR ’12<br />

KURZ KRITISIERT<br />

Ivana Langmajer und Sebastian Schnitzer, Foto: Marcus Gässler<br />

HANNA UND DIE MÄNNER<br />

Musikalisch und schaupielerisch gelungen, liefert Ivana<br />

Langmajers kabarettistischer Abend „Ist das Liebe, oder<br />

kann das weg?“ im Horizont Theater nur teilweise originelle<br />

Einsichten, eine Straffung hätte dem Abend gut getan.<br />

Hanna Bergheim leidet. Nie wieder wird sie einen Mann<br />

in ihr Leben lassen, am Besten hungert sie sich gleich vor<br />

Kummer zu Tode, weil ER mal wieder Schluss gemacht<br />

hat. Na ja, die eine 500g-Tafel Schokolade geht noch.<br />

Leicht variiert zieht sich diese Szene als roter Faden<br />

durch den Abend im Horizont Theater. Die Figur Hanna<br />

stammt aus der Feder der Schauspielerin Ivana Langmajer,<br />

zusammen mit Musiker Sebastian Schnitzer hat sie<br />

ein „musikalisches Kabarett“ mit dem vielversprechenden<br />

Titel „Ist das Liebe, oder kann das weg?“ konzipiert.<br />

In chronologischen Episoden (alle dauern „einen Mann<br />

lang“) erleben wir Hannas oft rührenden Kampf mit der<br />

Liebe, genauer gesagt mit den Männern, angefangen<br />

mit dem ersten, klar misslungenen Date mit siebzehn<br />

(schlechte Idee, so zu tun, als könne man Skateboardfahren,<br />

um den coolen Typen aus der Raucherecke zu beeindrucken).<br />

Es folgt Kerl auf Kerl: der schöne Rettungsassistent,<br />

Mustafa, Kassierer im türkischen Supermarkt, der<br />

verpeilte Hanno, Lukas, Daniel, Markus, etc. Sämtliche<br />

Männer spielt Co-Schauspieler Schnitzer, der jeweils auch<br />

die passenden Zwischentexte und die gelungene musikalische<br />

Untermalung liefert (im Stil gepfl egter Barmusik<br />

meist am roten Klavier, aber auch mit Tamburin oder Kazoo).<br />

Jedesmal ist es „die ganz große Liebe“, denkt Frau<br />

Bergheim. Doch man ahnt: Da liegt sie falsch, das oder<br />

der da kann defi nitiv weg. Es wird viel gelacht im Premierenpublikum,<br />

denn Ivana Langmajer als Hanna leidet in<br />

jedem Fall ganz wunderbar, sie rastet ganz wunderbar aus<br />

und betrinkt sich auch ganz wunderbar. Wackelt es auch<br />

gesanglich hier und da, schauspielerisch liefern Langmajer<br />

und Schnitzer ein Sahnestückchen. Das Skript überzeugt<br />

dagegen nicht durchgängig. Nur einzelne Figuren sind<br />

wirklich originell und lustig. Der konsequent Fantasie-Türkisch<br />

sprechende Mustafa (mit angeklebtem Schnauzbart)<br />

ist so übertrieben geraten, dass er schon wieder richtig<br />

gut ist. Beziehungen können sich an den Geräuschen entscheiden,<br />

die der Partner beim Essen macht, diese Einsicht<br />

ist witzig und lebensklug. Vieles wirkt allerdings arg vorhersehbar,<br />

immer dann, wenn der schmale Grat zwischen<br />

pointierter Überspitzung und Klischee verfehlt wird (wie<br />

beim erotischen Mediziner, beim sensiblen Poeten, beim<br />

prolligen Porschefahrer). Auch machen Hannas altbackene<br />

Ansichten eher ratlos: Welche 17-jährige träumt heute noch<br />

von einem Hausfrauendasein mit zwei Kindern und einem<br />

Mann, der wöchentlich Blumen bringt? Die Kriterien ihrer<br />

Männerwahl bleiben völlig schleierhaft. Der Abend ist<br />

mit zwei Stunden zu lang, eine Straffung hätte Format und<br />

Pointen gut getan. Wenn dann noch Personen aus der ersten<br />

Reihe unnachgiebig einbezogen werden (in diesem Fall<br />

die Kritikerin) ist die Grenze – zu schlechtem Zirkus – defi -<br />

nitiv überschritten. CHRISTINA GATH<br />

SÄCHSELNDE SEXBOMBE<br />

Kann man aus einer Sächsin eine Kölsche machen? Das<br />

diesjährige Divertissementchen bietet eine deftige Kostüm-<br />

und Nummernrevue mit kölschem Zungenschlag<br />

und hohem Unterhaltungswert. Ein Abend, der Wiederholungszwang<br />

erzeugt.<br />

Es gibt manche Rituale in Köln, die sich einem Außenstehenden<br />

erst nach sehr langer Zeit erschließen – einiges<br />

vielleicht nie. So wird ein Zugezogener möglicherweise<br />

mit Erstaunen vernehmen, dass die Aufführungen eines<br />

Männergesangvereins, der anderthalb Jahrhunderte alt<br />

ist, zu Karnevalszeiten der Abräumer schlechthin sind.<br />

Wer das nicht glauben mag, sollte im nächsten Jahr versuchen,<br />

Karten für das Divertissementchen der Spielgemeinschaft<br />

„Cäcilia Wolkenburg“ zu erhaschen – in<br />

diesem Jahr wird es wohl nichts mehr, die Karten für die<br />

insgesamt 28 Vorstellungen sind längst ausverkauft. „Kölner<br />

Jungfrau – dringend gesucht“ heißt das Stück, das im<br />

Jahr 2012 von der Theaterabteilung des Kölner Männer-<br />

Gesang-Vereins zum Besten gegeben wird.<br />

Der Inhalt ist eine Reminiszenz an George Bernard Shaws<br />

Komödie „Pygmalion“: Ursula von den Sinnen (Henning<br />

Jäger) will nach ihrer Wahl zur ersten Oberbürgermeisterin<br />

von Köln ein ehrgeiziges Projekt durchsetzen – sie will<br />

eine echte Jungfrau im Kölner Dreigestirn installieren (bei<br />

Shaw wird ein Blumenmädchen zur Herzogin gemacht). Ein<br />

kölsches Casting offenbart jedoch einen erschreckenden<br />

Mangel an Talenten. Die intrigante von den Sinnen wittert<br />

daraufhin die Chance, den begehrten Posten ihrer Nichte<br />

zuschanzen zu können, wie es eben so läuft in unserem<br />

liebenswerten Städtchen. Unvermutet bekommt die Nichte<br />

jedoch Konkurrenz von der platinblonden Lilli (Gerd Oberrecht).<br />

Ihr Schönheitsfehler: Sie stammt aus Sachsen und<br />

spricht kein Wort Kölsch. Jan op den Hippt (Joachim Sommerfeld),<br />

Professor der „Akademie för uns kölsche Sproch“<br />

wettet jedoch, dass er es in vier Monaten schafft, aus der<br />

sächselnden Sexbombe ein kölsches Mädchen zu machen.<br />

Die Story wird in drei Stunden erzählt und liebevollst ausgeschmückt<br />

– mit unzähligen Gesangs- und Tanzeinlagen,<br />

Einzel- und Chorauftritten, Auf- und Abgängen. Die musikalischen<br />

Darbietungen reichen dabei von „Blootwoosch,<br />

Kölsch und en lecker Mädchen“ über den „Pink Panther<br />

Theme“ von Filmkomponist Henry Mancini hin zu Wagners<br />

„Lohengrin“. Es ist ein aberwitziger Ritt durch die Musikgeschichte,<br />

den die rund 100 Männer mit ihrem musikalischen<br />

Leiter Bernhard Steiner und den Bergischen Symphonikern<br />

vollziehen. Obendrein kalauern sie, geben gekonnte Ballett-<br />

und Steppeinlagen zum Besten, wechseln viertelstündlich<br />

ihre Kostüme und legen zu guter Letzt auch noch einen<br />

Schuhplattler hin. Dafür ernten die Laiendarsteller(!) immer<br />

wieder begeistertes Johlen und Klatschen – bis zum großen<br />

Finale in der Kölner Flora (umwerfend schön gestaltet von<br />

Bühnenbildnerin Bettina Neuhaus). Am Ende der Kostümund<br />

Musik-Orgie taumelt man benommen aus dem Opernhaus,<br />

mit dem Gefühl, ein paar Kamelle zu viel verschlungen<br />

zu haben – und dem ehrlichen Wunsch, im nächsten<br />

Jahr wieder dabei sein zu können. NINA GIARAMITA<br />

TERMINE IM FEBRUAR: OPERNHAUS, 1.-5., 10.-16., 19., 21.<br />

WIEDER IM APRIL/MAI Gerd Oberrecht als sächselnde Sexbombe, Foto: © VKKBA / Foto: Weimer<br />

Griechen, Spanier und Iren mit Euro-Rettungsschirmen – nur der Chinese braucht ihn<br />

nicht. Foto: A. & W. Bartscher / bartscher.net<br />

BRAUCHTUM BERSERKER<br />

Die Kölner Stunksitzung 2012 ist ein großer Jahrgang,<br />

der die bewährten Motive Kölsch, Karneval, Klüngel<br />

per fekt zusammenführt. Was als anarchischer Protest<br />

begann, ist ein potentes Wirtschaftsunternehmen geworden:<br />

50.000 Besucher jährlich besuchen die Stunksitzung.<br />

Grünen-Wähler bestehen vor allem aus besserverdienenden<br />

Bionade-Besoffenen. Lag es daran, dass Präsidentin<br />

Biggi Wanninger mit der ersten politischen Pointe treffsicher<br />

das eigene Publikum skizziert hatte, oder waren die<br />

Zuschauer noch nicht auf Betriebstemperatur? Die Lacher<br />

fi elen jedenfalls verhalten aus. Das sollte sich im Laufe des<br />

Abends gewaltig ändern. Nach vier Stunden hatten die Berserker<br />

des Kölner Brauchtums den Saal immer wieder zu<br />

Begeisterungsstürmen hingerissen – auch wenn es nicht<br />

mehr erlaubt ist, auf den Tischen zu tanzen. Souverän steuerten<br />

Biggi Wanninger als Präsidentin und Eckie Piper als<br />

Frontmann der Band Köbbes Underground das Narrenschiff<br />

durch gewohnte Gewässer: Karneval, Köln und Kapitalismus-Kritik.<br />

Besonders gelungen waren dabei die Nummern,<br />

in denen die drei Ks vereint wurden. In der traditionellen<br />

Persifl age auf das Hänneschen-Theater tanzten die Stunker<br />

als Politpuppen durch die Kölsch-Kneipe in Knollendorf. In<br />

der kriselnden Wirtschaft blieb der Zapfhahn zu, denn der<br />

„blutwurstsaugende“ Bierbank-Besitzer„Ackermanes“ sorgte<br />

mit Wucherzinsen dafür, dass den durstigen Besuchern wie<br />

„BärlauchToni“ die Flönz-Finanzen ausgingen. Während der<br />

balzende Triebwagen des Italieners aufs Abstellgleis gerollt<br />

wurde, tanzten Euro-Rettungsschirm-bemützte Griechen,<br />

Spanier und Iren um das geizige goldene Kalb aus Berlin.<br />

Der Kölsche Kapitalismus-Klüngel bekam bei „Aktenzeichen-XY<br />

ungelöst“ sein Fett weg. Keiner der Kölschen Krisenherde<br />

konnte in der Sendung gelöst werden. Auch die<br />

Suche nach einer freien Presse wurde ergebnislos vertagt,<br />

ebenso die Jagd nach dem „radikalen Fundamentalisten Joachim<br />

M(eißner)“. Dabei hatte doch der, anders als die RAF,<br />

noch nicht einmal Sympathisanten. Das kam in der Kölner<br />

Kurie nicht gut an – ebensowenig wie die Szene, in der Jesus<br />

auf einem Segway-Roller, gutgelaunt das Kreuz geschultert,<br />

nach Golgatha glitt – und wurde von den Boulevardzeitungen<br />

zum diesjährigen Stunk-Skandal ausgebaut.<br />

Den Stunkern dürfte es recht sein. Aus dem Häufl ein Politprotestlern,<br />

die vor 28 Jahren in der Studiobühne Köln an<br />

drei Abenden das System wegschunkeln wollten, ist längst<br />

eine Erfolgsgeschichte geworden. Sagenhafte 50.000 Zuschauer<br />

dürfen sich glücklich schätzen, Karten für die Sitzungen<br />

ergattert zu haben. Und was sie auf der Bühne für<br />

stolze Eintrittspreise von 40 Euro zu sehen bekommen, ist<br />

grandioses Schauspiel, Musik und Kabarett. Immerhin bereichern<br />

die Akteure – verdientermaßen – nicht nur sich,<br />

sondern strahlen auch in die freie Szene Kölns aus: Ex-<br />

Stunker wie Jürgen Becker als Kabarettist oder Rosa K.<br />

Wirtz als Leiterin des Atelier-Theaters; Aktiv-Stunker Diddi<br />

Jünemann als Mitglied des NN-Theaters oder die Blackbox-<br />

Company, in der mit Hans Kieseier und Ozan Akhan gleich<br />

zwei Stunk-Stars mitwirken. NORBERT RAFFELSIEFEN<br />

TERMINE IM FEBRUAR: E-WERK, 1.-5., 8.-12., 14., 15., 17.-19., 21.

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