Krise und Illusion. Zur Philosophie der ... - Roger Behrens
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<strong>Krise</strong> <strong>und</strong> <strong>Illusion</strong> | 16<br />
Gegenbewegungen kommen kann, <strong>und</strong> kultureller Abfall des<br />
Mainstream neu codiert wie<strong>der</strong> in den Kreislauf gebracht wird. Dadurch<br />
stellt sich eine subversive Popkultur gegen das Diktat <strong>der</strong> Mode;<br />
paradoxerweise wird mit diesem Vorgehen allerdings selbst eine neue<br />
Mode gezeitigt, die mittlerweile auch schon von <strong>der</strong> Werbung als<br />
Stilmittel aufgegriffen wird: da die Popkultur selbst kaum über<br />
künstlerische Inhalte verfügt, <strong>und</strong> die Inhalte <strong>der</strong> bürgerlichen Kultur<br />
obsolet geworden sind, muss sie sich beständig wie<strong>der</strong>holen. Die<br />
elektronische Popmusik – von Techno bis Twostep – die die neunziger<br />
Jahre bestimmte, hat zwar die Formsprache des Pop erweitert, inhaltlich<br />
aber kaum neues Material geliefert. So zeigt sich in <strong>der</strong> Mode am Ende<br />
<strong>der</strong> neunziger Jahre erstmals <strong>der</strong> Effekt gleichzeitiger Wie<strong>der</strong>kehr<br />
vergangener Moden <strong>der</strong> Sechziger, Siebziger <strong>und</strong> Achtziger.<br />
P o p i m 2 1 . J a h r h u n d e r t –<br />
e i n R ü c k b l i c k<br />
Damit zeigt sich auch das mögliche Ende <strong>der</strong> Phase <strong>der</strong> Popkultur.<br />
Diedrich Die<strong>der</strong>ichsen spricht von einem Wandel von »Pop I«, dem<br />
spezifischen Pop als »Gegenbegriff zu einem eher etablierten<br />
Kunstbegriff«, zu »Pop II«, dem allgemeinen o<strong>der</strong> verallgemeinerten<br />
Pop. 26 Für subversive Ansätze innerhalb <strong>der</strong> Popkultur wird es<br />
zunehmend schwieriger, sich zu behaupten; ihnen fehlt zugleich auch<br />
eine politische Basis – etwa progressive Jugendkulturen. Statt dessen<br />
wie<strong>der</strong>holt sich in <strong>der</strong> Popkultur das, was Marcuse für die bürgerliche<br />
Kultur ihren »affirmativen Charakter« nannte: <strong>der</strong> Pop erlaubt es den<br />
Individuen, sich zumindest »symbolisch« in <strong>der</strong> Welt zu behaupten;<br />
Pop ist nunmehr <strong>der</strong> perfekte <strong>Illusion</strong>sapparat, dessen repräsentative<br />
Gewalt (die Mode, die Reklame) soweit in den Alltag <strong>der</strong> Einzelnen<br />
vorgelassen wird, dass je<strong>der</strong> Riss, <strong>der</strong> die <strong>Krise</strong> andeutet, zugleich<br />
verdeckt wird. Benjamin schloss seinen ›Kunstwerk‹-Aufsatz mit <strong>der</strong><br />
Formel, dass <strong>der</strong> Ästhetisierung <strong>der</strong> Politik eine Politisierung <strong>der</strong> Kunst<br />
entgegen gesetzt werden müsste; heute hat sich die ästhetisierte Politik<br />
26 Diedrich Die<strong>der</strong>ichsen, Der lange Weg nach Mitte. Der So<strong>und</strong> <strong>und</strong> die Stadt,<br />
Köln 1999, S. 275.