Krise und Illusion. Zur Philosophie der ... - Roger Behrens
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<strong>Krise</strong> <strong>und</strong> <strong>Illusion</strong> | 8<br />
Faschismus vollkommen unbrauchbar sein« sollten, 13 beschrieben<br />
allerdings nur das emanzipatorische Potential <strong>der</strong> Massenkultur – im<br />
Zeichen einer Kulturindustrie hatte sich die bestehende Gesellschaft<br />
bereits mit <strong>der</strong> Massenkultur angefre<strong>und</strong>et <strong>und</strong> gelernt, die – wie es<br />
Adorno <strong>und</strong> Horkheimer skizzierten – »Aufklärung als Massenbetrug«<br />
zu inszenieren. Gerade <strong>der</strong> Nationalsozialismus hatte schnell erkannt,<br />
welche Propagandamittel ihm mit <strong>der</strong> Massenkultur zur Verfügung<br />
stehen, <strong>und</strong> perfektionierte das System <strong>der</strong> Ordnung <strong>der</strong> Masse durch<br />
die Kultur. Der Tourismus, <strong>der</strong> Volkswagen, <strong>der</strong> Massenr<strong>und</strong>funk <strong>und</strong><br />
das Fernsehen sind in Nazideutschland entwickelt worden, auch wenn<br />
sie sich letztendlich erst in <strong>der</strong> demokratisch-liberalen Kultur <strong>der</strong><br />
Vereinigten Staaten durchsetzten.<br />
Die Massenkultur, die im 19. Jahrh<strong>und</strong>ert noch von Ungleichzeitigkeiten<br />
<strong>und</strong> fantastischen technischen Fehlläufen durchsetzt war (zum Beispiel<br />
die Musikmaschinen wie das Orchestrion, o<strong>der</strong> die Stereoskopie),<br />
verwandelte sich in <strong>der</strong> Phase <strong>der</strong> Kulturindustrie in <strong>der</strong> ersten Hälfte<br />
des 20. Jahrh<strong>und</strong>erts in einen scheinbar wi<strong>der</strong>spruchslosen,<br />
allgegenwärtigen <strong>und</strong> unbezwingbaren Apparat – Adorno sprach von<br />
<strong>der</strong> »total verwalteten Welt«. Eine perfekte <strong>Illusion</strong>: »Die ganze Welt<br />
wird durch die Filter <strong>der</strong> Kulturindustrie geleitet … Je dichter <strong>und</strong><br />
lückenloser ihre Technik die empirischen Gegenstände verdoppeln, um<br />
so leichter gelingt heute die Täuschung, dass die Welt draußen die<br />
bruchlose Verlängerung <strong>der</strong>er sei, die man im Lichtspiel kennenlernt.<br />
Das Leben soll <strong>der</strong> Tendenz nach vom Tonfilm nicht mehr sich<br />
unterscheiden lassen.« 14 Leo Löwenthal erläutert ähnlich: »Das Radio,<br />
das Kino, die Zeitungen <strong>und</strong> Bestseller sind zugleich Vorbil<strong>der</strong> für den<br />
Lebensstil <strong>der</strong> Massen <strong>und</strong> Ausdruck ihres tatsächlichen Lebens.« 15 –<br />
Die Mechanismen dieser Kulturindustrie sind als Manipulation, Reklame,<br />
Information, Befehl, Stereotypen, Betrug <strong>und</strong> Amüsement beschrieben<br />
worden; in <strong>der</strong> Kulturindustrie ist alles ähnlich <strong>und</strong> zugleich<br />
13 Benjamin, Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit,<br />
a.a.O., S. 435.<br />
14 Adorno <strong>und</strong> Horkheimer, Dialektik <strong>der</strong> Aufklärung, a.a.O., S. 147.<br />
15 Leo Löwenthal, Literatur <strong>und</strong> Massenkultur, a.a.O., S. 23.