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Krise und Illusion. Zur Philosophie der ... - Roger Behrens

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<strong>Krise</strong> <strong>und</strong> <strong>Illusion</strong> | 4<br />

Restaurant vorging, <strong>und</strong> versank völlig in die Betrachtung <strong>der</strong> Straße.« 4<br />

In den Restaurants <strong>und</strong> Cafés spricht man über Mode, liest Zeitung,<br />

trinkt neumodische Getränke wie einen Kaffee, <strong>und</strong> beobachtet die<br />

an<strong>der</strong>en Gäste o<strong>der</strong> Passanten – noch heute sprechen wir in diesem<br />

Sinne von <strong>der</strong> Stadtteilkultur o<strong>der</strong> Kneipenkultur eines Stadtviertels.<br />

Keineswegs bezeichnet Massenkultur eine Kultur, die aus den Massen<br />

entspringt <strong>und</strong> von ihnen hervorgebracht wird; Massenkultur meint<br />

eher ein bestimmtes Rezeptionsverhalten, welches <strong>der</strong> Masse entspricht:<br />

Rezeption ist nicht mehr eine produktive Auseinan<strong>der</strong>setzung mit den<br />

kulturellen Werken, eine Konzentration auf seine geistigen o<strong>der</strong><br />

sinnlichen Bedeutungsdimensionen, son<strong>der</strong>n <strong>der</strong> beiläufige Reiz, die<br />

Zerstreuung, die Sensation. Die Masse konsumiert Kultur, ebenso wie sie<br />

Waren konsumiert. Stärker als bisherige Kulturformen ist Massenkultur<br />

ökonomisch geprägt: sie kann industriell gefertigtes Massenprodukt sein<br />

(man denke an Bekleidungsmode, an kulturelle Alltagsgegenstände wie<br />

Besteck <strong>und</strong> Geschirr, o<strong>der</strong> an Taschenbücher). Der wirtschaftliche<br />

Aspekt ist nicht nur ein entscheiden<strong>der</strong> Faktor in <strong>der</strong> Herstellung <strong>und</strong><br />

beim Verkauf <strong>der</strong> kulturellen Produkte, son<strong>der</strong>n hat bereits Einfluss auf<br />

die Gestalt <strong>und</strong> Struktur <strong>der</strong> Kultur; dass die Kultur zur Ware wird,<br />

bedingt ihre »Kommerzialisierung« <strong>und</strong> »Vermarktung« gewissermaßen<br />

nur als Nebeneffekt, <strong>und</strong> meint vielmehr die warenlogische<br />

Durchdringung <strong>der</strong> Kultur: Massenkultur ist primär nicht authentisch,<br />

kunstvoll, fantasiereich, wi<strong>der</strong>ständig, kreativ <strong>und</strong> <strong>der</strong>gleichen, son<strong>der</strong>n<br />

– wie ihr ökonomischer Zwilling – verdinglichter Gegenstand,<br />

entfremdetes Produkt, sinnentleert, aber voller Rätsel <strong>und</strong> Mucken.<br />

Vermittels <strong>der</strong> Reklame vermag Massenkultur sich als sinnvoll,<br />

interessant, kreativ o<strong>der</strong> nützlich darzustellen. Tatsächlich ist ein<br />

Großteil <strong>der</strong> heutigen Medienkultur – bewusst o<strong>der</strong> versteckt –<br />

eingeglie<strong>der</strong>t in die Reklameindustrie, sei’s Werbung für einzelne<br />

Produkte sie’s Reklame für die Welt wie sie ist. Die Massenkultur zeigt<br />

schon im 19. Jahrh<strong>und</strong>ert Berührungspunkte mit <strong>der</strong> politischen<br />

Propaganda <strong>und</strong> stellt einige <strong>der</strong> wichtigen Funktionsmechanismen<br />

4 Edgar Allen Poe, Der Mann in <strong>der</strong> Menge, in: Ders., Erzählungen, München<br />

1959, S. 124.

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