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bunsenmagazin - Deutsche Bunsengesellschaft für Physikalische ...

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NACHRICHTEN<br />

Jahre 1918 hatte es nur einen einzigen Lehrstuhl gegeben, im<br />

Vergleich zu anderen Hochschulen wurde ein Parallellehrstuhl<br />

erst in jenem Jahr eingerichtet und mit Helmut Bertagnolli besetzt.<br />

Die Attraktivität des Arbeitsgebiets führte ihm in Würzburg und<br />

Stuttgart zahlreiche Mitarbeiter zu. Deshalb war eine Erweiterung<br />

des Themenkreises möglich, und bis heute hat ihm dies<br />

eine umfangreiche Publikationsliste von über 200 Titeln eingebracht.<br />

Sehr spannend war der Einstieg in die theoretische<br />

Behandlung der fl üssigen, oder allgemeiner der amorphen<br />

Systeme. In den Jahren seiner Postdoktorandentätigkeit hatte<br />

nicht nur die statistische Mechanik amorpher Systeme sondern<br />

infolge der technischen Verbesserung der Computer die<br />

numerische Statistik enormen Fortschritt erfahren.<br />

Helmut Bertagnolli erkannte diese neuen Entwicklungen umgehend<br />

und setzte die moleküldynamische und die Monte-Carlo<br />

Simulation <strong>für</strong> die Bestimmung zwischenmolekularer Potentiale<br />

ein. Auf experimenteller Seite ergänzte er die bisherigen Röntgen-<br />

und Neutronenuntersuchungen durch das neue EXAFS-<br />

Verfahren (extended X-ray absorption fi ne structure) und die<br />

Differentielle Anomale Röntgenstreuung. Diese Verfahren<br />

haben den Vorteil, dass sie elementspezifi sch sind und daher<br />

die aufwändigen Isotopensubstitutionen umgehen. Der theoretische<br />

Zusammenhang zwischen den Molekülpotentialen und<br />

den Streukurven kann umso besser getestet werden, je mehr<br />

thermodynamische Parameter bei den Experimenten variiert<br />

werden. Folglich setzte er in seiner Arbeitsgruppe nicht nur die<br />

relativ einfache Temperaturvariation sondern die technisch<br />

sehr viel anspruchsvollere Druckvariation ein.<br />

In Zusammenarbeit mit dem Karlsruher Hochdrucklabor von<br />

Ernst Ulrich Franck und Klaus Tödheide entwickelte er Hochdruckküvetten<br />

<strong>für</strong> die Neutronenstreuung, die am Grenobler<br />

Höchstfl ußreaktor <strong>für</strong> Messungen an Argon, Chlorwasserstoff,<br />

114<br />

BUNSEN-MAGAZIN · 10. JAHRGANG · 3/2008<br />

Ammoniak, Schwefelhexafl uorid, Methan und Ethan in einem<br />

weiten Phasengebiet mit höchster Präzision eingesetzt wurden<br />

und zur Grundlage <strong>für</strong> die kritischen Überprüfungen der statistisch-mechanischen<br />

Theorien geworden sind. In Kooperation<br />

mit einem Sonderforschungsbereich hat er sich auch der Katalyse<br />

zugewandt, wobei die katalytische Selektivoxidation von<br />

Kohlenstoff-Wasserstoff-Bindungen untersucht wird.<br />

Es ist fast unbegreifl ich, dass Helmut Bertagnolli trotz dieser<br />

extensiven Forschertätigkeit elf Jahre lang Dekan der Stuttgarter<br />

Fakultät <strong>für</strong> Chemie war, und das in schwerer Zeit mit vielen<br />

fi nanziellen Problemen <strong>für</strong> die Hochschule. Auch Gremienarbeit<br />

bei der DFG im Fachkollegium „<strong>Physikalische</strong> Chemie<br />

von Molekülen, Flüssigkeiten und Grenzfl ächen, Allgemeine<br />

Theoretische Chemie“ und am Grenobler Höchstfl ussreaktor im<br />

Subkomitee „Structure and Dynamics of Liquids and Glasses“,<br />

zuletzt als Chairman, hat er nicht gescheut. Die Einheit von<br />

Forschung und Lehre war ihm stets ein wichtiges Anliegen.<br />

Sein umfassendes Engagement in der Lehre wurde seitens des<br />

Landes Baden-Württemberg mit der Verleihung des Landeslehrpreises<br />

im Jahre 1994 gewürdigt.<br />

Neben diesen vielfältigen Aufgaben konnte kaum Zeit <strong>für</strong> private<br />

Hobbies übrig bleiben, von denen uns sein Interesse <strong>für</strong><br />

die Familiengeschichte und die Literatur, seine Liebe zu Gartenarbeit<br />

und Philatelie bekannt sind. Wir wünschen ihm von<br />

ganzem Herzen, dass diese zurückgestellten Themen und Objekte<br />

im künftigen Ruhestand eine größere Rolle spielen werden,<br />

und er insbesondere seine „hochtechnisierte“ Ausrüstung<br />

<strong>für</strong> die Gartenarbeit noch intensiver nutzen kann.<br />

Dieter Leicht (Universität Stuttgart)<br />

Manfred Zeidler (RWTH Aachen)

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