Ormia ochracea - CES
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Kaiser — Richtungshören bei <strong>Ormia</strong> <strong>ochracea</strong> 1<br />
1 Einleitung<br />
Die Lokalisierung einer Geräuschquelle ist eine sehr wichtige Aufgabe des Gehörs. Die<br />
Richtung wird dabei aus der Laufzeitdifferenz des Schalls zwischen beiden Ohren (ITD,<br />
interaural time difference) und der Schalldruckdifferenz (ILD, interaural level difference)<br />
berechnet.<br />
Wie wichtig das im Tierreich ist, zeigt das Verhalten der Fliege <strong>Ormia</strong> <strong>ochracea</strong> aus der<br />
Familie der Tachinidae. Diese Fliege von der Grösse einer Stubenfliege legt ihre parasitären<br />
Larven auf oder neben den Wirt, einer Grille aus der Familie der Gryllidae (z.B. Gryllus<br />
rubens) ab. Die Larven befallen den Wirt und ernähren sich von ihm während der Zeit, die<br />
sie zur Entwicklung zur Fliege brauchen. Die weibliche Fliege ortet die männliche Grille<br />
in der Dämmerung bzw. nachts anhand des charakteristischen Rufs, der speziesabhängig<br />
um die 5 kHz liegt. <strong>Ormia</strong> <strong>ochracea</strong> erreicht dabei eine Genauigkeit von circa 2 ◦ relativ<br />
zur Longitudinalachse der Fliege. Wegen des Abstands der beiden Hörorgane von 0,5 mm<br />
rangiert die ITD zwischen 50 ns bei 2 ◦ und 1,5 µs bei 90 ◦ . Die ILD ist nicht messbar unter<br />
1 dB, da die Wellenlänge etwa 7 cm (bei 5 kHz) beträgt und somit 14 mal größer ist als<br />
die oben genannten 0,5 mm. Damit ist die Fliege aber zu klein, um einen nennenswerten<br />
Geräuschschatten zu werfen, der einen Druckabfall bewirken würde. Der Schlüssel zum<br />
Problem, trotz der äußerst kleinen Unterschiede zwischen den Ohren eine Geräuschquelle<br />
zu lokalisieren, liegt in der einzigartigen biomechanischen Kopplung der beiden Gehörmebranen,<br />
sowie den Neuronen der Gehörorgane.<br />
In Abschnitt 2 wird kurz die Anatomie des Gehörs vorgestellt. Abschnitt 3 beschäftigt sich<br />
mit der Kopplung und stellt ein vereinfachtes analytisches Modell vor. Die Kodierung der<br />
Richtung in den Gehörorganen wird im Abschnitt 4 abgehandelt. Das letzte Kapitel gibt<br />
einen Ausblick auf mögliche Anwendungen.<br />
2 Anatomie der Fliege <strong>Ormia</strong> <strong>ochracea</strong><br />
Abbildung 1: Seitenansicht der Fliege