Dr. Arwed Crüger - WTS Aktiengesellschaft ...
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Verrechnungspreise in Theorie und Praxis<br />
Das verflixte 7. Jahr der<br />
Dokumentationspflicht<br />
<strong>Arwed</strong> <strong>Crüger</strong><br />
Eine mögliche Herangehensweise<br />
an das komplexe Thema<br />
„Verrechnungspreise“ ist die<br />
Durchleuchtung aktueller Themen<br />
aus der Betriebsprüfungspraxis.<br />
Von Bedeutung sind<br />
hierbei die steuerlichen Risiken,<br />
die sich durch Verrechnungspreise<br />
für international tätige<br />
Unternehmen ergeben. Denn:<br />
Verrechnungspreise sollen zwar<br />
fremdüblich sein – unterschiedliche<br />
Auslegungen können jedoch<br />
zu steuerlichem Nachteil<br />
führen. Der Autor berichtet<br />
exklusiv aus der Beratungserfahrung<br />
der <strong>WTS</strong>Steuerberatungsgesellschaft.<br />
(Red.)<br />
Verrechnungspreise sind innerhalb eines<br />
international tätigen Konzerns in<br />
zweierlei Hinsicht bedeutungsvoll. Die<br />
Bewertung und Bepreisung von konzerninternem<br />
Austausch von Waren,<br />
Dienstleistungen, Finanzierungen und<br />
immateriellen Wirtschaftsgütern lenken<br />
und beeinflussen sowohl Handeln und<br />
Erfolg als auch die Steuerlast innerhalb<br />
der betreffenden Unternehmen.<br />
Verrechnungspreise –<br />
komplex und riskant<br />
Indes können, aufgrund der Komplexität<br />
der weltweiten wirtschaftlichen Strukturen,<br />
Hindernisse auftreten. Selbst für<br />
mittelständische Unternehmen stellen<br />
Verrechnungspreise ein beachtliches<br />
Risiko dar. Es gilt daher Mehrfachbesteuerung,<br />
Strafzuschläge und erhöhte Steuerlast<br />
mittels wertschöpfungsorientierter<br />
Lösungsansätze zu mindern beziehungsweise<br />
zu verhindern. Dabei ist<br />
immer ein mögliches, finanzielles Risiko<br />
in Betracht zu ziehen. Bei der Bestimmung<br />
der Verrechnungspreise müssen,<br />
den vielfältigen Gesamtzusammenhängen<br />
folgend, unterschiedliche, optimierende<br />
Herangehensweisen angewandt<br />
werden, um sowohl den konzerninternen<br />
Bedürfnissen als auch den einzelnen<br />
dem Konzern angehörenden<br />
Unternehmen gerecht zu werden. Dabei<br />
Vermögen & Steuern – 10/2011<br />
„Ein gut funktionierendes<br />
Verrechnungspreissystem und die<br />
steuerlich korrekte Dokumentation<br />
desselben wappnen vor ungebetenen<br />
Diskussionen mit den<br />
Finanzbehörden und vermeiden<br />
Nach- oder sogar<br />
Doppelbesteuerung.“<br />
<strong>Dr</strong>. <strong>Arwed</strong> <strong>Crüger</strong>, <strong>WTS</strong> Group<br />
<strong>Aktiengesellschaft</strong>, Frankfurt am Main<br />
E-Mail: arwed.crueger@wts.de<br />
sind die landesspezifischen Verrechnungspreisrichtlinien<br />
genauso zu berücksichtigen<br />
wie die Erfordernisse, die<br />
die verschiedenen Märkte mit sich bringen.<br />
Die Gestaltung der Verrechnungspreise<br />
sollte demnach mit der Phase<br />
der Strategiedefinition und der Generierung<br />
von Konzepten und Verrechnungspreissystemen<br />
beginnen.<br />
Leib- und Magenthema<br />
der Finanzverwaltung<br />
Die Finanzverwaltung der Bundesrepublik<br />
Deutschland setzt sich seit der Reglementierung<br />
der Dokumentationspflicht<br />
im Jahr 2003 verstärkt mit dem<br />
Thema Verrechnungspreise auseinander.<br />
Besonders die Konsequenzen bei<br />
Nichteinhaltung der Gesetze und Richtlinien<br />
spielen eine wichtige Rolle: Veränderungen<br />
der Verrechnungspreise<br />
wirken sich auf das Einkommen der<br />
einzelnen Unternehmen direkt aus –<br />
damit verbunden ist dann folglich auch<br />
V&S-Highlights 39<br />
die Steuerlast. Ein gut funktionierendes<br />
Verrechnungspreissystem und die steuerlich<br />
korrekte Dokumentation desselben<br />
wappnen deshalb vor ungebetenen<br />
Diskussionen mit den Finanzbehörden<br />
und vermeiden Nach- oder sogar<br />
Doppelbesteuerung. Die dicht verwobenen<br />
Strukturen der Geschäftsaktivitäten<br />
innerhalb der Märkte verlangen<br />
nach einer durchdacht aufgestellten<br />
Organisationsstruktur sowie effektiven<br />
Prozessen. Die Implementierung von<br />
konzerninternen Verrechnungspreissystemen<br />
setzt bezüglich der operativen<br />
Effizienz auf ein allen Widrigkeiten trotzendes<br />
Rüstzeug.<br />
Wie sich das in Zahlen ausdrücken<br />
lässt, zeigt sich am Beispiel des Finanzamtes<br />
einer deutschen Großstadt:<br />
Hier liegen in Bezug auf Teilwertabschreibungen<br />
auf grenzüberschreitende,<br />
eigenkapitalersetzende<br />
Darlehen zwischen verbundenen<br />
Unternehmen noch offene Fälle im<br />
Wert von über einer Milliarde Euro.<br />
Nachdem laut dem BMF-Schreiben<br />
vom 29. März 2011 diese Teilwertabschreibungen<br />
ab dem Veranlagungszeitraum<br />
2008 nicht mehr<br />
ohne Weiteres akzeptiert werden,<br />
würde diesbezüglich bei einer steuerlichen<br />
Korrektur allein dieses Finanzamt<br />
Steuermehreinnahmen<br />
von rund 300 Millionen Euro erzielen.<br />
Es lässt sich erahnen, welch<br />
horrende Summe auf nationaler<br />
Ebene zusammenkäme.<br />
Die Pflichten der Dokumentation, die<br />
seit 2003 in Deutschland bestehen, gelten<br />
laut Gesetz für jeden Konzern unter<br />
folgenden Bedingungen: Der Sachverhalt<br />
muss einen Auslandsbezug haben<br />
(entsprechend besteht keine Dokumentationspflicht<br />
für innerdeutsche Sachverhalte),<br />
zudem muss es sich um Geschäftsbeziehungen<br />
zwischen nahestehenden<br />
Personen beziehungsweise<br />
Unternehmensteilen handeln.<br />
Dokumentationspflicht<br />
der Verrechnungspreise<br />
Die Dokumentationspflicht der Konzernverrechnungspreise<br />
zwischen den<br />
Bereichen oder Gesellschaften für Güter<br />
oder Dienstleistungen greift mittlerweile<br />
in den meisten Industriestaaten<br />
der Welt und dient dem Nachweis gegenüber<br />
der Finanzverwaltung:
40<br />
V&S-Highlights<br />
d Unterliegen die Verrechnungspreise<br />
dem Fremdvergleichsgrundsatz?<br />
d Wie gestaltete sich die Bestimmung<br />
der Verrechnungspreise?<br />
d Ist die Höhe angemessen?<br />
d Verstöße gegen den Fremdvergleich<br />
und die Mitwirkungspflicht haben<br />
erhebliche Sanktionen zur Folge.<br />
Praxiserfahrung: Der Dokumentationsaufwand<br />
ist nicht zu unterschätzen, da<br />
die Geschäftsbeziehungen multinationaler<br />
Konzerne immer vielfältiger<br />
und die damit in Zusammenhang<br />
stehenden steuerlichen Vorschriften<br />
weltweit komplexer und konkreter<br />
werden.<br />
Nachdem nun bei den Betriebsprüfern<br />
und idealerweise auch bei den Unternehmen<br />
acht Jahre Erfahrung mit Verrechnungspreisdokumentationenvorliegen,<br />
werden Mängel von den Finanzämtern<br />
nicht mehr geduldet. Vielmehr<br />
werden Dokumentationen erwartet, die<br />
den gesetzlichen Anforderungen vollumfänglich<br />
genügen. Das bedeutet für<br />
die Steuerpflichtigen, dass sie sich auf<br />
OECD-Neuentwicklungen<br />
eine detaillierte Prüfung einstellen können.<br />
Lücken erkennen und schließen<br />
Insbesondere Unternehmen, die bisher<br />
keine Dokumentation erstellt und/oder<br />
bei der Betriebsprüfung vorgelegt haben<br />
und damit den Erfahrungen der<br />
Konkurrenten und den Betriebsprüfern<br />
hinterherhinken, befinden sich in der<br />
Regel in einer misslichen Lage. Hier<br />
sollte dringend gehandelt und schnellstmöglich<br />
die versäumte Dokumentation<br />
nachgeholt werden.<br />
Typische, kritische Punkte sollten hierbei<br />
zuerst abgearbeitet werden. Hierfür sollte<br />
man sich ausreichend informieren<br />
oder externe Hilfe holen.<br />
Erfahrungsgemäß finden mittlerweile<br />
auch Verrechnungspreisprüfungen in<br />
Kombination mit elektronischem Datenzugriff<br />
(GDPdU; E-Bilanz) statt.<br />
Verrechnungspreise auf<br />
internationaler Ebene …<br />
Laut Schätzung der OECD entfallen<br />
mittlerweile rund 60 Prozent des inter-<br />
Am 22. Juli 2010 wurde von der OECD eine Überarbeitung der „Transfer Pricing<br />
Guidelines for Multinational Enterprises and Tax Administration“ veröffentlicht.<br />
Auch hier kann man die Bedeutung der Verrechnungspreise in der Steuerwelt<br />
erkennen. Der Umfang der „Guidelines 2010“ ist in Bezug auf die Seitenzahl<br />
auf das 1,5-Fache angestiegen. Danach wurde der Fremdvergleichsgrundsatz<br />
nach wie vor bekräftigt. Die Kapitel I-III (Fremdvergleichsgrundsatz, Methoden<br />
und Vergleichbarkeit) wurden jedoch komplett überarbeitet. Demnach sind nun<br />
unter anderem insbesondere Geschäftsvorfall-bezogene Gewinnmethoden<br />
(Profit Split und TNMM) grundsätzlich erlaubt, es kann die Verrechnungspreismethode<br />
verwendet werden, die der Steuerpflichtige als die angemessenste für<br />
den betreffenden Sachverhalt hält. Es ist nicht erforderlich darzulegen, dass<br />
diese Methode auch die bestmögliche ist.<br />
Neu ist das Kapitel IX „Business Restructuring“, auf das sich das BMF-Schreiben<br />
vom 13. Oktober 2010 zur Funktionsverlagerung bezieht.<br />
Bezüglich der möglichen fremdvergleichskonformen Ansätze und Methoden<br />
zur Bewertung von immateriellen Wirtschaftsgütern startete die OECD im November<br />
2010 ein internationales Projekt. Bis Ende 2013 soll es einen Entwurf<br />
geben, der die Guidelines um das Thema „Immaterielle Wirtschaftsgüter“ ergänzen<br />
wird.<br />
Artikel 7 des OECD-Musterabkommens (Betriebsstätten) wurde überarbeitet<br />
und die Betriebsstättengewinnabgrenzung definiert. Die Aufteilung von Funktionen<br />
und Risiken zwischen Stammhaus und Betriebsstätte richtet sich demnach<br />
im Wesentlichen nach den sogenannten „People Functions“. Transaktionen<br />
zwischen dem Stammhaus und der Betriebsstätte sind grundsätzlich möglich.<br />
nationalen Welthandels auf konzerninterne<br />
Transaktionen. Grenzüberschreitende<br />
Transaktionen und deren steuerlich<br />
korrekte Abwicklung zwischen zwei<br />
verbundenen Unternehmen erfordern<br />
nicht nur das Zusammenspiel der relevanten<br />
Gesellschaften des multinationalen<br />
Konzerns, sondern auch der Finanzverwaltungen<br />
der entsprechend<br />
beteiligten Länder. Für die Gestaltung<br />
des Verrechnungspreises gilt generell,<br />
dass er in beiden Ländern steuerlich<br />
anerkannt sein muss – ansonsten<br />
droht eine Doppelbesteuerung. Hier<br />
greift der – für jeden Einzelfall individuell<br />
fest zulegende – Fremdvergleichsgrundsatz.<br />
… am Beispiel Russland<br />
Für die Bewertung des grenzüberschreitenden<br />
Leistungsaustauschs soll angenommen<br />
werden, es handele sich bei<br />
den beteiligten Unternehmen um fremde<br />
und nicht um verbundene Unternehmen.<br />
Damit soll ein Verrechnungspreis<br />
veranschlagt werden, der nicht<br />
aufgrund der Verbundenheit der Geschäftspartner<br />
zu einer Einkommensverschiebung<br />
zulasten des einen und<br />
zugunsten des anderen Staates führt.<br />
Gerade in Anbetracht der starken Entwicklung<br />
der Globalisierung und im<br />
Besonderen der BRIC-Staaten lohnt ein<br />
Blick über die Grenzen hinaus. In Russland<br />
beispielsweise gestalten sich die<br />
Regelungen im Bereich der Verrechnungspreise<br />
über den Artikel 40 Steuerkodex<br />
(StK) als Rechtsgrundlage.<br />
Grundsätzlich gilt die gesetzliche Vermutung<br />
der Fremdüblichkeit, doch in<br />
einigen Fällen kann die Vermutung widerlegt<br />
werden: Geschäfte unter nahestehenden<br />
Personen beziehungsweise<br />
verbundenen Unternehmen – Tauschgeschäfte,<br />
Außenhandelsgeschäfte und<br />
Preisschwankungen von über 20 Prozent<br />
bei dem Steuerpflichtigen innerhalb<br />
eines engen Zeitraums.<br />
Zur Ermittlung des fremdüblichen Preises<br />
werden gesetzlich zugelassene<br />
Methoden angewandt – der Vergleich<br />
(äußerer Marktpreis oder innerer Vergleich),<br />
Wiederverkauf (Resale minus)<br />
und der Kostenaufschlag (Cost plus).<br />
Die Reihenfolge ist einzuhalten, ansonsten<br />
ist mit einer Abweisung der Ansprüche<br />
der Finanzverwaltung zu rechnen.<br />
Für die Ermittlung der Marktpreise sind<br />
Vermögen & Steuern – 10/2011
laut Gesetz nur öffentlich zugängliche<br />
Daten zulässig, wobei das Gesetz einen<br />
Marktpreis nennt – keine Bandbreiten,<br />
wie in Deutschland üblich.<br />
Der Übergang zur nächsten Methode<br />
kann erst erfolgen, wenn die vorrangige<br />
Methode nicht anwendbar ist, beziehungsweise<br />
zu keinem Ergebnis führt.<br />
Die Methoden sind vom Finanzamt<br />
durchzuführen, weil es auch nachweispflichtig<br />
ist. Das Finanzamt hat im Zweifel<br />
außerdem über Verhältnisse des<br />
Steuerpflichtigen zu recherchieren.<br />
Noch besteht für Steuerpflichtige in<br />
Russland keine Dokumentationspflicht<br />
und die Abweichung vom fremdüblichen<br />
Preis muss erst vom Finanzamt<br />
nachgewiesen werden. Schwierigkeiten<br />
für den Steuerpflichtigen ergeben sich<br />
daraus, dass es keinen einheitlichen<br />
Ansatz, keine Ausführungsrichtlinien<br />
und keine Verrechnungspreisspezialisierung<br />
bei der russischen Finanzverwaltung<br />
gibt. Informationsquellen sind<br />
deshalb oft nicht zuverlässig und man<br />
Vermögen & Steuern – 10/2011<br />
kann sich auf keine verbindlichen Auskünfte,<br />
beispielsweise zu den Methoden,<br />
verlassen.<br />
Da die Beweislast bei den Finanzbehörden<br />
liegt, ist man mehr oder weniger<br />
dem Urteil des jeweiligen Prüfers ausgeliefert<br />
und kann sich meistens auf keine<br />
gesetzlichen Quellen zur Gegenargumentation<br />
stützen. Klagen des Steuerpflichtigen<br />
vor Gericht sind dagegen erfahrungsgemäß<br />
recht erfolgreich, da die<br />
Nachweise der Finanzverwaltung oft als<br />
nicht ausreichend angesehen werden.<br />
Fazit: Verrechnungspreisgestaltung und<br />
die damit zusammenhängende Dokumentationspflicht<br />
spielen nach wie vor<br />
für die Unternehmen und die Finanzverwaltung<br />
eine große Rolle. Das bedeutet:<br />
1. Eventuelle Verrechnungspreiskorrekturen<br />
bei Betriebsprüfungen führen zu<br />
einer veränderten Steuerlast, an deren<br />
Einforderung die Finanzämter verständlicherweise<br />
interessiert sind. Deshalb ist<br />
V&S-Highlights 41<br />
nicht nur die Interaktion der beteiligten<br />
Gesellschaften gefragt, sondern insbesondere<br />
das gemeinsame Verständnis<br />
der beteiligten Finanzverwaltungen ist<br />
notwendig, um die Anerkennung für<br />
einen Verrechnungspreis und die Bewertungen<br />
innerhalb einer Funktionsverlagerung<br />
zu bekommen und eine<br />
eventuell drohende Doppelbesteuerung<br />
zu vermeiden.<br />
2. Auch die OECD kümmert sich mehr<br />
und mehr um Definitionen und Regelungen<br />
im Bereich des Transfer Pricings.<br />
Diese Neuentwicklungen werden immer<br />
Einfluss auf die landesspezifischen<br />
Gesetze und Verordnungen haben.<br />
3. Die Dokumentationspflicht ist mittlerweile<br />
in den meisten Industriestaaten<br />
der Welt festgelegt. Besondere Vorsicht<br />
ist in Ländern wie Russland geboten,<br />
die zwar nicht über eine Dokumentationspflicht<br />
verfügen, aber das Thema<br />
Ver rechnungspreise und deren Fremdüblichkeit<br />
trotzdem detailliert untersuchen.<br />
V&S