Energiesteuer auf Abfälle als Ersatzbrennstoffe - WTS ...
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BB-Special Steuerrecht<br />
Möhlenkamp · Steuerfalle <strong>Abfälle</strong> – <strong>Energiesteuer</strong> <strong>auf</strong> <strong>Abfälle</strong> <strong>als</strong> <strong>Ersatzbrennstoffe</strong><br />
recht bestehen. Die im Moment bestehenden Unsicherheiten bzgl.<br />
der Zuordnung immaterieller Wirtschaftsgüter und eines Geschäftswerts<br />
können ein Verschmelzungshindernis darstellen. Es wäre weiterhin<br />
wünschenswert, wenn die Finanzverwaltung ihre bisher im<br />
Umwandlungssteuererlass vertretene Meinung zur nachl<strong>auf</strong>enden<br />
Maßgeblichkeit mit ¾nderung durch das SEStEG <strong>auf</strong>gäbe. Zumindest<br />
nach ¾nderung des § 5 EStG durch das BilMoG ist für Stichtage<br />
nach dem 31.12.2008 keinerlei rechtliche Grundlage mehr vorhanden.<br />
Die Gewinnabgrenzung in der steuerlichen Rückwirkungsphase sollte<br />
sich an den tatsächlich durchgeführten Transaktionen orientieren.<br />
Die steuerliche Negierung der Transaktionen zugunsten einer direkten<br />
Gewinnermittlung sollte vermieden werden, soweit die zugrunde<br />
gelegten Vereinbarungen im Hinblick <strong>auf</strong> die Verrechnungspreisgestaltung<br />
für die von den Beteiligten ausgeübten Funktionen und übernommenen<br />
Risiken angemessen waren. Auch hier wäre ein Agieren<br />
der Finanzbehörden „mit Augenmaß“ wünschenswert.<br />
Im Fall der Hereinverschmelzung sollte die Ableitung einer Übertragungsbilanz<br />
für deutsche steuerliche Zwecke möglichst einfach gehalten<br />
werden. An die Umbewertung und Ableitung steuerlicher Buchwerte<br />
sollten im Hinblick <strong>auf</strong> den eingeschränkten Zweck der Ableitung<br />
eines Übernahmeergebnisses keine zu hohen Anforderungen gestellt<br />
werden. Ebenso sollte die Ermittlung des steuerlichen Einlagekontos<br />
im Fall der Hereinverschmelzung in vereinfachter Form möglich<br />
sein.<br />
Der Bedarf für eine grundlegende Überarbeitung des Umwandlungssteuererlasses<br />
aus dem Jahre 1998 <strong>auf</strong>grund der Internationalisierung<br />
des Umwandlungssteuerrechts durch das SEStEG im Jahr 2006 ist unvermindert<br />
hoch. Die Anzahl von Verschmelzungen mit grenzüber-<br />
Dr. jur. Karen Möhlenkamp, RA<br />
schreitenden Bezügen wird <strong>auf</strong>grund der einheitlichen, verfügbaren<br />
umwandlungsrechtlichen Grundlagen in Europa in Zukunft deutlich<br />
zunehmen. Es wäre wünschenswert, wenn der Erlassgeber zumindest<br />
dort, wo das Gesetz Auslegungsspielräume lässt und die praktische<br />
Umsetzung nicht festgeschrieben ist, praxistaugliche Lösungen vorsieht<br />
und Spielräume nicht einschränkt.<br />
Im Ergebnis bleibt somit zu hoffen, dass der Erlassgeber und der Gesetzgeber<br />
einige mutige Schritte <strong>auf</strong> dem (wahrlich noch langen) Weg<br />
zu einem modernen und praxistauglichen (Umwandlungs-)Steuerrecht<br />
gehen.<br />
// Autoren h<br />
Winfried Figna, Dipl.-K<strong>auf</strong>mann, Wirtschaftsprüfer<br />
Steuerberater, ist Partner und Vorstand der <strong>WTS</strong> Aktiengesellschaft<br />
Steuerberatungsgesellschaft am Standort<br />
München. Er verantwortet dort die Service Line M&A.<br />
Seine Beratungsschwerpunkte sind daneben das internationale<br />
Konzernsteuerrecht sowie die Besteuerung<br />
von Immobilieninvestitionen.<br />
Daniel Fürstenau, Dipl.-K<strong>auf</strong>mann (FH), Steuerberater,<br />
ist <strong>als</strong> Manager bei der <strong>WTS</strong> Aktiengesellschaft Steuerberatungsgesellschaft<br />
am Standort München tätig.<br />
Seine Beratungsschwerpunkte sind das internationale<br />
Konzernsteuerrecht sowie die Besteuerung von Immobilieninvestitionen.<br />
Steuerfalle <strong>Abfälle</strong> – <strong>Energiesteuer</strong> <strong>auf</strong> <strong>Abfälle</strong><br />
<strong>als</strong> <strong>Ersatzbrennstoffe</strong><br />
Das Vierte Gesetz zur ¾nderung von Verbrauchsteuergesetzen ist am<br />
15.6.2009 in Kraft getreten. Es setzt die Richtlinie 2008/118/EG vom<br />
16.12.2008 (Verbrauchsteuerrichtlinie) in nationales Recht um. Ferner<br />
wurde die <strong>Energiesteuer</strong>rechtlinie bzgl. der Altölbesteuerung umgesetzt.<br />
Mit Wegfall des § 29 EnergieStG zum 22.7.2009 sind die Unternehmen<br />
mit der Situation konfrontiert, ihre Altöle und vergleichbaren<br />
Energieerzeugnisse im Unternehmen identifizieren und einer energiesteuerlichen<br />
Analyse unterziehen zu müssen. Sollte sich dabei herausstellen,<br />
dass die Waren einer Besteuerung unterliegen, ist die <strong>Energiesteuer</strong><br />
beim Hauptzollamt anzumelden. Der vorliegende Beitrag soll den<br />
Unternehmen die wichtigsten Prüfschritte erläutern und u.a. die steuer-<br />
liche Behandlung von <strong>Ersatzbrennstoffe</strong>n darstellen. Es zeigt sich, dass<br />
erhebliche Steuerrisiken bestehen.<br />
I. Einleitung<br />
Am 15.6.2009 ist das Vierte Gesetz zur ¾nderung von Verbrauchsteuergesetzen<br />
in Kraft getreten. 1 Mit dem Gesetz wird die neu gefasste<br />
Europäische Richtlinie 2008/118/EG des Rates vom 16.12.2008 2 über<br />
1 BGBl. I 2009, 1870.<br />
2 Richtlinie 2008/118/EG des Rates vom 16.12.2008 über das allgemeine Verbrauchsteuersystem und zur<br />
Aufhebung der Richtlinie 92/12/EWG (ABl. EG Nr. L 9, 12).<br />
18 Betriebs-Berater // BB-Special 1.2010 zu Heft 5 // 25.1.2010
das allgemeine Verbrauchsteuersystem in nationales Recht umgesetzt.<br />
Darüber hinaus – von der Fachwelt bislang völlig unkommentiert –<br />
hat der Gesetzgeber die Vorgaben der Richtlinie 2003/96/EG (nachfolgend<br />
<strong>Energiesteuer</strong>richtlinie) 3 bezüglich der Besteuerung von Altölen<br />
umgesetzt. Art. 18 Abs. 1 i.V.m. Anhang II der <strong>Energiesteuer</strong>richtlinie<br />
räumte Deutschland bis zum 31.12.2006 die Möglichkeit ein, Altöl –<br />
das <strong>auf</strong>bereitet oder nicht – <strong>als</strong> Heizstoff verwendet wird und dessen<br />
Wiederverwendung steuerpflichtig ist, von der Steuer zu befreien.<br />
Deutschland nutzte diese Möglichkeit. Bereits in der MinöStDV wurde<br />
eine Steuerbefreiung für Altöle im Rahmen des Mineralölherstellungsbetriebs<br />
geregelt. Mit Einführung des <strong>Energiesteuer</strong>gesetzes zum<br />
1.8.2006 4 erließ der Gesetzgeber § 29 EnergieStG. Damit konnten Altöle<br />
und vergleichbare Energieerzeugnisse verheizt werden, ohne dass<br />
<strong>Energiesteuer</strong> angefallen wäre. Die Regelung beinhaltete lediglich die<br />
Besonderheit, dass <strong>auf</strong>bereitete Altöle in dem Unternehmen <strong>auf</strong>bereitet<br />
werden mussten, in dem sie angefallen sind. Die Steuerbefreiung<br />
führte zu erheblichen Erleichterungen im Unternehmen. Die im Unternehmen<br />
anfallenden Altöle und vergleichbaren Stoffe waren in der<br />
Regel unversteuert bezogen worden, da originär keine thermische<br />
Nutzung vorgesehen war. Sie konnten nach § 29 EnergieStG ebenso<br />
unversteuert entsprechend der abfallrechtlichen Vorgaben nach dem<br />
Kreisl<strong>auf</strong>wirtschafts- und Abfallgesetz (Krw-/AbfG) 5 verwertet oder<br />
vernichtet werden oder zu diesen Zwecken an einen Entsorger abgegeben<br />
werden. Mit Wegfall des § 29 EnergieStG zum 22.7.2009 hat<br />
sich diese Situation geändert. Die europäischen Vorgaben mussten<br />
umgesetzt werden. Die Abschaffung des § 29 EnergieStG war bereits<br />
um zweieinhalb Jahre verspätet. Nun sind die Unternehmen mit der<br />
Situation konfrontiert, ihre Altöle und vergleichbaren Energieerzeugnisse<br />
wie zum Beispiel Industrieabfälle im Unternehmen identifizieren<br />
und einer energiesteuerlichen Analyse unterziehen zu müssen.<br />
Sollte sich dabei herausstellen, dass die Waren einer Besteuerung unterliegen,<br />
ist die <strong>Energiesteuer</strong> beim Hauptzollamt anzumelden.<br />
Der Artikel soll einen Beitrag dazu leisten, den Unternehmen die<br />
wichtigsten Prüfschritte zu erläutern. Insbesondere soll die Frage <strong>auf</strong>gegriffen<br />
werden, wie thermisch verwertete oder vernichtet <strong>Abfälle</strong><br />
(<strong>Ersatzbrennstoffe</strong>) i.S.d. EnergieStG zu behandeln sind.<br />
II. Rechtslage nach dem EnergieStG<br />
bis zum 21.7.2009<br />
1. Energieerzeugnisse und Steuertarife<br />
Das <strong>Energiesteuer</strong>gesetz definiert in § 1 Energieerzeugnisse, die im<br />
Steuergebiet der <strong>Energiesteuer</strong> unterliegen. Damit wird Art. 2 Abs. 3<br />
der <strong>Energiesteuer</strong>richtlinie umgesetzt. Energieerzeugnissen sind danach<br />
unter anderem Benzin, Öle, Erdgas und Kohle gemäß der europäischen<br />
Warennomenklatur. 6 Darüber hinaus beinhaltet § 1 Abs. 3<br />
EnergieStG einen Auffangtatbestand. Danach gelten alle Waren <strong>als</strong><br />
Energieerzeugnisse soweit sie <strong>als</strong> Kraftstoffe oder <strong>als</strong> Zusatz oder Verlängerungsmittel<br />
von Kraftstoffen bestimmt, zum Verk<strong>auf</strong> angeboten<br />
oder verwendet werden. Energieerzeugnisse sind des Weiteren alle<br />
Waren, die ganz oder teilweise aus Kohlenstoff bestehen und zur Verwendung<br />
<strong>als</strong> Heizstoff bestimmt sind oder <strong>als</strong> solche zum Verk<strong>auf</strong> angeboten<br />
oder verwendet werden. Der Anwendungsbereich des <strong>Energiesteuer</strong>gesetzes<br />
ist damit grundsätzlich weit. Die Steuersätze sind in<br />
§ 2 geregelt. Die Steuertarife sind nach der Verwendung und der Art<br />
der Energieerzeugnisse gestaffelt. Die Verwendung <strong>als</strong> Kraftstoff wird<br />
grundsätzlich höher besteuert <strong>als</strong> die Verwendung <strong>als</strong> Heizstoff.<br />
BB-Special Steuerrecht<br />
Möhlenkamp · Steuerfalle <strong>Abfälle</strong> – <strong>Energiesteuer</strong> <strong>auf</strong> <strong>Abfälle</strong> <strong>als</strong> <strong>Ersatzbrennstoffe</strong><br />
<strong>Abfälle</strong>, die die oben genannten Voraussetzungen erfüllen, unterliegen<br />
damit grundsätzlich einer Besteuerung nach dem <strong>Energiesteuer</strong>gesetz.<br />
Soweit wir nachfolgend über die Besteuerung von <strong>Abfälle</strong>n einschließlich<br />
Altölen und vergleichbaren Energieerzeugnissen <strong>als</strong> <strong>Ersatzbrennstoffe</strong><br />
sprechen, blenden wir die Verwendung dieser <strong>Abfälle</strong> <strong>als</strong> Kraftstoffe<br />
oder <strong>als</strong> Zusatz oder Verlängerungsmittel von Kraftstoffen aus.<br />
2. Steuerbefreiung nach § 29 Nr. 2 EnergieStG<br />
Bis zum 21.7.2009 kam es unter den Voraussetzungen des § 29 EnergieStG<br />
nicht zu einer Besteuerung. Hauptanwendungsfall war § 29<br />
Nr. 2 EnergieStG. Nach § 29 Nr. 2 EnergieStG konnten zum Verheizen<br />
und zur Verwendung in begünstigten Anlagen nach §§ 3 und 3a<br />
EnergieStG Ölabfälle der Unterpositionen 2710 91 und 2710 99 der<br />
Kombinierten Nomenklatur (KN) und andere mit diesen vergleichbare<br />
gebrauchte Energieerzeugnisse steuerfrei verwendet werden. Die<br />
Identifizierung der Altöle nach der genannten Kombinierten Nomenklatur<br />
stellt in der Praxis in der Regel keine Probleme dar. Schwieriger<br />
ist festzustellen, welche Waren <strong>als</strong> mit diesen vergleichbar gelten. Bei<br />
der Auslegung des Begriffs stellt sich dabei grundsätzlich die Frage, ob<br />
sich die Vergleichbarkeit <strong>auf</strong> die Beschaffenheit der Ware bezieht oder<br />
<strong>auf</strong> die bereits stattgefundene Verwendung. Die bereits stattgefundene<br />
Verwendung <strong>als</strong> Reinigungs-, Schmier- oder Lösemittel ist in der<br />
Regel nicht vergleichbar. In der Literatur 7 wird deshalb die Auffassung<br />
vertreten, dass die Vergleichbarkeit in stofflicher Hinsicht gegeben<br />
sein muss. Aber auch hier stößt der Praktiker an seine Grenzen.<br />
Wie kann er feststellen, ob eine Ware bzw. ein Abfall stofflich mit einem<br />
Altöl vergleichbar ist. Vor diesem Hintergrund haben die Unternehmen<br />
in der Vergangenheit zum Teil mit den Hauptzollämtern gemeinsam<br />
abgeklärt, welche <strong>Abfälle</strong> unter § 29 Nr. 2 EnergieStG fallen<br />
und welche nicht. Schröer-Schallenberg 8 geht davon aus, dass der Sinn<br />
und Zweck der Vorschrift bezüglich der Vergleichbarkeit für eine<br />
weite Auslegung spricht. Danach sollte eine Steuerbefreiung immer<br />
dann gewährt werden, wenn ein nicht mehr verwendbares Energieerzeugnis<br />
<strong>auf</strong> eine Weise „entsorgt“ werden soll, dass zumindest noch<br />
ein Nutzen gezogen werden kann. Eine Differenzierung nach Art des<br />
„Ölabfalls“ sei sachwidrig.<br />
Im Ergebnis könnten mit dieser Begründung alle <strong>Abfälle</strong> steuerbefreit<br />
verheizt werden. Die Finanz- bzw. Hauptzollverwaltung hat sich dieser<br />
Auffassung nicht angeschlossen bzw. hegt Zweifel. <strong>Abfälle</strong> wie z.B. Plastiktüten,<br />
Kunststoffabfälle und andere kohlenwasserstoffhaltige <strong>Abfälle</strong><br />
wie Altreifen, Reifenschnitzel, Dachpappe und ¾hnliches stehen<br />
dabei im Fokus. Mittlerweile hat das Bundesministerium der Finanzen<br />
den Verbrauchsteuerausschuss der Europäischen Kommission angefragt,<br />
ob es sich bei diesen Waren bzw. <strong>Abfälle</strong>n um Energieerzeugnisse<br />
handelt. 9 Eine Antwort steht bislang aus. Hinzu kommt, dass § 29 EnergieStG<br />
nach der <strong>Energiesteuer</strong>richtlinie nur bis zum 31.12.2006 hätte in<br />
Kraft bleiben dürfen. Solange die Antwort des Verbrauchsteuerausschusses<br />
der Europäischen Kommission offen ist, sind die Hauptzollämter<br />
angewiesen, eine Besteuerung nicht vorzunehmen. Diese Ver-<br />
3 Richtlinie 2003/96/EG des Rates vom 27.10.2003 zur Restrukturierung der gemeinschaftlichen Rahmenvorschriften<br />
zur Besteuerung von Energieerzeugnissen und elektrischem Strom (ABl. EG Nr. L 283, 51).<br />
4 BGBl. I 2008, 1534.<br />
5 BGBl. I 1994, 2705.<br />
6 Vgl. Warennomenklatur nach Art. 1 der Verordnung (EWG) Nr. 2658/87 des Rates vom 23.7.1987 über<br />
die zolltarifliche und statistische Nomenklatur sowie den Gemeinsamen Zolltarif (ABl. EG Nr. L 256, 1,<br />
Nr. L 341, 38, Nr. L 378, 120, 1988 Nr. L 130, 42) in der am 1.1.2002 geltenden Fassung.<br />
7 Vgl. in Bongartz, Kommentar Energie- und Stromsteuer, Loseblattsammlung, § 29, Rn. 7.<br />
8 Vgl. Bongartz, Kommentar Energie- und Stromsteuer, Loseblattsammlung, § 29, Rn. 7.<br />
9 Schreiben der Bundesfinanzdirektion Süd-West vom 30.1.2009 an die Hauptzollämter – V 8 205 B 1-09 –<br />
Z 224 (VSt).<br />
Betriebs-Berater // BB-Special 1.2010 zu Heft 5 // 25.1.2010 19
BB-Special Steuerrecht<br />
Möhlenkamp · Steuerfalle <strong>Abfälle</strong> – <strong>Energiesteuer</strong> <strong>auf</strong> <strong>Abfälle</strong> <strong>als</strong> <strong>Ersatzbrennstoffe</strong><br />
fahrensweise ist in der Praxis mit Vorsicht zu genießen. Sollte sich im<br />
Nachhinein herausstellen, dass <strong>Energiesteuer</strong> angefallen ist, können<br />
ggf. Entlastungsanträge nach §§ 51, 54 und 55 EnergieStG <strong>auf</strong>grund abgel<strong>auf</strong>ener<br />
Antragsfristen nicht mehr geltend gemacht werden. Deshalb<br />
empfehlen wir unseren Mandanten, die <strong>Abfälle</strong> den Hauptzollämtern<br />
anzuzeigen und hilfsweise Steuerentlastungen zu beantragen. Die Fristen<br />
l<strong>auf</strong>en jeweils zum 31.12. für das vorangegangene Jahr ab. Damit<br />
besteht für die Unternehmen Handlungsdruck.<br />
3. Steuerbefreiung „Vernichten“ nach Anlage 1<br />
Nr. 11 EnergieStV<br />
Soweit § 29 Nr. 2 EnergieStG nicht zur Anwendung kommt, ist zu prüfen,<br />
ob Anlage 1 Nr. 11 der EnergieStV greift. Danach können <strong>Abfälle</strong>,<br />
Müll oder ähnliche Rückstände in Anlagen, die durch Bundes-, Landesoder<br />
Gemeindebehörde zugelassen sind, steuerfrei vernichtet werden.<br />
Als Vernichten gilt auch das Verbrennen von Energieerzeugnissen. Die<br />
Einstufung dieser Steuerbefreiung ist rechtssystematisch unklar. Die<br />
Vernichtung soll kein Verheizen darstellen. Fraglich ist, wie die Abgrenzung<br />
unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des EuGH zum „Verheizen“<br />
10 erfolgen soll. Diese Fragen sind hoch theoretisch für die Praxis<br />
jedoch entscheidend. Wäre jede Verbrennung in einer Anlage, die<br />
nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz durch Bundes-, Landesoder<br />
Gemeindebehörde zugelassen ist, steuerfrei, wäre das Problem der<br />
Abfallverbrennung und Energiebesteuerung zum Teil gelöst. Auch an<br />
dieser Stelle könnte der Verbrauchsteuerausschuss der Europäischen<br />
Kommission zur Lösung der Rechtsunsicherheiten beitragen, wenn er<br />
Deutschland <strong>auf</strong> die Anfrage zu <strong>Ersatzbrennstoffe</strong>n antwortet.<br />
III. Rechtslage ab 22.7.2009<br />
1. Thermische Verwendung im eigenen Unternehmen<br />
Bezüglich der Definition eines Energieerzeugnisses hat sich zum<br />
22.7.2009 nichts geändert. Fallen im Unternehmen zum Beispiel <strong>Abfälle</strong><br />
an, ist zu untersuchen, ob die Stoffe ganz oder teilweise Kohlenwasserstoffe<br />
enthalten. Ist das der Fall, muss untersucht werden, wie<br />
die Stoffe verwendet werden sollen. Grundsätzlich ist dabei zwischen<br />
der Verwendung im Unternehmen und der Veräußerung zu unterscheiden.<br />
Wird der Stoff im Unternehmen thermisch verwendet, fällt<br />
<strong>Energiesteuer</strong> immer dann an, wenn der Stoff nicht im Sinne der Anlage<br />
1 Nr. 11 der EnergieStV vernichtet sondern verheizt wird. Wann<br />
eine Vernichtung vorliegt, muss im Einzelfall geprüft werden. Bislang<br />
geht man davon aus, dass die Verwendung in Abfall- und Müllbeseitigungsanlagen<br />
mit Zulassung durch die Bundes-, Landes- und Gemeindebehörden<br />
ein Vernichten darstellt. Die Vernichtung ist dem<br />
Hauptzollamt ab einer Menge von 50 kg vorher anzuzeigen.<br />
2. Abgabe der <strong>Abfälle</strong> an einen Entsorger<br />
Wird der Abfall an einen Entsorger abgegeben, muss festgestellt werden,<br />
ob der Stoff <strong>als</strong> Heizstoff bestimmt und abgegeben wird. Da eine<br />
Bestimmung und Abgabe <strong>als</strong> Nichtheizstoff (stoffliche Verwertung)<br />
zu keiner <strong>Energiesteuer</strong> führen würde, ist dieser Frage besondere Aufmerksamkeit<br />
zu widmen. Eine Bestimmung <strong>als</strong> Heizstoff könnte<br />
durch eine vertragliche Vereinbarung zwischen den Parteien erfolgen.<br />
Fraglich ist, ob die Freiheit der Vertragsparteien dann eingeschränkt<br />
ist, wenn nach dem Krw-/AbfG bereits eine thermische Beseitigung<br />
oder Verwertung 11 für den Stoff festgelegt ist. Auch ist fraglich, ob ein<br />
Nichtbestimmen <strong>als</strong> Heizstoff nach dem Liefer- bzw. Entsorgungsver-<br />
trag dann möglich ist, wenn beiden Parteien bekannt ist, dass die <strong>Abfälle</strong><br />
<strong>als</strong> Heizstoffe verwendet werden sollen. Hier wird in der Praxis<br />
die Auffassung vertreten, dass das Bestimmen oder Nichtbestimmen<br />
<strong>als</strong> Heizstoff und die Abgabe <strong>als</strong> Heizstoff oder Nichtheizstoff immer<br />
auch dann den Vertragsparteien obliegt, wenn bereits feststeht, dass<br />
die Waren <strong>als</strong> Heizstoff verwendet werden sollen. Als Argument kann<br />
angeführt werden, dass, solange eine Verwendung <strong>als</strong> Heizstoff nicht<br />
stattgefunden hat, eine anderweitige Verwendung bis zum Schluss<br />
nicht ausgeschlossen werden kann. In diesen Fällen sollten die entsprechenden<br />
vertraglichen Vereinbarungen schriftlich niedergelegt<br />
werden. Ob diese Auffassung einer gerichtlichen Überprüfung aber<br />
standhalten würde, ist offen.<br />
Wird die Ware zur thermischen Verwendung abgegeben, stellt sich<br />
die Frage, ob eine Besteuerung deshalb nicht zur Anwendung kommt,<br />
weil ein Vernichten nach Anlage 1 Nr. 11 EnergieStV gegeben ist. In<br />
der Praxis treten zwei unterschiedliche Fälle <strong>auf</strong>. Im ersten Fall zahlt<br />
das abgebende Unternehmen ein Entsorgungsentgelt an den Entsorger.<br />
Im zweiten Fall ist der Abfall so werthaltig, dass der Unternehmer<br />
für den Abfall ein Entgelt erhält. In beiden Fällen betreibt der Entsorger<br />
eine Abfall- und Müllbeseitigungsanlage, wobei nach den Zulassungen<br />
durch die Bundes-, Landes- und Gemeindebehörde es sich<br />
häufig auch um Abfall- und Müllverwertungsanlagen handelt.<br />
Die Finanzverwaltung hat in der Praxis ein Vernichten i.S.d. Anlage 1<br />
Nr. 11 der EnergieStV dann ausgeschlossen, wenn das abgebende Unternehmen<br />
für den Abfall ein Entgelt erhalten hatte. Dies wird damit<br />
begründet, dass durch die Werthaltigkeit des Abfalls, die sich im Preis<br />
widerspiegelt, von einem reinen Vernichten des Stoffes nicht ausgegangen<br />
werden kann. Die Auffassung ist aber nur <strong>auf</strong> den ersten Blick<br />
plausibel. Aus Sicht des abgebenden Unternehmens kann der Hauptzweck<br />
der Abgabe weiterhin in der Vernichtung liegen, da das Unternehmen<br />
sich des Stoffes zwingend entledigen muss, unabhängig davon,<br />
ob für den Abnehmer der Stoff einen materiellen Wert besitzt.<br />
Der EuGH nimmt in seiner Rechtsprechung zum Europäischen Abfallrecht<br />
eine andere Abgrenzung vor. 12 Bei der Frage, ob ein Vernichten<br />
im Sinn des Abfallrechts vorliegen soll, kommt es dar<strong>auf</strong> an festzustellen,<br />
was Hauptzweck für das Betreiben der Verbrennungsanlage<br />
sein soll. Würde die Verbrennungsanlage auch mit Primärbrennstoffen<br />
zur Wärmeerzeugung betrieben werden, soweit ein Ersatzbrennstoff<br />
nicht vorliegt, kann nicht lediglich von einem Vernichten ausgegangen<br />
werden. Unter Berücksichtigung dieser Rechtsprechung wäre<br />
der Anwendungsbereich der Anlage 1 Nr. 11 EnergieStV eng. Die Abgabe<br />
von <strong>Abfälle</strong>n an ein Müllheizkraftwerk wäre kein Vernichten, soweit<br />
Hauptzweck der Kraftwerksbetrieb ist, der auch mit Gas oder Öl<br />
<strong>auf</strong>rechtgehalten würde.<br />
3. Steuerschuldner<br />
Steuerschuldner nach § 23 Abs. 1 EnergieStG ist derjenige, der das<br />
Energieerzeugnis im Inland erstm<strong>als</strong> <strong>als</strong> Heizstoff oder <strong>als</strong> Zusatzoder<br />
Verlängerungsmittel von Heizstoff abgibt oder verwendet. Da<br />
<strong>Abfälle</strong> in ihrer ursprünglichen Verwendung anderen Nutzungen zugeführt<br />
werden, ist eine Abgabe oder Verwendung <strong>als</strong> Heizstoff oder<br />
<strong>als</strong> Zusatz- oder Verlängerungsmittel frühestens dann gegeben, wenn<br />
die Ware zum Abfall wird. Im Übrigen gilt für <strong>Abfälle</strong>, die Energieerzeugnisse<br />
nach § 4 EnergieStG darstellen, § 8 EnergieStG.<br />
10 EuGH, 29.4.2004 – C-240/01, Kommission/Deutschland, EGHE 2004, 4754.<br />
11 Vgl. Krw-/AbfG Anhang II A Beseitigungsverfahren; Anhang II B Verwertungsverfahren.<br />
12 EuGH, 13.2.2003 – C-458/00, Kommission/Luxemburg, Lexetius.com/2003,95 (2003/2/271).<br />
20 Betriebs-Berater // BB-Special 1.2010 zu Heft 5 // 25.1.2010
BB-Special Steuerrecht<br />
Strehle/Jahnke · Mehrwertsteuerpaket – Umsatzsteuerliche Aspekte bei internationalen Güterbeförderungsleistungen seit dem 1.1.2010<br />
4. Entlastungsmöglichkeiten<br />
Entlastungsmöglichkeiten nach §§ 51, 54 und 55 EnergieStG sind nur<br />
für Waren des § 2 Abs. 3 EnergieStG vorgesehen. Durch die ¾nderung<br />
des § 2 Abs. 4 EnergieStG im Rahmen des Vierten Gesetzes zur ¾nderung<br />
von Verbrauchsteuergesetzen können die oben genannten <strong>Energiesteuer</strong>entlastungen<br />
grundsätzlich auch für <strong>Ersatzbrennstoffe</strong> (<strong>Abfälle</strong>)<br />
geltend gemacht werden. Die Entlastungsanträge müssen spätestens<br />
bis zum Ende des nachfolgenden Jahres der Verwendung gestellt<br />
werden. Die Antragsfristen gelten wie Ausschlussfristen, amtliche Formulare<br />
sind soweit in der EnergieStV vorgesehen, zwingend zu verwenden.<br />
13<br />
IV. Ergebnis<br />
Die Besteuerung von <strong>Abfälle</strong>n, die <strong>als</strong> <strong>Ersatzbrennstoffe</strong> eingesetzt<br />
werden, bergen für die Unternehmen erhebliche <strong>Energiesteuer</strong>risiken.<br />
Aus diesem Grund besteht spätestens mit Wegfall des § 29 EnergieStG<br />
dringender Handlungsbedarf.<br />
Dabei ist eine abschließende Bewertung vor ¾ußerung des Verbrauchsteuerausschusses<br />
der Europäischen Kommission gegenüber<br />
dem BMF nicht möglich. Interessant wird sein, ob und wie der Verbrauchsteuerausschuss<br />
dar<strong>auf</strong> reagiert, dass § 29 EnergieStG erst<br />
zweieinhalb Jahre später <strong>als</strong> in der <strong>Energiesteuer</strong>richtlinie vorgesehen,<br />
abgeschafft wurde. Dass die Europäische Kommission es bei der Umsetzung<br />
der <strong>Energiesteuer</strong>richtlinie ernst meint, zeigte ja bereits das<br />
Verfahren der Europäischen Kommission gegen Deutschland vor dem<br />
EuGH 14 zum Thema „Verheizen“.<br />
// Autor h<br />
Joachim Strehle, WP/StB, und Kristina Jahnke, StBin<br />
Dr. Karen Möhlenkamp ist Rechtsanwältin und Senior<br />
Managerin der <strong>WTS</strong> AG Steuerberatungsgesellschaft in<br />
Düsseldorf. Sie leitet die Service Line „Energie- und<br />
Stromsteuer und übrige Verbrauchsteuern“ und das<br />
Umsatzsteuerberaterteam in Düsseldorf. Schwerpunkte<br />
sind die Beratung von großen Industriekonzernen und<br />
Unternehmen des gehobenen Mittelstands.<br />
Mehrwertsteuerpaket – Umsatzsteuerliche<br />
Aspekte bei internationalen Güterbeförderungsleistungen<br />
seit dem 1.1.2010<br />
Ein Praxisleitfaden für deutsche Spediteure<br />
Durch das Jahressteuergesetz 2009 vom 19.12.2008 (BGBl. I 2008, 2794)<br />
(JStG 2009) hat der Gesetzgeber das vom Rat der Europäischen Union<br />
am 12.2.2008 verabschiedete sog. Mehrwertsteuerpaket (Richtlinie<br />
2008/8/EG vom 12.2.2008, ABl. EU Nr. L 44/11) in das deutsche Umsatzsteuerrecht<br />
umgesetzt. Hierdurch ergeben sich u.a. wesentliche ¾nderungen<br />
bei der Bestimmung des Orts einer sonstigen Leistung, die<br />
nunmehr seit dem 1.1.2010 zu beachten sind. Insbesondere von der<br />
Logistikbranche fordert die neue Rechtslage im Hinblick <strong>auf</strong> internationale<br />
Güterbeförderungsleistungen ein erhöhtes Augenmerk. Der folgende<br />
Beitrag stellt die Problematik anhand von Praxisfällen des deutschen<br />
Transportgewerbes im B2B-Bereich (Business-to-Business, d.h. der Leistungsempfänger<br />
ist Unternehmer im umsatzsteuerlichen Sinne oder<br />
eine ihm gleichgestellte Person) dar.<br />
I. Ortsbestimmung bei Güterbeförderungsleistungen<br />
1. Rechtslage bis zum 31.12.2009<br />
Nach der bis zum 31.12.2009 geltenden Rechtslage dominierte im<br />
Grundsatz das sog. Streckenprinzip. 1 Eine Güterbeförderungsleistung<br />
galt dort <strong>als</strong> ausgeführt, wo die Beförderung bewirkt wurde.<br />
13 BFH, 1.7.2008 – VII R 37/07, BFH/NV 2008, 2062.<br />
14 EuGH, 29.4.2004 (Fn. 10).<br />
Abweichend davon wurde die Beförderung eines Gegenstands behandelt,<br />
die in dem Gebiet von zwei verschiedenen Mitgliedstaaten<br />
begann und endete. Diese sog. innergemeinschaftliche Beförderung<br />
eines Gegenstands galt an dem Ort <strong>als</strong> ausgeführt, an dem die Beförderung<br />
begann. 2 Eine Besonderheit bestand darin, dass der Leistungsempfänger<br />
durch Verwendung einer ihm von einem anderen<br />
Mitgliedstaat erteilten Umsatzsteuer-Identifikationsnummer gegenüber<br />
dem Beförderungsunternehmer den Ort der sonstigen Leistung<br />
verlagern konnte. 3 Der innergemeinschaftlichen Beförderung eines<br />
Gegenstands gleichgestellt wurde die Beförderung eines Gegenstands,<br />
die im Gebiet desselben Mitgliedstaats begann und endete,<br />
jedoch in unmittelbarem Zusammenhang mit der innergemeinschaftlichen<br />
Beförderung dieses Gegenstands stand (Vor- und Nachl<strong>auf</strong>).<br />
4<br />
Eine Nebentätigkeit, bspw. das Beladen, Entladen, Umschlagen oder<br />
ähnliche mit der Güterbeförderung im Zusammenhang stehende<br />
Leistung, galt dort <strong>als</strong> ausgeführt, wo der Unternehmer jeweils aus-<br />
1 § 3b Abs. 1 UStG a. F.<br />
2 § 3b Abs. 3 S. 1 UStG a. F.<br />
3 § 3b Abs. 3 S. 2 UStG a. F.<br />
4 § 3b Abs. 3 S. 3 UStG a. F.<br />
Betriebs-Berater // BB-Special 1.2010 zu Heft 5 // 25.1.2010 21