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Lesekompetenz Impulse: Grundschule - Landesinstitut für ...

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und so nie älter als neun Jahre wird. I n s o f e nr<br />

ist sie die einzige glückliche Analphabetin der<br />

Weltliteratur.<br />

Hier stellt sich die Frage, ob die Lektüre<br />

dieser Bücher Kindern mit Lese- und Schreibproblemen<br />

hilft. Bei der Überwindung dieser<br />

Probleme direkt wohl nicht, aber sie können<br />

ihnen Selbstbewusstsein vermitteln, das <strong>für</strong><br />

den weiteren Lernprozess hilfreich sein kann.<br />

Und das ist doch auch schon etwas!<br />

In die Kategorie der Bücher, die Selbstbew<br />

usstsein vermit teln , um trotz Lese- un d<br />

Schreibproblemen das Leben zu meistern, fällt<br />

auch das Buch „Der Pastor von Nibbleswick“,<br />

das Roald Dahl im Auftrag des Londoner<br />

D yslex ie-Inst itu ts <strong>für</strong> lese- und schre i bschwache<br />

Kinder geschrieben hat und mit<br />

d em d er Ü berblick b eend et werd en so ll.<br />

Hochwürden Lee hat als Kind unter Lese-/<br />

Rechtschreibschwäche gelitten, ist aber d u rc h<br />

die Bem ühungen des Lond oner Dyslexie-<br />

Institut s weitgehend davon „geheilt“ worden.<br />

Nur wenn er unter Stress steht, sucht sie ihn<br />

noch heim, allerdings in einer merkwürdigen<br />

For m: Er spricht dann die wichtigsten Wörter<br />

rückwärts. So wird „dog“ zu „god“ – und<br />

u m g e k e h rt – und eine Zeile au s d em<br />

Va t e ru nser lau tet „Und vergib u ns unsere<br />

D luhcs, wie auch wir vergeb en unsere n<br />

Nregidluhcs“ (Dahl 2000, S. 18). Kein Wund<br />

e r, dass dies in seiner neuen Kirc h e ngemeind<br />

e zu nächst Ve rw i rung st iftet. Die<br />

erreicht dann ihren Höhepunkt, als er nach<br />

einer Sonntagspredigt verkündet: „Die Straße<br />

vor unserer kleinen Kirche ist ausgesprochen<br />

schmal, und wie Sie wissen, ist kaum Platz<br />

genug, um mit zwei Fahrzeugen aneinander<br />

vorbeizukommen. Deshalb erscheint es mir<br />

richtig, wenn ich die Mit glieder unsere r<br />

Gemeinde bitte ...“ – und dann folgte wieder<br />

eine dieser Wo rt v e r k e h rungen. Er w ollte<br />

sagen: „... nicht vor dem Gottesdienst entlang<br />

der Vorderseite unserer Kirche zu parken.“<br />

Parken heißt aber im Englischen park, und<br />

rückwärts liest sich das Wort krap. Aber krap<br />

bedeutet scheißen. Also verstanden die Leute,<br />

sie sollten nicht vor dem Gottesdienst entlang<br />

der Vorderseite ihrer Kirche scheißen. Und<br />

weiter hörten sie den Pastor sagen: „Es ist<br />

nicht nur ein unschöner Anblick, sondern<br />

auch gefährlich. Wenn ihr alle auf einmal am<br />

Straßenrand scheißt, könnt ihr leicht von<br />

ein em v orb eifahrend en Wagen überf a h re n<br />

werden. Es gibt doch genügend Platz an der<br />

Südseite der Kirche.“ (Dahl 1992, S. 19 f.)<br />

Mit Hilfe des Dorfarztes gelingt es Pastor<br />

Lee, mit seinem Problem fertig zu werden: Er<br />

geht bei der Predigt immer rückwärts, dann<br />

kommen nämlich alle Wörter vorwärts raus,<br />

und um sehen zu können, wohin er geht,<br />

bringt er einen kleinen Rückspiegel mit einem<br />

Elastikb and an der Stirn an. „Schließ lich<br />

wurde Hochwürden Robert Lee so gut im<br />

Rückwärtsgehen, daß er gar nicht mehr vorwärts<br />

lief, und <strong>für</strong> den Rest seines Lebens galt<br />

er als ein liebenswerter Exzentriker und eine<br />

echte Stütze der Gemeinde.“<br />

(Dahl 1992, S. 22)<br />

Das Ermutigende an dieser Geschichte ist<br />

nicht nur, dass Pastor Lee eine Lösung <strong>für</strong> sein<br />

Problem findet, sondern dass seine Gemeinde<br />

ihn trotz seiner Schwäche ak zeptiert . Die<br />

Realität sieht bei uns heutzutage noch anders<br />

aus: Bei uns werden Menschen mit Lese/<br />

S c h re i b p roblemen immer no ch versp ot tet<br />

und an den sozialen Rand gedrängt. Ihre<br />

Existenz w ird geleu gnet, tab uisiert oder<br />

heruntergespielt, sodass oft eine gezielte Hilfe<br />

<strong>für</strong> sie nicht möglich ist.<br />

An dieser Stelle soll der Streifzug durch die<br />

Kinder- und Jugendliteratur abgebrochen werden,<br />

obwohl es noch viele interessante Titel<br />

u nd Aspek te gibt, d ie vorgest ellt werd e n<br />

könnten.<br />

Der Streifzug hat gezeigt, dass Lesen- und<br />

Schreibenlernen seit mehr als zweihundertfünfzig<br />

Jahren ein Thema der Kinderliteratur<br />

ist. Dabei stehen Motivation zum Lesen- und<br />

Schreibenlernen sowie die Überwindung der<br />

dabei auftret enden Schwierigkeiten im<br />

Mittelpunkt.<br />

Deshalb sind diese Bücher in der heutigen<br />

Zeit <strong>für</strong> Kinder wichtig. Sie erf a h ren, wozu man<br />

Lesen und Schreiben braucht und werd en so<br />

m o t i v i e t, r es zu lernen und anzu wenden.<br />

Sie erfahren aber auch, dass Lesen- und<br />

Schreibenlernen mit Schwierigkeiten verbund<br />

en sein kann. Wenn sie selb st so lche<br />

Schwierigkeiten haben, zeigen diese Bücher<br />

ihnen, dass sie nicht die Einzigen sind, und<br />

das macht Mut. Wenn sie keine Schwierigkeiten<br />

haben, erfahren sie, dass es Kinder gibt,<br />

die solche Probleme haben und dass man<br />

diese Kinder nicht auslacht, sondern ihnen<br />

hilft und Rücksicht auf sie nimmt.

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