Faszination Gold
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sorgen sollen. (Ähnlich verhält es sich in den Veden,<br />
den heiligen Schriften der Hindus.) Jesus setzte im<br />
Neuen Testament Nächstenliebe und Barmherzigkeit als<br />
Alternative zur Gerechtigkeit. Buddhas Lehre könnte<br />
parallel dazu als befreiende Antwort auf die angeblich<br />
göttliche Gerechtigkeit des indischen Kastensystems<br />
verstanden werden.<br />
Laut Plato/Sokrates ist der Gerechte weiser, stärker<br />
und glücklicher als der Ungerechte. Gerechtigkeit ist<br />
als ein höchstes Gut anzustreben. Die Seele in ihren<br />
drei Teilen Vernunft, Tatkraft und Begehren richtet<br />
sich, wenn sie von der Vernunft (Weisheit) geleitet<br />
wird, nach der Gerechtigkeit aus. In einer gerechten<br />
staatlichen Ordnung nimmt jeder seine Aufgabe nach<br />
seinen Fähigkeiten wahr. Ähnlich wie in der indischen<br />
Bhagavadgita werden bei Platon seelische Qualitäten<br />
analog zur gesellschaftlichen Hierarchie gesetzt (1.<br />
Vernunft: Brahmanen/Philosophen, 2. Tatkraft: Könige/<br />
Krieger, 3. Begehren: Handwerker/Bauern).<br />
Platons Schüler Aristoteles erweiterte den auf das<br />
Individuum bezogenen Gerechtigkeitsbegriff auf den<br />
realen Staat und die damit verbundenen komplexen<br />
Beziehungen zwischen Bürger und Gemeinschaft.<br />
Wie können die Menschen in einem Staat gemeinsam<br />
und selbstverantwortlich dafür sorgen, dass allgemein<br />
Gerechtigkeit herrscht? Diese Frage ist bis heute aktuell.<br />
In den vergangenen Jahrhunderten sind dazu ganz<br />
unterschiedliche Theorien entwickelt worden.<br />
Der Gesellschaftsvertrag<br />
Nach dem Mittelalter rückte die Vorstellung von der<br />
göttlichen Gerechtigkeit allmählich in den Hintergrund.<br />
Der Mensch musste selbst für Gerechtigkeit sorgen,<br />
und das in einem zunehmend komplexer werdenden<br />
Gemeinschaftswesen. Was ist der Mensch in seinem<br />
Urzustand, ohne moralische Einschränkung, Recht und<br />
Gesetz? Ist er von Natur aus gerecht? Der englische<br />
Philosoph Thomas Hobbes (1588-1679) befand: Nein.<br />
Er sah im Menschen einen Wolf, der durch eine Institution<br />
bzw. einen Vertrag zu einem sozialen Verhalten<br />
geradezu gezwungen werden müsse. Ironischerweise<br />
gilt den Wissenschaftlern heute gerade der Wolf als ein<br />
Tier mit besonders ausgeprägter Sozialstruktur. Doch<br />
wie dem auch sei, Hobbes rein hypothetische Gegenüberstellung<br />
einer anarchischen Natur des Menschen<br />
und dem Bedürfnis nach einer geordneten Gemeinschaft<br />
wurde zu einem neuzeitlichen Modell.<br />
Nachfolgende Theorien der Gerechtigkeit konzentrierten<br />
sich darauf, wie der Mensch in einer Gemeinschaft<br />
vor sich selbst geschützt werden könne. Der von Hobbes<br />
eingeführte Begriff des Gesellschaftsvertrages wurde<br />
bis in unsere Zeit immer wieder aufgegriffen und neu<br />
definiert. In einem Vertrag werden Rechte und Pflichten<br />
verbindlich ausgehandelt. Man könnte sagen, dass<br />
Lebens Werte<br />
auf der Grundlage des Gesellschaftsvertrags bis heute<br />
Gerechtigkeit in erster Linie vertraglich und gesetzlich<br />
geregelt ist.<br />
Bei aller Komplexität des gesellschaftlichen Zusammenlebens<br />
und der oft durchaus richtigen Vertragsregelungen<br />
könnte heute auch wieder stärker an die Weisheit<br />
des einzelnen Menschen selbst erinnert werden. Wir<br />
können und müssen in so vielen alltäglichen Situationen<br />
selbst entscheiden, was gerecht ist und was nicht – ohne<br />
bestimmte Gesetze und Paragrafen zu kennen. Die<br />
uralten Fragen bleiben, ob mit oder ohne Vertrag.<br />
Konzepte von Gerechtigkeit<br />
◆ Gleichberechtigung aller Menschen. Keine Diskriminierung<br />
aufgrund von Geschlecht, Rasse, Religion<br />
oder sonstiger Weltanschauungen.<br />
◆ Politische Gerechtigkeit im Hinblick auf Freiheiten,<br />
Ämter und Chancen auf nationaler und internationaler<br />
Ebene.<br />
◆ Juristische Gerechtigkeit in Form angemessener und<br />
ausgewogener Gesetze, einer adäquaten Rechtsprechung<br />
und eines angemessenen Strafvollzugs.<br />
◆ Soziale oder ausgleichende Gerechtigkeit als angemessene<br />
Verteilung von materiellen Gütern,<br />
Arbeitsstellen und Ressourcen einschließlich der<br />
Chancengleichheit (Bildung, medizinische Versorgung<br />
etc.).<br />
◆ Schützende Gerechtigkeit durch Friedenssicherung,<br />
strafrechtliche bzw. institutionalisierte Sanktionierung<br />
struktureller Gewalt im öffentlichen und<br />
privaten Raum, Minderheitenschutz.<br />
◆ Generationengerechtigkeit im Verhältnis der heute<br />
Lebenden zu künftigen Generationen, vor allem<br />
durch Begrenzung der Staatsverschuldung, ausreichende<br />
Investitionen in Bildung und Umweltschutz,<br />
aber auch familienintern im Verhältnis von Eltern zu<br />
ihren minderjährigen Kindern wie von Kindern zu<br />
ihren alt gewordenen Eltern.<br />
◆ Geschlechtergerechtigkeit als Pflicht zur Herstellung<br />
der Chancengleichheit zwischen Frauen und<br />
Männern im Berufs- und Privatleben wie in Politik<br />
und Öffentlichkeit.<br />
◆ Kontributive Gerechtigkeit als Recht auf Mitbestimmung,<br />
aber auch als Pflicht zur Mitwirkung.<br />
(nach wikipedia.de)<br />
Der Autor Christian Salvesen ist Redakteur der Zeitschrift<br />
„Visionen“ und lebt mit seiner Familie in Süddeutschland. Er<br />
ist Autor der Bücher: „Liebe: Das Herz aller Weltreligionen“<br />
und „Advaita. Vom Glück mit sich und der Welt eins zu sein“<br />
(beide O.W. Barth Verlag) und „Die Formel der Unsterblichkeit.<br />
Ein Schamanenkrimi“ (Koha-Verlag).<br />
Buchtipps<br />
Otfried Höffe: Gerechtigkeit: Eine philosophische Einführung.<br />
126 S., TB, C.H. Beck, € 7.95<br />
John Rawls: Gerechtigkeit als Fairness: ein Neuentwurf. 316 S.,<br />
Suhrkamp, € 12.00<br />
KGSBerlin 01/2011 29