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Faszination Gold

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ein Fan mystischer Schriften aller Couleur. Sein Ashram<br />

erschien mir demgegenüber als geradezu weltlich, und<br />

so erhielt ich dort bald den Spitznamen »der Mönch«<br />

(im Jahr davor war ich buddhistischer Mönch gewesen).<br />

Was ich bei Osho lernte, war vor allem die Ausweitung<br />

der mystischen Erfahrung: Nicht nur das Lesen heiliger<br />

Schriften, Meditation, Yoga und Tanz können einen in<br />

Ekstase versetzen, sondern auch kontinuierliche Arbeit,<br />

eine stabile Beziehung und sogar die Buchhaltung in<br />

einer Bank (1981 arbeitete ich im Foreign Exchange<br />

des Ashrams in Poona mit) – jedenfalls dann, wenn man<br />

dabei das Atmen nicht vergisst.<br />

Humor und Mystik<br />

Heute erscheint mir Humor als das wichtigste Ingrediens<br />

einer intelligenten mystischen Lebenspraxis.<br />

Humor als das Lachen über sich selbst, im Gegensatz<br />

zum Spott, dem Lachen über andere. Über andere zu<br />

spotten erlaube ich mir nur in dem Bewusstsein, dass<br />

ich auch das bin, worüber ich da spotte; dann ist es Humor,<br />

denn dann belustige ich mich damit ja über mich<br />

selbst (hoffentlich ist das für den so Verspotteten auch<br />

spürbar). Humor lehrt einen leichtherzigen Umgang<br />

mit der Identität. Wer bist du? Ich bin dies, aber auch<br />

jenes. Eine flatterhafte Gestalt? Ja, aber eine, die wo<br />

nötig standfest ist und unbeirrbar; ein Mensch mit Mut,<br />

Zivilcourage und Rückgrat, nur eben einer, der sich<br />

sogar in seiner favorisierten Rolle selbst nicht völlig<br />

ernst nimmt und sich gerade dadurch selbst völlig ernst<br />

nimmt, denn: Ich bin nicht meine Rolle!<br />

Seit zwei, drei Jahren ist dieses Spielen in meinem<br />

Leben sehr viel deutlicher und sichtbarer geworden.<br />

Anknüpfend an Buddhas letzte Worte »Sei dir selbst ein<br />

Licht« sagte mein einstiger spiritueller Meister Osho:<br />

»Sei dir selbst ein Witz.« Nimm die aktuelle Identität,<br />

die du dir gerade zugelegt oder die man dir verpasst hat,<br />

nicht allzu ernst. Bleib wandelbar, standfest und ohne<br />

Vorwurf an andere, dass sie so sind, wie sie sind. Gehe<br />

stattdessen lieber spielend weiter, immer weiter, darüber<br />

hinaus (gate, gate, paragate) und auch dann noch heiter<br />

weiter, bis du ganz verduftet bist.<br />

Naturwissenschaft und Mystik<br />

»Der Naturwissenschaftler kennt die Zweige des Baumes<br />

des Wissens, aber nicht seine Wurzeln. Der Mystiker<br />

kennt die Wurzeln des Baumes des Wissens, aber<br />

nicht seine Zweige. Die Naturwissenschaft ist nicht auf<br />

die Mystik angewiesen und die Mystik nicht auf die Naturwissenschaft<br />

– doch die Menschheit kann auf keine<br />

der beiden verzichten«, schrieb der Physiker und Systemtheoretiker<br />

Fritjof Capra 1983 in »Der kosmische<br />

Reigen«. Auch ich meine, dass es keine besseren, sich<br />

ergänzenden Partner gibt, was unsere Weltanschauung<br />

anbelangt, als die Naturwissenschaft und die Mystik,<br />

und dass wir auf keine der beiden verzichten können.<br />

Und auch das, was so viele Esoteriker fürchten und<br />

so viele Wissenschaftler schätzen – die randomisierten<br />

Blindstudien, die ein Mittel oder eine Methode<br />

dem Vergleich mit einem Placebo aussetzen – sollten<br />

wir ernst nehmen als eine geniale Testmethode, um<br />

Wahrnehmungstäuschungen als solche zu erkennen.<br />

Sie hilft, kollektive Wahnvorstellungen zu erkennen,<br />

während die mystische Wahrnehmung alle individuellen<br />

Wahnvorstellungen durchdringt, insbesondere und<br />

schlussendlich auch die, dass irgendetwas in der Welt<br />

von seiner Umgebung (und damit auch von irgendwas<br />

anderem) getrennt sei.<br />

Die Brille auf unserer Nase<br />

Zum Abschluss noch ein paar Zitate von einem Wissenschaftstheoretiker,<br />

der mich schon als Student stark<br />

beeindruckte und beeinflusste, manche halten ihn für<br />

den größten Philosophen des 20. Jahrhunderts – Ludwig<br />

Wittgenstein (1889-1951):<br />

»Die Grenzen meiner Sprache bedeuten die Grenzen<br />

meiner Welt.«<br />

»Nicht wie die Welt ist, ist das Mystische, sondern<br />

dass sie ist.«<br />

»Die Idee sitzt gleichsam als Brille auf unserer Nase,<br />

und was wir ansehen, sehen wir durch sie. Wir kommen<br />

gar nicht auf den Gedanken, sie abzunehmen.«<br />

»Die Philosophie ist ein Kampf gegen die Verhexung<br />

unseres Verstandes durch die Mittel unserer<br />

Sprache.«<br />

Dieser Beitrag ist die Fortsetzung des Mystik-Artikels aus unserem<br />

Dezember-Heft. Den vollständigen Beitrag von Wolf Schneider finden<br />

Sie auf www.kgsberlin.de<br />

Aus Connection Spirit 7/2010 mit freundlicher Erlaubnis des Autors<br />

und des Verlages. Mehr zum Thema Mystik finden Sie in der Juli-August<br />

Ausgabe von connection Spirit oder auf www.connection.de<br />

Der Autor Wolf Schneider,<br />

Jg. 1952, Studium der Naturwissenschaften<br />

und der Philosophie<br />

in München (1971-75). Gründer<br />

und Herausgeber der Zeitschrift<br />

„connection“, der ältesten spirituellen<br />

Zeitschrift auf Deutsch (seit<br />

1985). Gründer der »Schule der<br />

Kommunikation«. Leitet Kurse seit<br />

1980 und spielt Theater (»Zauberkraft<br />

der Sprache« und »Esoterik-<br />

Kabarett«), ist Schreibcoach und Kreativitätstrainer. Kontakt:<br />

schneider@connection.de, Blog: www.schreibkunst.com<br />

Bücher von Wolf Schneider:<br />

»Auf der Suche nach dem Wesentlichen« (Königsfurt 2003)<br />

»Ohne Dich wäre ich ein anderer« (Königsfurt 2003)<br />

»Das Tao des Wassers« (Königsfurt 2004)<br />

»Zauberkraft der Sprache« (Koha 2006)<br />

»Kleines Lexikon esoterischer Irrtümer« (Gütersloh 2008)<br />

und andere.<br />

KGSBerlin 01/2011 35

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