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Siri Hustvedt Liebe auf dem Prüfstand - boersenblatt.net

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Titel<br />

Sie schreibt kluge Romane, die sich noch dazu gut verk<strong>auf</strong>en: <strong>Siri</strong> <strong>Hustvedt</strong><br />

wird von ihren Leserinnen geliebt – auch weil sie sich in ihren Geschichten<br />

wiederfinden. Das zeigt auch ihr neues Buch „Der Sommer ohne Männer“.<br />

Intellektuelle<br />

mit Glamourfaktor<br />

TEXT: ECKART BAIER • FOTOS: BEOWULF SHEEHAN<br />

es sind Geschichten wie diese, für die<br />

Leserinnen <strong>Siri</strong> <strong>Hustvedt</strong> lieben: 30 Jahre<br />

lang sind die New Yorker Dichterin Mia<br />

und der Neurowissenschaftler Boris glücklich<br />

verheiratet. Und dann, so lesen wir in<br />

<strong>Hustvedt</strong>s neuem Roman „Der Sommer<br />

ohne Männer“, ist plötzlich alles anders: Er<br />

wolle eine „Pause“ von der Ehe einlegen, erklärt<br />

Boris der perplexen Gattin. „Die Pause<br />

war eine Französin mit schlaffem, aber<br />

glänzen<strong>dem</strong> braunen Haar. Sie hatte einen<br />

signifikanten Busen, der echt, nicht künstlich<br />

war, eine schmale Rechteckbrille und<br />

einen exzellenten Verstand. Natürlich war<br />

sie jung, zwanzig Jahre jünger als ich, und<br />

ich vermute, dass Boris schon länger scharf<br />

<strong>auf</strong> seine Kollegin gewesen war, ehe er sich<br />

<strong>auf</strong> ihre signifikanten Bereiche stürzte.“<br />

Dieser Plot hätte ebenso gut Stoff für eine<br />

Schmonzette oder ein Rachestück abgeben<br />

können. <strong>Siri</strong> <strong>Hustvedt</strong> macht daraus aber<br />

etwas völlig anderes: ein Buch über die Unterschiede<br />

von Mann und Frau, über weibliche<br />

Selbstfindung und -behauptung, über<br />

Treue und Verlässlichkeit und über die Frage,<br />

warum Menschen, mit denen man sein<br />

Leben teilt, einem plötzlich fremd werden.<br />

Fremd wird sich zuallererst aber die Ich-Erzählerin<br />

Mia selbst: „Nach dreißig Jahren<br />

Ehe reichte ‚Pause‘, um aus mir eine Geisteskranke<br />

zu machen, in deren Hirn die Ge-<br />

danken platzten, wild herumfuhrwerkten<br />

und voneinander abprallten wie Popcorn in<br />

einer Mikrowellentüte“. Mia wird in die Psychiatrie<br />

eingeliefert – ein Seitensprung des<br />

Partners hat ausgereicht, um aus einer<br />

selbstbewussten Frau ein nervliches Wrack<br />

zu machen.<br />

Halbwegs wiederhergestellt, ergreift Mia<br />

die Initiative, reist in das Provinznest im<br />

Mittleren Westen, wo sie <strong>auf</strong>gewachsen ist<br />

und wo ihre Mutter in einem Altenheim<br />

lebt. Sie verbringt dort den Sommer, unterrichtet<br />

sieben pubertierende Mädchen in<br />

Lyrik, besucht ihre Mutter und deren hochbetagte<br />

Freundinnen. Mia hat viel Zeit für<br />

sich und ihre Wut <strong>auf</strong> den untreuen Gatten,<br />

sie schreibt ihre „erotischen Memoiren“,<br />

denkt über ihr Leben nach – und entdeckt<br />

im Zurückgeworfensein <strong>auf</strong> sich<br />

selbst völlig neue Seiten an sich.<br />

„Die Ereignisse in meinem Roman sind<br />

im Grunde banal“, sagt <strong>Siri</strong> <strong>Hustvedt</strong> <strong>dem</strong><br />

Buchjournal. Ein Mann geht fremd, seine<br />

Frau dreht durch, doch die neue Beziehung<br />

»Im Leben gibt es<br />

keine absolute<br />

Sicherheit – wie<br />

könnte es auch?«<br />

scheitert und der reuige Ehemann versucht,<br />

seinen Fehler wiedergutzumachen<br />

– doch seine Frau hat in der Zwischenzeit<br />

das Leben für sich neu entdeckt.<br />

„So ist das Leben. Leben ist Bewegung,<br />

wir sind ständig im Fluss“, meint die Autorin.<br />

Selbst eine jahrzehntelange Ehe sei keine<br />

Garantie, dass alles so bleibt, wie es ist.<br />

„Es gibt keine absolute Sicherheit im Leben<br />

– wie könnte es auch?“ Es sei ein Fehler, in<br />

einer Beziehung <strong>auf</strong> Ritualen und Gewohnheiten<br />

zu beharren. „Jeder Mensch entwickelt<br />

sich weiter.“ Man könne sich im Leben<br />

und in der Partnerschaft nicht gegen Veränderungen<br />

wehren. „Für mein Leben und<br />

meine Ehe habe ich herausgefunden, dass<br />

Dialog das Allerwichtigste ist“, sagt <strong>Hustvedt</strong>.<br />

„Dies bedeutet auch zwangsläufig,<br />

Konflikte zu tolerieren, mit Unterschieden<br />

umzugehen, um sich in den anderen hineinversetzen<br />

zu können.“<br />

Im Fall von Mia aus „Der Sommer ohne<br />

Männer“ stellt sich die Frage, „ob zwei<br />

Menschen, die einen solchen Bruch erlitten<br />

haben, sich wiederfinden können – und<br />

wenn ja, ob und wie ihre Beziehung danach<br />

aussieht“. Wie <strong>Siri</strong> <strong>Hustvedt</strong> die Gefühlswelt<br />

von Mia beschreibt, ihre Wut und ihr<br />

Aufbegehren, Verzweiflung und Neuorientierung,<br />

ist ebenso berührend und einfühlsam<br />

wie einleuchtend – und erklärt, weshalb<br />

ihre Bücher so erfolgreich sind: Viele<br />

Menschen erkennen sich in ihren Ge- 0<br />

12<br />

buchjournal 2/2011

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