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Die Bestimmung des Menschen

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gieren. Es gibt vieles in der Natur <strong>des</strong> <strong>Menschen</strong>, das überwunden und<br />

nicht entfaltet werden muß. Vielleicht sollte man es auch nicht einfach<br />

verdrängen, weil es sich gerade dann unserer Selbstbeherrschung entzieht.<br />

Doch sicherlich bedürfen unsere natürlichen Anlagen und Tendenzen<br />

der Disziplinierung und Kultivierung. Aus dieser Sicht der<br />

Dinge ergibt sich auch, daß die Wünsche und Ansprüche der <strong>Menschen</strong><br />

oft nicht ihren tatsächlichen Bedürfnissen entsprechen, manchmal<br />

sogar im Gegensatz zu diesen stehen. <strong>Die</strong> schwierige Frage ist nur,<br />

wer kann hier unterscheiden und was ist der Maßstab dafür? Das Auftreten<br />

irgendwelcher Autorität beanspruchender Instanzen, die mit<br />

solcher Argumentation individuelle Autonomie überhaupt beseitigen<br />

möchten, aber auch die Zuflucht zu solchen Autoritäten legt sich als<br />

Ausweg aus diesem Dilemma immer wieder gefährlich nahe. An eben<br />

diesem Punkt erhebt sich jedoch auch die Frage nach der Funktion der<br />

Religion in der Struktur der Gesellschaft, nicht nur im individuellen<br />

Leben. Nur die das Zusammenleben der <strong>Menschen</strong> letztlich begründende<br />

Wahrheit vermag den Unterscheidungsgrund zwischen tatsächlichen<br />

und nur eingebildeten oder prätendierten Bedürfnissen der Individuen<br />

abzugeben. Dabei hängt es von der Art der das Zusammenleben<br />

der <strong>Menschen</strong> bestimmenden religiösen Überzeugungen ab, ob<br />

sie selber dem individuellen Leben einen letzten Wert zuschreiben und<br />

folglich auch Raum für Pluralismus in Verhalten und Meinungsbildung<br />

lassen.<br />

Man muß sich jedoch darüber im klaren sein, daß der Pluralismus nicht<br />

selber die religiöse Funktion eines das gesellschaftliche Leben begründenden<br />

Wertkonsenses übernehmen kann. Dem Begriff <strong>des</strong> Pluralismus<br />

als solchen fehlt das Element von geistiger Einheit und Gemeinsamkeit,<br />

das Pluralität sowohl freigibt als auch begrenzt und ohne<br />

das keine Lebensgemeinschaft von <strong>Menschen</strong> bestehen kann. Wenn<br />

daher der Pluralismus selber zum maßgeblichen Kriterium <strong>des</strong> Zusammenlebens<br />

erhoben wird, so äußert sich darin ein Prozeß der Auflösung<br />

der die Einheit einer Gesellschaft in ihrer Geschichte begründenden<br />

Gemeinsamkeiten.<br />

22<br />

WOLFHART PANNENBERG, <strong>Die</strong> <strong>Bestimmung</strong> <strong>des</strong> <strong>Menschen</strong><br />

© 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen<br />

ISBN Print: 9783525334232 — ISBN E-Book: 9783647334233

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