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und Beispielseiten als PDF - Cellini-Gesellschaft Frankfurt am Main ev

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Laut einer Studie der UN-Organisation Habitat lebte 2007 erstm<strong>als</strong> jeder zweite Mensch in der<br />

heutigen Welt in städtischen Siedlungen, ungefähr ein Drittel davon in Slums (Abb. 1). Die Hälfte<br />

der Weltb<strong>ev</strong>ölkerung besteht zurzeit aus etwa 3,4 Milliarden Menschen oder – räumlich gedacht<br />

<strong>und</strong> bezogen auf einen Fünfpersonenhaushalt – circa 680 Millionen Wohnungen. Um jedem<br />

Menschen einen lebenswerten Wohnraum zu bieten, müsste mindestens ein Drittel davon, <strong>als</strong>o<br />

circa 226 Millionen, sofort gebaut werden. In Deutschland werden zurzeit pro Jahr im Durchschnitt<br />

250.000 Wohnungen neu erstellt, <strong>als</strong>o gerade einmal ungefähr ein Tausendstel des Bedarfes.<br />

Und jeden Tag kommen auf der Erde circa 216.000 neue Menschen hinzu. Das sind<br />

Zahlen <strong>und</strong> Statistiken, die einen schwindeln lassen. Der soziale Zündstoff, der hier schlummert,<br />

wird aus meiner Sicht noch unterschätzt. Nicht mehr nur Megacitys, sondern sogenannte Metacitys<br />

– Städte mit über 20 Millionen Menschen – wird es in wenigen Jahren geben. Wer aber<br />

meint, dass sich diese Fragen in einem schrumpfenden Europa nicht stellen, irrt, denn selbst<br />

das beschauliche Deutschland hat mit seinen Städtekonglomeraten wie zum Beispiel dem<br />

Rhein-Ruhr-Gebiet das Potenzial zu diesen Megastrukturen. Die Rhein-Ruhr-Region mit circa 11<br />

Millionen Einwohnern steht immerhin an 26. Stelle der globalen Stadträume, würde man sie<br />

nicht <strong>als</strong> Konglomerat, sondern <strong>als</strong> Stadt begreifen, stünde sie sogar an 15. Stelle (Abb. 2).<br />

Abb. 1: Slum in Mumbai<br />

Abb. 2: Skyline von <strong>Frankfurt</strong> <strong>am</strong> <strong>Main</strong><br />

111 Vor diesem globalen Zahlenhintergr<strong>und</strong> ist jede Bemühung, die baubare <strong>und</strong> lebenswerte Wohnungen<br />

schafft, angemessen. Gerade in Europa haben wir aufgr<strong>und</strong> der historischen Erfahrungen<br />

die Chance, Modelle zu entwickeln, die langfristig Wohnraum schaffen. 1929 wurde zwar<br />

noch nicht der Begriff der Globalität verwendet, aber für die d<strong>am</strong>aligen im CIAM organisierten<br />

Architekten war im dichter werdenden Europa die Aufgabe, räumlich qualitativ hochwertige,<br />

aber auch wirtschaftliche Wohnungen im städtischen Raum zu schaffen, über die regionalen<br />

Bedürfnissen hinaus längst zu einer internationalen Fragestellung geworden.<br />

Werkb<strong>und</strong>siedlung München: Anlass <strong>und</strong> Wettbewerb<br />

Der Diskurs der gestaltenden Berufsgruppen <strong>und</strong> ihrer Beteiligten spiegelte sich in dem von<br />

Kurt Schwitters zum Werkb<strong>und</strong>tag 1928 in München geprägten Motto wider: „Werkb<strong>und</strong> heißt<br />

Diskussion“ – <strong>und</strong> fast 80 Jahre später entstand dann beim Werkb<strong>und</strong> Bayern aus Anlass des 100jährigen<br />

Jubiläums des B<strong>und</strong>es die Idee, diese Diskussion anhand eines konkreten Projektes wiederzubeleben<br />

<strong>und</strong> Gestaltung, Ökonomie <strong>und</strong> die dabei handelnden Personen zus<strong>am</strong>menzuführen.<br />

Im Gegensatz zu den früheren Werkb<strong>und</strong>siedlungen 1927 in Stuttgart, der sogenannten Weißenhofsiedlung,<br />

oder auch 1929 in Breslau war es diesmal keine Siedlung auf dem freien Feld,<br />

<strong>und</strong> es wurden auch nicht nur Wohnungen oder Häuser für das Existenzminimum gebaut, sondern<br />

entsprechend den geänderten gesellschaftlichen Bedingungen sollte eine teilbebaute innerstädtische<br />

militärisch genutzte Fläche konvertiert <strong>und</strong> das Wohnen in die Stadt integriert<br />

werden, sodass eine stärkere soziale <strong>und</strong> ökologische Vernetzung stattfinden könnte.<br />

Fast 100 Jahre nach der Gründung des Werkb<strong>und</strong>es <strong>und</strong> 80 Jahre nach der Stuttgarter Weißenhofsiedlung<br />

wurde erneut ein siedlungspolitischer Aufbruch initiiert. Der Werkb<strong>und</strong> Bayern mit<br />

fast allen Mitgliedern unter dem Vorsitz von Hannes Rössler erarbeitete daher zus<strong>am</strong>men mit<br />

der Stadt München <strong>und</strong> acht möglichen Bauherren – öffentlichen <strong>und</strong> privaten – die Auslobung<br />

eines städtebaulichen Wettbewerbs, bei dem die Stadt das Gr<strong>und</strong>stück, die Bauherren die Investitionen<br />

<strong>und</strong> der Werkb<strong>und</strong> seine Gestaltkompetenz einbrachten.<br />

Für den Wettbewerb, der Mitte des Jahres 2005 international ausgelobt worden war, wurden aus<br />

über 400 Bewerbungen 36 Te<strong>am</strong>s ausgewählt, aus denen dann die späteren 12 Preisträger ermittelt<br />

wurden. Dabei wurde zwischen städtebaulichen <strong>und</strong> hochbaulichen Preisen unterschieden.<br />

Aufbauend auf den Raumerfahrungen der letzten Jahre stellten sich der bayerische Werkb<strong>und</strong><br />

<strong>und</strong> – nach der Auswahl zum Wettbewerb – mit ihm auch wir uns dann die Frage, wie sich das<br />

neue Jahrh<strong>und</strong>ert architektonisch entwickeln wird. Wir haben ein Jahrh<strong>und</strong>ert der Werkgerechtigkeit<br />

<strong>und</strong> Schnörkellosigkeit kennengelernt, das in einem minimalistischen Ästhetizismus gipfelt,<br />

den sich in seiner ganzen Perfektion nur ein Teil der <strong>Gesellschaft</strong> erlauben kann – <strong>und</strong><br />

erleben gerade die Kehrtwendung zur romantischen Verklärung der Geschichte <strong>und</strong> des Orn<strong>am</strong>ents.<br />

Nach diesen Zwischenschritten müssen wir erneut experimentelle Lösungen suchen.<br />

Wir werden neue Fragen nach dem Umgang mit Material <strong>und</strong> nach dem Umgang mit Raum<br />

stellen müssen. Die innovativen Materialien <strong>und</strong> Baustoffe, die geänderten Kriterien der Energieeffizienz<br />

<strong>und</strong> der ökonomischen Gr<strong>und</strong>lagen haben zum Teil nicht immer geglückte neue<br />

Formen <strong>und</strong> ansprechende Gestaltung hervorgebracht. Auch die massenhafte Nutzung funktionaler<br />

Formen, der Verlust der Proportion durch missverstandene formale Wiederholung <strong>und</strong><br />

Reduzierungen ohne gestaltende Kraft werden zum Überdenken vorhandener Lösungen führen.<br />

Die Globalisierung <strong>und</strong> die geänderten Lebensweisen bringen neue räumliche Modelle, die wir<br />

verarbeiten müssen, aber auch nutzen können.

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