8 Das aktuelle Interview 23. MÄRZ 2012 Letzter Ausweg: Privatkonkurs Im vergangenen Jahr wurde gegen 597 Vorarlberger ein Privatinsolvenzverfahren eingeleitet. Peter Kopf, Geschäftsführer der Schuldenberatung des Institut für Sozialdienste (IfS) nimmt Stellung zur steigenden Anzahl überschuldeter Menschen im Ländle. Von Heidi Rinke-Jarosch <strong>Mein</strong> <strong>kleines</strong> <strong>Blatt</strong>: 2011 wurden im reichen Vorarlberg 597 Privatkonkurse abgewickelt. Was läuft da schief? Peter Kopf: Wir leben in einem Land mit viel Wohlstand und hoher Lebensqualität. Das hat auch seinen Preis. So manche, die sich wirtschaftlich überschätzen, kommen unter die Räder. Andere Auslöser für die große Anzahl der Privatkonkurse sind die hohen Lebenshaltungskosten in Vorarlberg, Arbeitslosigkeit, Krankheit, Unfall, Scheidung. MKB: Woran liegt es, dass so viele junge Menschen betroffen sind? P. K.: Ständig sind wir Werbung ausgesetzt. Dadurch sind die Kaufanreize riesengroß. Zudem wird in einer Wohlstandsgesellschaft dauernd verglichen. Dabei läuft man Gefahr sich zu übernehmen. Das ist ein Grund, warum die IfS-Schuldenberatung gemeinsam mit dem Land Vorarlberg, dem AMS, der Wirtschaftskammer, der Arbeiterkammer und vier Vorarlberger Banken den Finanzführerschein ins Leben gerufen hat. Mittels dieser Präventionsschiene informieren wir junge Menschen über den vernünftigen Umgang mit Geld. MKB: Womit werden am häufi gsten Schulden gemacht? P. K.: Zurzeit haben wir die größten Probleme mit den Foto: Weissengruber Handybetreibern wegen der Smartphones von jungen Klienten. Die Schuldensummen bewegen sich durchschnittlich bei Tausenden Euro. In solchen Fällen wird schnell geklagt und exekutiert. Eine andere häufi ge Schuldenfalle ist ein dauernd überzogenes Konto. Ein Kontoüberzug ist weder eine Einkaufsreserve, noch ein Gehaltsvorschuss, sondern die teuerste Kreditform, die es gibt. Und diesen auf Null zu bringen, ist schwierig, sollte aber unbedingt angestrebt werden. MKB: Eine große Anzahl neuer Selbstständiger ist in den Privatkonkurs geschlittert. Hauptgrund sollen die hohen Forderungen der SVA und des Finanzamtes nach dem ersten Jahr sein. P. K.: Jungunternehmer sind wohl in ihrem Fach sehr gut, aber viele haben kaufmännisch nur geringe Kenntnisse. Läuft das Geschäft nicht so gut, dass es zum Selbstläufer wird, kann es problematisch werden. Oft wird auch der Fehler gemacht, dass alles was man einnimmt als Einkommen betrachtet wird. Die Verpfl ichtungen wie Steuer, Betriebskosten, SVA usw. werden dabei vergessen. Das Problem mit der SVA ist mir bekannt. Die SVA ist jedoch gesetzlich verpfl ichtet, die Rückstände rigoros einzumahnen. Ich empfehle eine gute Beratung. MKB: Die muss man sich aber leisten können. P. K.: Stimmt. Aber es gibt Möglichkeiten, kostenlose Beratung und Unterstützung in Anspruch zu nehmen. Vom AMS, z. B., oder vom Gründerservice. Ich empfehle jedem neuen Selbstständigen eine strenge Budgetplanung zu machen. Wir beraten nicht nur Überschuldete, sondern auch jene, die „nur“ ihr Budget optimieren wollen. MKB: Viele Überschuldete sind Opfer des Zinssystems und zahlen bis zum Lebensende. Da stimmt doch etwas nicht. P. K.: Für so manchen Überschuldeten wirkt sich das Zinssystem tatsächlich so aus, dass er – wie man sagt – zahlt, bis er tot umfällt. In den meisten Fällen wäre der Privatkonkurs die letzte sinnvolle Lösung. Das Problem ist, dass wir die Privatinsolvenz betreffend in Österreich mit dem europaweit rigidsten System konfrontiert sind. Die anderen Länder gehen viel vernünftiger damit um. In Österreich gibt es zwei Punkte, die ich überhaupt nicht einsehe: Die siebenjährige Frist, die bis zehn Jahre verlängert werden kann, und die zehn Prozent Mindestquote. Das heißt, mindestens zehn Prozent des Schuldenbetrages müssen zurückgezahlt werden. Das ist eine unnötige Schikane! Ein Beispiel: Eine Alleinerzieherin mit drei Kindern hat die Schulden von ihrem Mann übernehmen müssen und tut sich schwer, sich über Wasser zu halten. Um einen Privatkonkurs anzustreben, müsste sie fähig sein, von dem offenen sehr hohen Kreditbetrag zehn Prozent zu zahlen. Das schafft sie nicht. Und das bedeutet, dass diese Frau nie entschuldet sein wird. Wir betreuen zurzeit einige Fälle mit einer und mehr Millionen Euro Schulden. Zehn Prozent von solchen Unsummen in sieben Jahren zurückzahlen, ist unmöglich. MKB: Was sollte geändert werden? P. K.: Ein Insolvenzgesetz soll die überschuldeten Menschen wirtschaftlich wieder auf die Füße stellen. Darum fordern wir – die Ifs-Schuldenberatung – eine Verkürzung dieser sieben Jahre und den Wegfall der zehn Prozent Mindestquote.
29. März – 1. April 2012, Dornbirn Täglich von 9 bis 18 Uhr, Wirtschaftszelt: Do bis 1 Uhr, Fr und Sa bis 2 Uhr, Gratis-Fahrt mit Bus und Bahn im gesamten Vorarlberger Verkehrsverbund. Fahrplan unter www.vmobil.at und Tel. +43 (0)5572 32300. www.messedornbirn.at, www.facebook.com/messedornbirn