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Ländertagung „Sucht und Psychose“ - Stiftung Maria Ebene

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Bericht Bericht über über die die 55-<strong>Ländertagung</strong><br />

5 <strong>Ländertagung</strong> <strong>„Sucht</strong> <strong>und</strong> <strong>Psychose“</strong><br />

vom 25. bis 26. Februar 2011<br />

Das LKH Rankweil sowie die <strong>Stiftung</strong> <strong>Maria</strong> <strong>Ebene</strong> haben gemeinsam obgenannte<br />

Veranstaltung organisiert <strong>und</strong> entsprechend der Rückmeldungen <strong>und</strong> unserem eigenen<br />

Erleben können wir rückblickend sagen, dass sie erfolgreich war <strong>und</strong> dass wir wichtige<br />

Zielsetzungen erreichen konnten. Zum einen bestätigte die hohe Teilnehmerzahl mit ca. 150<br />

Personen, dass es ein großes Interesse an dieser Thematik gibt. Zum anderen ist es gelungen,<br />

aus überregionaler Sicht die unterschiedlichen Zugänge zu dieser Thematik deutlich zu<br />

machen <strong>und</strong> Vergleiche anstellen zu können. Schließlich konnten wir bestehende persönliche<br />

<strong>und</strong> fachliche Kontakte verstärken, neue Beziehungen herstellen <strong>und</strong> das gemeinsame<br />

Interesse für diese Betroffenengruppe über die Grenzen der Einrichtungen hinweg zum<br />

Ausdruck bringen.<br />

Die Geschichte dieser Tagung hängt mit der Arbeitsgruppe <strong>„Sucht</strong> <strong>und</strong> <strong>Psychose“</strong> zusammen,<br />

die seit über zehn Jahren aus einem losen Zusammenschluss interessierter Ärzte <strong>und</strong><br />

Therapeuten aus Salzburg, Tirol <strong>und</strong> Vorarlberg hervorgegangen ist <strong>und</strong> sich zwischenzeitlich<br />

auch in der österreichischen Gesellschaft für Psychiatrie <strong>und</strong> Psychotherapie organisiert hat.<br />

Ein weiterer Aspekt ist die Einladung von Frau Dr. Sybille Hornung-Knobel aus München<br />

gewesen, die im Jänner 2009 in Rankweil dazu einen Vortrag gehalten hat <strong>und</strong> an diesem<br />

Abend ist die Idee geboren, eine gemeinsame Veranstaltung durchzuführen, etwa im Rahmen<br />

der halbjährlichen Treffen der deutschen Fachgesellschaft für Psychose <strong>und</strong> Sucht (DFPS).<br />

Um diese 2003 gegründete Gesellschaft näher kennenzulernen, hat Roland Wölfle im Oktober<br />

2009 an einem Treffen in Bayreuth teilgenommen <strong>und</strong> dort diese Idee besprochen, welche in<br />

weiterer Folge dann auch geplant <strong>und</strong> durchgeführt werden konnte. Wir haben uns für eine<br />

schlanke Organisation entschieden, da finanzielle Mittel für wissenschaftliche<br />

Veranstaltungen zunehmend schwierig zu organisieren sind. So haben wir beispielsweise auf<br />

Folder <strong>und</strong> Plakate gänzlich verzichtet <strong>und</strong> uns in der Bekanntmachung <strong>und</strong> Bewerbung<br />

ausschließlich für das Internet entschieden. Auch das Organisationsteam war mit Prim. Albert<br />

Lingg sowie Stefan Moosbrugger vom LKH Rankweil <strong>und</strong> Roland Wölfle von der <strong>Stiftung</strong> <strong>Maria</strong><br />

<strong>Ebene</strong> recht klein. Am Anfang stand auch noch Peter Rüscher vom Projektmanagement der<br />

<strong>Stiftung</strong> zur Verfügung, ist aber wegen eines Wohnortswechsels während der<br />

Vorbereitungsphase ausgeschieden. Hilfreich <strong>und</strong> engagiert waren auch Elisabeth Kohl, die<br />

Sekretariatsagenden übernommen hat, weiters Suzana Enz, die sich mit der Kontoführung<br />

befasst hat, natürlich auch eine Reihe von Personen des LKH, die vor Ort viel geleistet haben.<br />

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Die fünf Länder Deutschland, Schweiz, Liechtenstein, Italien <strong>und</strong> Österreich sollten ebenso<br />

vertreten sein wie bestimmte spezielle Themen sowie Einrichtungen des Landes. So wurde<br />

rasch klar, dass die Gefahr groß war, zu viel hineinpacken zu wollen. Mit anderen Worten heißt<br />

dies, wir mussten auf einige Ideen verzichten, glauben aber, einen guten Kompromiss<br />

gef<strong>und</strong>en zu haben.<br />

Nach der Begrüßung durch den Hausherrn Prim. Dr. Albert Lingg wurde die Tagung<br />

hochrangig durch die Vizepräsidentin des Vorarlberger Landtags, Frau Dr. Gabriele<br />

Nussbaumer, eröffnet. Sie betonte, dass klar sei, dass Betroffene mit Doppeldiagnosen eine<br />

besondere <strong>und</strong> eine intensive Betreuung benötigen würden, <strong>und</strong> es sei wichtig, in diese<br />

Richtung aktiv zu bleiben. Anschließend übernahm OA Dr. Roland Wölfle vom KH <strong>Maria</strong> <strong>Ebene</strong><br />

die Moderation <strong>und</strong> die in vielerlei Hinsicht grenzüberschreitende Reise begann in München,<br />

bei Frau Dr. Sybille Hornung-Knobel, die die Vorsitzende der schon erwähnten<br />

Fachgesellschaft ist. Sie leitet eine Doppeldiagnosestation in der Isar-Amper-Klinik <strong>und</strong> hat<br />

den Teilnehmerinnen <strong>und</strong> Teilnehmern sowohl die spezifische Problematik der betroffenen<br />

Klientel erörtert, als sie auch das Konzept ihrer Einrichtung präsentierte. Die Reise ging dann<br />

nach Lichtenstein, wo Frau Dr. Barbara Rehberger erläuterte, wie im Fürstentum<br />

Liechtenstein sozialpsychiatrisch gearbeitet wird. Sie ist die Leiterin des therapeutischen<br />

Bereichs des Amtes für soziale Dienste, gemeinsam mit zwei Psychologinnen, <strong>und</strong> bündelt<br />

eine Reihe von Aufgaben, die auch mit der Sozialhilfe verknüpft sind. So gibt es in<br />

Liechtenstein ein einzigartiges Modell, wonach die Auszahlung der Sozialhilfe mit<br />

Arztbesuchen verknüpft ist, wodurch es möglich ist, eine hohe Affinität zum Behandlersystem<br />

zu schaffen, was gerade bei Menschen mit Doppeldiagnosen sehr wichtig ist. Frau Dr. Lora<br />

Vidic, früher selbst in Liechtenstein tätig, berichtete dann von einer Tagklinik in der<br />

Ostschweiz, <strong>und</strong> zwar in Werdenberg-Sarganserland. Dabei handelt es sich um eine große <strong>und</strong><br />

eindrucksvolle Einrichtung, die in der sozialpsychiatrischen Versorgung der Region eine<br />

besondere Rolle spielt. Dann konnten wir in Italien Station machen, konkret in Bozen, <strong>und</strong><br />

erfuhren von Dr. Alberto Degiorgis <strong>und</strong> Dr. Walter Tomsu, welche Konzepte in Südtirol dzt.<br />

verfolgt werden. Die Situation in Italien unterscheidet sich nach den Psychiatriereformen von<br />

Franco Basaglia maßgeblich von den anderen Ländern, da der stationäre Bereich in den 80er-<br />

Jahren fast vollständig aufgelöst wurde <strong>und</strong> eine sozialpsychiatrische Territorialisierung<br />

erfolgte. Dies führte auch dazu, dass Vieles anderen Fachrichtungen überantwortet wurde,<br />

Alkoholentzüge werden z.B. ausschließlich an somatischen Krankenhäusern durchgeführt <strong>und</strong><br />

nicht an Psychiatrien, wie dies etwa in Österreich der Fall ist. Für stationäre Heroinentzüge<br />

stehen überhaupt keine Einrichtungen zur Verfügung. Stattdessen werden alle auf das<br />

Substitutionsmittel Methadon umgestellt <strong>und</strong> müssen dann ambulant in ausschleichender<br />

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Dosierung entgiftet werden, was manchmal auch sehr langwierig sein kann. Es war jedenfalls<br />

sehr wertvoll, Details über den Alltag der psychiatrischen Arbeit in dieser Region zu erfahren<br />

<strong>und</strong> für viele der Teilnehmerinnen <strong>und</strong> Teilnehmer war dies Neuland. Von Südtirol ging es<br />

nach Nordtirol, von wo nach der Pause OA Dr. Roland Winter berichtete, der an der<br />

Drogenstation B3 in Hall tätig ist. Er konnte eindrucksvoll darstellen, wie eine bis dahin im<br />

Rahmen einer Psychose behandelte Patientin viele institutionelle Unterstützungen verlor, als<br />

sie begann, zusätzlich auch Drogen zu nehmen. Das Versorgungssystem ist sehr dual<br />

organisiert, d. h., dass jemand entweder eine psychiatrische oder eine suchttherapeutische<br />

Behandlung bekommt. Wenn Betroffene aber an beiden Störungen zugleich leiden, stehen<br />

weder die Einrichtungen der einen noch die der anderen Seite zu Verfügung.<br />

Nach dieser R<strong>und</strong>ereise wurden einige fachliche Schwerpunkte fokussiert. So berichtete der<br />

Kinder- <strong>und</strong> Jugendpsychiater Dr. Wolfram Metzger einerseits von seinem früheren<br />

Arbeitsplatz, als er die Drogenstation clean.kick leitete, die an der psychiatrischen Klinik<br />

Weißenau in Ravensburg angeschlossen ist. Andererseits arbeitete er sehr differenziert<br />

heraus, welche ursächlichen <strong>und</strong> bedingenden Faktoren bei der Entwicklung von juvenilen<br />

Psychosen eine Rolle spielen <strong>und</strong> welcher Art die Verbindungen zu damit assoziierten<br />

süchtigen Störungen sein können. Der Chefarzt der <strong>Stiftung</strong> <strong>Maria</strong> <strong>Ebene</strong>, Univ.-Prof. Prim. Dr.<br />

Reinhard Haller skizzierte dann Verläufe nach, die in den Bereich der Forensik gehören. Dabei<br />

geht es um Straffälligkeiten, die häufig unter dem Einfluss von psychotischen<br />

Symptombildungen geschehen, genauso aber auch im Rahmen von Alkohol- <strong>und</strong><br />

Drogenkonsum. Wenn beide Störungen vorliegen, nimmt auch die Kriminalität zu. Reinhard<br />

Haller betonte, dass es von eminenter Wichtigkeit ist, dass betroffene Patienten unter<br />

Behandlung stehen, wobei er – wie auch andere – die Sinnhaftigkeit von einer Depot-<br />

Verabreichung betonte.<br />

Von besonderem Interesse war dann die Vorstellung des Therapiezentrums Maximilianshöhe<br />

in Bayreuth. Die Leiterin, Frau Mag. Anke Kirchhof-Knoch, stellte mit Bildern <strong>und</strong> Worten diese<br />

Einrichtung, die ausschließlich für Doppeldiagnose-Patientinnen <strong>und</strong> –Patienten zur Verfügung<br />

steht, dar. Der Autor dieses Berichts (Roland Wölfle) hatte im Oktober 2009 die Möglichkeit,<br />

die Maximilinashöhe zu besuchen, was auch ein wesentlicher Aspekt für die Einladung von<br />

Frau Kirchhof-Knoch war. Es gibt einige Besonderheiten, die darauf Rücksicht nehmen, dass<br />

bei dieser Patientengruppe ein besonderer Behandlungsbedarf vorliegt. So ist es<br />

selbstverständlich, dass mehrjährige Behandlungen möglich sind. Ein Patient ist schon seit<br />

neun Jahren in dieser Einrichtung. Dabei ist es gelungen, kostengünstig zu arbeiten, der<br />

Tagsatz beträgt € 83,-. Gleichzeitig wird eine qualifizierte, multimodale Therapie angeboten,<br />

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die – wie in anderen Einrichtungen auch – Einzel- <strong>und</strong> Gruppenarbeit beinhaltet, Ergotherapie,<br />

Sport- <strong>und</strong> medikamentöse Behandlungen. Dies bezieht auch die Substitution ein <strong>und</strong> es gibt<br />

eine enge Zusammenarbeit mit dem psychiatrischen Krankenhaus. Es wird auch dem Umstand<br />

Rechnung getragen, dass die Abstinenzforderung bei komorbiden Patientinnen <strong>und</strong> Patienten<br />

nicht in dem Maß aufrechterhalten werden kann, wie dies vielleicht in anderen Settings erolgt.<br />

Entlassungen erfolgen nur, wenn jemand dealt oder Gewalt anwendet. Eine Übertragbarkeit<br />

auf Vorarlberg besteht insofern nicht, als das Einzugsgebiet für diese Klinik in Bayern um ein<br />

Vielfaches größer ist, als dies in Vorarlberg der Fall wäre. Auch hier zeigt sich, dass es in<br />

kleinen Ländern <strong>und</strong> Regionen nicht möglich ist, spezialisierte Einheiten zu schaffen <strong>und</strong> dass<br />

deshalb andere Wege gegangen werden müssen.<br />

Am Abend gab es ein Buffet, das dankenswerterweise von der Küche des LKHR bereitgestellt<br />

wurde. Ein sehr gelungener Auftritt des Kabarettisten Markus Lindner beendete schließlich<br />

den offiziellen Teil unserer Tagung am Freitag. Er hat einige suchtbezogene Themen in sein<br />

Programm eingebaut <strong>und</strong> wir haben u. a. erfahren, dass ein Spiegeltrinker jemand ist, der sich<br />

vor den Spiegel setzt, wenn er trinkt, weil er sonst niemanden mehr hat.<br />

Am Samstag übernahm dann Prim. Dr. Albert Lingg die Moderation <strong>und</strong> konnte als erstes<br />

Univ.-Prof. Dr. Josef Marksteiner begrüßen, der noch die Leitung der Abteilung Psychiatrie I<br />

inne hat, aber im April 2011 Vorarlberg leider verlassen wird, um in der Psychiatrie in Hall eine<br />

Leitungsaufgabe zu übernehmen. Er berichtete, wie stark die Akutpsychiatrie mit der Gruppe<br />

der komorbiden Patientinnen <strong>und</strong> Patienten befasst ist, da es oft zu sehr schwierigen<br />

Aufnahmesituationen kommt, wenn die Betroffenen intoxikiert <strong>und</strong> mit akuter psychotischer<br />

Symptomatik häufig keinerlei Einsicht oder Behandlungsbereitschaft zeigen, erregt <strong>und</strong><br />

gewaltbereit sind <strong>und</strong> somit häufig sehr komplizierte Aufnahmesituationen entstehen. Dazu<br />

kommt, dass bei der geringen Compliance <strong>und</strong> Bereitschaft, Medikamente oder andere<br />

Behandlungen anzunehmen, die Rückfallsrate äußerst hoch ist <strong>und</strong> diese Gruppe zu den<br />

sogenannten heavy users der Psychiatrie gehören. Die Belastungen für die Teams sind<br />

dementsprechend sehr hoch. Daran schloss Ralph Heindl, der Stationsleiter der<br />

Rehabilitationsstation am LKHR an <strong>und</strong> berichtete über pflegerische Aspekte bei der<br />

Behandlung von Patientinnen <strong>und</strong> Patienten mit Doppeldiagnosen. Dabei wurde auch auf<br />

einige gr<strong>und</strong>sätzliche ethische Fragestellungen eingegangen. In Vertretung ihres Leiters,<br />

Thomas Vogel, präsentierte Frau Mag. Kerstin Mündle dann das inzwischen schon sehr<br />

ausgebaute <strong>und</strong> organisch gewachsene Projekt aqua mühle in Frastanz, wobei das „a“ für<br />

Arbeit <strong>und</strong> die Silbe „qua“ für Qualifizierung stehen. Es gibt dort verschiedene Bereiche <strong>und</strong><br />

verschiedene Einsatzgebiete, die auf die Möglichkeiten <strong>und</strong> Fähigkeiten von psychisch kranken<br />

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Menschen abgestimmt sind, sodass dort auch viele Betroffene mit Doppeldiagnosen betreut<br />

<strong>und</strong> gefördert werden können. Ein zweites Vorarlberger Projekt ist das „House of Roots“, das<br />

von Konrad Steurer vorgestellt wurde, einem der Geschäftsführer der<br />

Drogenberatungseinrichtung „Die Faehre“ in Dornbirn. Das Konzept wurde schon 2004<br />

entwickelt <strong>und</strong> sollte speziell Menschen mit komorbiden Störungen zur Verfügung stehen, um<br />

wieder Wurzeln schlagen zu können. Es sieht eine zentrale WG vor, an welche zwei<br />

Anschlusswohneinheiten gekoppelt sind – jeweils für zwei Personen. Ärztliche,<br />

psychotherapeutische <strong>und</strong> andere Leistungen könnten über die Beratungsstelle laufen. Das<br />

Konzept wurde schon 2004 entwickelt <strong>und</strong> könnte jederzeit umgesetzt werden, sobald die<br />

Finanzierung gesichert ist.<br />

Der zweite Teil der samstäglichen Tagung, an welchem auch die Präsidentin des Vorarlberger<br />

Landtags, Frau Dr. Bernadette Mennel, teilnahm, wurde zunächst von Thomas Neubacher,<br />

dem Sucht- <strong>und</strong> Drogenkoordinator der Vorarlberger Landesregierung <strong>und</strong> OA Dr. Roland<br />

Wölfle von der <strong>Stiftung</strong> <strong>Maria</strong> <strong>Ebene</strong> <strong>und</strong> Leiter der Therapiestation Lukasfeld bestritten, die<br />

gemeinsam drei Konzepte intensivierter ambulanter Betreuung vorstellten, die unter dem<br />

Übertitel „case management“ zusammengefasst sind. Insbesondere wurde auf drei Konzepte<br />

eingegangen, die sich nach verschiedenen Parametern unterscheiden, beispielsweise:<br />

- akut oder chronisch<br />

- aufsuchend – nachgehend oder in einer Komm-Struktur<br />

- Einzelperson oder ganzes Interventionsteam wie beispielsweise beim Assertive<br />

Community Treatment (ACT) wie es in den USA entwickelt wurde.<br />

Diese Konzepte werden vor allem im angloamerikanischen Sprachraum umgesetzt, in<br />

Deutschland oder Österreich nur in sehr geringem Maße <strong>und</strong> die Effizienz ist wenig beforscht.<br />

Derartige Projekte gibt es versuchsweise etwa in Hamburg oder in Reutlingen/Baden<br />

Württemberg oder in München. Nachzuweisen war u. a., dass die Zahl der Aufenthaltstage in<br />

der stationären Psychiatrie signifikant zurückging <strong>und</strong> dass die Patientenzufriedenheit um<br />

einiges größer war. Ob dies alles aber auch kostengünstiger ist, dafür ließ sich keine<br />

eindeutige Evidenz finden, zumindest nicht in allen dieser Projekte. Natürlich hat auch ein<br />

ambulant tätiges Team, welches über 24 St<strong>und</strong>en <strong>und</strong> sieben Tage die Woche erreichbar ist,<br />

seinen Preis. Netzwerkarbeit gilt dabei als sehr wichtig, ohne die ein wirksames<br />

Casemanagement nicht auskommt. Die Materialien wurden von Herrn Prof. Wolfgang Elgeti<br />

von der medizinischen Hochschule in Hannover zu Verfügung gestellt, der in der<br />

Psychiatriebedarfsplanung der Vorarlberger Landesregierung zur Seite steht. Aus seiner Sicht<br />

sind in Vorarlberg die Angebote für Patientinnen <strong>und</strong> Patienten mit Doppeldiagnosen<br />

unterrepräsentiert <strong>und</strong> es ist auf jeden Fall sinnvoll, für diese Patientengruppe mehr zu tun,<br />

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wobei für eine eigene stationäre Einrichtung das Land sicherlich zu klein ist. Es braucht<br />

spezifische sozialpsychiatrische Angebote, die auch einen nachgehenden Kontext haben.<br />

In der anschließenden Podiumsdiskussion, bei welcher auch Prim. Dr. Albert Lingg vom LKH<br />

Rankweil <strong>und</strong> Dr. Andreas Gruber aus Dornbirn als Vertreter der Sozialpsychiatrie (pro mente)<br />

vertreten waren, haben wir uns mit diesen Fragen teilweise sehr konfrontativ befasst. Dabei<br />

wurde auch ein aktueller Patient angesprochen, der vor Jahren mit Cannabinoidkonsum<br />

begonnen hat <strong>und</strong> zunehmend eine psychotische, negativistisch-nihilistische Symptomatik<br />

entwickelt hat, die ihn mehr <strong>und</strong> mehr von seinem Fre<strong>und</strong>eskreis <strong>und</strong> seiner Familie<br />

wegführte, bis er nach mehreren Aufenthalten im LKH über gar keine sozialen Beziehungen<br />

mehr verfügte. Er kam aktuell stationär an die Psychiatrie, weil er völlig verwahrlost bei<br />

winterlichen Temperaturen durch die Gegend irrte <strong>und</strong> Passanten begannen, sich vor ihm zu<br />

fürchten, weil er einige auffällige Verhaltensweisen an den Tag legte. Es zeigte sich dann, dass<br />

er in einer stillgelegten Stickereiruine hauste, ohne Heizung <strong>und</strong> jegliche andere Infrastruktur,<br />

umgeben von Exkrementen <strong>und</strong> verschimmelten Speiseresten. Wenn wir derartige Situationen<br />

in Vorarlberg nicht wollen, müssen wir uns gut überlegen, wie wir uns vernetzen können <strong>und</strong><br />

welche Aktivitäten gebündelt werden können, um ein derartiges soziales Desaster zu<br />

verhindern. Dazu wird es natürlich einer aktiven <strong>und</strong> nachgehenden Arbeit bedürfen <strong>und</strong> es<br />

würde sich lohnen, derartige Fälle zu untersuchen, um anhand von extremen Entwicklungen<br />

auch besser erkennen zu können, wo es Schwachstellen gibt <strong>und</strong> was für Verbesserungen<br />

denn auch möglich sind.<br />

Es ist zu hoffen, dass eine Veranstaltung wie diese viele Impulse gibt, von denen einige<br />

vielleicht sogar dazu führen, dass es zu konkreten Projekten kommt oder dass bestehende<br />

Einrichtungen ausgebaut werden oder sich zusätzlich qualifizieren, um mit dieser<br />

Patientengruppe besser umgehen zu können. So bedarf es sowohl einer psychiatrischen als<br />

auch einer suchttherapeutischen Kompetenz, um die spezifischen Bedürfnisse dieser Klientel<br />

zu verstehen <strong>und</strong> diesen dann auch nachzukommen.<br />

Eine Besonderheit dieser Tagung lag nicht nur darin, dass wir Vertreter von mehreren<br />

Ländern begrüßen konnten, sondern dass auch viele Einrichtungen unseres B<strong>und</strong>eslandes, die<br />

in diesen Bereichen tätig sind, vertreten waren. So sind sowohl Interesse als auch Bereitschaft<br />

für Kooperationen gegeben, die es im wahrsten Sinne des Wortes lebensnotwendig braucht,<br />

wenn diese Klientel qualifiziert betreut werden soll. Die Stimmung war durchaus optimistisch<br />

<strong>und</strong> jetzt wird es wichtig sein, sozusagen dranzubleiben, damit diese Ströme nicht in kürzester<br />

Zeit wieder versiegen.<br />

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Meiningen, 8.3.2011<br />

OA Dr. Roland. Wölfle<br />

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