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Die Flucht in die Virtualität – Wenn der Schein die Realität ersetzt

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<strong>Die</strong> <strong>Flucht</strong> <strong>in</strong> <strong>die</strong> <strong>Virtualität</strong> <strong>–</strong> <strong>Wenn</strong> <strong>der</strong> Sche<strong>in</strong> <strong>die</strong><br />

<strong>Realität</strong> <strong>ersetzt</strong><br />

Roland Wölfle<br />

Vortrag St. Arbogast 090914<br />

Vortrag<br />

Vortrag R. Wölfle: „<strong>Die</strong> <strong>Flucht</strong> <strong>in</strong> <strong>die</strong> <strong>Virtualität</strong> ...“ Vortrag St. Arbogast 090914<br />

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Glie<strong>der</strong>ung<br />

1. Eröffnung e<strong>in</strong>er Messe für Computerspiel<br />

2. E<strong>in</strong> Vater und se<strong>in</strong>e 2 Söhne (1)<br />

3. <strong>Virtualität</strong>, Utopie und <strong>Realität</strong><br />

4. E<strong>in</strong>e alternative Welt als Alternative<br />

5. E<strong>in</strong>e Alternative zu mir: Avatare<br />

6. Reales Geld ver<strong>die</strong>nen<br />

7. Aggressionsabbau<br />

8. Rätsel lösen<br />

9. Spielen als sportlicher Wettbewerb<br />

10. Interaktivität<br />

11. Geselligkeit, Gilden und Geme<strong>in</strong>schaften<br />

12. Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>g und Therapie im Internet<br />

13. Exodus aus <strong>der</strong> realen Welt<br />

14. Kriege, Gewalt und Amokläufe<br />

15. Abhängigkeit als umstrittenes Konzept und Therapie, wenn<br />

Störungen offensichtlich werden<br />

16. Facebook Addiction Disor<strong>der</strong><br />

17. Schluss: E<strong>in</strong> Vater und se<strong>in</strong>e 2 Söhne (2)<br />

Vortrag R. Wölfle: „<strong>Die</strong> <strong>Flucht</strong> <strong>in</strong> <strong>die</strong> <strong>Virtualität</strong> ...“ Vortrag St. Arbogast 090914<br />

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1. Eröffnung e<strong>in</strong>er Messe für Computerspiele<br />

<strong>Die</strong> Gamescom <strong>in</strong> Köln nennt sich Europas führende Messe für <strong>in</strong>teraktive<br />

Spiele und Unerhaltung. Sie f<strong>in</strong>det jedes Jahr im August im Gelände <strong>der</strong><br />

Kölnmesse statt. Heuer wurde sie von 245.000 Personen besucht Das<br />

Motto lautete: "Celebrate the Games!"<br />

458 Aussteller aus rund 31 waren dort vertreten. Zu sehen waren auch<br />

Wladimir Klitschko o<strong>der</strong> <strong>der</strong> berühnte Skater Tony Hawk, <strong>der</strong> e<strong>in</strong>er ganzen<br />

Spielserie se<strong>in</strong>en Namen gegeben hat.<br />

Geschäftsführer Olaf Wolters <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Resümee: "Wir s<strong>in</strong>d sehr<br />

stolz auf <strong>die</strong> Premiere <strong>der</strong> gamescom. Sie hat auf Anhieb alle Ziele<br />

erfüllt und ist <strong>die</strong> größte Spielemesse <strong>der</strong> Welt. Computer- und<br />

Videospiele s<strong>in</strong>d so attraktiv, dass unsere Branche trotz<br />

Wirtschaftskrise alle Rekorde bricht."<br />

Andreas Krautscheid, M<strong>in</strong>ister für Bundesangelegenheiten, Europa und<br />

Me<strong>die</strong>n des Landes Nordrhe<strong>in</strong>-Westfalen:<br />

• "Computer- und Videospiele s<strong>in</strong>d das Medium <strong>der</strong> Gegenwart. <strong>Die</strong><br />

positive Entwicklung <strong>der</strong> Branche hat sich <strong>in</strong> Deutschland als e<strong>in</strong><br />

Wachstums- und Innovationstreiber nicht nur für <strong>die</strong> heimische<br />

Games-Industrie selbst, son<strong>der</strong>n auch für an<strong>der</strong>e Me<strong>die</strong>nbranchen<br />

erwiesen.<br />

• Schattenseiten wie Spielesucht und für Jugendliche ungeeignete<br />

Gewalt<strong>in</strong>halte s<strong>in</strong>d aber allzu oft das bestimmende<br />

Diskussionsthema.<br />

• Was wir brauchen, ist e<strong>in</strong>e differenzierte öffentliche Debatte. <strong>Die</strong><br />

tragischen Ereignisse von W<strong>in</strong>nenden haben deutlich gezeigt, dass<br />

es <strong>in</strong> den Reihen <strong>der</strong> deutschen Politiker e<strong>in</strong>e große Verunsicherung<br />

<strong>in</strong> Bezug auf Games gibt. Aus Unsicherheit heraus wird dabei allzu<br />

oft mit e<strong>in</strong>em bl<strong>in</strong>den Beißreflex reagiert und das Verbot von<br />

'Killerspielen' gefor<strong>der</strong>t.<br />

• Das Problem ist, dass viele sich überschnell zu D<strong>in</strong>gen äußerten, von<br />

denen sie selbst gar ke<strong>in</strong>e Ahnung hätten. "Wer e<strong>in</strong>e s<strong>in</strong>nvolle<br />

Jugendpolitik betreiben will, sollte sich nicht nur theoretisch mit<br />

Games ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzen, son<strong>der</strong>n sich auch praktisch mit <strong>die</strong>sen<br />

beschäftigen"<br />

Thomas Krüger, Präsident <strong>der</strong> Bundeszentrale für politische Bildung (bpb):<br />

Vortrag R. Wölfle: „<strong>Die</strong> <strong>Flucht</strong> <strong>in</strong> <strong>die</strong> <strong>Virtualität</strong> ...“ Vortrag St. Arbogast 090914<br />

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"<strong>Die</strong> politische Bildung hat ke<strong>in</strong>erlei Berührungsängste <strong>in</strong> Bezug auf<br />

Games. <strong>Die</strong> Politik muss sich aber dessen bewusst werden, dass mit ihrer<br />

zunehmenden Bedeutung auch e<strong>in</strong> grundlegen<strong>der</strong> kultureller Wandel<br />

e<strong>in</strong>hergeht. E<strong>in</strong>e Ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzung über Wertefragen und e<strong>in</strong><br />

Generationskonflikt s<strong>in</strong>d <strong>die</strong> zu beobachtende direkte Konsequenz<br />

<strong>die</strong>ser Entwicklung"<br />

Dass <strong>die</strong>ses Thema helle und dunkle Seiten hat, unterscheidet es nicht<br />

von an<strong>der</strong>en.<br />

<strong>Die</strong>s Spaltung kommt auch gut <strong>in</strong> verschiedenen Buchtiteln zum Ausdruck,<br />

von „Digitale Para<strong>die</strong>se“ bis zu „Nur e<strong>in</strong> Mausklick bis zum Grauen“.<br />

2. E<strong>in</strong> Vater und se<strong>in</strong>e beiden Söhne, 15 und 21 Jahre alt<br />

Wer als Vater e<strong>in</strong>e liberale E<strong>in</strong>stellung gegenüber se<strong>in</strong>en Söhnen hat,<br />

wenn sie viel Zeit für Computerspiele aufwenden, bekommt wenig<br />

Anerkennung, auch wenn <strong>die</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong> dar<strong>in</strong> erfolgreich s<strong>in</strong>d. Würden sie<br />

Bergsteigen o<strong>der</strong> <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Theatergruppe se<strong>in</strong>, wäre es wahrsche<strong>in</strong>lich<br />

an<strong>der</strong>s. E<strong>in</strong> bisschen Anerkennung könnte es vielleicht von den Söhnen<br />

selbst geben. Um <strong>die</strong> Probe aufs Exempel zu machen, habe ich<br />

beschlossen, <strong>die</strong> beiden zu fragen, vor 10 Tagen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Nacht von<br />

Freitag auf Samstag um 0.16 Uhr.<br />

Ich g<strong>in</strong>g zunächst zu me<strong>in</strong>em älteren Sohn, klopfte undkonnte dann<br />

e<strong>in</strong>treten. Er spielte zu <strong>die</strong>sem Zeitpunkt nicht, son<strong>der</strong>n las <strong>in</strong> den Cheats<br />

zu F<strong>in</strong>al Fantasy 7, welches ohne <strong>die</strong>sen sogenannten Walkthrough<br />

angeblich nicht zu spielen sei. Ich fragte ihn, wie er me<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>stellung<br />

gegenüber <strong>der</strong> Art und Weise, wie er spiele, bewerte. Er war über <strong>die</strong><br />

Frage überrascht und zögerte e<strong>in</strong>ige Zeit. Ich wie<strong>der</strong>holte <strong>die</strong> Frage. Er<br />

me<strong>in</strong>te dann lapidar „Okay“ und wandte sich wie<strong>der</strong> se<strong>in</strong>en Cheats zu. Das<br />

reichte mir noch nicht. Warum es denn okay sei? „Ja“, antwortete er<br />

zögernd und irritiert, „was soll ich dazu sagen?“ Das würde ich ja eben<br />

gerne wissen. „Dass ich fast alle Spiele spielen kann <strong>–</strong> du weißt schon was<br />

ich me<strong>in</strong>e.“ Natürlich weiß ich das. Es gibt E<strong>in</strong>schränkungen, e<strong>in</strong>e davon<br />

besteht dar<strong>in</strong>, dass es e<strong>in</strong>e Regel gibt, auf <strong>die</strong> ich großen Wert lege, ich<br />

akzeptiere ke<strong>in</strong>e Spiele <strong>in</strong> unserem Haushalt, <strong>die</strong> <strong>die</strong> Grenze <strong>der</strong><br />

Zulassung ab 16 Jahre überschreiten würden. <strong>Die</strong>s trifft im Übrigen für<br />

extrem grausige Spiele zu, für an<strong>der</strong>e Spiele wie z. B. „Counter-Strike“<br />

nicht.<br />

Ich möchte später von ihm e<strong>in</strong>e Schulnote. Ich bekomme e<strong>in</strong>e 2<br />

Warum?<br />

Ich möchte e<strong>in</strong>en Ego-Shooter.<br />

Du möchtest echt Counterstrike spielen?<br />

Vortrag R. Wölfle: „<strong>Die</strong> <strong>Flucht</strong> <strong>in</strong> <strong>die</strong> <strong>Virtualität</strong> ...“ Vortrag St. Arbogast 090914<br />

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Ne<strong>in</strong>, eher Halo.<br />

Warum?<br />

Das ist Science Fiction. Da schießt man auf Aliens und Kamproboter.<br />

<strong>Die</strong>ses Spiel wird übrigens von LiL Poison bevorzugt, e<strong>in</strong> zwischenzeitlich<br />

9-jähriger Junge aus NY und <strong>der</strong> jüngste professionelle Gamer <strong>der</strong> Welt.<br />

Auf e<strong>in</strong>em Youtube Video ist er <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Fernseh<strong>in</strong>terview zu sehen, wie<br />

er als 7-jähriger <strong>in</strong> Las Vegas mit dem Egoshooter Halo 3 gerade 4. Von<br />

3000 Spielern ist.<br />

Ich schaue mir dann auf Youtube Szenen von Halo 3 an. In Halo 3 habe<br />

ich e<strong>in</strong>e Sniper rifle, mit <strong>der</strong> ich Laserpunkte auf <strong>die</strong> Gegner projizieren<br />

kann. Immern<strong>in</strong>: <strong>Die</strong> Gegner haben martialische Anzüge und Helme an. Es<br />

spritzt ke<strong>in</strong> Blut. Von Counter Strike weiß ich, dass macn sich e<strong>in</strong>en<br />

Blutpatch für <strong>die</strong>sen Effekt downloaden kann, damit <strong>die</strong>ser Effekt. In<br />

beiden Spielen können Gegener übers Internet gegene<strong>in</strong>an<strong>der</strong> antreten, <strong>in</strong><br />

Counterstrike zu 4.<br />

Im Video stehen sich soeben 2 Gruppen mit riesigen Blastern gegenüber,<br />

<strong>in</strong> e<strong>in</strong>er hügeligen Landschaften, mit e<strong>in</strong>em Fluss, e<strong>in</strong>em See,<br />

Nadelbäumen, Felsen, Gras. Sie sprechen mite<strong>in</strong>an<strong>der</strong>. Im H<strong>in</strong>tergrund<br />

symphonische Musik, großes Orchester, Klavier, e<strong>in</strong> Frauenchor. Es kl<strong>in</strong>g<br />

sentimental, schwer und dramatisch. E<strong>in</strong>er <strong>der</strong> Spieler sagt: Sometimes I<br />

won<strong>der</strong>, why I am do<strong>in</strong>g this.<br />

http://www.youtube.com/watch?v=kKRNs2CJA3M&feature=PlayList&p=B<br />

A4F658F9B05CE2A&<strong>in</strong>dex=1&playnext=2&playnext_from=PL<br />

Ich g<strong>in</strong>g dann zu me<strong>in</strong>em jüngeren, 15-jährigen Sohn, klopfte wie<strong>der</strong>um<br />

an und traf ihn auf dem Rücken im Bett liegend vor, <strong>die</strong> Arme unter dem<br />

Kopf gekreuzt und <strong>in</strong> <strong>die</strong> Betrachtung e<strong>in</strong>es Tennisspiels im Fernsehen<br />

vertieft. Er war am Abend noch mit Freunden <strong>in</strong> Bregenz unterwegs<br />

gewesen, me<strong>in</strong>e Frau hatte ihn um 23.10 Uhr beim Milchpilz abgeholt. Ich<br />

stellte wie<strong>der</strong> me<strong>in</strong>e Frage: „Wie bewertest du me<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>stellung<br />

gegenüber de<strong>in</strong>em Computerspiel?“ Er beantwortete <strong>die</strong> Frage relativ<br />

rasch mit „Locker“. „Inwiefern locker?“ „Du lässt mich selbst bestimmen,<br />

was und wie viel ich spielen will und was ich für richtig halte. Du<br />

<strong>in</strong>teressierst dich auch e<strong>in</strong> bisschen dafür, was wir spielen und wir können<br />

uns mit dir darüber unterhalten.“<br />

Er hat e<strong>in</strong> soziales Leben, um das ich ihn fast beneide, wenn ich es mit<br />

dem vergleiche, das ich mit 15 Jahren hatte. Dass er regelmäßig von<br />

ganzen Gruppen Mädchen besucht wird, um zu Hause zu chillen o<strong>der</strong> sie<br />

ihn abholen, um <strong>in</strong> <strong>die</strong> Blaue Sau o<strong>der</strong> ans Vik<strong>in</strong>g nach Bregenz gehen,<br />

mit Ed Hardy T-Shirt und Gel <strong>in</strong> den Haaren, muss etwas mit<br />

Selbstbewusstse<strong>in</strong>, Souveränität sowie mit emotionaler und<br />

Vortrag R. Wölfle: „<strong>Die</strong> <strong>Flucht</strong> <strong>in</strong> <strong>die</strong> <strong>Virtualität</strong> ...“ Vortrag St. Arbogast 090914<br />

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kommunikativer Kompetenz zu tun haben, wie es mir <strong>in</strong> <strong>die</strong>sem Alter<br />

weitgehend gefehlt hat. Er hat se<strong>in</strong> iPhone ständig <strong>in</strong> Betrieb, ist im<br />

Facebook vernetzt, spielt mit mehreren Level-80-Charkteren WoW,<br />

geme<strong>in</strong>sam mit 250 Mio an<strong>der</strong>en, also 25x mehr als WoW spielen, ist<br />

ständig onl<strong>in</strong>e, lädt sich Musik aufs Handy, schaut Sport im Fernsehen,<br />

macht daneben Hausaufgaben, ist aber auch <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em TT-Vere<strong>in</strong>, spielt<br />

Klavier <strong>in</strong> <strong>der</strong> Musikschule und s<strong>in</strong>gt unter <strong>der</strong> Dusche.<br />

3. <strong>Virtualität</strong>, Utopie und <strong>Realität</strong><br />

<strong>Virtualität</strong> <strong>–</strong> Me<strong>in</strong>e ersten Assoziationen dazu haben mich <strong>in</strong> me<strong>in</strong>e<br />

Gymnasialzeit zurück v<strong>ersetzt</strong>, zunächst <strong>in</strong> den Late<strong>in</strong>unterricht:<br />

6 Fem<strong>in</strong><strong>in</strong>a s<strong>in</strong>d auf <strong>–</strong>us: senectus, salus servitus, iuventus, palus virtus.<br />

Mir gefällt <strong>der</strong> Umstand, dass e<strong>in</strong> Wort, das neben Tugend und Mut auch<br />

und vor allem mit dem Anteil des „vir“, also Mann, weiblichen Geschlechts<br />

ist. Der Mann als Frau <strong>–</strong> unmöglich? In <strong>der</strong> digitalen Welt und <strong>der</strong><br />

Möglichkeit, <strong>die</strong> verschiedensten Identitäten anzunehmen, <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em<br />

synthetischen Universum, das alle Grenzen und Wi<strong>der</strong>sprüche aufheben<br />

kann, ist das e<strong>in</strong>e Selbstverständlichkeit. In allem Futurismus verbirgt sich<br />

natürlich auch se<strong>in</strong> Gegenteil, <strong>die</strong> frühe Androgynie, <strong>die</strong><br />

Vielgeschlechtlichkeit als Disposition vor <strong>der</strong> Differenzierung und Reifung.<br />

Virtuelle Welten: ist nichts fix, ist alles möglich? Ne<strong>in</strong>, natürlich nicht. <strong>Die</strong><br />

Geschlechtsdifferenzierung eröffnet nur 2 Möglichkeiten, männlich o<strong>der</strong><br />

weiblich. Auch bei den virtuellen Welten ist es so. Es ist nichts möglich,<br />

was nicht im Programm, <strong>in</strong> <strong>der</strong> Software schon so vorgesehen ist. Den<br />

realen wie den virtuellen Welten wurden von ihren Schöpfern Grenzen<br />

vorgegeben.<br />

Als zweites ist mir <strong>der</strong> Physikunterricht e<strong>in</strong>gefallen. Vor me<strong>in</strong>em <strong>in</strong>neren<br />

Auge s<strong>in</strong>d Bil<strong>der</strong> erschienen, von Bleistiftskizzen auf kariertem Papier, von<br />

fächerartig ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>strebenden L<strong>in</strong>ien, also Lichtsrahlen, <strong>die</strong> auf e<strong>in</strong> C<br />

getroffen s<strong>in</strong>d, also e<strong>in</strong>en konvexen Spiegel, schließlich parallel wurden<br />

und dann e<strong>in</strong>en Pfeil darstellten, e<strong>in</strong> virtuelles Bild. Den Pfeil, den ich mit<br />

violettem Filzstift nachgezogen hatte, gab es nämlich gar nicht.<br />

Als ich darüber nachgedacht habe, wurde mir deutlich, dass es sich nicht<br />

so e<strong>in</strong>fach und dualistisch verhält. Den fetten, violetten Pfeil, den ich so<br />

deutlich gesehen habe, soll es gar nicht geben? <strong>Die</strong> Bil<strong>der</strong>, <strong>die</strong> e<strong>in</strong><br />

Computerspieler sieht, s<strong>in</strong>d doch auch real. Sie s<strong>in</strong>d e<strong>in</strong> Produkt e<strong>in</strong>es<br />

Computerprogramms, es s<strong>in</strong>d Pixel, <strong>die</strong> sich auf e<strong>in</strong>er Fläche im Monitor<br />

bef<strong>in</strong>den, <strong>die</strong> ich sehen kann und somit s<strong>in</strong>d sie doch real.<br />

Vortrag R. Wölfle: „<strong>Die</strong> <strong>Flucht</strong> <strong>in</strong> <strong>die</strong> <strong>Virtualität</strong> ...“ Vortrag St. Arbogast 090914<br />

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So glaube ich, dass virtuelle Welten ke<strong>in</strong>e Sche<strong>in</strong>welten s<strong>in</strong>d. O<strong>der</strong><br />

irgendwie doch. Es ist etwas da, das wahrgenommen werden kann, ich<br />

kann es be<strong>die</strong>nen, och kann etwas damit tun. Das geht bei re<strong>in</strong>en<br />

Fantasieobjekten, also bei Ersche<strong>in</strong>ungen nicht. Vielleicht würde eher<br />

zutreffen, dass das alles nicht sie ist, wie es sche<strong>in</strong>t. Aber das ist jedem<br />

Computerspieler klar. Er weiß, dass er spielt und <strong>die</strong> meisten wissen, dass<br />

sie jetzt am Computer sitzen und dass es <strong>die</strong> Tetriswürfel, <strong>die</strong> vom<br />

Himmel fallen, nicht wirklich gibt.<br />

In e<strong>in</strong>er Literaturstelle habe ich zu <strong>die</strong>sem Gedanken weitere<br />

Ausführungen gefunden, und zwar im Buch „Exodus to the Virtual World“<br />

von Eward Castranova, Professor am und Direktor des Institute for<br />

Graduate Stu<strong>die</strong>s <strong>in</strong> Telecommunications <strong>der</strong> Universität von Indiana,<br />

e<strong>in</strong>em Buch, das mich sehr fasz<strong>in</strong>iert hat und das e<strong>in</strong> roter Faden für<br />

<strong>die</strong>sen Vortrag geworden ist. Er verweist darauf, dass unser Gehirn mit<br />

se<strong>in</strong>en alten und archaischen Anteilen es nach 150 Jahren Geschichte von<br />

Film und mo<strong>der</strong>nen Me<strong>die</strong>n noch nicht geschafft hat, Vorstellung und<br />

<strong>Realität</strong> so ganz e<strong>in</strong>deutig vone<strong>in</strong>an<strong>der</strong> zu trennen, zumal ja auch <strong>die</strong> so<br />

genannte <strong>Realität</strong> nur e<strong>in</strong>e Vorstellung ist, wie es uns ja schon Plato <strong>in</strong><br />

se<strong>in</strong>em Höhlengleichnis von Menschen, <strong>die</strong> <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Höhle aufgewachsen<br />

s<strong>in</strong>d und nur Schatten sehen können, schon sehr e<strong>in</strong>drucksvoll erklärt hat.<br />

Unser Gehirn hat jedenfalls Schwierigkeiten, e<strong>in</strong>en Filmhai und e<strong>in</strong>en<br />

realen Hai vone<strong>in</strong>an<strong>der</strong> zu unterscheiden. Dazu braucht es auf jedenfalls<br />

e<strong>in</strong>e aktive Schaltung zu unseren jüngeren Gehirnteilen, zum Neocortex,<br />

<strong>der</strong> grauen Substanz und <strong>der</strong> kognitiven Korrektur: „Reg dich nicht auf,<br />

das ist nur e<strong>in</strong> Film, <strong>der</strong> Hai ist nicht echt und das Mädchen das gerade<br />

noch so fröhlich und entspannt im Meer pritschelt, wird nicht wirklich<br />

gefressen.“ Bei mir ist <strong>die</strong>se Verb<strong>in</strong>dung nur rudimentär ausgeprägt, ich<br />

habe mich mit 16 o<strong>der</strong> 17 Jahren sehr geschreckt, als ich im K<strong>in</strong>o den<br />

„Weißen Hai“ gesehen habe, e<strong>in</strong>es <strong>der</strong> traumatisierendsten Ereignisse<br />

me<strong>in</strong>es Lebens, das mir jetzt noch zu schaffen macht, weil ich nicht mehr<br />

gerne im offenen Wasser schwimme, was mir zuvor großen Spaß gemacht<br />

hat <strong>–</strong> nicht e<strong>in</strong>mal im Bodensee o<strong>der</strong> im Alten Rhe<strong>in</strong>, wo es nach me<strong>in</strong>em<br />

Wissen bis dato noch ke<strong>in</strong>e Sichtungen von Haien gegeben hat.<br />

Menschen mit Phobien werden mich verstehen. Auch bei ihnen gibt es<br />

problematische Verschaltungen, sodass e<strong>in</strong> Betroffener o<strong>der</strong> e<strong>in</strong>e<br />

Betroffene mit e<strong>in</strong>er Sp<strong>in</strong>nenphobie schon ausrasten und e<strong>in</strong>e<br />

Panikattacke erleiden kann, wenn er o<strong>der</strong> sie nur e<strong>in</strong> Bild von e<strong>in</strong>er Sp<strong>in</strong>ne<br />

sieht.<br />

So vermischen sich auch bei <strong>der</strong> Betrachtung von Videospielwelten <strong>die</strong><br />

Ebenen, da wir alle über Jahrmillionen darauf konditioniert waren, dass es<br />

alles, was wir sehen, auch wirklich gibt.<br />

Vortrag R. Wölfle: „<strong>Die</strong> <strong>Flucht</strong> <strong>in</strong> <strong>die</strong> <strong>Virtualität</strong> ...“ Vortrag St. Arbogast 090914<br />

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Das macht mit Sicherheit e<strong>in</strong>en wesentlichen Teil <strong>der</strong> Spannung und<br />

Fasz<strong>in</strong>ation <strong>die</strong>ses Mediums aus. Wir tauchen <strong>in</strong> etwas e<strong>in</strong> und s<strong>in</strong>d <strong>in</strong><br />

e<strong>in</strong>em an<strong>der</strong>en Raum-Zeit-Kont<strong>in</strong>uum, <strong>in</strong> welchem <strong>die</strong> bisher gültigen<br />

Gesetze außer Kraft getreten s<strong>in</strong>d.<br />

<strong>Die</strong>s ist erfreulicherweise aber auch dann <strong>der</strong> Fall, wenn uns das, was wir<br />

sehen, auch gefällt und wenn zum Beispiel erotische Filme dazu <strong>die</strong>nen,<br />

sich <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e sexuelle Szene h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>zuleben und den Erregungslevel zu<br />

steigern. In <strong>die</strong>sen Fällen können wir den Kanal zum Großhirn, wo nicht<br />

nur <strong>die</strong> Vernunft, son<strong>der</strong>n auch <strong>die</strong> Moral und an<strong>der</strong>e Komponenten des<br />

Überich zu Hause s<strong>in</strong>d, sehr erfolgreich verschließen und uns dann<br />

unseren Fantasien und Träumen nach Belieben h<strong>in</strong>geben. Wen wir es denn<br />

auch wirklich können und wollen.<br />

<strong>Die</strong> materielle Wirklichkeit und <strong>die</strong> computerisierte virtuelle <strong>Realität</strong><br />

existieren heute schon nebene<strong>in</strong>an<strong>der</strong>. Täglich werden Millionen Stunden<br />

von menschlicher Lebenszeit <strong>in</strong> <strong>der</strong> virtuellen <strong>Realität</strong> verbracht, <strong>in</strong><br />

digitalen Kaufhäusern, <strong>in</strong> Weltraumabenteuern o<strong>der</strong> beim Dirigieren<br />

herabfallen<strong>der</strong> Würfel. Es ist absehbar, dass sich <strong>in</strong> den nächsten Jahren<br />

das Verhältnis stark zu Gunsten <strong>der</strong> virtuellen <strong>Realität</strong> verschiebt.<br />

Je größer <strong>die</strong> Kluft zwischen <strong>der</strong> Attraktivität <strong>der</strong> Alltagsrealität und <strong>der</strong><br />

virtuellen Welten wird, umso mehr Menschen werden <strong>in</strong> <strong>die</strong> künstlichen<br />

Welten abtauchen. Wie geht e<strong>in</strong>e Gesellschaft damit um?<br />

Castranova schreibt s<strong>in</strong>ngemäß: Für jeden glücklichen und erfüllten<br />

Menschen gibt es an<strong>der</strong>e, <strong>die</strong> gelangweilt s<strong>in</strong>d, frustriert, nicht<br />

wertgeschätzt, geschlagen und unglücklich. Er dehnt <strong>die</strong><br />

Selbstmedikationshypothese, e<strong>in</strong>es <strong>der</strong> Erklärungsmodelle von Sucht, <strong>in</strong><br />

<strong>die</strong> virtuelle Welt aus: „There´s quite a lot of self-medication go<strong>in</strong>g on.“<br />

(S. XVI).<br />

Wie ich übere<strong>in</strong>stimmend <strong>der</strong> Literatur entnehmen kann, habe ich damit<br />

genau das Richtige gemacht. Eltern können <strong>der</strong> Entfremdung von ihren<br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong>n nur entgehen, wenn sie sich ehrlich <strong>in</strong>teressieren, vielleicht auch<br />

das e<strong>in</strong>e o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>e mitspielen, sich etwas erzählen lassen und zu<br />

versuchen, <strong>die</strong> Fasz<strong>in</strong>ation auf sich wirken zu lassen. Außerdem s<strong>in</strong>d<br />

Grenzen mit Augenmaß s<strong>in</strong>nvoll, <strong>die</strong> im S<strong>in</strong>ne von Rudolf Dreikurs<br />

ausgehandelt und konsensuell-demokratisch festgelegt werden müssen.<br />

Sich zu <strong>in</strong>formieren, mit den K<strong>in</strong><strong>der</strong>n auf Augenhöhe zu sprechen, sich mit<br />

den Me<strong>die</strong>n befassen, sich etwas erklären lassen, vielleicht sogar das e<strong>in</strong>e<br />

o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>e mit spielen. Information, Austausch und verb<strong>in</strong>dendverb<strong>in</strong>dliche<br />

Regeln sche<strong>in</strong>en mit <strong>der</strong> Schlüssel zu e<strong>in</strong>em konstruktiven<br />

Umgang mit mo<strong>der</strong>nen Me<strong>die</strong>n zu se<strong>in</strong>.<br />

Vortrag R. Wölfle: „<strong>Die</strong> <strong>Flucht</strong> <strong>in</strong> <strong>die</strong> <strong>Virtualität</strong> ...“ Vortrag St. Arbogast 090914<br />

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Unreflektierter Aktionismus kann fatale folgen haben. Wir er<strong>in</strong>nern uns<br />

noch mit Schrecken, wie e<strong>in</strong> WoW-spielen<strong>der</strong> Jugendlicher und Sohn e<strong>in</strong>er<br />

Klient<strong>in</strong> e<strong>in</strong>er unserer Beratungsstellen e<strong>in</strong>en ernsthaften Suizidversuch<br />

durch den Sprung aus e<strong>in</strong>em Fenster begangen hat. <strong>Die</strong> Mutter hatte auf<br />

e<strong>in</strong>e Empfehlung e<strong>in</strong>fach den Stromstecker des Computers<br />

herausgezogen. So etwas könnte nicht passieren, wenn Therapeuten<br />

wissen, was für Folgen das haben kann, wenn e<strong>in</strong> Spieler gerade <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em<br />

Raid mit se<strong>in</strong>er Gilde unterwegs war und dr<strong>in</strong>gend gebraucht wurde, weil<br />

er vielleicht <strong>der</strong> e<strong>in</strong>zige Priester war und <strong>die</strong> Quest nicht erledigt werden<br />

konnte, weil er dem Team gefehlt hat. <strong>Wenn</strong> so etwas öfter geschieht,<br />

kann er aus <strong>der</strong> Gilde ausgeschlossen werden und das könnte für ihn den<br />

sozialen Tod <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er virtuellen Welt bedeuten, <strong>die</strong> ihm offensichtlich<br />

wichtiger ist als <strong>die</strong> so genannte <strong>Realität</strong>. Der Berater und <strong>die</strong> Mutter<br />

kämen wahrsche<strong>in</strong>lich auch nicht auf <strong>die</strong> Idee, den Sohn, wäre er <strong>der</strong><br />

Tormann bei e<strong>in</strong>er Fußballmannschaft, 10 M<strong>in</strong>uten vor Schluss des<br />

Matches mit Gewalt <strong>in</strong>s Auto zu schleifen und nach Hause zu br<strong>in</strong>gen, weil<br />

es Zeit ist, <strong>in</strong>s Bett zu gehen.<br />

Gott sei Dank ist es gut gegangen, <strong>der</strong> Junge kam mit Verletzungen und<br />

e<strong>in</strong>em Psychiatrieaufenthalt davon.<br />

Ob es <strong>in</strong> ähnlichen Situationen schon Suizide gegeben hat, weiß ich nicht.<br />

<strong>Wenn</strong> es <strong>in</strong> Europa nur e<strong>in</strong>er wäre, würde das heißen, dass <strong>die</strong> Therapie<br />

gefährlicher ist als <strong>die</strong> Störung, da <strong>in</strong> Europa gemäß <strong>der</strong> mir vorliegenden<br />

Literatur noch ke<strong>in</strong> Fall bekannt ist, <strong>der</strong> durch Computerspiel ums leben<br />

gekommen wäre. In Asien s<strong>in</strong>d es offensichtlich 4, <strong>die</strong> an Unterernährung<br />

und Erschöpfung verstorben s<strong>in</strong>d.<br />

Dem steht e<strong>in</strong> toter 15-jähriger gegenüber, <strong>der</strong> <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Ch<strong>in</strong>esischen<br />

Behandlungszentrum zu Tode geprügelt wurde. In <strong>die</strong>sen E<strong>in</strong>richtungen<br />

zur Behandlung von Internetsucht werden auch Elektroschocks und<br />

Infusionstherapien verabreicht, über <strong>der</strong>en Zusammensetzung nichts<br />

bekannt ist.<br />

In den USA TODAY vom 4.8.2009 heißt es dazu:<br />

A Ch<strong>in</strong>ese teenager sent by his parents to a rehab cl<strong>in</strong>ic for Internet<br />

addicts was allegedly beaten to death by counselors, The Global Times, a<br />

Ch<strong>in</strong>ese newspaper reports.<br />

A number of employees of the Qihang Salvation Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>g Camp <strong>in</strong> Nann<strong>in</strong>g<br />

have been arrested follow<strong>in</strong>g the death of 15-year-old Deng Senshan, his<br />

father Deng Fei told the paper.<br />

The camp, which charges $1,000 a month for tra<strong>in</strong><strong>in</strong>g, had promised to<br />

put him un<strong>der</strong> 24-hour supervision, he says.<br />

Vortrag R. Wölfle: „<strong>Die</strong> <strong>Flucht</strong> <strong>in</strong> <strong>die</strong> <strong>Virtualität</strong> ...“ Vortrag St. Arbogast 090914<br />

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But <strong>in</strong>stead, Deng says, he was put <strong>in</strong> solitary conf<strong>in</strong>ement shortly after<br />

his arrival on Saturday and then beaten to death by his tra<strong>in</strong>ers who<br />

"scolded" him for runn<strong>in</strong>g too slowly.<br />

"My son was very healthy and was not a crim<strong>in</strong>al. He just had an Internet<br />

addiction when I left him at the camp," Deng Fei tells the paper. "We can't<br />

believe our only son was beaten to death."<br />

An <strong>die</strong>ser Stelle möchte ich schon das erste Mal davon warnen, ohne <strong>die</strong><br />

H<strong>in</strong>tergünde zu kennen, junge Menschen auf Grund ihres Verhaltens zu<br />

pathologoisieren und zu psychisch Kranken zu machen. Je<strong>der</strong>, <strong>der</strong> sich<br />

ernsthaft mit sozialpsychiatrie beschäftigt, weiß, was für fatale folgen e<strong>in</strong>e<br />

<strong>der</strong>artige Stigmatisierung haben kann.<br />

Warum aber wollen so viele Menschen <strong>in</strong> <strong>die</strong> virtuellen Welten abtauchen?<br />

4. E<strong>in</strong>e alternative Welt als Alternative<br />

Dazu Castranova: Sehr viele Menschen sehnen sich nach e<strong>in</strong>er<br />

Verän<strong>der</strong>ung und im virtuellen Leben wird es spannen<strong>der</strong>, es gibt es mehr<br />

Belohnungen, kann je<strong>der</strong> e<strong>in</strong> Held se<strong>in</strong> und kann se<strong>in</strong> Leben mehr<br />

Bedeutung bekommen.<br />

Es ist absehbar, dass <strong>die</strong>se an<strong>der</strong>e und bessere Welt immer mehr<br />

bevölkert wird. <strong>Die</strong>se Menschen werden dann auf <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Seite<br />

fehlen, so wie es e<strong>in</strong>e Mutter <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Fernsehsendung zum Ausdruck<br />

gebracht hat: „Ich habe me<strong>in</strong>en Sohn an den Computer verloren“.<br />

Aus <strong>der</strong> Kultserie Startreck kommt <strong>die</strong> Vision e<strong>in</strong>es virtuellen Raums, <strong>die</strong><br />

dort Holodeck genannt wird. Es ist <strong>die</strong>s e<strong>in</strong> Raum, <strong>in</strong> welchem beliebige<br />

Umwelten simuliert werden können, realistische wie e<strong>in</strong>e Berglandschaft<br />

o<strong>der</strong> e<strong>in</strong>e Autorennstrecke genauso wie <strong>der</strong> Louvre o<strong>der</strong> jedes an<strong>der</strong>e<br />

Museum, natürlich auch Bilbo Beutl<strong>in</strong>s Haus <strong>in</strong> Mittelerde o<strong>der</strong> <strong>der</strong><br />

Kommandostand e<strong>in</strong>es Raumschiffs, das sich durch ferne Galaxien<br />

bewegt. Kapitän Jan Luc Picard hat zur Entspannung bekanntermaßen das<br />

Ambiente französischer We<strong>in</strong>berge bevorzugt.<br />

Heutige MMORPG, Massively Multiplayer Onl<strong>in</strong>e Roleplay<strong>in</strong>g Games<br />

Multirollenspiele wie etwa Lord of the R<strong>in</strong>gs Onl<strong>in</strong>e werden als Vorläufer<br />

<strong>der</strong>artiger Holodecks angesehen. Castranova glaubt, dass es höchstens<br />

e<strong>in</strong>e Generation dauern wird, dass Holodecks <strong>in</strong> je<strong>der</strong> Wohnung <strong>in</strong>stalliert<br />

werden können.<br />

Vortrag R. Wölfle: „<strong>Die</strong> <strong>Flucht</strong> <strong>in</strong> <strong>die</strong> <strong>Virtualität</strong> ...“ Vortrag St. Arbogast 090914<br />

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Castranova hat <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Untersuchung herausgefunden, dass 20 % <strong>der</strong><br />

Befragten angaben, <strong>die</strong> virtuelle Welt sei ihr wirkliches Zuhause. <strong>Die</strong> Erde<br />

sei nur e<strong>in</strong> Ort, den sie lediglich von Zeit zu Zeit besuchen würden.<br />

Aus e<strong>in</strong>em Forum: “Here you are Superman, you can fly! A paraplegic can<br />

walk here! This ist a good refuge to escape from RL. If you’re not go<strong>in</strong>g<br />

well <strong>in</strong> your RL, <strong>in</strong> SL you get disconnected from it. People lose their sense<br />

of danger here and abandon themselves more. SL might be functional <strong>in</strong><br />

cases of depression. But I personally see SL as a place to enjoy.”<br />

5. E<strong>in</strong>e Alternative zu mir: Avatare<br />

An <strong>die</strong>ser Stelle muss <strong>der</strong> Begriff des Avatars erörtert werden. Der Begriff<br />

stammt aus dem Sanskrit und bedeutet „Herabkunft“ o<strong>der</strong> „Abstieg“. Es<br />

geht um Inkarnationen von Göttern, meist Vishnu, auf <strong>der</strong> Erde. In<br />

Grimms Märchen begegnen uns ebenfalls Inkarnationen Gottes, etwa als<br />

alter Mann mit schlichten Klei<strong>der</strong>n, zum Beispiel im Märchen „<strong>der</strong> Arme<br />

und <strong>der</strong> Reiche“. Spieler von second Life o<strong>der</strong> World of Warcraft können<br />

wie e<strong>in</strong> Gott Wesen schaffen, so wie sie ihnen gefallen und mit <strong>die</strong>sen<br />

Wesen <strong>die</strong> Spielewelt betreten, wo sie an<strong>der</strong>en Avataren begegnen und<br />

durch mythologische Welten genauso reisen wie sie <strong>in</strong> virtuellen<br />

Supermärkten e<strong>in</strong>kaufen o<strong>der</strong> Immobilien verkaufen können, z.B. mit<br />

L<strong>in</strong>den-Dollars wie <strong>in</strong> Second Life, <strong>die</strong> sie <strong>in</strong> richtiges Geld umtauschen<br />

können. <strong>Die</strong> dortigen jährlichen Umsätze entsprechen <strong>in</strong> etwa dem<br />

Bruttonationalprodukt von Mazedonien o<strong>der</strong> Namibia.<br />

Im Falle süchtiger Entgleisungen wird von Subjekt-Sucht gesprochen,<br />

wenn es um Beziehungen geht, aber auch um e<strong>in</strong>e Selbstdarstellung, <strong>die</strong><br />

experimentell se<strong>in</strong> kann, nach Art e<strong>in</strong>es Probehandelns.<br />

<strong>Die</strong>s ist nicht nur negativ.<br />

Im „Journal of Virtual Worlds Research“ gibt es <strong>in</strong> <strong>der</strong> Ausgabe<br />

2/2009 e<strong>in</strong>en Schwerpunkt über Gesundheitserziehung über das Internet<br />

mit dem Titel „3D Virtual Worlds for Health and Healthcare<br />

In e<strong>in</strong>em Artikel wird beschreiben, dass User sich e<strong>in</strong>en Avatar nach<br />

eigenen Vorstellungen gestalten, den sie üblicherweise schlanker und<br />

fitter schaffen als sie selbst es s<strong>in</strong>d, um sich dann selbst auch schlanker<br />

und fitter zu fühlen. Laut Elisabeth Dean e<strong>in</strong>er US-Forschungsorganisation<br />

<strong>in</strong> North Carol<strong>in</strong>a neigen Internetnutzer dazu, ihre virtuellen Doppelgänger<br />

als Vorbil<strong>der</strong> zu akzeptieren und dann auch selbst abzunehmen und<br />

gesün<strong>der</strong> zu leben. Auch <strong>die</strong> Möglichkeit, <strong>in</strong> virtuellen Welten als Ärzte und<br />

Psychologen ansprechbar zu se<strong>in</strong>, wird <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Artikel beschrieben, mit<br />

dem Titel „Towards a virtual Relationship: Un<strong>der</strong>stand<strong>in</strong>g virtual Patients.“<br />

Vortrag R. Wölfle: „<strong>Die</strong> <strong>Flucht</strong> <strong>in</strong> <strong>die</strong> <strong>Virtualität</strong> ...“ Vortrag St. Arbogast 090914<br />

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7. Aggressionsabbau<br />

Am 15.8.2009 etwa werden <strong>in</strong> er Onl<strong>in</strong>eausgabe e<strong>in</strong>er österreichischen<br />

Tageszeitung<br />

„Erschieß de<strong>in</strong>en Chef: Ego Shooter zum Stressabau“. Offensichtlich „geht<br />

<strong>in</strong> den USA e<strong>in</strong>e zunehmende Zahl von Unternehmen dazu über,<br />

Multiplayer-fähige Onl<strong>in</strong>e-Games als Mittel e<strong>in</strong>zusetzen, um <strong>in</strong>ternen<br />

Kommunikationsdefiziten <strong>in</strong>nerhalb <strong>der</strong> eigenen Mitarbeiterschaft<br />

entgegenzuwirken und <strong>die</strong> allgeme<strong>in</strong>e Teamfähigkeit des Personals zu<br />

stärken.“ Auch <strong>die</strong> Chefetage würde sich an <strong>der</strong>artigen virtuellen<br />

Gefechten beteiligen und dadurch dazu beitragen, dass Berührungsängste<br />

zwischen Management und Mitarbeitern abgebaut würden. Dabei kann es<br />

sich durchaus um das berüchtigte Spiel Counter-Strike. In <strong>die</strong>sen Spielen<br />

verlieren <strong>die</strong> Firmenhierarchien an Gültigkeit, es geht dann nur noch ums<br />

<strong>in</strong>dividuelle Können. Der eigene Stresslevel könne abgebaut werden, da<br />

man sonst ja nicht sehr oft <strong>die</strong> Möglichkeit habe, den Chef zu erschießen.<br />

Das würde e<strong>in</strong>em gemäß e<strong>in</strong>em Mitarbeiter e<strong>in</strong>es Softwarekonzerns<br />

durchaus e<strong>in</strong> gutes Gefühl geben. Es steht hier mit <strong>der</strong> betriebs<strong>in</strong>ternen<br />

Lan-Party e<strong>in</strong>e Alternative zum Betriebsausflug vor <strong>der</strong> Tür und, lieber<br />

Re<strong>in</strong>hard, Du darfst natürlich zurückschießen.<br />

So schreibt Andreas Rosenfel<strong>der</strong> <strong>in</strong> „Digitale Para<strong>die</strong>se“ über Space<br />

Inva<strong>der</strong>s, e<strong>in</strong> typisches Ballerspiel o<strong>der</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> Fachsprache Shoot´em up-<br />

Spiel, <strong>in</strong>dem Ketten von grobpixeligen, optisch und <strong>in</strong> <strong>der</strong> Bewegung an<br />

<strong>die</strong> Maschen e<strong>in</strong>es klassischen K<strong>in</strong><strong>der</strong>drachens <strong>in</strong> <strong>der</strong> Luft er<strong>in</strong>nernde<br />

Monster langsam herabschweben und von e<strong>in</strong>er Kanone, <strong>die</strong> am unteren<br />

Bildrand h<strong>in</strong>- und hergeschoben werden kann, abgeschossen werden,<br />

bevor sie e<strong>in</strong>en selbst erwischen:<br />

„<strong>Wenn</strong> e<strong>in</strong> Spieler alle 16 Levels geschafft hatte, erschien zum Dank e<strong>in</strong><br />

auf den schwarzen Sternenhimmel geschriebener Text. E<strong>in</strong>e unbekannte<br />

Instanz beglückwünschte den Spieler mit feierlichen Worten dazu, den<br />

Alien-Abschaum vernichtet und den Frieden im Universum wie<strong>der</strong><br />

hergestellt zu haben. Im Universum, wohlgemerkt! Es waren e<strong>in</strong> paar<br />

dürftige Worte, aber <strong>der</strong> Spieler war stolz. E<strong>in</strong> ähnliches Glücksgefühl<br />

durchströmt e<strong>in</strong>en nur beim Zuklappen e<strong>in</strong>es durchgelesenen Buches.<br />

8. Arbeit verschafft Zufriedenheit und Rätsel lösen br<strong>in</strong>gt<br />

Erfolgserlebnisse<br />

Zu Beg<strong>in</strong>n <strong>der</strong> Rollenspiele habe ich <strong>die</strong> naive Frage gestellt, wann man<br />

denn eigentlich gewonnen hätte. Das wäre <strong>in</strong> etwa so, wie wenn ich<br />

unseren Briefträger fragen würde, wann er gewonnen hätte.<br />

Vortrag R. Wölfle: „<strong>Die</strong> <strong>Flucht</strong> <strong>in</strong> <strong>die</strong> <strong>Virtualität</strong> ...“ Vortrag St. Arbogast 090914<br />

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Es müssen nämlich viele Aufträge erledigt werden, als Briefträger <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em<br />

neuen Bezirk muss ich Briefkästen f<strong>in</strong>den, wenn ich e<strong>in</strong>e Adresse nicht<br />

identifizieren kann, muss ich jemanden fragen, ich muss <strong>die</strong> Post richtig<br />

sortiert haben, ich muss sie <strong>in</strong> <strong>die</strong> richtigen Briefkästen h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>stecken, ich<br />

muss Geld e<strong>in</strong>kassieren, e<strong>in</strong>geschriebene Sendungen unterschreiben<br />

lassen, daneben muss ich noch Rad fahren und mich gegen <strong>die</strong> Angriffe<br />

von attackierenden Hunden wehren, vielleicht sogar e<strong>in</strong>en Posträuber <strong>in</strong><br />

<strong>die</strong> <strong>Flucht</strong> schlagen. <strong>Wenn</strong> ich alles geschafft haben, mache ich auf <strong>der</strong><br />

Post <strong>die</strong> Abrechnung und - tatata <strong>–</strong> ich habe den Bezirk geschafft, sodass<br />

ich morgen e<strong>in</strong>en neuen Bezirk betreten darf, <strong>der</strong> vielleicht viel<br />

<strong>in</strong>teressanter und erlebnisreicher ist, und wenn ich es gestern gut<br />

gemacht habe, bekomme ich heute e<strong>in</strong> neues Rad und e<strong>in</strong>e elegantere<br />

Uniform, dafür muss ich aber auch <strong>in</strong> Häusern zustellen, <strong>die</strong> noch<br />

schwieriger s<strong>in</strong>d als es gestern war. Aber ich habe ja schon gelernt und<br />

Erfahrung, uns so komme ich immer weiter, von e<strong>in</strong>em Bezirk zum<br />

an<strong>der</strong>en. In <strong>der</strong> Spielesprache heißt das: hochleveln. Das ist viel Arbeit.<br />

Paro<strong>die</strong>rt wird <strong>der</strong> Arbeitseifer <strong>in</strong> <strong>der</strong> Fernsehserie Southpark, <strong>in</strong> <strong>der</strong> Folge<br />

„Make love not warcraft“, wobei sich <strong>die</strong> Figuren hochleveln, <strong>in</strong>dem sie im<br />

Elwynn forst bei den Westfällen <strong>in</strong> 7-wöchiger Fleißarbeit <strong>in</strong>sgesamt<br />

65.340.285 Eber erlegen, anstatt auf herkömmlichen Weg e<strong>in</strong>fach e<strong>in</strong><br />

paar anspruchvolle Drachen zu erlegen. So übersetzen <strong>die</strong> elektronischen<br />

Spiele <strong>die</strong> alten Heldenmythen <strong>in</strong>s Zeitalter <strong>der</strong> digitalen Arbeit und geben<br />

dabei den Arbeiten zugleich e<strong>in</strong>en längst verlorenen Zauber zurück.<br />

Rätsel, um weiter zu kommen, erfor<strong>der</strong>n kognitive Höchstleistungen. Ich<br />

zitiere nur kurz e<strong>in</strong>en Text aus Rosenfel<strong>der</strong>:<br />

Gleichzeitig ist es <strong>in</strong> vielen Spielen notwendig, Rätsel zu lösen, Objekte zu<br />

f<strong>in</strong>den und Verkettungen herzustellen. Das schönste und s<strong>in</strong>nloseste<br />

Beispiel für e<strong>in</strong>e lückenlose Verkettung f<strong>in</strong>det sich <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Piraten<strong>in</strong>sel-<br />

Adventure namens Monkey Island II: Dort muss <strong>der</strong> Spieler <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Bar<br />

e<strong>in</strong>e zuvor erworbene Banane und e<strong>in</strong> Metronom nutzen, um e<strong>in</strong>en Klavier<br />

spielenden Affen zu hypnotisieren. Den <strong>in</strong> <strong>der</strong> Bewegung erstarrten Affen<br />

kann man dann als Rohrzange e<strong>in</strong>setzen und mit dem Werkzeug e<strong>in</strong>e<br />

Pumpe zudrehen, wodurch wie<strong>der</strong>um e<strong>in</strong> ganzer Wasserfall versiegt, so<br />

dass <strong>der</strong> Zugang zu e<strong>in</strong>em System unterirdischer Katakomben frei wird.<br />

Da muss man erst e<strong>in</strong>mal draufkommen. Verblödend ist so etwas<br />

jedenfalls nicht.<br />

9. Sportlicher Wettbewerb <strong>–</strong> <strong>der</strong> Beste se<strong>in</strong><br />

Vortrag R. Wölfle: „<strong>Die</strong> <strong>Flucht</strong> <strong>in</strong> <strong>die</strong> <strong>Virtualität</strong> ...“ Vortrag St. Arbogast 090914<br />

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<strong>Die</strong>s ist typisch für shoot´em up-Spiele vom Grundtyp Space <strong>in</strong>va<strong>der</strong>s,<br />

aber auch für Reaktions- und Geschicklichkeitsspiele wie PacMan o<strong>der</strong><br />

Tetris, auch für Autorennspiele o<strong>der</strong> viele M<strong>in</strong>i- und Bürospiele.. Ähnlich ist<br />

es ja auch beim Flipper mit dem Highscore o<strong>der</strong> beim M<strong>in</strong>igolf. An<br />

unserem Uralubsort fanden wir am M<strong>in</strong>igolfplatz e<strong>in</strong>e Tafel vor, auf<br />

welcher zu sehen war, dass es heute schon e<strong>in</strong>er mit 46 Punkten geschafft<br />

hätte.<br />

Hier geht es um e<strong>in</strong>e ständige Verbesserung, um Übung und Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>g und<br />

das kann zu sehr monomanem und exzessiven Spiel führen, wie es bei<br />

Leistungssportlern ja auch üblich ist.<br />

<strong>Die</strong> Rede ist hier von Cyberathleten: professioneller Spieler, <strong>die</strong> für Geld<br />

spielen. In Korea und Japan s<strong>in</strong>d <strong>die</strong>s Popstars mit großen öffentlichen<br />

Shows o<strong>der</strong> Wettkämpfen, <strong>die</strong> im Fernsehen übertragen werden. Als <strong>der</strong><br />

jüngste professionelle Spieler gilt LIL Poison, geboren 1998, aus Long<br />

Island und late<strong>in</strong>amaerikanischer Abstammung.<br />

Er begann mit 2 Jahren zu spielen und nahm mit 4 Jahren schon an<br />

Wettkämpfen teil. Mit 9 gewann er <strong>in</strong> Las Vegas e<strong>in</strong>en Wettkampf mit<br />

3500 Teilnehmern. Auf e<strong>in</strong>em Youtube Video ist er als e<strong>in</strong> kle<strong>in</strong>er süßer<br />

Junge mit schüchternem Lächeln zu sehen, übrigens mit schwarzem T-<br />

Shirt, <strong>der</strong> mit se<strong>in</strong>em Controler e<strong>in</strong>e Egoshooter-Figur steuert und dort <strong>die</strong><br />

Welt durch e<strong>in</strong> Fadenkreuz sieht, <strong>in</strong> welchem auf monströse Objekte<br />

geschossen wird, <strong>die</strong> <strong>in</strong> Feuer und Rauch vergehen. <strong>Die</strong> Liebl<strong>in</strong>gsspiele<br />

s<strong>in</strong>d laut Vater <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Interview Halo 1-3. Der Vater managt den<br />

Jungen.<br />

In den USA ist laut Castranova und e<strong>in</strong>er Umfrage <strong>der</strong> Enterta<strong>in</strong>ment<br />

software Association das Durchschnittsalter e<strong>in</strong>es Gamers 33 Jahre, 25 %<br />

s<strong>in</strong>d über 50. Der erwachsene Gamer spielt durchschnittlich seit 12 Jaren.<br />

Es spielen signifikant mehr Frauen über 18 als männliche Gamer unter 18.<br />

In Europa s<strong>in</strong>d <strong>die</strong> statistisch durchschnittlichen Spieler über 10 Jahre<br />

jünger. Es gibt viele Spielegeme<strong>in</strong>schaften für Senioren.<br />

9. Interaktivität<br />

Ich kann Rätsel lösen, schwierige Prüfungen bestehen, kann stärke und<br />

schöner werden, ich lerne erotische Elfenfrauen kennen, ja ich kann sogar<br />

e<strong>in</strong>e Beziehung mit ihr e<strong>in</strong>gehen. Von allen Me<strong>die</strong>n gibt es ke<strong>in</strong>es, das so<br />

viel Sozialität <strong>in</strong> sich trägt wie <strong>die</strong> Onl<strong>in</strong>espiele.<br />

Das Element <strong>der</strong> Interaktion stellt e<strong>in</strong>en Quantensprung <strong>in</strong> <strong>der</strong> Welt <strong>der</strong><br />

Me<strong>die</strong>n dar. In Second Life o<strong>der</strong> <strong>in</strong> WoW werden Beziehungen hergestellt,<br />

<strong>die</strong> auf Dauer se<strong>in</strong> können, über Jahre. <strong>Die</strong>sen Trend zur Interaktivität<br />

Vortrag R. Wölfle: „<strong>Die</strong> <strong>Flucht</strong> <strong>in</strong> <strong>die</strong> <strong>Virtualität</strong> ...“ Vortrag St. Arbogast 090914<br />

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haben viele Spieler mitgemacht. 2000 waren es noch 19%, <strong>die</strong> onl<strong>in</strong>e<br />

gespielt haben, 2006 mit 44% schon fast <strong>die</strong> Hälfte, und es werden immer<br />

mehr.<br />

Von März 2007 bis November 20088 wurden 570,222,426 WoW-Quests<br />

gemeistert, so <strong>der</strong> Publisher. Bei ca. 4 Stunden pro Quest = 24.000 h<br />

knapp 2 a, = 1 Mrd Tage = 1,5 Mio a <strong>–</strong> seit 2004 (USA) 6 Mio Jahre.<br />

<strong>Die</strong> Porno<strong>in</strong>dustrie hat <strong>die</strong>sen Trend schon erkannt. Es ist, und das ist mit<br />

Sicherheit e<strong>in</strong> Aspekt sozialer Gerechtigkeit, dass auch Menschen, <strong>die</strong> sich<br />

äußerlich benachteiligt fühlen, <strong>in</strong> den synthetischen Welten so ausschauen<br />

können wie sie wollen. Sie können sich e<strong>in</strong>en sexuell attraktiven Avatar<br />

schaffen, sie können sich mit e<strong>in</strong>em o<strong>der</strong> mehreren Avataren berühren,<br />

küssen und Zärtlichkeiten austauschen, sie können sich ausziehen und<br />

genital stimulieren, während sie mittels Headset mite<strong>in</strong>an<strong>der</strong> sprechen<br />

können und das, was sie tun kommentieren und sich schließlich auch<br />

befriedigen. Im Holodeck wird <strong>die</strong>s noch <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em gewünschten Ambiente<br />

se<strong>in</strong> können, mit Musik und Sonnenuntergang und sie werden von <strong>der</strong><br />

Industrie Avatare erwerben können, <strong>die</strong> Marilyn Monroe und James Dean<br />

zum verwechseln ähnlich sehen werden. Castranova glaubt, dass es nicht<br />

schwer se<strong>in</strong> wird, <strong>die</strong> reality-check <strong>–</strong> Mechanismen des Gehirns zu<br />

überlisten.<br />

10. Neue Freunde und Cliquen f<strong>in</strong>den<br />

Es ist <strong>in</strong>teressant zu beobachten, wie sich Gilden und an<strong>der</strong>e Gruppen<br />

organisieren. Es gibt Regeln für Herstellung von Gütern, für Handel und<br />

Verkauf, es gibt Währungen. Meistens handelt es sich <strong>in</strong> virtullen Welten<br />

um vor<strong>in</strong>dustrielle Welten. Teamwork ist wichtig, es gibt e<strong>in</strong> Gefühl von<br />

Zugehörigkeit. Es kann je<strong>der</strong> etwas beitragen und je<strong>der</strong> ist willkommen.<br />

Je<strong>der</strong> fühlt sich gebraucht. <strong>Die</strong> Gilde hat ihren privaten<br />

Kommunikationskanal.<br />

Es haben sich <strong>in</strong> Selbstorganisation Gesellschaften gebildet, <strong>die</strong> als fair<br />

empfunden werden und durch Versuch und Irrtum bemerkenswerte<br />

Fähigkeiten und soziale Weisheiten entwickelt haben. Der Erfolg muss<br />

<strong>die</strong>sen Systemen Recht geben. Castranova empf<strong>in</strong>det es als „amaz<strong>in</strong>g“,<br />

dass so viele Menschen gerne und freiwillig Zeit mite<strong>in</strong>an<strong>der</strong> verbr<strong>in</strong>gen.<br />

Viele Computerspieler s<strong>in</strong>d alles an<strong>der</strong>e als isoliert. Das trifft eher für<br />

Menschen zu, <strong>die</strong> Fernsehen o<strong>der</strong> im Verkehr stecken.<br />

Vortrag R. Wölfle: „<strong>Die</strong> <strong>Flucht</strong> <strong>in</strong> <strong>die</strong> <strong>Virtualität</strong> ...“ Vortrag St. Arbogast 090914<br />

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11. Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>g und Therapie mit elektronischen Me<strong>die</strong>n<br />

(Cybertherapy)<br />

Aus Zeitgründen dazu nur <strong>der</strong> H<strong>in</strong>weis, dass viele Überlebende von<br />

Flugzeugtnotlandungen <strong>die</strong>s möglicherweise dem Geschick e<strong>in</strong>es Piloten zu<br />

verdanken haben, <strong>der</strong> auf Simulatoren geübt und tra<strong>in</strong>iert hat, <strong>die</strong><br />

durchaus auch Spielecharakter annehmen können.<br />

Auch bei Ärzten bewährt es sich, wenn sie mit Computern spielen:<br />

a) In e<strong>in</strong>er Stu<strong>die</strong> wurden 33 Ärzte untersucht, <strong>die</strong> laporoskopische<br />

Operationen durchführten. <strong>Die</strong>jenigen, <strong>die</strong> Videospiele spielten,<br />

waren um 27 % schneller und machten um 37 % weniger Fehler<br />

als <strong>die</strong>jenigen, <strong>die</strong> ke<strong>in</strong>e Erfahrungen mit Videospielen hatten.<br />

b) In e<strong>in</strong>er Stu<strong>die</strong>, <strong>in</strong> <strong>die</strong> 303 Chirurgen e<strong>in</strong>bezogen wurden (82 %<br />

Männer), zeigte sich, dass Chirurgen, <strong>die</strong> Videospiele spielten,<br />

mehr Geschicklichkeit h<strong>in</strong>sichtlich <strong>der</strong> räumlichen Verhältnisse<br />

hatten. In 10 Versuchsanordnungen waren sie signifikant<br />

schneller und geschickter.<br />

Quelle: Homepage <strong>der</strong> APA, Zusammenfassung von Vorträgen des<br />

Jahrestreffens 2009.<br />

12. Exodus <strong>in</strong> virtuelle Welten und Folgen für <strong>die</strong> Reale Welt<br />

Menschen vergleichen und treffen dann ihre Entscheidungen. O-ton<br />

Castranova: „If the real world is not a very good place to live, then people<br />

will leave it.“ Wer also möchte, dass <strong>die</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong> und <strong>die</strong> jungen Menschen<br />

öfter und länger <strong>in</strong> <strong>der</strong> realen Welt bleiben, muss sich Gedanken darüber<br />

machen, wie sie <strong>die</strong>se verbessern und erträglicher machen können, <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Familie, <strong>in</strong> <strong>der</strong> Schule und <strong>der</strong> soziokulturellen Umgebung, mit<br />

moralischen Vorhaltungen und Verboten alle<strong>in</strong> wird es nicht zu machen<br />

se<strong>in</strong>. Vielleicht können manche Erwachsene und politisch Verantwortliche<br />

auch aus den Computerwelten lernen und Elemente <strong>die</strong>ses erfolgreichen<br />

sozialen Systems übernehmen.<br />

In e<strong>in</strong>er ZDF-Sendung hat e<strong>in</strong>e ratlose Mutter gesagt: Ich habe me<strong>in</strong>en<br />

Sohn an den Computer verloren. Ihre <strong>Realität</strong> hat sich geän<strong>der</strong>t. So wird<br />

es uns allen gehen, wenn wir unsere K<strong>in</strong><strong>der</strong> an <strong>die</strong> Computer verlieren. In<br />

<strong>der</strong> Sendung war deutlich zu sehen, dass <strong>die</strong> Mutter mit Drohungen,<br />

Entwertungen und Schimpfen nichts erreicht hat. Wie kann sie ihren Sohn<br />

zurück gew<strong>in</strong>nen? Mit Bemerkungen wie „Du all mit Dim blöda Computer“<br />

sicher nicht. Mir wäre e<strong>in</strong>iges e<strong>in</strong>gefallen. Zuerst hätte sie sich wohl<br />

e<strong>in</strong>mal zu ihrem Sohn setzen und sich erklären lasse sollen, was er denn<br />

da am Computer so macht <strong>–</strong> mit ehrlichem Interesse und <strong>der</strong> Bereitschaft,<br />

Vortrag R. Wölfle: „<strong>Die</strong> <strong>Flucht</strong> <strong>in</strong> <strong>die</strong> <strong>Virtualität</strong> ...“ Vortrag St. Arbogast 090914<br />

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auch das Schöne, Spannende und Wertvolle zu sehen, das es <strong>in</strong> nahezu<br />

jedem Computerspiel gibt.<br />

Schließlich ist es auch so, dass <strong>der</strong> Körper am Migrationsprozess nicht<br />

teilnimmt. Das ist typisch für <strong>die</strong> Zeit <strong>der</strong> Informationsgesllschaft. Wo<br />

richte ich me<strong>in</strong>e Aufmerksamkeit h<strong>in</strong>? Während ich <strong>die</strong>se Worte schreibe,<br />

überlege ich, was ich sonst noch tun könnte:<br />

Der Exodus <strong>der</strong> Videospieler ist ke<strong>in</strong> endgültiger. Sie pendeln und sie<br />

kehren <strong>in</strong> <strong>die</strong> Realwelt zurück und verän<strong>der</strong>n dort <strong>die</strong> Kultur, wie e<strong>in</strong><br />

Gastarbeiter, <strong>der</strong> nach 5 Jahren im Ausland, <strong>in</strong> <strong>die</strong> alte Heimat zurück<br />

kehrt, wo er oft nicht gerne gesehen ist.<br />

Zu den vielen Kulturtechniken gehört auch <strong>die</strong> Sprache. Der Kürzel LOL<br />

hat sich wie bei Esperanto <strong>in</strong>ternational durchgesetzt. Je<strong>der</strong> Chatter <strong>der</strong><br />

Welt wird <strong>die</strong>s verstehen. Aktuell ist <strong>die</strong>s sogar <strong>der</strong> Titel e<strong>in</strong>es Films mit<br />

Sophie Marceau <strong>in</strong> <strong>der</strong> Hauptrolle.<br />

Für folgenden Text aus e<strong>in</strong>em WoW-Forum benötigte ich e<strong>in</strong>e<br />

Übersetzung, <strong>die</strong> ich von me<strong>in</strong>em jüngeren Sohn und e<strong>in</strong>er alten<br />

Schulfreund<strong>in</strong> und Nachbar<strong>in</strong>, <strong>die</strong> zu Besuch war und sehr kompetent<br />

WoW spielt, bekommen habe. Der Text stammt von e<strong>in</strong>em o<strong>der</strong> e<strong>in</strong>er<br />

Froschi und es g<strong>in</strong>g um e<strong>in</strong> neues Add On:<br />

Nachdem Blizzard festgestellt hat, dass <strong>der</strong> Targetwechsel bei Emalon<br />

etwa 95 % <strong>der</strong> Spieler überfor<strong>der</strong>t und er daher viel zu schwer war, ist<br />

Koralon <strong>der</strong> Flammenwächter e<strong>in</strong> Boss ohne jegliche Fähigkeit und<br />

verlangt 95 % <strong>der</strong> 25 Mann-Truppe absolut gar nichts ab. 700 DPs<br />

genügen vollkommen und so kann auch je<strong>der</strong> nackt grün gequippte frische<br />

80er Arthaskiller direkt <strong>in</strong> den coolen T9-25-Content e<strong>in</strong>steigen. <strong>Wenn</strong> e<strong>in</strong><br />

Tank und e<strong>in</strong> bis zwei Heiler wissen, wie ihre Figuren funktionieren, ist <strong>der</strong><br />

Rest <strong>der</strong> Gruppe nahezu vollständig egal. Und selbstverständlich kommt<br />

<strong>der</strong> heute <strong>in</strong>s Spiel, weil 13,-- Euro need T9 sofort, sonst wäääääh!<br />

• Targetwechsel: Emalon verstärkt se<strong>in</strong>en Ad Mob, e<strong>in</strong> Zusatzwesen<br />

alle 45 Sekunden, sodass alle Spieler dann geme<strong>in</strong>sam und<br />

konzertiert von Emalron ablassen und auf <strong>die</strong>ses an<strong>der</strong>e Ziel feuern<br />

müssen. <strong>Die</strong>ses muss <strong>in</strong> maximal 15 Sekunden down gehen, sonst<br />

kann Emalron nicht besiegt werden.<br />

• DP: Schadnespunkte, Damage Po<strong>in</strong>t<br />

• Nackt grün gequippt: bezieht sich auf <strong>die</strong> Ausrüstung, es ist e<strong>in</strong>e<br />

fortgeschrittene Stufe, nach grau und weiß, aber nicht so beson<strong>der</strong>s<br />

aufregend. Blau und lila s<strong>in</strong>d besser, orange ist legendär. Unsere<br />

Besucher<strong>in</strong> erzählte, sie hätte e<strong>in</strong>mal e<strong>in</strong>en orange gequipten<br />

Vortrag R. Wölfle: „<strong>Die</strong> <strong>Flucht</strong> <strong>in</strong> <strong>die</strong> <strong>Virtualität</strong> ...“ Vortrag St. Arbogast 090914<br />

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Druiden als Gegner gehabt, mit e<strong>in</strong>em Ulduar <strong>–</strong>Kolben, <strong>der</strong> sehr gut<br />

heilen kann und den jemand nur dann bekommen kann, wenn er<br />

schon ssehr weit gekommen ist. Nebenbei erwähnte sie, sie hätte<br />

gegen ihn gewonnen.<br />

• Arthaskiller muss zynisch geme<strong>in</strong>tse<strong>in</strong>, denn Arthas stapft durch das<br />

WoW-universum und gilt als e<strong>in</strong>er <strong>der</strong> mächtigsten NPCs überhaupt.<br />

• Tank und Heiler ...<br />

• T9-25-content: E<strong>in</strong>e Quest, <strong>die</strong> e<strong>in</strong> Team aus 25 Spielern mit ihren<br />

Avataren geleistet werden muss, um zu den gefragten T9-<br />

Ausrüstungsgegenständen zu kommen<br />

• Need T9 sofort, sonst Wäähh: Will T9 unbed<strong>in</strong>gt, das ist <strong>die</strong> 13.-<br />

Euro wert. Dass Koralon leicht ist, wird von me<strong>in</strong>en Experten<br />

bestätigt, das sei deshalb so, dass aich Casual Gamer e<strong>in</strong>e Chance<br />

haben.<br />

14. Kriege, Gewalt und Amokläufe<br />

Gamer neigen nach Castranova eher dazu, ihre Aggressionen am<br />

Bildschirm auszuleben. Me<strong>in</strong> älterer Sohn, <strong>der</strong> ke<strong>in</strong>er Fliege etwas zu Leide<br />

tun kann und e<strong>in</strong>er <strong>der</strong> friedlichsten Menschen ist, <strong>die</strong> ich kenne, liebt<br />

harte Prügelspiele und wenn er sauer ist, z.B. wegen er Schule, dann<br />

wählt er beson<strong>der</strong>s schauerliche aus, wobei es <strong>in</strong> unserem Haushalt nur<br />

Spiele gibt, <strong>die</strong> ab 16 Jahre s<strong>in</strong>d.<br />

In gegenwärtigen politischen Debatten zeigt sich, dass <strong>die</strong> Personen des<br />

öffentlichen Lebens wenig o<strong>der</strong> gar nichts von den virtuellen Welten<br />

verstehen. Das spitzt sich zu <strong>in</strong> <strong>der</strong> Behauptung: „Videospiele s<strong>in</strong>d<br />

schädlich für K<strong>in</strong><strong>der</strong>.“<br />

Steven Johnson ist <strong>der</strong> Autor des Buches „Neue Intelligenz“, 2006 bei<br />

Kiepenheuer und Witsch erschienen. Am 5.6.09 titelte er im Time<br />

Magaz<strong>in</strong>e über Twitter.<br />

Zu Gewalt schreibt er auf S. 196:<br />

„Ende 2004 veröffentlichten das Justiz- und das Bildungsm<strong>in</strong>isterium <strong>der</strong><br />

USA e<strong>in</strong>e geme<strong>in</strong>same Stu<strong>die</strong>, <strong>die</strong> zeigte, dass sich <strong>die</strong> Gewalt an den<br />

Schulen von 1992 bis 2002 buchstäblich halbiert hatte. Sie g<strong>in</strong>g von 48<br />

Gewalttaten pro 100.000 Schüler auf 24 zurück. Auch <strong>in</strong> Deutschland geht<br />

<strong>die</strong> Jugendgewalt 2008 erstmalig seit 2004 zurück<br />

Vortrag R. Wölfle: „<strong>Die</strong> <strong>Flucht</strong> <strong>in</strong> <strong>die</strong> <strong>Virtualität</strong> ...“ Vortrag St. Arbogast 090914<br />

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http://www.buendnis-fuer-k<strong>in</strong><strong>der</strong>.de/berichte/510_<strong>in</strong>-deutschland-geht<strong>die</strong>-jugendgewalt-zuruck/<br />

Bei <strong>der</strong> dunklen Seite des Internets dürfen aber <strong>die</strong> Gefahren nicht<br />

bagatellisiert werden.<br />

Petra Grimm ist Professor<strong>in</strong> für Me<strong>die</strong>nethik und hat darüber publiziert.<br />

2008 ist e<strong>in</strong>e Stu<strong>die</strong> über Gewalt im Web erschienen<br />

Das Gewaltprofil im Internet unterscheidet sich vom Fernsehen z.B.<br />

dadurch, dass es unzensiert, drastischer und echter ist. Gerne wird Gewalt<br />

auch „witzig“ dargestellt, mit<br />

- Prügel-Videos bzw. Happy Slapp<strong>in</strong>g im Internet<br />

- rechtsextreme Inhalten<br />

- gewalthaltigen Musikvideo<br />

- Echte, extreme brutale Gewalt (Snuff-Videos, von Auslöschen. E<strong>in</strong><br />

Snuff-Märchen von den Gebrü<strong>der</strong> Grimm heißt „Fitschers Vogel“, das<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> Märchensammlung im Märchenbuch me<strong>in</strong>er Mutter von 1923<br />

enthalten war. Es verweist darauf, dass es e<strong>in</strong>e Fasz<strong>in</strong>ation von<br />

Darstellung von Gewalt immer schon gegeben haben muss und dass<br />

sich nur das Transportmedium geän<strong>der</strong>t hat. Ich zitiere:<br />

Endlich kam sie auch zu <strong>der</strong> verbotenen Tür, sie wollte vorübergehen,<br />

aber <strong>die</strong> Neugierde ließ ihr ke<strong>in</strong>e Ruhe. Sie besah den Schlüssel, er sah<br />

aus wie e<strong>in</strong> an<strong>der</strong>er, sie steckte ihn e<strong>in</strong> und drehte e<strong>in</strong> wenig, da<br />

sprang <strong>die</strong> Türe auf. Aber was erblickte sie, als sie h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>trat? e<strong>in</strong><br />

großes blutiges Becken stand <strong>in</strong> <strong>der</strong> Mitte, und dar<strong>in</strong> lagen tote<br />

zerhauene Menschen, daneben stand e<strong>in</strong> Holzblock, und e<strong>in</strong> bl<strong>in</strong>kendes<br />

Beil lag darauf. Sie erschrak so sehr, dass das Ei, das sie <strong>in</strong> <strong>der</strong> Hand<br />

hielt, h<strong>in</strong>e<strong>in</strong> plumpte. Sie holte es wie<strong>der</strong> heraus und wischte das Blut<br />

ab, aber vergeblich, es kam den Augenblick wie<strong>der</strong> zum Vorsche<strong>in</strong>; sie<br />

wischte und schabte, aber sie konnte es nicht herunterkriegen.<br />

Nicht lange, so kam <strong>der</strong> Mann von <strong>der</strong> Reise zurück, und das erste, was<br />

er for<strong>der</strong>te, war <strong>der</strong> Schlüssel und das Ei. Sie reichte es ihm h<strong>in</strong>, aber<br />

sie zitterte dabei, und er sah gleich an den roten Flecken, dass sie <strong>in</strong><br />

<strong>der</strong> Blutkammer gewesen war. 'Bist du gegen me<strong>in</strong>en Willen <strong>in</strong> <strong>die</strong><br />

Kammer gegangen,' sprach er, 'so sollst du gegen de<strong>in</strong>en Willen wie<strong>der</strong><br />

h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>. De<strong>in</strong> Leben ist zu Ende.' Er warf sie nie<strong>der</strong>, schleifte sie an den<br />

Haaren h<strong>in</strong>, schlug ihr das Haupt auf dem Blocke ab und zerhackte sie,<br />

dass ihr Blut auf dem Boden dah<strong>in</strong>floss. Dann warf er sie zu den<br />

übrigen <strong>in</strong>s Becken.<br />

- Nachgestellte o<strong>der</strong> gespielte extreme Gewalt<br />

- Unglücksopfer<br />

- Horrorfilme und Gewalt <strong>in</strong> Spielfilmen<br />

Vortrag R. Wölfle: „<strong>Die</strong> <strong>Flucht</strong> <strong>in</strong> <strong>die</strong> <strong>Virtualität</strong> ...“ Vortrag St. Arbogast 090914<br />

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- Sex und Gewalt<br />

- Cyber-Mobb<strong>in</strong>g, Cyber-Bully<strong>in</strong>g<br />

Wie bei <strong>der</strong> Olympiade wurden für verschiedene Spiele Spielern Medaillen<br />

verliehen, wobei nach wie vor Schießspiele wie Counter-Strike<br />

dazugehören. In Korea wurden Onl<strong>in</strong>e-Spiele schon viel früher gespielt, da<br />

<strong>die</strong> typischen Konsolen zunächst kaum erhältlich waren, aber dafür <strong>die</strong><br />

meisten Wohnblocks an e<strong>in</strong> Breitbandnetz angeschlossen waren.<br />

Elektrosportler gelten <strong>in</strong> Korea als Popstars, <strong>die</strong> 6-stellige Jahresgehälter<br />

ver<strong>die</strong>nen. Es gibt Internate, <strong>in</strong> welchen morgens gelernt und<br />

anschließend hochdiszipl<strong>in</strong>iert <strong>in</strong> künstlichen Welten tra<strong>in</strong>iert wird. Im<br />

Counter-Strike beispielsweise spielen fünf Terroristen gegen fünf<br />

Terrorabwehrkräfte, kurze Runden von 1.45 M<strong>in</strong>uten. Es geht hier<br />

ausschließlich um <strong>die</strong> Taktik und <strong>die</strong> Reaktion. E<strong>in</strong> Spieler me<strong>in</strong>te, es sei<br />

ihm völlig egal, ob Menschen o<strong>der</strong> Hasen durch den Bildschirm laufen<br />

würden. Es braucht im Team <strong>in</strong>tensives Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>g und ist für E<strong>in</strong>zelgänger<br />

vollkommen ungeeignet. Aus <strong>die</strong>sem Grund, me<strong>in</strong>t Rosenfel<strong>der</strong>, sei es<br />

ke<strong>in</strong> Wun<strong>der</strong>, dass es Robert Ste<strong>in</strong>haeuser, <strong>der</strong> 2002 an e<strong>in</strong>er Erfurter<br />

Schule Amok lief, trotz an<strong>der</strong>slauten<strong>der</strong> Gerüchte nicht <strong>in</strong>teressierte.<br />

Counter-Strike setzt als Gruppenspiel emotionale Intelligenz voraus, <strong>die</strong><br />

„kontaktgestörte Soziopathen eben gerade nicht mitbr<strong>in</strong>gen“. In den<br />

Counter-Strike-Ligen entstehen immer mehr Mädchen. Counter-Strike<br />

funktioniert wie e<strong>in</strong> Tischtennis-Turnier auf e<strong>in</strong>er Jugendfreizeit, nur dass<br />

statt Plastikbällen digitale Granaten h<strong>in</strong>- und herfliegen. Beschrieben<br />

werden dann Wettkämpfe zwischen zwei Gruppen namens „Mädchenblut“<br />

und „Zaubermädchen“.<br />

Der Begriff „Killerspiel“ ist irreführend. <strong>Wenn</strong> man von lustigen<br />

F<strong>in</strong>gerübungen wie Tetris e<strong>in</strong>mal absieht, handeln Computerspiele seit<br />

ihren Anfängen von <strong>der</strong> Ausschaltung des Gegners. Verbessert haben sich<br />

lediglich <strong>die</strong> Konturen des Fe<strong>in</strong>des, anfangs bloß e<strong>in</strong> armseliges<br />

Pixelhäufchen, und das Arsenal <strong>der</strong> Waffen. E<strong>in</strong> Ego-Shooter ist nicht etwa<br />

e<strong>in</strong>e obszöne Abart des Computerspiels, er ist das auf se<strong>in</strong>e Essenz<br />

reduzierte Medium. Gewaltszenen regen für Aggression zuständige<br />

Gebiete <strong>der</strong> Hirnr<strong>in</strong>de an, aber nur während des Spiels und nicht auf<br />

Dauer.<br />

So kommt es, dass sich Leute, <strong>die</strong> <strong>in</strong> ihrer Wehr<strong>die</strong>nstverweigerung unter<br />

Berufung auf M. Gandhi o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>e den <strong>Die</strong>nst an <strong>der</strong> Waffe ablehnten,<br />

ziemlich genau mit russischen Scharfschützengewehren Bazookas und<br />

Eierhandgranaten sich auskennen. Sehr wohl können Kriegsspiele e<strong>in</strong>e Art<br />

militärische Grundausbildung mit allen Schikanen bewirken ohne<br />

schmerzliche Erfahrungen im wirklichen Leben machen zu müssen.<br />

Vortrag R. Wölfle: „<strong>Die</strong> <strong>Flucht</strong> <strong>in</strong> <strong>die</strong> <strong>Virtualität</strong> ...“ Vortrag St. Arbogast 090914<br />

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Analytisch gedacht: Vielleicht steht h<strong>in</strong>ter allen Kriegsspielen nur <strong>die</strong><br />

Sehnsucht nach himmlischen Frieden.<br />

Und schließlich: Jede Zerstörung hat se<strong>in</strong>e Ästhetik, z.B. Feuerwerke.<br />

Robert Se<strong>in</strong>häuser und Tim Kretschmer waren aber auch beide <strong>in</strong><br />

Schützenvere<strong>in</strong>en, vor allem Tim, <strong>der</strong> öfter am Schießplatz war als dass er<br />

onl<strong>in</strong>e spielte. Dazu ist <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em aktuellen Zeit-Magaz<strong>in</strong> e<strong>in</strong> <strong>in</strong>teressanter<br />

Artikel erschienen mit <strong>der</strong> Frage, wie gefährlich Schützen s<strong>in</strong>d:<br />

Zum Amoklauf von W<strong>in</strong>nenden gab es <strong>die</strong>ses Wochenende <strong>die</strong><br />

Pressemeldung, dass Tim K 7 Wochen vor dem Amoklauf zunächst alle<strong>in</strong>e<br />

<strong>die</strong> Munition hätte kaufen wollen, als Geschenk für se<strong>in</strong>en Vater, <strong>die</strong>se<br />

aber nicht bekommen hätte. Da sei <strong>der</strong> Vater mitgegangen und dann<br />

hätte er <strong>die</strong> 1000 19-mm-Patronen bekommen.<br />

15. Sucht und Abhängigkeit<br />

<strong>Wenn</strong> das Arbeiten und Spielen am Computer zu e<strong>in</strong>er Beschäftigung wird,<br />

"bei <strong>der</strong> man Raum, Zeit und alles an<strong>der</strong>e vergisst" und sich gedanklich<br />

und thematische "alles nur noch um den Computer und dessen Nutzung<br />

dreht", wird aus <strong>der</strong> Nutzung e<strong>in</strong>es elektronischen Arbeitsmittels e<strong>in</strong>e<br />

<strong>Flucht</strong> aus und vor dem wirklichen Leben.<br />

<strong>Die</strong> meiste Zeit verbr<strong>in</strong>gen <strong>die</strong> Menschen im Internet <strong>in</strong> Chatrooms,<br />

Diskussionsforen, <strong>in</strong> Email-Kontakten o<strong>der</strong> <strong>in</strong> Onl<strong>in</strong>e-Spielen. <strong>Die</strong>s ist e<strong>in</strong>e<br />

Form von Sozialisierung. Es werden nicht weniger soziale Beziehungen<br />

hergestellt, son<strong>der</strong>n an<strong>der</strong>e.<br />

Am meisten werden durch das Internet Beziehungen und Ehen bee<strong>in</strong>flusst.<br />

<strong>Die</strong>s wird durchdrungen von zwanghaftem Gebrauch von Pornographie,<br />

Cybersex und Internet-Affären.<br />

Kratzer hat <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Pilotstu<strong>die</strong> zum Störungsbild <strong>der</strong> pathologischen<br />

Internetnutzung 2006 festgestellt, dass Menschen mit<br />

Internetabhängigkeit von kl<strong>in</strong>isch relevanter Dimension allesamt Kriterien<br />

e<strong>in</strong>er an<strong>der</strong>en psychischen Krankheit erfüllen <strong>–</strong> vor allem Depressionen<br />

und Angststörungen.<br />

ALTERNATE WORLD SYNDROME: Störungen von Identität und<br />

Interpersonalität im Cyberspace<br />

Über <strong>die</strong> Folgen von langjährigem <strong>in</strong>tensivem Rollenspiel kann heute noch<br />

zu wenig gesagt werden. Manche erbr<strong>in</strong>gen den Großteil ihrer Wachzeit <strong>in</strong><br />

den Parallelwelten. Es gibt e<strong>in</strong>zelne Berichte über Personen, <strong>die</strong> zwischen<br />

Vortrag R. Wölfle: „<strong>Die</strong> <strong>Flucht</strong> <strong>in</strong> <strong>die</strong> <strong>Virtualität</strong> ...“ Vortrag St. Arbogast 090914<br />

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den Welten nicht mehr unterscheiden können und zunehmend Probleme<br />

mit ihrer Identität bekommen, nach e<strong>in</strong>er Art von Derealisation und e<strong>in</strong>er<br />

Dissoziation.<br />

Das gewonnene Selbstbewusstse<strong>in</strong> kann später auch wie<strong>der</strong> au <strong>die</strong> reale<br />

Welt übertragen werden. Es kann sich <strong>die</strong> symptomatische Abhängigkeit<br />

aber auch verselbstständigen, dass <strong>der</strong> Circulus vitiosus von sich<br />

gegenseitig verstärken<strong>der</strong> emotionaler physischer und ökonomischer<br />

Ressourcenverarmung nur durch relativ radikale Behandlungsmaßnamen<br />

zu durchbrechen ist.<br />

Es liegt also ke<strong>in</strong>e ganz neue Form e<strong>in</strong>er psychischen Erkrankung vor,<br />

son<strong>der</strong>n es bestehen bekannte psychische Störungen, <strong>der</strong>en Symptomatik<br />

lediglich <strong>in</strong> ihrer Übersetzung <strong>in</strong> <strong>die</strong> virtuelle Welt e<strong>in</strong>em Gestaltwandel<br />

unterliegt. Somit können <strong>die</strong>se auch von jedem Psychiater und<br />

Psychotherapeuten diagnostiziert und behandelt werden. Voraussetzung<br />

ist <strong>die</strong> Bereitschaft, sich auf <strong>die</strong> virtuellen Lebensbedigungen e<strong>in</strong>zulassen<br />

und sich für sie zu <strong>in</strong>teressieren und sie nicht per se als pathologisch<br />

abzutun.<br />

1. "Frankfurter Allgeme<strong>in</strong>e Zeitung" Nr. 206 vom 05.09.2009<br />

Seite: 3 ---------------------------------------------------------------------<br />

- Ressort: Politik<br />

Das galaktische Ich<br />

Nils war spielsüchtig. Im Computerspiel war Nils zu "Nils" geworden, e<strong>in</strong>er<br />

virtuellen Persönlichkeit, <strong>die</strong> alles war, was sie im wirklichen Leben nicht<br />

se<strong>in</strong> konnte.<br />

........<br />

Später beg<strong>in</strong>nt Nils e<strong>in</strong>e stationäre Therapie <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>in</strong>ternistischpsychosomatischen<br />

Fachkl<strong>in</strong>ik Hochsauerland <strong>in</strong> Bad Fredeburg. In e<strong>in</strong>er<br />

Gruppe mit an<strong>der</strong>en Internet-Rollenspielern, Glücksspielern und<br />

Alkoholikern f<strong>in</strong>det er heraus, warum er süchtig geworden ist, und lernt,<br />

Rückfällen vorzubeugen. <strong>Die</strong> Onl<strong>in</strong>e-Sucht war e<strong>in</strong>e Strategie, um mit <strong>der</strong><br />

Welt zurechtzukommen. Nils selbst müsse stärker werden, dann werde er<br />

nicht rückfällig. Se<strong>in</strong>en Account hat er gelöscht.<br />

http://www.akgkl<strong>in</strong>iken.de/fkfre/behandlungsangebote/spielsucht<br />

Fachkl<strong>in</strong>ik Fredeburg, Sauerland, auf <strong>der</strong> Homepage s<strong>in</strong>d ke<strong>in</strong>e<br />

ausgewiesenen Angebote zur Internet Addiction. Konkret heißt es:<br />

Vortrag R. Wölfle: „<strong>Die</strong> <strong>Flucht</strong> <strong>in</strong> <strong>die</strong> <strong>Virtualität</strong> ...“ Vortrag St. Arbogast 090914<br />

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- Abst<strong>in</strong>enzregel - Glücksspielabst<strong>in</strong>enzvertrag - Umgang mit Geld<br />

und Schuldenregulierung<br />

- Indikative Gruppe zur Glücksspielabst<strong>in</strong>enz<br />

- E<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung <strong>in</strong> das Basisprogramm <strong>der</strong> Fachkl<strong>in</strong>ik Fredeburg<br />

Sport <strong>–</strong> und Bewegungstherapie, Arbeitstherapie und Berufsberatung,<br />

Beschäftigungstherapie, kl<strong>in</strong>ische Sozialarbeit<br />

Rehabilitationsmediz<strong>in</strong>: In Zusammenarbeit mit dem jeweiligen „Hausarzt“<br />

des Teams (Formulierung wie bei uns)wird zunächst e<strong>in</strong><br />

allgeme<strong>in</strong>mediz<strong>in</strong>ischer Status erhoben und e<strong>in</strong> mediz<strong>in</strong>ischer<br />

Rehabilitationsplan festgelegt.<br />

Auch <strong>die</strong> e<strong>in</strong>zige Europäische Fachkl<strong>in</strong>ik „Smith and Jones“ <strong>in</strong><br />

Amsterdam wirbt nicht mit beson<strong>der</strong>en Angeboten, es kl<strong>in</strong>gt für<br />

uns Suchttherapeut<strong>in</strong>nen und <strong>–</strong>therapeuten recht vertraut.<br />

We have specific programs for:<br />

• Adults with drug and/or alcohol problems<br />

• Young people and students with drug and/or alcohol problems<br />

• Eat<strong>in</strong>g Disor<strong>der</strong>s: Comfort/ Emotional eat<strong>in</strong>g<br />

• Compulsive video gam<strong>in</strong>g<br />

The first video game treatment <strong>in</strong> the world.<br />

Smith and Jones provides the first and, currently, the only residential<br />

video game treatment program <strong>in</strong> the world. We have successfully treated<br />

hundreds of compulsive gamers from all over the world.<br />

The Smith and Jones Model<br />

Many treatment centers use the highly respected and proven ‘12 Step<br />

M<strong>in</strong>nesota Model’ to treat an addiction problem. We comb<strong>in</strong>e the 12 Step<br />

Model with the Smith and Jones Way. We un<strong>der</strong>stand that stopp<strong>in</strong>g the<br />

addictive behavior is only the beg<strong>in</strong>n<strong>in</strong>g. Deal<strong>in</strong>g with the problems<br />

associated with years of addictions can also be very challeng<strong>in</strong>g.<br />

16. Ich b<strong>in</strong> dann mal weg <strong>–</strong> über FAD-Facebook Addiction Disor<strong>der</strong><br />

Zusammenfassung e<strong>in</strong>es Artikels im Profil vom 31. August 2008, von<br />

Angelika Hager und Sebastian Hofer, Seite 70 bis 75.<br />

Der Suchtfaktor setzte schleichend e<strong>in</strong>. Bei e<strong>in</strong>er 44-jährigen Angestellten<br />

und Mutter zweier halbwüchsiger Töchter war es so, dass sie nach e<strong>in</strong>iger<br />

Zeit bemerkte, dass sie rund fünf Stunden täglich dort dr<strong>in</strong>nen verbracht<br />

hatte. <strong>Die</strong> Beziehung hat erheblich darunter gelitten. Es entstand e<strong>in</strong>e<br />

Vortrag R. Wölfle: „<strong>Die</strong> <strong>Flucht</strong> <strong>in</strong> <strong>die</strong> <strong>Virtualität</strong> ...“ Vortrag St. Arbogast 090914<br />

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zunehmend bemerkbare Grundgereiztheit <strong>in</strong>nerhalb <strong>der</strong> Familie, gefolgt<br />

von e<strong>in</strong>er „sozialen Verwahrlosung“. <strong>Die</strong> User<strong>in</strong> wiegte sich <strong>in</strong> <strong>der</strong> Illusion,<br />

mitten im Geschehen zu se<strong>in</strong>, ohne sich <strong>die</strong> Mühe zu machen, <strong>in</strong> <strong>die</strong> Welt<br />

h<strong>in</strong>ausgehen zu müssen. Sie verlor zunehmend den Kontakt mit ihren<br />

realen Freunden und verließ über Tage das Haus nicht. Nach e<strong>in</strong>em Jahr<br />

und ca. 1.725 Stunden verschwendeter Zeit schritt <strong>die</strong> Frau zur Selbsthilfe<br />

und deaktivierte ihr Facebook-Profil. <strong>Die</strong> britische „Times“ titelte mit<br />

„Facebook-Selbstmord“, nach <strong>der</strong> Devise: „Kill de<strong>in</strong> Profil, bevor es dich<br />

killt.“<br />

Wie erwähnt gibt es nach Kai Müller v<strong>in</strong> <strong>der</strong> Ma<strong>in</strong>zer Ambulanz für<br />

Spielsucht e<strong>in</strong>e Onl<strong>in</strong>esucht, betroffen s<strong>in</strong>d ca. 3 % und wie erwähnt<br />

verschiebt sich <strong>die</strong>s von den Spielen zu den Communitys. Dazu passt,<br />

dass <strong>die</strong> Zeit, <strong>die</strong> <strong>der</strong> Durchschnittsamerikaner monatlich mit se<strong>in</strong>er<br />

Familie verbr<strong>in</strong>gt, um 30 % gesunken ist, von 2005 bis 2008, von 26 auf<br />

18 Stunden.<br />

Es hat erhebliche Auswirkungen im wirtschaftlichen Bereich, es s<strong>in</strong>d<br />

F<strong>in</strong>anzschäden <strong>in</strong> Milliardenhöhe entstanden. <strong>Die</strong> Produktivität an<br />

Arbeitsplätzen durch Personen, <strong>die</strong> ständig im Auge haben wollen, was im<br />

Facebook passiert, seit 2007 um 14,8 % gesunken. 20 % bekannten sich<br />

dazu e<strong>in</strong>e Art Suchtverhalten an den Tag zu legen. In Großbritannien<br />

würde <strong>der</strong> Schaden 7,3 Milliarden Euro betragen <strong>–</strong> durch Arbeitszeitverlust<br />

und verschwendete Bandbreiten.<br />

In <strong>der</strong> NEUEN Vorarlberger Tageszeitung von vorgestern fand sich dazu<br />

folgende kurze Meldung: Facebook-Sucht: <strong>Die</strong> Schweizer Regierung will<br />

den Zugang zu <strong>der</strong> Internetplattorm Facebook <strong>in</strong> den M<strong>in</strong>isterien sperren<br />

und damit <strong>die</strong> 36.000 Mitarbeiter von ihrer „Sucht“ nach dem sozialen<br />

Netzwerk heilen. E<strong>in</strong> Mäßigungsapell 4 Monate vorher hatte ke<strong>in</strong>e<br />

Wirkung, im Gegenteil hat <strong>die</strong> Übertragungsrate noch zugenommen.<br />

Der Blick schreib dazu <strong>in</strong> <strong>der</strong> Onl<strong>in</strong>e-Ausgabe vom 12.9.2009: <strong>Die</strong><br />

Facebook-Nutzung macht rund 25 Prozent des Datenverkehrs <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Verwaltung aus <strong>–</strong> das belastet das Netz und kostet Arbeitszeit. Zudem<br />

machte SonntagsBlick publik, dass Dutzende Geheimnisträger beim Bund<br />

<strong>in</strong>time Details aus ihrem Privatleben über das Sozialnetzwerk<br />

ausplau<strong>der</strong>ten.<br />

Bundeskrim<strong>in</strong>alpolizisten: In geheimen Son<strong>der</strong>e<strong>in</strong>heiten wie Tigris und<br />

Tiago jagen sie mutmassliche Terroristen und Mafiosi. Dabei tarnen sie<br />

sich mit Schutzmasken, damit ihre Identität geschützt bleibt. Aus Furcht<br />

vor Drohungen gegen sich und ihre Familien tun sie auch sonst alles, um<br />

unerkannt zu bleiben. Sie haben ke<strong>in</strong>en E<strong>in</strong>trag im Telefonbuch, ihre<br />

Autonummern s<strong>in</strong>d geheim.<br />

Vortrag R. Wölfle: „<strong>Die</strong> <strong>Flucht</strong> <strong>in</strong> <strong>die</strong> <strong>Virtualität</strong> ...“ Vortrag St. Arbogast 090914<br />

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Doch im Internet vergessen sie jede Vorsicht. Bei Facebook verraten sie<br />

nicht nur ihre Identität, son<strong>der</strong>n auch <strong>in</strong>time und private Details. So ist<br />

auch Flavio Gibell<strong>in</strong>i (51), Chef <strong>der</strong> Tess<strong>in</strong>er Bundeskripo, <strong>der</strong> auch schon<br />

<strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Werbevideo e<strong>in</strong>es Luxushotels zu sehen war, auf <strong>der</strong> beliebten<br />

Internet-Plattform präsent. Dort ist e<strong>in</strong> merkwürdiges Video hochgeladen,<br />

auf dem zu sehen ist, wie se<strong>in</strong>e Lebenspartner<strong>in</strong>, e<strong>in</strong>e Ex-Agent<strong>in</strong>, zum<br />

Sche<strong>in</strong> verhaftet wird.<br />

Damit nicht genug: Auf Facebook s<strong>in</strong>d unter Gibell<strong>in</strong>is Freunden weitere<br />

Fahn<strong>der</strong> zu f<strong>in</strong>den. Darunter e<strong>in</strong>e Frau <strong>in</strong> sexy Pose und mit e<strong>in</strong>er<br />

Tätowierung am Arm. Sie scheut sich nicht, ihre amtliche E-Mail-Adresse<br />

beim Bundesamt für Polizei anzugeben.<br />

Bei e<strong>in</strong>em weiteren Bundeskrim<strong>in</strong>alpolizisten f<strong>in</strong>den sich unter dessen<br />

«Freunden» <strong>die</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong> e<strong>in</strong>es bekannten Bundesanwaltes. <strong>Die</strong>ser ist bei<br />

<strong>der</strong> obersten Strafverfolgung des Bundes vor allem im Antiterrorbereich<br />

tätig.<br />

Und mit e<strong>in</strong> paar weiteren Klicks ist man auch schon bei den frivolen Fotos<br />

angelangt. So präsentiert sich <strong>die</strong> Facebook-Freund<strong>in</strong> e<strong>in</strong>es Fahn<strong>der</strong>s<br />

halbnackt: mit BH, Föhn und wehendem Haar.<br />

Beim Bund gibt es neben den Top-Fahn<strong>der</strong>n Hun<strong>der</strong>te von<br />

Geheimnisträgern. Dutzende s<strong>in</strong>d auf Facebook präsent. «Dümmer gehts<br />

nicht», sagt e<strong>in</strong> Informatik-Experte beim Bund, <strong>der</strong> anonym bleiben will..<br />

http://www.blick.ch/news/schweiz/duemmer-gehts-nicht-118192<br />

Mit dem Verbot steht <strong>der</strong> Bund nicht alle<strong>in</strong>e da. Erst kürzlich hat <strong>der</strong><br />

Kanton Zürich e<strong>in</strong> solches ausgesprochen. Auch große Firmen wie UBS,<br />

SBB, Post, Coop o<strong>der</strong> <strong>die</strong> Krankenkasse Helsana haben ihren Mitarbeitern<br />

den Facebook-Zugang gekappt.<br />

Ab <strong>der</strong> kommenden Woche werde <strong>die</strong> Seite <strong>in</strong> allen M<strong>in</strong>isterien außer dem<br />

Außenm<strong>in</strong>isterium blockiert. Sollte jemand aus beruflichen Gründen das<br />

Netzwerk nutzen müssen, könne er e<strong>in</strong>e Ausnahmegenehmigung<br />

beantragen.<br />

Suchtkranke <strong>in</strong>filtrieren also Schweizer M<strong>in</strong>isterien und gefährden <strong>die</strong><br />

öffenliche Sicherheit, das heißt mit an<strong>der</strong>en Worten: E<strong>in</strong> empf<strong>in</strong>dlicher Teil<br />

<strong>der</strong> Mitarbeiter<strong>in</strong>nen und Mitarbeiter <strong>der</strong> Schweizer Regierung ist<br />

psychisch krank.<br />

In manchen Artikeln wird diskutiert, ob es klug ist, Menschen, <strong>die</strong> mit<br />

e<strong>in</strong>em Medium nicht umgehen können, gleich zu psychisch Kranken nach<br />

Vortrag R. Wölfle: „<strong>Die</strong> <strong>Flucht</strong> <strong>in</strong> <strong>die</strong> <strong>Virtualität</strong> ...“ Vortrag St. Arbogast 090914<br />

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ICD-10 und DSM-II zu machen, nur damit <strong>die</strong> Kasse zahlt. Es gibt dazu<br />

Stu<strong>die</strong>n, <strong>die</strong>, sollten alle neuen Diagnosen auch aufgenommen werden,<br />

dazu kommt, dass dann ca. <strong>die</strong> Hälfte <strong>der</strong> Bevölkerung als Menschen mit<br />

krankhaften psychiatrischen Störungen zu beurteilen wären.<br />

Schluss: E<strong>in</strong> Vater und se<strong>in</strong>e Söhne (2)<br />

Schluss mit Koverhalten und ich bitte Sie, sich Ihre eigene Me<strong>in</strong>ung dazu<br />

zu machen. Ich habe me<strong>in</strong>en jüngeren Sohn im November an e<strong>in</strong>em<br />

regnerischen Tag kurz vor Mitternacht nach Bregenz <strong>in</strong> <strong>die</strong> Schillerstraße<br />

gebracht, wo er sich das neue Add On kaufen wollte, um noch <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Nacht zu Zocken. Lei<strong>der</strong> klappte es nicht. Es g<strong>in</strong>g beim E<strong>in</strong>legen <strong>der</strong> DVD<br />

lei<strong>der</strong> das Laufwerk flöten, ke<strong>in</strong>e gute Werbung für <strong>die</strong> Firma Apple. Me<strong>in</strong><br />

jüngerer Sohn war zunächst sehr aufgebracht und enttäuscht, weil er sich<br />

schon mit Cola und Knabbersachen e<strong>in</strong>gedeckt hatte. Ich wusste mir<br />

ke<strong>in</strong>en Rat und litt mit ihm, schließelich g<strong>in</strong>gen wir beide um ½ 2 Uhr<br />

schlafen. Über <strong>die</strong> Nacht kam ihm aber <strong>die</strong> rettende Idee. Er spielte <strong>die</strong><br />

DVD über den Computer se<strong>in</strong>es Bru<strong>der</strong>s auf e<strong>in</strong>e externe Festplatte und<br />

dann funktionierte es. Ich wendete mich an das standard-Forum<br />

Ich bekam mehrere ernsthafte und überlegte Antworten <strong>–</strong> unter an<strong>der</strong>em<br />

auch von !? (= Nickname) <strong>–</strong> neben vielen an<strong>der</strong>en, <strong>die</strong> ihre Vorschläge<br />

mitteilten:<br />

Ähnliche Erfahrungen habe ich bloß mit Rohl<strong>in</strong>gen, das liegt mittlerweile<br />

aber auch schon e<strong>in</strong> paar Jahre zurück. Ich kann mir nicht vorstellen, dass<br />

das E<strong>in</strong>legen <strong>der</strong> Disk solche Auswirkungen hat (ich b<strong>in</strong> da aber auch ke<strong>in</strong><br />

Experte) bzw. das Laufwerk dadurch solche "Schäden" davon tragen kann.<br />

Jedenfalls, auch wenn ich ke<strong>in</strong>e Hilfe b<strong>in</strong>, gratuliere ich Ihnen zu Ihrer<br />

ausgesprochen liberalen E<strong>in</strong>stellung. Ich glaube, damit s<strong>in</strong>d Sie <strong>der</strong> Erste,<br />

zum<strong>in</strong>dest aber e<strong>in</strong>er <strong>der</strong> wenigen hier, <strong>der</strong> dem Sohn nicht gleich<br />

Konsequenzen aufbrummt, würde er auf <strong>die</strong> Idee kommen, mitten <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Nacht vorm Softwarehändler Schlange zu stehen und das auch noch unter<br />

<strong>der</strong> Woche!<br />

Vortrag R. Wölfle: „<strong>Die</strong> <strong>Flucht</strong> <strong>in</strong> <strong>die</strong> <strong>Virtualität</strong> ...“ Vortrag St. Arbogast 090914<br />

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