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Ausgabe 2, 12.12.2011 - Pädagogische Hochschule Zürich

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Interview<br />

Aus welchem Grund hast du dich für diese<br />

Studienreise/dieses Modul angemeldet?<br />

Ich finde Erfahrungen von Studienreisen<br />

aus erster Hand sehr wertvoll für mich als<br />

angehende Lehrperson. Dass wir in diesem<br />

spezifischen Fall gleich noch eine mir unbekannte<br />

Kultur und Region bereisen durften<br />

und neue Menschen kennenlernten, machte<br />

das Angebot für mich noch viel interessanter.<br />

Da ich gehört habe, dass die Kosovaren<br />

den Italienern ähneln, war für mich schnell<br />

klar, dass ich mich dort wohl fühlen werde.<br />

Wie hast du dich auf den Aufenthalt<br />

vorbereitet?<br />

Wir hatten drei Vorbereitungstreffen an der<br />

PHZH. Dort lernten wir albanisch. Wir wurden<br />

über das Programm informiert und mit<br />

politischen und kulturellen Informationen<br />

gespiesen. Ausserdem informierten wir uns<br />

mittels der Broschüre „die albanische Bevölkerung<br />

in der Schweiz“ über das Land, welches wir bereisten.<br />

In Gesprächen mit Freunden und Familie bereitete ich meine<br />

Reise vor.<br />

Mit welchen Erwartungen bist du abgereist?<br />

Gutes Essen, warmes Wetter und gastfreundliche Menschen erwartete<br />

ich. Mehr auch nicht.<br />

Wurdest du positiv oder negativ überrascht? Weshalb?<br />

Meine Erwartungen bestätigten sich. Wir hatten zwei Wochen<br />

lang hochsommerliches Wetter. Die Gastfamilie und die Menschen<br />

im Allgemeinen waren gesprächig, interessiert, kommunikativ<br />

und eben sehr gastfreundlich. Einzig das Essen war nur<br />

durchschnittlich.<br />

Positiv überrascht hat mich die Begeisterung für den Fussball.<br />

Ebenfalls freudig stimmte mich die Tatsache, dass das Leben<br />

mehrheitlich auf der Strasse und nicht in den Häusern drin stattfand.<br />

Beschreibe unseren Leserinnen und Lesern den Ort, an dem<br />

deine Gastfamilie lebt sowie etwas über ihre alltägliche<br />

Lebenssituation.<br />

Meine vierköpfige Gastfamilie, Vater, Mutter, Schwester und<br />

Bruder, lebt in einer 3-Zimmerwohnung. Im selben Haus lebt<br />

auch der Bruder des Vaters mit seiner Frau und seinen zwei<br />

Kindern. Im Haus nebenan lebt die Grossmutter und weitere<br />

Geschwister.<br />

Das Haus befindet sich eine Gehminute von der geschäftigsten<br />

Strasse Gilans entfernt, an welcher das Leben Tag und Nacht<br />

pulsiert. Ihr Haus ist ein Backsteinhaus mit einer einfachen Fassade.<br />

Elternschlafzimmer, Kinderzimmer und Wohnzimmer mit<br />

Küche sind die drei Räume, in denen ihr häusliches Leben stattfindet.<br />

Der Vater arbeitet ganztags als Arzt, während die Mutter halbtags<br />

als Krankenpflegerin arbeitet. Die Kinder sind meistens zu<br />

Hause, wenn sie nicht gerade in der Schule weilen. Die Familie<br />

zählt sich zum Mittelstand und ist türkischer Herkunft. Zu Hause<br />

wird türkisch gesprochen. Die Eltern beherrschen viele Sprachen<br />

unter anderem auch Englisch. Das Essen ist wichtigster<br />

Bestandteil des Familienzusammenlebens. Die Familie lacht viel<br />

und ist sehr gastfreundlich.<br />

Was war dein beeindruckendstes Erlebnis?<br />

Als Familienmensch beeindruckte mich besonders, wie herzlich<br />

und dankbar ich von der Familie aufgenommen wurde und mit<br />

welcher Selbstverständlichkeit ich gegenüber allen anderen<br />

bevorzugt wurde. Ich wurde stets als Erster bedient, hatte immer<br />

und überall den lukrativsten Platz und wurde zu jeder Zeit<br />

Miro Rosati<br />

Ich bin 24 Jahre alt.<br />

Studiengang H09.<br />

Geboren, aufgewachsen<br />

und wohnhaft in <strong>Zürich</strong>.<br />

Schulkreis Waidberg:<br />

Primarschule Waidhalde.<br />

Kantonsschule Rämibühl<br />

und Freudenberg. Wichtigstes Hobby ist Sport:<br />

Vereinszugehörigkeit im Fussballverein und im<br />

Radsportverein seit zwei Jahrzehnten. Soziales<br />

Umfeld: 2/3 Schweizer, 1/3 Italiener, Spanier,<br />

Türken, Israelis, Bosnier, Albaner, Serben, Griechen,<br />

Deutsche. Kontakt beschränkt sich heute auf<br />

Schweizer und Italiener.<br />

umsorgt. Ich musste gar nicht mehr für mich denken, denn das<br />

übernahmen die anderen für mich: für mich persönlich ein wohliges<br />

Gefühl.<br />

Kannst du uns Erlebnisse vom Krieg erzählen, die dir deine<br />

Gastfamilie erzählt hat (wie waren sie betroffen / sieht man<br />

noch Kriegsspuren in der Stadt)?<br />

Meine Gastfamilie ist türkischer Herkunft und hat mir erzählt,<br />

dass sie während des Krieges das Land für sechs Monate verlassen<br />

hat. Nach dem Ende des Krieges sind sie wieder zurückgekehrt<br />

und konnten in ihr Haus ziehen, das vom Kriege verschont<br />

geblieben war. So war es ihnen möglich, innert kurzer<br />

Zeit wieder ein normales Leben zu führen und alltäglichen Dingen<br />

nachzugehen. Dies gelang, obwohl das Land arg gebeutelt<br />

war und auch heute noch keine stabile Entwicklung aufweist.<br />

Der Wunsch nach einer gewaltfreien und lebensfreundlichen<br />

politischen Lage begleitete sie über die letzten 10 Jahre hinweg;<br />

nur so kann das Land und dessen Schicksal sich in eine<br />

positive Richtung entwickeln. Ob und wann die Entwicklung<br />

Früchte trägt, darüber sind sich die Familienmitglieder nicht<br />

ganz einig.<br />

Würdest du sagen, dass diese Reise etwas in dir verändert<br />

respektive ausgelöst hat (Lebensstil, Gefühle, Verständnis...)?<br />

Ich habe einen Bezug zu einer mir unbekannten Region und Kultur<br />

geschaffen und einen Ort entdeckt, an dem ich mich wohl<br />

fühle. Ich nehme viele schöne und bedeutende Erfahrungen mit<br />

in die Schweiz. Zum Missfallen meiner Schweizer Kollegen esse<br />

ich kosovarisches Frühstück: Es riecht schon morgens um 7 nach<br />

Zwiebeln, Käse und Würsten.<br />

Zudem bin ich sensibler und interessierter an Nachrichten aus<br />

dem Balkangebiet. Ich schaue auch die Fussballresultate des<br />

K.F. Drita nach und habe Kontakt zur Gastfamilie. Denke ich<br />

an den Kosovo, dann bin ich melancholisch und zufrieden zugleich.<br />

Was hat diese Studienreise für einen Einfluss auf deine<br />

zukünftige Lehrerkarriere?<br />

Ich werde kosovarische Kinder allen anderen gegenüber bevorzugen<br />

- nein, das ist doch Blödsinn. Für mich besteht mein<br />

Auftrag als Lehrer in der Unterstützung und Förderung aller<br />

Schüler und Schülerinnen, ungeachtet ihrer Herkunft, ihrer sozialer,<br />

politischer oder kultureller Identität.<br />

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