BGH, Urteil vom 19. Juli 1973, BGHSt 25, 218 – Normalfahrer ...
BGH, Urteil vom 19. Juli 1973, BGHSt 25, 218 – Normalfahrer ...
BGH, Urteil vom 19. Juli 1973, BGHSt 25, 218 – Normalfahrer ...
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Universitäts-Repetitorium der Humboldt-Universität zu Berlin<br />
sätzlichen Unterlassungsstrafbarkeit nicht mehr bedürfe.<br />
Demnach würde eine Unterlassensstrafbarkeit Antons <strong>–</strong> unabhängig<br />
davon, ob er sich pflichtwidrig oder pflichtgemäß hinsichtlich des Fahrens<br />
mit dem PKW verhielt <strong>–</strong> im vorliegenden Fall schon daran scheitern,<br />
dass grundsätzlich eine Garantenstellung aus Ingerenz nicht in Betracht<br />
käme.<br />
Diese Ansicht hat jedoch das Entstehen großer Strafbarkeitslücken zur<br />
Konsequenz, so dass einer grundsätzlichen Ablehnung der Garantenstellung<br />
aus Ingerenz nicht zuzustimmen ist.<br />
Bei Anerkennung der Ingerenz als Fallgruppe der Garantenstellungen,<br />
ist wiederum deren Reichweite umstritten. Relevant wird dies insbesondere<br />
dann, wenn dem Vorverhalten <strong>–</strong> wie hier dem Autofahren <strong>–</strong> zwar<br />
eine gewisse Gefährlichkeit inne wohnte, selbiges aber nicht pflichtwidrig<br />
bzw. auf Grund besonderer Regelungen dennoch zulässig war. Als<br />
weitere Fallgruppe ist hier an die Konstellation zu denken, in denen das<br />
Vorverhalten, z.B. wegen Notwehr, § 32 StGB, gerechtfertigt war.<br />
Nach der Verursachungstheorie setzt eine Garantenstellung aus Ingerenz<br />
lediglich die Verursachung einer Gefahr voraus. Pflichtwidriges<br />
Vorverhalten sei hingegen nicht notwendig, denn es wäre widersprüchlich,<br />
einerseits dem in Notwehr Handelnden Beschränkungen durch<br />
das Erfordernis der „Gebotenheit“ aufzuerlegen, andererseits ihm freizustellen,<br />
nach dem Angriff Schutzmaßnahmen zu ergreifen oder<br />
nicht. Auch sei davon auszugehen, dass sich subjektiv jeder für Gefahren<br />
verantwortlich fühle, die durch ihn hervorgerufen werden, unabhängig<br />
davon, ob dieses Verhalten pflichtwidrig war oder nicht. Nach<br />
Abschluss eines Angriffs dürfe der Angreifer zudem nicht „vogelfrei“<br />
werden. Hiernach hätte sich Anton im vorliegenden Fall wegen Totschlags<br />
durch Unterlassen strafbar gemacht. Regelmäßig sei nämlich<br />
jede Teilnahme am Straßenverkehr mit einem Kraftfahrzeug objektiv<br />
gefahrschaffend, auch wenn sich der Fahrer vorschriftsgemäß verhalte,<br />
da hierdurch immer das potentielle Risiko eines Unfalls begründet<br />
werde. „Erlaubt“ die Rechtsordnung unter bestimmten Umständen ein<br />
gefährliches Verhalten, müsse dem Betreffenden zugemutet werden<br />
können, Rettungsmaßnahmen zu ergreifen, wenn sich die „erlaubte“<br />
Universitäts-Repetitorium der Humboldt-Universität zu Berlin / Strafrecht / Prof. Heinrich