Der Archivar, Heft 3, 1999 - Archive in Nordrhein-Westfalen

Archivberatungsstelle Thüringen - staatlicher Service für den nichtstaatlichen Archivbereich
Bettina Fischer
Das Land Thüringen verabschiedete 1992 als erstes neues Bundesland ein Archivgesetz, das den
Umgang mit öffentlichem Archivgut regelt, archivwürdige Unterlagen gegen Vernichtung und
Zersplitterung schützt und die allgemeine Verantwortung für die Archivpflege festschreibt.
Konsequenterweise erstreckt sich sein Geltungsbereich nicht nur auf das staatliche Archivwesen,
sondern auf das öffentliche Archivwesen insgesamt. In besonderem Maße fördert das Land den
Schutz und die Erhaltung archivalischer Quellen für die Orts- und Landesgeschichte aus dem
nichtstaatlichen Bereich. Zu diesem Zweck wurde am 1. Juli 1993 eine Archivberatungsstelle als
eigenständige Landesinstitution eingerichtet, die dem Thüringer Ministerium für Wissenschaft,
Forschung und Kultur direkt nachgeordnet ist und ihren Dienstsitz beim Thüringischen
Hauptstaatsarchiv Weimar hat. Die Dienstgeschäfte werden von einer Archivarin des höheren
Dienstes geführt.
Die Archivberatungsstelle betreut ca. 150 Archive und deren Eigentümer wie Stadt- und
Kreisverwaltungen, Religionsgemeinschaften, Wirtschaftsunternehmen, wissenschaftliche
Einrichtungen, Medien sowie Parteien, Vereine und Verbände - unter Umständen auch
Privatpersonen - in Thüringen. Tätigkeitsschwerpunkte sind dabei die Unterstützung bei Aufbau,
Einrichtung und Unterhaltung fachlich geführter Archive sowie die Erarbeitung grundlegender
Empfehlungen und Richtlinien für die Archivarbeit. So konnten bereits vorgelegt werden: Richtlinien
für die Ersatzverfilmung von Schriftgut und die Sicherheits- und Schutzverfilmung von Archivgut
und Zeitungen, daneben Musterempfehlungen für Archivsatzung, Gebührenordnung,
Depositalvertrag und archivische Gemeinschaftseinrichtung sowie ein in Zusammenarbeit mit dem
Richard Boorberg Verlag und der Kommunalen Gemeinschaftsstelle Köln (KGSt) erarbeiteter
Aktenplan einschließlich eines Verzeichnisses von Aufbewahrungsfristen für die Kommunen des
Freistaates Thüringen. Die Archivberatungsstelle beantwortet schriftliche und mündliche Anfragen
zu allen archivspezifischen praktischen und theoretischen Problemen, wie zum Beispiel Bewertung,
Erschließung und Auswertung von Archivgut, Bestandsergänzung, Konservierung und Restaurierung
des Archivgutes einschließlich archivischen Sammlungsgutes, Einstellung von Fachpersonal, Fragen
der Archivausstattung und Archivhygiene sowie zu Brandschutz- und Sicherheitstechnik, Ersatz- und
Sicherungsverfilmung und dem Umgang mit dem Thüringer Archivgesetz. "Vor-Ort-Besuche" in
Archiven dienen dem unmittelbaren Erfahrungsaustausch und bieten die Möglichkeit der Erarbeitung
von speziellen Empfehlungen für die betreffenden Archive.
Archive sind zentrale Orte geschichtswissenschaftlicher Forschung und in zunehmendem Maße
Stätten historischer und politischer Bildungsarbeit breiter Bevölkerungskreise geworden. Um dem
gestiegenen Interesse der Öffentlichkeit und der damit verbundenen verstärkten Nachfrage nach
historischen Informationen gerecht werden zu können, müssen die Archive und Archivare befähigt
werden, Archivalien zur Benutzung bereitzustellen und qualitativ hochwertige Auskünfte zu erteilen.
Längst ist es nicht mehr ausreichend, sich auf die archivischen Kernaufgaben zu beschränken. Von
den Archivaren wird heute ein hohes Maß an Öffentlichkeitsarbeit in Form von Ausstellungen,
Publikations- und Vortragstätigkeit und Archivpädagogik erwartet. Ein weiterer Arbeitsschwerpunkt
Der Archivar, Heft 3, 1999