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------ 8. curt VErlgEIcht<br />
Kaufhaus-Café Vs.<br />
Noch nicht lange gibt es sogenannte Shopping-<br />
Nights, in denen deutsche Kaufhäuser 24 Stunden<br />
lang ihre Kunden zum Einkaufen einladen.<br />
Resultat ist jedes Mal eine hohe Anzahl an<br />
Schnaps- und Bierleichen, die die ganze Nacht<br />
von Sanitätern aus den Läden herausgezogen<br />
werden müssen. Den Stoff gibt es an den wohl<br />
trostlosesten Zapfsäulen der Stadt, den Bistros<br />
und Cafés der örtlichen Kaufhäuser. Sollte ich<br />
irgendwann einmal Lust bekommen, mich an<br />
kriminellen Machenschaften zu beteiligen, mit<br />
den Komplizen oder Auftraggebern würde<br />
ich mich ausschließlich in den Bars von Hertie,<br />
Kaufhof oder Karstadt verabreden. Einen<br />
unauffälligeren Ort gibt es nicht. Mindestens<br />
genauso farblos gehen die endlos vielen Mitarbeiter<br />
im Mikrokosmos Kaufhaus unter. So wie<br />
der Haushaltswarenvertreter, dessen biederes<br />
Outfit sich nahezu perfekt mit der gestreiften<br />
Tapete an der Gipswand im Bistro deckt. An<br />
ihm vorbei schwebt eine Duftwolke, von der<br />
sich schwer differenzieren lässt, ob sie nun<br />
nach Alkohol oder Duftwasser stinkt. Eindeutig<br />
auszumachen sind dagegen die Verursacher: die<br />
Damen aus der Parfüm- und Make-up-Abteilung.<br />
Bei Eckes Edelkirsch und staubtrockener<br />
Apfeltasche erreicht die Mittagspause lautstark<br />
ihren gackernden Höhepunkt. Der Barista<br />
schüttelt nur den Kopf und legt den selbigen<br />
in die Schlaufe eines von der schmucklosen<br />
Wand herunterhängenden Galgens. Nur allzu<br />
verständlich.<br />
curt VErlgEIcht .9 ---------<br />
Cafe KreutzKamm<br />
Okay, die Einrichtung im traditionsreichen Café Kreutzkamm<br />
hat sich schon der heutigen Zeit angepasst, wirkt aber trotz<br />
Fassade und Theke ganz aus Glas angenehm leger.<br />
Geblieben sind pastellfarbene Sofagarnituren und Tapeten<br />
die dem Café Glanz verleihen und an die Atmosphäre eines<br />
gemütlichen Kaffeehauses erinnern. Mindestens genauso<br />
leger und dabei elegant sind die feinbetuchten, beschei-<br />
den geschminkten Damen, die sich hier zum wöchent-<br />
lichen Kaffeekränzchen treffen.<br />
Das Durchschnittsalter der Gäste<br />
liegt hier etwa bei 80. Klar, dass<br />
hier nicht der Punk abgeht, aber<br />
für eine Stimmung wie in einem<br />
Altersheim sind die Gäste viel<br />
zu wach. Wie viel Verdauungserfahrung<br />
ein Magen um 12 Uhr<br />
mittags haben muss, um bei<br />
Haselnusscremetorte und<br />
Bier nicht den überblick<br />
zu verlieren, wissen<br />
wahrscheinlich nur die<br />
Omis am Nebentisch, die<br />
sich gerade diese Kombination<br />
aus Alkohol und<br />
Sahne reinziehen. Dabei<br />
haben Edeltraud, Gerlinde<br />
und Else den etwa 40-jährigen<br />
Kellner mit viel Gel in<br />
den Haaren im Visier. Zu flapsig<br />
nahm er soeben die Bestellung<br />
der Damen entgegen: „Mei, da ist<br />
er wieder, unser Schönling!“<br />
„Aber a bissl frech ist er heut!“<br />
„Na, aber immer noch besser als die mit<br />
dem dicken Hintern!“, lästert Gerlinde und<br />
nippt an der Halben Bier. Der Kellner verschwindet<br />
entnervt zur Tortenplatte an die Theke. Entschlossen nimmt er die Schwarzwälderkirsch<br />
in die rechte Hand und wirft die Kalorienbombe im hohen Bogen, mit dem Ziel,<br />
die charmanten Amazonen der alten Schule zu treffen. Den Tisch verfehlt er nur äußerst<br />
knapp. Eine Riesensauerei.<br />
TEXT: MARTIN EMMERLING; ILLU: BAVARIAN ARTISTS NETWORK