Mary Kingsley: Meine Zeit in Westafrika 1895

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ist zehnmal so bunt und eindrucksvoll wie eine Parade der königlichen Soldaten in London. Ich kann es kaum noch erwarten, endlich tiefer in den Regenwald einzudringen, um richtig mit meinen Forschungen zu beginnen und die Tiere aus der Nähe beobachten zu können. Auch bei meinen Reisebegleitern kann ich eine große Rastlosigkeit und Unruhe feststellen. Sie wollen nun nach Monaten auf See wieder nach England zurückkehren. Ich werde dagegen alleine mit den Einheimischen weiter ins Landesinnere ziehen. Angst habe ich eigentlich keine. Ich glaube nämlich, dass man dort einigermaßen gut leben kann, wenn man sich anpasst und die Natur respektiert. Und während des anstrengenden Marsches durch den Dschungel, der unweigerlich vor uns liegt, kann ich keine jammernden, sich ständig beschwerenden Menschen um mich herum brauchen, die obendrein noch meine Methoden im Umgang mit den Schwarzen kritisieren. Außerdem fassen die Einheimischen in den Urwäldern zu einer einzelnen Frau leichter Vertrauen. Vermutlich sind sie der Meinung, ich wäre nicht so gefährlich wie eine Horde fremder, weißer und lärmender Männer. Damit haben sie ja auch recht. Das soll nicht bedeuten, dass ich ihnen hilflos ausgeliefert sein werde oder dergleichen. Nein, ganz im Gegenteil. Doch ich bevorzuge andere Wege als offene Gewalt, die noch dazu viel erfolgreicher sind als Schießereien, schon weil es schwierig ist, die Lebensweise toter Menschen zu erforschen oder sie über ihre Gewohnheiten und Bräuche auszufragen. Ich setze meine Hoffnung in die Kommunikation, das offene Gespräch und die Verhandlung. Wenn man sich Mühe gibt, kann man sogar die Sprachbarriere überwinden, indem man Gesten benutzt, und wir haben schließlich noch unseren Dolmetscher, der Sprachen beherrscht, die denen der Kannibalenstämme sehr nahe kommen. Denn dann haben beide Seiten etwas von unserem Besuch, wir und die Ureinwohner. Wir können nützliche und interessante Informationen sammeln, sie bekommen von uns Dinge geschenkt, die sie selbst nicht herstellen können, wie zum Beispiel Stoffe und Perlenschmuck. Der Großteil der Crew der Batanga ist ohnehin schon von Calabar aus heimgesegelt. Hier in Afrika bleiben nur meine einheimischen Führer, die mir helfen werden, mich zu verständigen und mein Gepäck zu transportieren. Außerdem will Mr. Cormack in der Umgebung von Libreville nach Gold suchen und auf meine Rückkehr warten. Aber das wir jetzt nur noch so wenige sind, ist gut so. Dies ist meine Expedition, also werde ich alle Entscheidungen alleine treffen, ohne Einmischung von männlicher Seite, und niemand wird mich daran hindern. 13.Mai 1895 Momentan bin ich so wütend, dass ich am liebsten einige Leute links und rechts ohrfeigen würde. So eine Unverschämtheit! Nicht mal hier, am Ende der Welt, ist man von Anfeindungen und Spott gefreit, wenn man als Frau selbstständig handelt.
Schon während meines Kurzaufenthaltes in Port Galant musste ich allerlei missbilligende Blicke der Einwohner ertragen, da ich als einzige Frau mit einer Gruppe schwarzer Männer unterwegs war. Aber das war noch vergleichsweise harmlos, die richtigen Beleidigungen fingen erst an, als wir an eine Grenzstation kamen, die sich einige Meilen weiter im Landesinneren befindet. Als ich mich bei einem der Grenzbeamten anmeldete, blickte sich dieser ständig suchend um. Ich fragte ihn, was um Gottes Willen los sei. Daraufhin schaute er mich erstaunt an und erklärte, er warte natürlich noch auf meinen Gatten, um mit ihm die Formalitäten bezüglich des Zolls erledigen zu können. Just zu diesem Zeitpunkt trat einer meiner afrikanischen Führer an mich heran und sagte: „Sir, wo sollen wir das Gepäck abladen?“ Für mich ist es völlig normal, so von den Einheimischen betitelt zu werden, es ist keine Beleidigung, sondern ein Zeichen ihrer Ehrerbietung. Dem Grenzposten hingegen blieb der Mund offen stehen. Er blickte mich an, als wäre ich eine Verrückte oder als müsse er sich vergewissern, dass er sich hinsichtlich meines Geschlechts auch wirklich nicht getäuscht hatte. Schließlich blieb sein Blick an meiner Brust hängen, dem eindeutigen Beleg dafür, dass ich dem weiblichem Geschlecht angehöre. Ich ließ ihn ein oder zwei Sekunden gewähren, dann wollte ich von ihm in wissen, ob er es nicht unhöflich fände, gewisse Körperteile einer feinen englischen Lady auf diese Weise anzustarren. Daraufhin zuckte er wie von einer Hornisse gestochen zusammen und wendete seinen Blick ab. Ich dachte schon, ich hätte ihn soweit, dass er mir keine Probleme mehr macht, aber dann wollte mir dieser Lackaffe doch tatsächlich verbieten, den Regenwald ohne „anständige“ Begleitung zu betreten, das könne er mit seinem Gewissen nicht vereinbaren. Unser folgendes Streitgespräch hier vollständig anzuführen, wäre zu mühsam, es war jedenfalls sehr laut und emotionsgeladen. Das Ende vom Lied war eine Aufforderung meinerseits zu einem Wettschießen, selbstverständlich mit richtigen Gewehren. Und da die werten Herren ja der Meinung waren, ich würde ohnehin nicht treffen, schlug ich vor, Geldmünzen ihres Monatsgehalts als Zielscheibe zu verwenden. Überheblich grinsend stimmten die Männer zu. Wahrscheinlich rechneten sie sich leichte Siegeschancen aus und hielten sich selbst für die Größten. Doch mit der Zeit verging ihnen das Lachen. Das Schließen habe ich nämlich vor einigen Jahren von einem afrikanischen Großwildjäger gelernt, dessen Leben oftmals von seiner Treffsicherheit abhing, und so traf ich jede einzelne Münze. Um es kurz zu machen: Eine knappe halbe Stunde später mussten die Grenzbeamten zähneknirschend eingestehen, dass ich mit dem Gewehr besser umgehen kann als ein Großteil der Männer. Und diese Schnösel von Besserwissern waren sehr zu meiner Zufriedenheit auch noch um ein gutes Stück ärmer. Doch wenigstens verhielten sie sich danach mir gegenüber äußerst höflich und zuvorkommend, da ich die Wette gewonnen hatte, musste ich für unseren Alkohol glücklicherweise keinen Zoll zahlen. Das wäre teuer geworden.
Seite 1 und 2: Liverpool, 22.12.1894 Mary Kingsley
Seite 3 und 4: 5. Januar 1895 Endlich sind wir unt
Seite 5: Meer war fast schwarz, der Regen pe
Seite 9 und 10: Mit Mut hat so etwas dann vielleich
Seite 11 und 12: Da wurde mit schlagartig noch etwas
Seite 13 und 14: Ich verstand nicht, was los war, nu

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