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medtropoleAktuelles aus der Klinik für einweisende Ärzte - Asklepios

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medtropole Aktuelles<br />

Nr. 21 April 2010<br />

CHIRURGIE:<br />

Virtuelle Operationsplanung und Navigation<br />

RHEUMATOLOGIE:<br />

Systemische Sklerose o<strong>der</strong> Sklero<strong>der</strong>mie<br />

NEUROLOGIE:<br />

Graduierung von Stenosen <strong>der</strong> A. carotis interna<br />

<strong>aus</strong> <strong>der</strong> <strong>Klinik</strong><br />

<strong>für</strong> <strong>einweisende</strong> <strong>Ärzte</strong>


Impressum<br />

Redaktion<br />

Jens Oliver Bonnet<br />

(verantw.)<br />

Prof. Dr. Dr. Stephan Ahrens<br />

Prof. Dr. Christian Arning<br />

PD Dr. Oliver Detsch<br />

Dr. Birger Dulz<br />

PD Dr. Siegbert Faiss<br />

Dr. Christian Frerker<br />

Dr. Annette Hager<br />

Dr. Susanne Huggett<br />

Prof. Dr. Uwe Kehler<br />

Dr. Jürgen Ma<strong>der</strong>t<br />

Prof. Dr. Jörg Schwarz<br />

PD Dr. Gunther Harald Wiest<br />

Prof. Dr. Gerd Witte<br />

Cornelia Wolf<br />

Her<strong>aus</strong>geber<br />

<strong>Asklepios</strong> <strong>Klinik</strong>en<br />

Hamburg GmbH<br />

Unternehmenskommunikation<br />

Rudi Schmidt V. i. S. d. P.<br />

Rübenkamp 226<br />

22307 Hamburg<br />

Tel. (0 40) 18 18-82 66 36<br />

Fax (0 40) 18 18-82 66 39<br />

E-Mail:<br />

medtropole@asklepios.com<br />

Auflage: 15.000<br />

Erscheinungsweise:<br />

4 x jährlich<br />

ISSN 1863-8341<br />

Editorial<br />

Liebe Leserinnen und Leser,<br />

auf dem Titel erkennen Sie Sie einen Ausschnitt <strong>aus</strong> den aufwendigen Rekonstruktionen,<br />

welche basierend auf CT-Daten <strong>für</strong> die detaillierte und computernavigierten<br />

Operationsplanung und <strong>der</strong>en Navigation bei Leberteilresektion<br />

notwendig sind. Hier bringen Prof. Karl-J. Oldhafer und sein Team mit den<br />

Oberärzten Dr. Stavrou und Dr. Falk neue Expertise nach Hamburg-Barmbek,<br />

die beson<strong>der</strong>s <strong>für</strong> Patienten mit Lebermetastasen o<strong>der</strong> primären Lebertumoren<br />

eine kurative Chance bietet. Diese Rekonstruktionen helfen, die Grenze <strong>der</strong><br />

Resektabilität immer weiter voran zu schieben, und werden durch eine Ko -<br />

operation mit dem Fraunhofer-Institut in Bremen ermöglicht.<br />

Die Demenz ist ein zunehmend häufige Erkrankung und damit – neben dem Schicksal des Einzelnen<br />

und <strong>der</strong> Angehörigen – nicht zuletzt auch ein gesundheitspolitisches Thema, mit dem wir alle<br />

uns <strong>aus</strong>einan<strong>der</strong>setzen müssen. Dr. Wächtler zeigt <strong>aus</strong>führlich auf, dass es sich bei <strong>der</strong> dementiellen<br />

Entwicklung in immerhin knapp zehn Prozent um behebbare Ursachen wie Normaldruckhydro -<br />

cephalus, operable Tumoren o<strong>der</strong> chronische Intoxikation handelt. Die notwendigen Schritte zur<br />

Diagnostik und die <strong>aus</strong> <strong>der</strong> Diagnose abzuleitenden therapeutischen Schritte entnehmen Sie bitte<br />

dem Artikel ab Seite 782.<br />

Dass die Stenose <strong>der</strong> Arteria carotis interna ein häufiges Krankheitsbild ist, ist bekannt. Symptomatische<br />

Carotisstenosen tragen auch ein Risiko einer erneuten Symptomatik mit zum Teil über<br />

zehn Prozent Schlaganfallrisko pro Jahr, weshalb eine Sekundärprophylaxe indiziert ist – ab einem<br />

höhergradigen Stenosebild. Was aber ist eine höhergradige Stenose? Hier wie<strong>der</strong>sprechen sich<br />

häufig die Aussagen von Ultraschall und MR- beziehungsweise CT-Angiographie. Dies ist zu<br />

einem großen Teil <strong>der</strong> unterschiedlichen Messmethodik geschuldet, welche bei <strong>der</strong> Ultraschallmessung<br />

nach ECST Strömungswerte wie auch von Lumen zu dem gesamten Durchmesser ins<br />

Verhältnis setzt – im Gegensatz zu den Kriterien <strong>der</strong> MR- und CT-basierten Auswertung, die das<br />

Verhältnis zu dem Durchmesser des Gefäßes hinter <strong>der</strong> Stenose erfasst. In dieser Ausgabe stellt<br />

Prof. Arning wichtige Än<strong>der</strong>ungen vor, die eine Vergleichbarkeit <strong>der</strong> Verfahren ermöglicht.<br />

Sollte dieses Thema <strong>für</strong> Sie interessant sein, ist <strong>der</strong> Artikel zur Revision und Transferierung <strong>der</strong><br />

DEGUM-Ultraschall-Kriterien in die NASCET-Definition <strong>für</strong> Sie mit den aktuellen Haupt- und<br />

Nebenkriterien ein Muss.<br />

Bitte beachten Sie neben den interessanten Artikeln über Systemische Sklero<strong>der</strong>mie, den kardio -<br />

logisch-interventionellen Verschluss bei Vorhofflimmern, die Spondylodese bei degenerativen Ver -<br />

än<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong> HWS und weitere Themen auch die Ankündigung <strong>der</strong> kommenden Einweiser -<br />

befragung auf <strong>der</strong> Rückseite dieses Heftes.<br />

Ich wünsche ich Ihnen ein anregendes Studium <strong>der</strong> Artikel und verbleibe mit besten Grüßen<br />

Ihr<br />

Prof. Dr. Roland Brüning<br />

Ärztlicher Direktor <strong>der</strong> <strong>Asklepios</strong> <strong>Klinik</strong> Barmbek


Inhalt<br />

772 | CHIRURGIE<br />

Virtuelle Operationsplanung<br />

und Navigation in <strong>der</strong> Leberchirurgie<br />

776 | RHEUMATOLOGIE<br />

Komplexe Erkrankung mit vielfältigen Komplikationen:<br />

Systemische Sklerose o<strong>der</strong> Sklero<strong>der</strong>mie<br />

780 | KARDIOLOGIE<br />

Schlaganfallprophylaxe bei Patienten mit Vorhofflimmern:<br />

Perkutaner Verschluss des linken Herzohrs<br />

782 | PSYCHIATRIE<br />

Demenzen im Alter<br />

Häufigkeit, Erscheinungsformen, therapeutische Ansätze<br />

786 | NEUROCHIRURGIE<br />

Ventrale Spondylodese bei degenerativen Erkrankungen <strong>der</strong> Halswirbelsäule<br />

789 | ALLGEMEIN- UND VISZERALCHIRURGIE<br />

Marketing o<strong>der</strong> echter Fortschritt?<br />

Single Port Surgery macht Fortschritte – aber es gibt noch viele Fragezeichen<br />

792 | NEUROLOGIE<br />

Graduierung von Stenosen <strong>der</strong> A. carotis interna<br />

794| PERSONALIA<br />

796 | LABORMEDIZIN<br />

Tuberkulose – ein Update<br />

Aktuelle Strategien <strong>für</strong> Diagnostik und Therapie<br />

800 | KLINIKBEWERTUNG IN DER VIERTEN DIMENSION<br />

Einweiserzufriedenheit –<br />

ein wichtiger Indikator <strong>für</strong> die Qualität einer <strong>Klinik</strong><br />

S. 772<br />

S. 786<br />

S. 796


Medtropole | Ausgabe 21 | April 2010<br />

Virtuelle Operationsplanung<br />

und Navigation in <strong>der</strong> Leberchirurgie<br />

Prof. Dr. Karl J. Oldhafer, Dr. Gregor A. Stavrou<br />

Bei Tumorerkrankungen <strong>der</strong> Leber stellt die Leberresektion auch heute noch die einzige Therapie mit kurativer<br />

Intention dar. Die in den vergangenen 20 Jahren erzielten enormen Fortschritte in Operationstechnik und<br />

perioperativem Management ermöglichen, die Leberresektion heute in spezialisierten Zentren mit akzeptabler<br />

Morbidität und nahezu ohne Mortalität durchzuführen. [1] Allerdings steigt das Risiko <strong>für</strong> Komplikationen und ein<br />

postoperatives Leberversagen mit <strong>der</strong> Komplexität des Eingriffs und dem Resektions<strong>aus</strong>maß deutlich. [2] Die exakte<br />

Planung des Eingriffs ist daher <strong>für</strong> das Ergebnis ebenso wichtig wie die Erfahrung des Operateurs. Aus diesem<br />

Grund hat die computerassistierte Resektionsplanung in unserem Zentrum <strong>für</strong> Hepatobiliäre Chirurgie einen<br />

großen Stellenwert.<br />

Die <strong>für</strong> eine <strong>aus</strong>reichende postoperative<br />

Leberfunktion notwendige kritische Parenchymmenge<br />

ist von vielen Faktoren abhängig<br />

und nur schwer zu bestimmen – eine<br />

kritische Grenze von 25 Prozent des funktionellen<br />

Leber<strong>aus</strong>gangsvolumens sollte<br />

bei nicht vorgeschädigter Leber aber nicht<br />

unterschritten werden. Dabei sind <strong>für</strong> die<br />

<strong>aus</strong>reichende Funktion <strong>der</strong> Restleber <strong>der</strong>en<br />

Vaskularisation und biliäre Drainage entscheidend.<br />

Die von Couinad beschriebene<br />

Aufteilung <strong>der</strong> Leber in acht Segmente mit<br />

regelhafter Aufteilung <strong>der</strong> intrahepatischen<br />

Gefäßversorgung erwies sich in anatomischen<br />

und radiologischen Studien als idealisierte<br />

Darstellung. Tatsächlich besteht<br />

eine große Variationsbreite im Hinblick auf<br />

die Größe <strong>der</strong> einzelnen Segmente und<br />

<strong>der</strong>en Vaskularisation, [3] was die Abschätzung<br />

<strong>der</strong> funktionellen Reservekapazität<br />

insbeson<strong>der</strong>e bei <strong>aus</strong>gedehnten Resektionen<br />

erschwert.<br />

772<br />

Virtuelle Operationsplanung<br />

Die zweidimensionale CT- und MRT-<br />

Diagnostik kann zwar Tumoren und ihre<br />

Lagebeziehung zu Gefäßen visualisieren<br />

und auch das Volumen <strong>der</strong> Restleber<br />

abschätzen, doch eine Volumetrie <strong>der</strong> einzelnen<br />

Gefäßterritorien und somit eine<br />

Abschätzung <strong>der</strong> genauen funktionellen<br />

Reservekapazität ist damit nicht möglich.<br />

Dies ist insofern bedeutsam, da anhand<br />

<strong>der</strong> 2D-Daten nicht <strong>der</strong> Einfluss des notwendigen<br />

Sicherheitsabstandes beziehungsweise<br />

<strong>der</strong> individuellen Operationsstrategie<br />

auf die Vaskularisation visualisert<br />

werden kann. Das führt zu einem deutlich<br />

erhöhten Risiko <strong>für</strong> min<strong>der</strong>durchblutete<br />

o<strong>der</strong> schlecht drainierte Bezirke <strong>der</strong> Restleber<br />

und damit auch zu einer erhöhten Rate<br />

an Infektionskomplikationen und Leberversagen.<br />

Die dreidimensionale Operationsplanung<br />

des vom Fraunhofer-MeVis Institut entwickelten<br />

Software-Tools HepaVision ermöglichte<br />

einen entscheidenden Schritt: [4]<br />

Heute lässt sich mit den weiterentwickelten<br />

Systemen LiverAnalyzer und LiverExplorer<br />

ein patientenindividueller Resektions-<br />

vorschlag ermitteln, <strong>der</strong> die anatomischen<br />

Gegebenheiten respektiert und das perioperative<br />

Risiko des Patienten minimiert.<br />

Grundlage <strong>der</strong> Planung ist ein hochauflösendes,<br />

mehrphasiges Multi-Slice-CT <strong>der</strong><br />

Leber. Dar<strong>aus</strong> werden sämtliche intrahepatischen<br />

Strukturen (Tumor, Arterie, Pforta<strong>der</strong><br />

Lebervenen und wenn nötig auch<br />

Gallenwege) segmentiert, in einer hierarchischen<br />

Struktur registriert und dreidimensional<br />

rekonstruiert (Abb. 1, Verarbeitungsschema).<br />

So lässt sich das <strong>für</strong> jeden<br />

Gefäßast abhängige Territorium visualisieren.<br />

Dies ermöglicht eine virtuelle OP-Planung,<br />

in <strong>der</strong> die Schnittführung nicht nur<br />

die individuelle Leberanatomie, son<strong>der</strong>n<br />

auch die topographische Beziehung <strong>der</strong><br />

Tumore zu den vaskulären Strukturen und<br />

damit den gefährdeten Gefäßterritorien<br />

berücksichtigt. Der Chirurg kann den Einfluss<br />

unterschiedlicher Resektionsebenen<br />

auf das Restlebervolumen simulieren und<br />

damit die verbleibende vaskuläre Versorgung<br />

und Drainage genau berechnen. So<br />

wird die optimale Schnittführung ermittelt,<br />

die den onkologischen Kriterien genügt<br />

und eine möglichst große funktionelle<br />

Reservekapazität erlaubt (Abb. 2). Ist zu


Abb. 1: Verarbeitungsschema <strong>der</strong> MeVis-Software – die Gefäßanatomie wird <strong>aus</strong> den<br />

2D-CT-Daten her<strong>aus</strong>segmentiert und die resultierenden Gefäßterritorien <strong>der</strong> einzelnen<br />

Gefäßäste werden berechnet; anhand <strong>der</strong> 3D-Daten wird ein Resektionsvorschlag<br />

ermittelt<br />

diesem Zeitpunkt bereits die kritische<br />

Grenze an Restlebervolumen erreicht, lässt<br />

sich die Reservekapazität durch verschiedene<br />

Strategien wie die Pforta<strong>der</strong>embolisation<br />

o<strong>der</strong> das zweizeitige Vorgehen steigern<br />

(Abb. 3).<br />

Ein weiterer Aspekt betrifft die hepatische<br />

Drainage. Das lebervenöse System ist deutlich<br />

variabler als das portalvenöse System.<br />

Die 3D-Visualisierung ermöglicht durch<br />

Analyse <strong>der</strong> venösen Risikoterritorien eine<br />

wesentlich bessere Abschätzung <strong>der</strong> venösen<br />

Drainage als die konventionelle CT-<br />

Planung. Bereits bei <strong>der</strong> Planung kann so<br />

ein gefährdetes Areal identifiziert werden –<br />

das Risiko lässt sich intraoperativ durch<br />

eine entsprechende venöse Rekonstruktion<br />

minimieren. So wird gegebenenfalls ein<br />

gefährdetes Areal mitreseziert, um spätere<br />

Komplikationen, beispielsweise durch ein<br />

gestautes Areal, zu vermeiden. Kann auf<br />

die Parenchymreserve nicht verzichtet werden,<br />

ist so eine gezielte venöse Rekonstruktion,<br />

beispielsweise durch ein Interponat,<br />

möglich (Abb. 4). Abb. 4 zeigt einen<br />

Fall in dem ein großer Teil <strong>der</strong> Restleber<br />

durch eine kräftige Segment-III-Vene drainiert<br />

wird, <strong>der</strong>en Stamm aber in <strong>der</strong> Resek-<br />

tionslinie liegt. Durch venöse Rekonstruktion<br />

des Gefäßes mit einem V. Saphena<br />

Interponat auf die V. Cava konnte eine<br />

Min<strong>der</strong>durchblutung vermieden werden,<br />

so dass eine <strong>aus</strong>reichende Reservekapazität<br />

resultierte.<br />

Der Vorteil <strong>der</strong> 3D-Planung wird beson<strong>der</strong>s<br />

bei erweiterten Hemihepatektomien links<br />

deutlich, bei denen in <strong>der</strong> CT-Volumetrie<br />

meist <strong>aus</strong>reichend Restparenchym zu verbleiben<br />

scheint, es aber vermehrt zu Problemen<br />

<strong>der</strong> venösen Drainage kommt –<br />

was unter an<strong>der</strong>em mit <strong>der</strong> komplexen<br />

und variablen Anatomie <strong>der</strong> mittleren<br />

Lebervene zusammenhängen könnte. Die<br />

3D-Analyse sorgt bei diesen komplexen<br />

Resektionen <strong>für</strong> eine verbesserte Sicherheit<br />

<strong>der</strong> Operationsplanung (Abb. 5). Auch bei<br />

Rezidiveingriffen ist die Analyse sehr hilfreich,<br />

da in diesen Fällen nach durch<strong>aus</strong><br />

komplexen Voroperationen, bedingt durch<br />

die Hypertrophie <strong>der</strong> Restleber, keine typische<br />

Anatomie mehr vorhanden ist, so dass<br />

eine Operationsplanung selbst <strong>für</strong> lokale<br />

Resektionen schwierig sein kann (Abb. 6).<br />

Eine Analyse <strong>der</strong> eigenen Daten unserer<br />

prospektiven Datenbank von 2005 – 2007<br />

Chirurgie<br />

identifizierte 137 Patienten die sich zur<br />

Klärung <strong>der</strong> Operabilität vorstellten. Eine<br />

Resektion wurde bei 108 Patienten durchgeführt.<br />

In 34 Fällen wurde die MeVis Analyse<br />

benutzt (m = 20, w = 14, Altersdurchschnitt<br />

64 Jahre) – kolorektale Metastasen<br />

wurden dabei in 24, primäre Tumore in<br />

zehn Fällen behandelt, bei acht Resektionen<br />

handelte es sich um einen Zweiteingriff.<br />

Das Operationsspektrum beinhaltete Segmentektomien<br />

(13), Hemihepatektomien<br />

(4), erweiterte Resektionen (6), Mesohepatektomie<br />

(1). Bei allen Patienten stellte die<br />

Operationsplanung <strong>für</strong> den Operateur<br />

einen Sicherheitsgewinn dar. In drei Fällen<br />

än<strong>der</strong>te sich die Strategie nach <strong>der</strong> Analyse<br />

(Mesohe patektomie > inoperabel [1],<br />

inoperabel > erweiterte Rechtsresektion<br />

[1]/ Mesohe patektomie [1]). In diesen Fällen<br />

war die Tumorlokalisation im medianen<br />

Sektor (2) sowie rechten Lappen und<br />

medianem Sektor (1). Die Strategie konnte<br />

in zwei Fällen nicht verfolgt werden<br />

(Rechtshepatektomie > erweiterte Rechtshepatektomie,<br />

Rechtshepatektomie > Anteriore<br />

Segmentektomie. Postoperativ trat bei<br />

keinem unserer Pa tienten eine klinisch<br />

relevante Leberinsuffizienz auf.<br />

773


Medtropole | Ausgabe 21 | April 2010<br />

Abb. 2: Patient mit einem großen Tumor <strong>der</strong> rechten Leber. Lagebeziehung des Tumors zu Gefäßen und Volumina<br />

werden ersichtlich. Durch Berechnung <strong>der</strong> Gefäßterritorien <strong>der</strong> Vaskularisation kann in diesem Fall eine anatomische<br />

Gefäßvariante <strong>aus</strong>genutzt werden. Wird eine Trisegmentektomie durchgeführt, ist die OP nicht möglich. Bei <strong>der</strong><br />

atypischen Resektion kann auf Grund <strong>der</strong> Drainage über eine posteriore rechte Lebervene mehr Parenchym erhalten<br />

werden. Die Patientin konnte erfolgreich primär operiert werden.<br />

Abb. 3: Casus einer Patientin, bei <strong>der</strong> eine Trisegmentektomie rechts wegen Klatskintumors notwendig ist. In <strong>der</strong> 3D-<br />

Aufarbeitung zeigt sich ein <strong>für</strong> die OP zu kleiner linker Rest-Leberlappen, nach portaler Embolisationsbehandlung<br />

zur Wachstumsstimulation reichen Restparenchymgröße und funktionelle Reservekapazität <strong>aus</strong>, so dass die Patientin<br />

erfolgreich operiert werden konnte.<br />

Navigierte Leberchirurgie<br />

Trotz <strong>der</strong> großen Fortschritte bleibt die<br />

Um setzung des virtuellen Plans in <strong>der</strong><br />

Weichgewebschirurgie nach wie vor<br />

schwierig, denn im Gegensatz zu an<strong>der</strong>en<br />

chirurgischen Disziplinen ist die intraoperative<br />

Verformung des Organs nur schwer<br />

vorhersehbar. Mittlerweile wurde ein stereotaktisches<br />

Navigationssystem <strong>für</strong> die<br />

Leberchirurgie entwickelt, das sich die<br />

Fortschritte <strong>der</strong> 3D-Operationsplanung<br />

zunutze macht. Die durch die Segmentierung<br />

<strong>der</strong> Gefäßanatomie in den Planungsdaten<br />

entstandene 3D-Gefäßlandkarte lässt<br />

sich durch einen stereotaktisch navigierten<br />

intraoperativen Ultraschallkopf mit dem<br />

774<br />

Lebervolumen LLebervolumen<br />

(LV)�2670ml (LVV)<br />

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�2670ml<br />

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Tumorvolumen� TTuumorvolumen��<br />

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960ml<br />

Funktionelles FFunktionelles<br />

LV� LV V��<br />

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1710ml<br />

Trisegmentektomie<br />

T Trisegmentektomie<br />

Resektat�� RResektat��<br />

�� �� �� �� �� �� �� �� �� �� �� �� �� �� �� �� �� �� �� �� �� �� �� �� �� �� �� �� �� �� �� �� �� 2350ml<br />

Restparenchym� RRestparenchym��<br />

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310ml<br />

17,8% 117,8%<br />

des funktionellen LV LVV<br />

PVE<br />

Atypische Atypiscche<br />

Resektion<br />

bei Posteriorer<br />

RLV V möglich (Pfeil)<br />

Resektat�� Resektat��<br />

�� �� �� �� �� �� �� �� �� �� �� �� �� �� �� �� �� �� �� �� �� �� �� �� �� �� �� �� �� �� �� �� �� 1600ml<br />

Restparenchym� Restpareenchym��<br />

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1000ml<br />

37% des dess<br />

gesamten LV V<br />

58% des dess<br />

funktionellen LV V<br />

Situs abgleichen. Über einen stereotaktisch<br />

navigierten Ultraschalldissektor kann nun<br />

eine schonende Resektion auf <strong>der</strong> vorher<br />

am Computer geplanten optimierten<br />

Resektionslinie erfolgen, um <strong>für</strong> den<br />

Patienten ein bestmögliches Ergebnis zu<br />

erreichen. Vorteile bietet die Navigation<br />

vor allem bei komplexen Fragestellungen.<br />

Technisch anspruchsvolle Resektionen wie<br />

zentrale o<strong>der</strong> erweiterte Hemihepatektomien<br />

eignen sich ebenso wie Wie<strong>der</strong>holungseingriffe<br />

an voroperierten Patienten<br />

<strong>für</strong> eine navigierte Resektion.<br />

Eine große Her<strong>aus</strong>for<strong>der</strong>ung sind aktuell<br />

Patienten mit kolorektalen Lebermetastasen,<br />

die so gut auf eine Chemotherapie<br />

Abb. 4: Patient mit einem großen Tumor – aufgrund <strong>der</strong><br />

außergewöhnlich prominenten Segment III-Vene ist eine<br />

reduzierte Drainage im Bereich <strong>der</strong> Restleber zu erwarten,<br />

die ein Leberversagen verursachen könnte. Die Vene<br />

wird intraoperativ dargestellt und durch ein Gefäßinterponat<br />

rekonstruiert. Postoperativ trat keine Leberinsuffizienz<br />

auf.<br />

angesprochen haben, dass sie in <strong>der</strong> Bildgebung<br />

nicht mehr nachweisbar sind.<br />

Diese sogenannte „Complete Clinical<br />

Response“ bedeutet aber <strong>für</strong> die Patienten<br />

keine Heilung, die Datenlage zeigt eine<br />

hohe Rezidivwahrscheinlichkeit innerhalb<br />

von zehn Monaten. [5] Die Patienten sollten<br />

in dieser Phase bestmöglicher Tumorkontrolle<br />

operiert werden, was <strong>für</strong> den Chirurgen<br />

aber ein großes technisches Dilemma<br />

darstellt: Bisher war es nicht möglich,<br />

einen nicht visualisierbaren, eventuell<br />

intraoperativ nicht tastbaren Herd zu entfernen.<br />

Die mo<strong>der</strong>ne computerassistierte<br />

Chirurgie kann auch dieses Dilemma lösen,<br />

indem sie die CT-Daten vor und nach <strong>der</strong><br />

Chemotherapie fusioniert und dar<strong>aus</strong><br />

einen Resektionsvorschlag ermit telt, <strong>der</strong><br />

dann durch das Navigationssystem um -<br />

gesetzt wird (Abb. 7 und 8). Im eigenen<br />

Kollektiv gelang uns so die Resektion<br />

eines nicht sichtbaren und auch intra -<br />

operativ nicht visualisierbaren Tumors in<br />

Segment IV. [6]<br />

Fazit<br />

Die virtuelle Operationsplanung ist insbeson<strong>der</strong>e<br />

bei komplexen Leberresektionen<br />

in unserem klinischen Vorgehen fest etabliert.<br />

Auch in <strong>der</strong> navigierten Leberchirurgie<br />

werden weiter Fortschritte erzielt, die es


Abb. 5: Planungsdaten bei einem Patienten, <strong>der</strong> eine<br />

erweiterte Hemihepatektomie links benötigt. Diese ist<br />

auf Grund <strong>der</strong> fehlenden anatomischen Referenzpunkte<br />

äußerst komplex, weshalb die genaue Planung und<br />

Identifizierung <strong>der</strong> Tumorlage in Bezug zur Vaskularisation<br />

<strong>der</strong> Leber und <strong>der</strong> Resektionsfläche entscheidend ist.<br />

uns in Zukunft ermöglichen, die Patienten<br />

noch sicherer zu behandeln. Insbeson<strong>der</strong>e<br />

auf Grund <strong>der</strong> engen Zusammenarbeit mit<br />

dem Fraunhofer MeVis Institut bei <strong>der</strong><br />

Weiterentwicklung <strong>der</strong> virtuellen Operationsplanung<br />

und des Navigationssystems<br />

können wir unseren Patienten in <strong>der</strong> <strong>Asklepios</strong><br />

<strong>Klinik</strong> Barmbek eine chirurgische Be -<br />

handlung auf mo<strong>der</strong>nstem und technisch<br />

anspruchsvollsten Niveau ermöglichen.<br />

Die Patienten können sich ambulant über<br />

die eigens eingerichtete Leberchirurgische<br />

Sprechstunde vorstellen o<strong>der</strong> Kontakt über<br />

die 24h Service Hotline aufnehmen.<br />

Literatur<br />

[1] Belghiti J, Hiramatsu K, Benoist S, Massault P, Sauvanet<br />

A, Farges O. Seven hundred forty-seven hepatectomies in<br />

the 1990s: an update to evaluate the actual risk of liver<br />

resection. J Am Coll Surg 2000; 191(1): 38-46.<br />

[2] Lang H, Sotiropoulos GC, Brokalaki EI, Radtke A, Frilling<br />

A, Molmenti EP, Malago M, Broelsch CE. Left hepatic<br />

trisectionectomy for hepatobiliary malignancies. J Am Coll<br />

Surg 2006; 203(3): 311-21.<br />

[3] Abdalla EK, Denys A, Chevalier P, Nemr RA, Vauthey<br />

JN. Total and segmental liver volume variations: implications<br />

for liver surgery. Surgery 2004; 135(4): 404-10.<br />

[4] Oldhafer KJ, Hogemann D, Stamm G, Raab R, Peitgen<br />

HO, Galanski M. (3-dimensional [3-D] visualization of the<br />

liver for planning extensive liver resections). Chirurg 1999;<br />

70(3): 233-8.<br />

Chirurgie<br />

Abb. 6 (oben): Fall eines Patienten mit 4. Rezidiv einer Metastase (bislang Langzeitüberleben<strong>der</strong> 11 Jahre nach ED des<br />

Tumorleidens). Die ursprüngliche Anatomie ist nach Rechts- und Linksresektionen nicht mehr erkennbar, die Hauptperfusion<br />

regelrecht über den Hilus aufgespannt. Bei <strong>der</strong> Resektion muss <strong>der</strong> Pforta<strong>der</strong>hauptast rekonstruiert werden,<br />

da dieser sehr nah am Tumor liegt.<br />

Abb. 7/8 (links/unten): Patient mit einer „Complete Clinical Response“ seiner kolorektalen Metastasen in <strong>der</strong> Bildgebung<br />

nach Chemotherapie. Durch Fusion <strong>der</strong> CT-Daten vor und nach Chemotherapie kann die Tumorlage identifiziert<br />

werden. Aus diesen Daten wird ein Resektionsvorschlag erstellt, <strong>der</strong> dann durch Einsatz des Navigationssystems<br />

umgesetzt wird. Intraoperativ war <strong>der</strong> Tumor we<strong>der</strong> sicht- noch tastbar. Die Resektion wurde anhand <strong>der</strong> 3D-Daten<br />

navigiert durchgeführt – im Resektat fanden sich vitale Tumorzellen.<br />

Kontakt<br />

Prof. Dr. Karl J. Oldhafer,<br />

Dr. Gregor A. Stavrou<br />

I. Chirurgische Abteilung – Allgemein- und<br />

Viszeralchirurgie / Darmzentrum (zert.)<br />

<strong>Asklepios</strong> <strong>Klinik</strong> Barmbek<br />

Rübenkamp 220, 22291 Hamburg<br />

Tel. (0 40) 18 18-82 28 11<br />

Fax (0 40) 18 18-82 28 19<br />

E-Mail: k.oldhafer@asklepios.com<br />

Leberchirurgische Sprechstunde<br />

Mi. 13 – 16 Uhr, Terminabsprache:<br />

Tel. (0 40) 18 18-82 22 21<br />

E-Mail: g.stavrou@asklepios.com<br />

24-h-Service Hotline Leberchirurgie<br />

Tel. (01 75) 765 54 64<br />

[5] Benoist S, Brouquet A, Penna C, Julie C, El Hajjam M,<br />

Chagnon S, Mitry E, Rougier P, Nordlinger B. Complete<br />

response of colorectal liver metastases after chemotherapy:<br />

does it mean cure? J Clin Oncol 2006; 24(24): 3939-45.<br />

[6] Oldhafer KJ, Stavrou GA, Pr<strong>aus</strong>e G, Peitgen HO, Lueth<br />

TC, Weber S. How to operate a liver tumor you cannot see.<br />

Langenbeck’s archives of surgery / Deutsche Gesellschaft<br />

fur Chirurgie 2009; 394(3): 489-94.<br />

775


Medtropole | Ausgabe 21 | April 2010<br />

Komplexe Erkrankung mit vielfältigen Komplikationen:<br />

Systemische Sklerose o<strong>der</strong> Sklero<strong>der</strong>mie<br />

Dr. Keihan Ahmadi-Simab<br />

Die systemische Sklerose (SSc, Sklero<strong>der</strong>mie) zählt als „entzündlich-rheumatische Systemerkrankung“ zur<br />

Gruppe <strong>der</strong> Kollagenosen. Sie ist eine Erkrankung des Bindegewebes, die durch eine Akkumulation von Proteinen<br />

<strong>der</strong> Extrazellularmatrix in <strong>der</strong> Haut und in inneren Organen gekennzeichnet ist. Klinische Ausprägung und<br />

Verlauf <strong>der</strong> SSc zeigen eine große Variabilität und sind Ausdruck <strong>der</strong> pathogenetischen Heterogenität.<br />

Epidemiologie<br />

Die Inzidenz <strong>der</strong> systemischen Sklerose<br />

liegt bei 1,9 – 5 pro 100.000 Einwohner mit<br />

einer Zunahme in den vergangenen Jahrzehnten.<br />

Die Prävalenz wird mit 5 – 20 pro<br />

100.000 Einwohner angegeben. Die Frequenz<br />

<strong>der</strong> SSc nimmt mit steigendem Lebensalter<br />

zu. Das weibliche Geschlecht überwiegt,<br />

beson<strong>der</strong>s im jüngeren Erwachsenenalter<br />

(Frauen : Männern 3 – 9:1). Das Durchschnittsalter<br />

bei Erstdiagnose <strong>der</strong> SSc liegt<br />

bei 50 Jahren, die Mortalität bei 2 – 4 pro<br />

einer Million Einwohner.<br />

Klassifikation<br />

Die internationale Klassifikation <strong>der</strong> SSc<br />

unterscheidet zwei Grundtypen:<br />

1. Limitierte Form mit Hautbeteiligung<br />

distal <strong>der</strong> Handgelenke und des<br />

Gesichts bei fehlen<strong>der</strong> o<strong>der</strong> späterer<br />

Beteiligung <strong>der</strong> inneren Organe. Eine<br />

Son<strong>der</strong>form <strong>der</strong> limitierten SSc ist das<br />

so genannte CREST-Syndrom, das folgende<br />

Symptome umfasst: Calcinosis<br />

cutis, Raynaud-Syndrom, Ösophagusbeteiligung,<br />

Sklerodaktylie und Tele -<br />

angiektasien (Abb. 1).<br />

776<br />

2. Diffuse Form mit Hautfibrose proximal<br />

<strong>der</strong> Handgelenke und auch des<br />

Stamms mit früher Beteiligung <strong>der</strong><br />

inneren Organe. Etwa 20 Prozent <strong>der</strong><br />

Patienten werden dem diffusen Typ<br />

zugeordnet.<br />

Pathogenese<br />

Die exakten Mechanismen, die zur Entstehung<br />

<strong>der</strong> SSc führen und ihr Fortschreiten<br />

begünstigen, sind noch weitgehend unklar.<br />

Typische histopathologische Merkmale <strong>der</strong><br />

SSc sind die markante Akkumulation von<br />

Proteinen <strong>der</strong> Extrazellulärmatrix. Hinzu<br />

kommen morphologische Verän<strong>der</strong>ungen<br />

<strong>der</strong> kleinen Gefäße sowie Störungen <strong>der</strong><br />

zellulären und humoralen Immunantwort<br />

mit dem Auftreten von verschiedenen,<br />

zum Teil krankheitsspezifischen Autoantikörpern.<br />

[1] Diskutiert wird eine mögliche<br />

Veranlagung. Auch externe Faktoren könnten<br />

in Frage kommen. Einmal in Gang<br />

gesetzt, sind an <strong>der</strong> Entwicklung <strong>der</strong> systemischen<br />

Sklerose im Wesentlichen drei verschiedene<br />

Zellsysteme beteiligt: Immunzellen,<br />

Endothel-Zellen und Fibroblasten.<br />

Klinisches Erscheinungsbild<br />

Hautbeteiligung<br />

Die Haut ist bei allen Varianten früher o<strong>der</strong><br />

später mehr o<strong>der</strong> weniger beteiligt. Die SSc<br />

beginnt fast immer an den Händen. Die<br />

Hautsklerose verläuft in drei abgrenzbaren<br />

Stadien:<br />

1. Ödematöse Phase: In <strong>der</strong> initialen ödematösen<br />

Phase bemerken die Patienten<br />

straffe o<strong>der</strong> aufgedunsene Finger, im<br />

Verlauf meist mit Entwicklung einer<br />

ödematösen und schmerzlosen Schwellung.<br />

Zu den Ursachen des Ödems<br />

zählen erhöhte Ablagerung von Matrixbestandteilen<br />

des extrazellulären Bindegewebes,<br />

Entzündung und mikrovaskuläre<br />

Schäden mit flüssigen<br />

Extravasaten (Abb. 2).<br />

2. Indurative Phase: Die Haut wird<br />

zunehmend glänzend, straff und prall,<br />

haftet stark an <strong>der</strong> Subkutis an. Während<br />

sich die Dermis in dieser Phase<br />

durch Kollagenablagerung verdickt,<br />

wird die Epi<strong>der</strong>mis zunehmend dünner.<br />

Durch Sklerosierung <strong>der</strong> Gesichtshaut<br />

(Abb. 3) wird das Gesicht „kleiner“,<br />

die Nase spitzer, die Haut ist


Organ Häufigkeit %<br />

Hautbeteiligung 100<br />

Raynaud-Syndrom 99<br />

Muskuloskeletales System 30 – 60<br />

Gastrointestinaltrakt 10 – 90<br />

Lunge 21 – 80<br />

Herz 12 – 23<br />

Niere 9 – 16<br />

Sicca-Syndrom 30 – 40<br />

Urogenitaltrakt 60 – 80<br />

Nervensystem 4 – 7<br />

Pulmonalarterielle Hypertonie 15 – 19<br />

Tabelle 1: Organbeteiligung bei Patienten mit systemischer<br />

Sklerose<br />

straff und glänzt, die Wangen sind faltenlos<br />

und die Lippen werden schmaler.<br />

Die periorale subkutane Fibrose und<br />

die Beteiligung <strong>der</strong> temporomandibulären<br />

Gelenke behin<strong>der</strong>n die Mundöffnung<br />

(Mikrostomie) und im weiteren<br />

Verlauf kommt es zu einer verstärkten<br />

perioralen, radiären Fältelung (Tabakbeutelmund<br />

– Abb. 4).<br />

3. Atrophische Phase: In <strong>der</strong> meist erst<br />

nach mehreren Jahren folgenden atrophischen<br />

Phase wird die verhärtete<br />

Dermis wie<strong>der</strong> weicher und schließlich<br />

wesentlich dünner als die normale Haut.<br />

Extrakutane Manifestationen<br />

Als Systemerkrankung kann die SSc jedes<br />

Organsystem betreffen (Tab. 1) [2] :<br />

Sicca-Syndrom: Die Beteiligung <strong>der</strong> Speicheldrüsen<br />

führt in etwa 30 Prozent <strong>der</strong><br />

Fälle zum Sicca-Syndrom mit Xerophthalmie<br />

und Xerostomie.<br />

Gastrointestinaltrakt: Es kommt zur Atrophie<br />

und Fibrose <strong>der</strong> glatten Muskulatur.<br />

Dar<strong>aus</strong> resultieren klinisch ösophageale<br />

Dysmotilität, Refluxbeschwerden, peptische<br />

Ösophagitis, Barrett-Ösophagus,<br />

Strikturen <strong>der</strong> Speiseröhre und atonische<br />

Erweiterungen und Dyskinesien des Dünnund<br />

Dickdarmes.<br />

Lunge: Die Lunge gehört mit einem Anteil<br />

von 70 Prozent aller Organbeteiligungen<br />

zu den am häufigsten betroffenen Organen.<br />

Klinisch erscheinen die Verän<strong>der</strong>ungen als<br />

Lungenfibrose (Abb. 5) und Alveolitis.<br />

Die Lungenmanifestationen mit Pulmonalarterieller<br />

Hypertonie sind <strong>für</strong> mit <strong>der</strong> SSc<br />

assoziierte Todesfälle hauptverantwortlich.<br />

Niere: Die Niere ist mit <strong>der</strong> Ausbildung<br />

von Gefäßfibrosen <strong>der</strong> Interlobärarterien<br />

und Arteriolen, Mikroinfarkten, Tubulusatrophien<br />

und Schrumpfnieren beteiligt.<br />

Aufgrund des Einsatzes von ACE-Hemmern<br />

sank die Sterblichkeit an <strong>der</strong> Nierenbeteiligung<br />

(renale Krise) deutlich.<br />

Herz: Mögliche Manifestationen sind Myokardfibrose,<br />

Perikarditis, Störungen des<br />

Reizleitungssystems und Arrhythmien, Cor<br />

pulmonale sowie Herzinsuffizienz.<br />

Muskuloskeletales System: Am Skelett<br />

und an den Muskeln tritt die SSc in Form<br />

von Arthritis, Tendovaginitis, Synovitis,<br />

Myositis und Myopathie in Erscheinung.<br />

Rheumatologie<br />

Abb. 1: Teleangiektasien Abb. 2: Dermatosklerose <strong>der</strong> Hand in ödematöser Phase<br />

Nervensystem: Eine Beteiligung des Nervensystems<br />

wird sowohl im Bereich <strong>der</strong><br />

kranialen Nerven, hier beson<strong>der</strong>s als Trigeminusneuralgie,<br />

als auch an den peripheren<br />

Nerven als periphere Polyneuropathie<br />

gesehen.<br />

Urogenitaltrakt: Bei 81 Prozent <strong>der</strong> männlichen<br />

Patienten findet sich erektile Dysfunktion,<br />

56 Prozent <strong>der</strong> Frauen leiden an<br />

sexuellen Funktionsstörungen.<br />

Vaskulopathien: Eine Gemeinsamkeit <strong>der</strong><br />

vielgestaltigen Ausprägungen <strong>der</strong> systemischen<br />

Sklerose scheint letztlich eine progrediente<br />

Vaskulopathie zu sein:<br />

Pulmonal-arterielle Hypertonie (PAH)<br />

Die PAH betrifft etwa 15 Prozent <strong>der</strong><br />

Patienten mit systemischer Sklerose und ist<br />

trotz <strong>der</strong> verfügbaren Therapien noch<br />

immer mit einer hohen Mortalität verbunden.<br />

Die Prognose ist nochmals schlechter<br />

als bei Patienten mit idiopathischer pulmonal-arterieller<br />

Hypertonie. [3] Daher sollten<br />

alle Patienten mit SSc regelmäßig, mindestens<br />

ein Mal im Jahr, mittels Echokardiographie<br />

auf Frühformen einer PAH untersucht<br />

werden.<br />

777


Medtropole | Ausgabe 21 | April 2010<br />

Abb. 3: Sklerosierung <strong>der</strong> Gesichtshaut Abb. 4: Tabakbeutelmund<br />

Raynaud-Syndrom/digitale Ulzerationen<br />

Das Raynaud-Syndrom (Abb. 6) ist ein<br />

„Frühsymptom“, das bei nahezu allen SSc-<br />

Patienten auftritt und häufig viele Jahre<br />

zuvor erstmals beobachtet wurde. Es ist<br />

durch anfallsweise auftretende Vasospasmen<br />

<strong>der</strong> Fingerarterien gekennzeichnet.<br />

Der initialen Zyanose folgt eine Weißverfärbung<br />

und schließlich eine postischämische<br />

Hyperämie mit Rötung <strong>der</strong> Finger.<br />

Aufgrund <strong>der</strong> Min<strong>der</strong>durchblutung können<br />

sich an Finger- und Zehenkuppen<br />

digitale Nekrosen (Abb. 7) bilden. Digitale<br />

Ulzerationen sind schwer heilende,<br />

schmerzhafte Geschwüre an den Fingern,<br />

die bei etwa 50 Prozent aller Patienten mit<br />

SSc als Komplikation auftreten können. [4]<br />

Diagnostik<br />

Bei den meisten Patienten kommt es frühzeitig<br />

zu einer Raynaud-Symptomatik.<br />

Wichtig zur Diagnosestellung ist vor allem<br />

das typische klinische Erscheinungsbild<br />

mit Dermatosklerose, Sklerodaktylie,<br />

Mikrostomie, Amimie, Teleangiektasie,<br />

Kalzinosen und akralen Erosionen. Von<br />

den Antikörpern sind vor allem die ANA,<br />

Scl-70, CENP und Anti-Centromer-Antikörper<br />

(Abb. 8) diagnostisch wichtig. Zu<br />

778<br />

den organspezifischen Untersuchungsverfahren<br />

gehören Röntgen und eventuell<br />

HRCT des Thorax, EKG, Lungenfunktionsmessung,<br />

Echokardiografie, Ösophagusmanometrie<br />

und Kapillarmikroskopie. Die<br />

Sonographie <strong>der</strong> Haut kann sowohl im entzündlichen<br />

als auch im sklerotischen Stadium<br />

spezifische Verän<strong>der</strong>ungen zeigen.<br />

1980 publizierte das American College of<br />

Rheumatology (ACR) Kriterien zur Klassifikation<br />

<strong>der</strong> SSc (Tab. 2).<br />

Therapiekonzepte<br />

Allgemeine Maßnahmen<br />

Zur Erhaltung und Besserung <strong>der</strong> Gelenkfunktion<br />

sind leichte körperliche Betätigung,<br />

Krankengymnastik und Lymphdrainagen<br />

wichtig. Vor allem bei Ösophagusverän<strong>der</strong>ungen<br />

ist die häufige Einnahme kleiner<br />

Mahlzeiten hilfreich. Die Kost sollte dabei<br />

schlackenreich sein, um die Peristaltik<br />

anzuregen.<br />

Vasoaktive Substanzen<br />

Neben den allgemeinen durchblutungsför<strong>der</strong>nden<br />

Maßnahmen (Kälteschutz, Kneten<br />

zum Beispiel in warmer Hirse, Nikotinkarenz<br />

etc.) ist eine medikamentöse Therapie<br />

bei Patienten mit prolongierten schmerz-<br />

Hauptkriterium<br />

Typische sklero<strong>der</strong>mieforme Hautverän<strong>der</strong>ungen proximal<br />

<strong>der</strong> Metakarpophalangeal- und/o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Metatarsophalangealgelenke.<br />

Typische sklero<strong>der</strong>mieforme Hautverän<strong>der</strong>ungen<br />

sind definiert als verfestigte, verdickte, nicht eindrückbare<br />

Hautverhärtung. Lokalisierte Sklero<strong>der</strong>mieformen (Morphea,<br />

lineare Sklero<strong>der</strong>mie) müssen <strong>aus</strong>geschlossen sein<br />

Nebenkriterien<br />

Sklerodaktylie: oben definierte sklero<strong>der</strong>mieforme Hautverän<strong>der</strong>ungen<br />

beschränkt auf die Finger<br />

Fingerkuppenulzera: Narben von Fingerkuppenulzera<br />

o<strong>der</strong> Gewebeverlust <strong>der</strong> Fingerbeere infolge Ulzera. Exogene<br />

Ursachen inkl. Trauma müssen <strong>aus</strong>geschlossen<br />

sein<br />

Bilaterale, basal betonte Lungenfibrose: Lineare o<strong>der</strong><br />

linear-noduläre Aufhellungen auf dem Standardröntgenthoraxbild<br />

mit Betonung <strong>der</strong> basalen Abschnitte. Eine<br />

primäre Lungenerkrankung muss <strong>aus</strong>geschlossen sein<br />

Tabelle 2: Derzeit gültige Klassifikationskriterien des American<br />

College of Rheumatology (ACR) <strong>für</strong> die systemische Sklerose.<br />

Zur Diagnosestellung muss <strong>der</strong> Patient entwe<strong>der</strong> das Haupt -<br />

kriterium o<strong>der</strong> zwei Nebenkriterien erfüllen.<br />

haften Raynaud-Attacken o<strong>der</strong> ischämischer<br />

Gewebsschädigung indiziert. Medikamente<br />

<strong>der</strong> ersten Wahl sind Kalziumantagonisten.<br />

ACE-Hemmer verbessern zusätzlich<br />

die renale Prognose durch Schutz vor <strong>der</strong><br />

hypertensiven renalen Krise. Prostazyklin<strong>der</strong>ivate<br />

(Iloprost) erwiesen sich insbeson<strong>der</strong>e<br />

zur Abheilung digitaler Ulzera als<br />

wirksam. [5] Eine Placebo kontrollierte Studie<br />

zeigte die Wirksamkeit von Endothelin-I-<br />

Antagonisten (Bosentan) zur Prävention<br />

digitaler Ulzera. Bei PAH ließen sich mit<br />

Prostazyklin<strong>der</strong>ivaten in inhalativer Form<br />

Verbesserungen <strong>der</strong> körperlichen Belastbarkeit<br />

<strong>der</strong> Patienten nachweisen. Für<br />

Bosentan zeigte sich eine verbesserte<br />

Überlebensrate.<br />

Immunmodulatoren<br />

Die Aktivierung des Immunsystems ist<br />

bereits in <strong>der</strong> frühen Phase <strong>der</strong> SSc ein<br />

wichtiger Stimulus <strong>für</strong> die vaskulären und<br />

fibrotischen Läsionen. Die klassischen<br />

Immunsuppressiva sind bei <strong>der</strong> Dermato -<br />

sklerose meist unwirksam. Die heute eingesetzten<br />

immunsuppressiven Substanzen<br />

umfassen Glukokortikoide, Cyclophosphamid<br />

und Methotrexat (MTX). Aufgrund <strong>der</strong><br />

erheblichen potentiellen Nebenwirkungen<br />

<strong>der</strong> Glukokortikoide und <strong>der</strong> möglichen


Abb. 5: HRCT, Lungenfibrose<br />

Abb. 6: Raynaud-Syndrom<br />

Induktion einer renalen Krise sollte ihr<br />

Einsatz in <strong>der</strong> Therapie <strong>der</strong> SSc bestimmten<br />

Indikationen (z. B. Alveolitis) vorbehalten<br />

bleiben. Cyclophosphamid wird bei<br />

spezifischen Organmanifestationen eingesetzt,<br />

etwa bei interstitieller Lungenerkrankung<br />

und neutrophiler Alveolitis. [6]<br />

Cyclophosphamid wird außerdem als<br />

Sekundärtherapie bei hochentzündlichen<br />

Verläufen eingesetzt – oft kombiniert mit<br />

Glukokortikoiden o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Plasmapherese.<br />

Künftige Therapieoptionen<br />

Ein Ansatz ist die Therapie <strong>der</strong> Fibrose mit<br />

Imatinib, einem Hemmer <strong>der</strong> Tyrosinkinase-Aktivität<br />

des platelet-<strong>der</strong>ived growth<br />

factor (PDGF)-Rezeptors. Der PDGF-<br />

Rezeptor spielt in <strong>der</strong> Pathogenese <strong>der</strong> SSc<br />

eine wichtige Rolle. Derzeit befasst sich<br />

eine Multicenterstudie mit <strong>der</strong> Wirksamkeit<br />

von Imatinib bei SSc. Noch steht das<br />

Ergebnis einer europaweiten prospektiven,<br />

kontrollierten und randomisierten Studie<br />

zum Nutzen einer Stammzelltransplantation<br />

bei rasch fortschreiten<strong>der</strong> diffuser SSc<br />

<strong>aus</strong> (ASTIS-Studie, Autologous Stem Cell<br />

Transplantation International Sclero<strong>der</strong>ma;<br />

http://www.ASTIStrial.com). [7] Zwischenergebnisse<br />

dieser wichtigen Studie deuten<br />

Abb. 7: Digitale Nekrosen<br />

auf eine rasche Reduktion <strong>der</strong> Hautsklerose<br />

und einen Progressionsstopp <strong>der</strong> Sklerose<br />

innerer Organe hin. Damit verbunden<br />

scheint die Sterblichkeit dieser beson<strong>der</strong>s<br />

schweren Verlaufsform <strong>der</strong> SSc reduziert<br />

zu sein.<br />

Kontakt<br />

Dr. Keihan Ahmadi-Simab<br />

Rheumatologie, klinische Immunologie,<br />

Nephrologie<br />

<strong>Asklepios</strong> <strong>Klinik</strong> Altona<br />

Paul-Ehrlich-Straße 1<br />

22763 Hamburg<br />

Tel. (0 40) 18 18-81 11 24<br />

Fax (0 40) 18 18-81 48 00<br />

E-Mail: keihan.ahmadi@asklepios.com<br />

Literatur<br />

Rheumatologie<br />

Abb. 8: Anti-Centromer-<br />

Antikörper, Vorkommen bei<br />

<strong>der</strong> limitierten Form <strong>der</strong><br />

SSc<br />

[1] Zuber JP, Spertini F. Immunological basis of systemic<br />

sclerosis. Rheumatology (Oxford). 2006; 45(3): iii23-5.<br />

[2] Hunzelmann N, Genth E, Krieg T et al. The registry of<br />

the German network for systemic sclero<strong>der</strong>ma: frequency<br />

of disease subsets and patterns of organ involvement.<br />

Rheumatology 2008; 47: 1185-92.<br />

[3] Ahmadi-Simab K, Hellmich B, Gross WL. Bosentan for<br />

severe pulmonary arterial hypertension related to systemic<br />

sclerosis with interstitial lung disease. Eur J Clin Invest.<br />

2006; 36(3): 44-8.<br />

[4] Ahmadi-Simab K. Raynaud-Syndrom und akrale<br />

Ischämiesyndrome. In: Müller-Ladner U. UNI-MED,<br />

1. Aufl. 2006<br />

[5] Saar P, Müller-Ladner U. Systemic sclerosis – a challenge<br />

in rheumatology, Z Rheumatol. 2006; 65(5): 429-38; quiz<br />

439-40.<br />

[6] Latsi PI, Wells AU. Evaluation and management of<br />

alveolitis and interstitial lung disease in sclero<strong>der</strong>ma.<br />

Curr Opin Rheumatol 2003; 15: 748-55.<br />

[7] van Laar JM, Farge D, Tyndall A. Autologous Stem cell<br />

Transplantation International Sclero<strong>der</strong>ma (ASTIS) trial:<br />

hope on the horizon for patients with severe systemic<br />

sclerosis. Ann Rheum Dis 2005; 64(10): 1515.<br />

779


Medtropole | Ausgabe 21 | April 2010<br />

Schlaganfallprophylaxe bei Patienten mit Vorhofflimmern:<br />

Perkutaner Verschluss des linken Herzohrs<br />

Prof.(ROK) Dr. med. habil. Jai-Wun Park<br />

Vorhofflimmern ist eine Herzrhythmusstörung, die durch eine hohe und unregelmäßige elektrische Aktivität <strong>der</strong><br />

Herzvorhöfe mit einer Impulsfrequenz von 350 bis 500 pro Minute charakterisiert ist. In diesem Zustand ist eine<br />

effektive Kontraktion <strong>der</strong> Vorhöfe nicht mehr möglich. Mit circa 60 Prozent aller Arrhythmien ist das Vorhofflimmern<br />

die häufigste therapiebedürftige Herzrhythmusstörung.<br />

Epidemiologische Studien zeigen, dass bis<br />

zu 1,5 Prozent <strong>der</strong> Bevölkerung in den<br />

westlichen Industrielän<strong>der</strong>n von Vorhofflimmern<br />

betroffen sind, allein in Deutschland<br />

etwa 800.000 Erwachsene. Dabei weist<br />

die Häufigkeit <strong>der</strong> Rhythmusstörung eine<br />

deutliche Abhängigkeit vom Lebensalter<br />

auf. Die zunehmenden Verän<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong><br />

Alterspyramide werden in den kommenden<br />

Jahren die Prävalenz dieser Erkrankung<br />

dramatisch weiter ansteigen lassen. [1]<br />

In <strong>der</strong> Altersgruppe <strong>der</strong> über 60-Jährigen<br />

beträgt die Häufigkeit von Vorhofflimmern<br />

etwa vier Prozent, bei den über 70-Jährigen<br />

sieben Prozent [2] und nach Ezekowitz bei<br />

den über 84-Jährigen 17 Prozent. [3]<br />

Patienten mit Vorhofflimmern haben ein<br />

fünffach erhöhtes Risiko, einen Schlaganfall<br />

zu erleiden. [4,5] Je<strong>der</strong> sechste Schlaganfall-<br />

Patient leidet an einem Vorhofflimmern<br />

und Thromboembolien <strong>aus</strong> dem linken<br />

Herzohr werden beim überwiegenden<br />

Anteil dieser Patienten unterstellt. Vitamin<br />

K-Antagonisten sind die am häufigsten<br />

verordnete Therapie zur Schlaganfall-Prophylaxe<br />

bei Patienten mit Vorhofflimmern.<br />

Trotz des gut belegten Nutzens dieser Therapie<br />

bliebt die konsequente Umsetzung in<br />

praxi wegen des engen therapeutischen<br />

Fensters und einem erhöhten Blutungsrisiko<br />

oft schwierig.<br />

Als Alternative zur Antikoagulation wurden<br />

chirurgische Entfernung beziehungsweise<br />

Verschluss [6] sowie drei verschiedene,<br />

katheterbasierte Verschluss-Systeme des<br />

780<br />

linken Herzohrs entwickelt: PLAATOTM ,<br />

WATCHMAN ® und Amplatzer Cardiac<br />

Plug ® . Mit allen drei Systemen lässt sich<br />

das linke Herzohr perkutan verschließen.<br />

Das PLAATOTM-System <strong>der</strong> Firma „ev3“<br />

war das erste System, mit dem linke Herzohren<br />

von Patienten mit Vorhofflimmern<br />

erfolgreich verschlossen wurden. [7,8,9] Der<br />

Hersteller zog das Produkt aber in 2006<br />

vom Markt zurück. In <strong>der</strong> randomisierten<br />

Protect AF Studie wurden <strong>der</strong> Nutzen und<br />

die Sicherheit des WATCHMAN ® -Systems<br />

belegt, [10,11] sodass daraufhin dessen FDA-<br />

Zulassung erfolgte. [12] Das ACP-System ist<br />

die Weiterentwicklung des <strong>für</strong> den Verschluss<br />

des Vorhofseptumdefektes und<br />

des offenen Foramen Ovale konzipierten<br />

AMPLATZER ® Doppelscheiben-Systems. [13]<br />

Es ist ein selbst-expandierendes Implantat<br />

<strong>aus</strong> einem Nitinol-Gerüst mit Polyester-<br />

Membran. Im Gegensatz zu den beiden<br />

an<strong>der</strong>en Implantaten besteht das sehr flexible<br />

ACP-Implantat <strong>aus</strong> einem „lobe“ <strong>für</strong><br />

die Verankerung an <strong>der</strong> Herzohrwand<br />

und einem „disc“ <strong>für</strong> das übergangslose<br />

Abdichten des Herzohrostiums. „Lobe“<br />

und „disc“ sind zentral durch eine Taille<br />

miteinan<strong>der</strong> verbunden und lassen sich<br />

unabhängig voneinan<strong>der</strong> bewegen. So<br />

können sich beide Teile den anatomischen<br />

Gegebenheiten des individuellen Patienten<br />

flexibel und somit atraumatisch anpassen.<br />

Aufgrund <strong>der</strong> <strong>aus</strong>geprägten Flexibilität<br />

sind ein Zurückholen des ACP-Implantates<br />

in den Führungskatheter und eine Repositionierung<br />

wie<strong>der</strong>holt möglich.<br />

Welche Patienten sind <strong>für</strong> den perku -<br />

tanen Verschluss des linken Herzohrs<br />

geeignet?<br />

Prinzipiell ist <strong>der</strong> Katheter basierte mechanische<br />

Verschluss des linken Herzohrs eine<br />

gute Alternative <strong>für</strong> alle Vorhofflimmer-<br />

Patienten, die wegen eines erhöhten Schlaganfall-Risikos<br />

einer Dauer-Marcumarisierung<br />

bedürfen. Allerdings sollte die Indikation<br />

<strong>für</strong> dieses neue Verfahren streng gestellt<br />

werden, bis genügend Erfahrungen mit <strong>der</strong><br />

Intervention selbst und auch genügend klinische<br />

Langzeitergebnisse vorliegen. Konkret<br />

heißt das: Mindestens zwei o<strong>der</strong> mehr<br />

Risikofaktoren <strong>für</strong> Schlaganfall (Alter > 75<br />

Jahre, Diabetes mellitus, Hypertonie, Herzinsuffizienz,<br />

Schlaganfall-Anamnese) sowie<br />

Probleme unter Dauer-Marcumarisierung<br />

(Marcumar-Komplikation, Non-Compliance,<br />

Kontraindikation).<br />

Welche Formen von Vorhofflimmern<br />

werden behandelt?<br />

Der katheter-basierte mechanische Verschluss<br />

des linken Herzohrs ist kein „Konkurrenzverfahren“<br />

zur medikamentösen,<br />

elektrischen o<strong>der</strong> chirurgischen Therapie<br />

des Vorhofflimmerns, da er das Vorhofflimmern<br />

nicht k<strong>aus</strong>al (Erreichen eines stabilen<br />

Sinusrhythmus) behandelt, son<strong>der</strong>n prophylaktisch<br />

das Auftreten eines embolischen<br />

Schlaganfalls verhin<strong>der</strong>t. Dies gilt<br />

sowohl <strong>für</strong> das paroxysmale als auch <strong>für</strong><br />

das persistierende Vorhofflimmern.


Abb. 1: ACP in <strong>der</strong> Seitenansicht<br />

Mit welchen Risiken ist das Verfahren<br />

verbunden?<br />

Die Komplikationen sind wie bei je<strong>der</strong><br />

interventionellen Therapie von <strong>der</strong> Erfahrung<br />

des Operateurs abhängig. Seltene,<br />

aber mögliche Komplikationen, die erwähnt<br />

werden müssen, sind: Perikardtamponade,<br />

Implantat-Embolie und Thrombembolie.<br />

Kontakt<br />

Prof. (ROK) Dr. med. habil.<br />

Jai-Wun Park<br />

Chefarzt <strong>der</strong> 1. Medizinischen Abteilung –<br />

Kardiologie<br />

<strong>Asklepios</strong> <strong>Klinik</strong> Harburg<br />

Eißendorfer Pferdeweg 52<br />

21075 Hamburg<br />

Tel. (0 40) 18 18-86 22 16<br />

Fax (0 40) 18 18-86 24 31<br />

E-Mail j.park@asklepios.com<br />

Abb. 2: a – Freisetzen des ACP-lobe am Herzohreingang<br />

b – Verankerung des ACP-lobe am Herzohrhals<br />

c – komplettes Abdichten des Herzohrs nach Freisetzen<br />

des ACP-disc<br />

Abb. 3: Fluoroskopisches Bild des ACP-Systems nach<br />

Implantation<br />

Abb. 4: Komplette Reendothelialisierung 3 Monate nach<br />

ACP Implantation (Tierversuch)<br />

a<br />

b<br />

c<br />

Literatur<br />

Kardiologie<br />

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atrial fibrillation in adults: national implications for<br />

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781


Medtropole | Ausgabe 21 | April 2010<br />

Demenzen im Alter<br />

Häufigkeit, Erscheinungsformen, therapeutische Ansätze<br />

Dr. Cl<strong>aus</strong> Wächtler<br />

Demenzen werden häufiger – weil wir<br />

älter werden<br />

Die mo<strong>der</strong>ne Alzheimer-Forschung begann<br />

Anfang des 20. Jahrhun<strong>der</strong>ts mit dem<br />

deutschen Nervenarzt Alois Alzheimer, <strong>der</strong><br />

die damals 51-jährige Auguste Deter in <strong>der</strong><br />

„Städtischen Irrenanstalt Frankfurt“ wegen<br />

einer Demenz betreute. An<strong>der</strong>s als heute<br />

war die „Senile Demenz“ damals eine seltene<br />

Erkrankung. Die Erkrankungshäufigkeit<br />

steigt nach dem 65. Lebensjahr steil an<br />

und betrifft mehr als 30 Prozent <strong>der</strong> über<br />

90-Jährigen. Man schätzt die Zahl <strong>der</strong><br />

Demenzkranken in Deutschland heute auf<br />

mehr als eine Million. Die Zahl wird sich<br />

bis zum Jahr 2050 mehr als verdoppeln.<br />

Angehörige leisten durchschnittlich sechs<br />

bis zehn Stunden täglich Betreuungsarbeit.<br />

Demenzkranke stellen aber auch logistische<br />

und personelle Anfor<strong>der</strong>ungen an<br />

Pflegeheime und Krankenhäuser. [11]<br />

Diagnostisches Vorgehen in <strong>der</strong> Praxis<br />

Die Diagnose Demenz sollte möglichst<br />

früh gestellt werden. Verdächtige Symptome<br />

sind:<br />

Vergessen; Schwierigkeiten bei komplexeren<br />

täglichen Verrichtungen; Vernachlässigung<br />

von Hobbys; sozialer Rückzug und weniger<br />

Eigeninitiative, aber auch Reizbarkeit und<br />

ungewöhnliche Stimmungsschwankungen;<br />

Probleme, sich in frem<strong>der</strong> Umgebung<br />

zurechtzufinden o<strong>der</strong> die passenden Wörter<br />

zu finden.<br />

Bei Verdacht auf eine Demenz wird geprüft,<br />

ob es sich noch um eine „Leichte Kognitive<br />

Störung“ (Mild Cognitive Impairment:<br />

782<br />

MCI) handelt. Im Vor<strong>der</strong>grund stehen subjektive<br />

Angaben über kognitive Beeinträchtigungen,<br />

aber auch objektivierbare Störungen.<br />

Eine Demenz liegt (noch) nicht vor.<br />

Auch eine Depression, die im Alter häufig<br />

mit kognitiven Störungen einhergeht, ist<br />

sorgfältig <strong>aus</strong>zuschließen. Der Untersucher<br />

sollte sich ein Repertoire von Screening-<br />

Verfahren aneignen, die er gut beherrscht,<br />

die zur Demenzdiagnostik geeignet sind<br />

und die sich zeitökonomisch einsetzen lassen.<br />

Dies trifft auf keinen Test mehr zu als<br />

auf den international meist verwendeten<br />

Mini-Mental State (MMS). [5] Er identifiziert<br />

aber keine Frühformen speziell bei Menschen<br />

mit guter Ausgangsintelligenz. Neuere<br />

Tests, wie <strong>der</strong> DemTect , [7] sind zur<br />

Frühdiagnostik besser geeignet. In Kombination<br />

mit weiteren neuropsychologischen<br />

Testverfahren, wie dem Uhrentest, [15] einer<br />

Wortflüssigkeitsaufgabe (z. B. Benennung<br />

von Tieren in einer Minute) und <strong>der</strong> Exploration<br />

des Patienten und seiner Angehörigen<br />

insbeson<strong>der</strong>e zur Alltagsbewältigung<br />

lässt sich in <strong>der</strong> Regel eine relativ sichere<br />

Abschätzung von noch altersassoziierten<br />

(„benignen“) kognitiven Leistungseinbußen<br />

o<strong>der</strong> leichter kognitiver Beeinträchtigung<br />

einerseits und beginnen<strong>der</strong> Demenz<br />

an<strong>der</strong>erseits vornehmen. [17]<br />

Bestätigt sich <strong>der</strong> Verdacht auf eine Demenz,<br />

muss in einem zweiten Schritt festgestellt<br />

werden, um welche <strong>der</strong> mehr als 60 De -<br />

menzformen es sich handelt. Dazu dienen<br />

eine körperliche Untersuchung, Labortests,<br />

[1] CCT o<strong>der</strong> MRT.<br />

Bei Unsicherheit in <strong>der</strong> diagnostischen<br />

Zuordnung, Auffälligkeiten des bisherigen<br />

Verlaufs, <strong>aus</strong>geprägter psychischer Begleitsymptomatik<br />

o<strong>der</strong> Verhaltensstörungen<br />

muss <strong>der</strong> Facharzt eingeschaltet werden.<br />

Dem Facharzt ebenso wie <strong>der</strong> Memory-<br />

Clinic bleibt die Aufgabe, neben einer<br />

erweiterten apparativen und laborchemischen<br />

Untersuchung differenziertere Testverfahren<br />

einzusetzen. Dabei schlägt das<br />

CERAD-Verfahren [13] einen Mittelweg<br />

zwischen Minimallösung (z. B. MMS) und<br />

zeitaufwändigeren differenzierteren Testbatterien<br />

ein.<br />

Die Liquordiagnostik gehört noch nicht zu<br />

den Routineverfahren. Ergeben sich aber<br />

Hinweise auf eine entzündliche Genese <strong>der</strong><br />

Demenz o<strong>der</strong> fällt die Abgrenzung einer<br />

degenerativen Erkrankung von einer an<strong>der</strong>en<br />

Demenzursache schwer, kann <strong>der</strong><br />

Liquor zusätzliche Sicherheit schaffen.<br />

Folgende Verteilung <strong>der</strong> Demenzen findet<br />

sich: Alzheimer’sche Erkrankung: ca. 60 %,<br />

vaskuläre Demenz: ca. 10 %, Mischform:<br />

ca. 10 %, Lewy-Körperchen-Demenz:<br />

ca. 10 %, fronto-temporale Demenz: unter<br />

1 %, potentiell reversible (behebbare)<br />

Demenzen: ca. 9 % (u. a. Hypo- und Hyperthyreose,<br />

Vitamin B12-Mangel, chron.<br />

hypoxische Zustände, chron. Intoxikation<br />

durch Psychopharmaka o<strong>der</strong> Alkohol,<br />

Hyponatriämie, Anämie, Encephalitis,<br />

Normaldruckhydrocephalus etc.).<br />

Aufklärung<br />

Liegt eine Demenz vor, sollte in <strong>der</strong> Regel<br />

eine Aufklärung erfolgen. Neben <strong>der</strong> Aufklärung<br />

über die Erkrankung beinhaltet<br />

ein solches Gespräch Informationen über


Demenz Spezifika von Verlauf, Symptomatik Labor/apparativ Neuropsychologisch<br />

Alzheimersche Erkrankung<br />

Frontotemporale Demenz (FTD)<br />

Lewy-Körperchen-Demenz<br />

Parkinsondemenz<br />

Vaskuläre Demenz<br />

therapeutische Möglichkeiten, juristische<br />

Vorkehrungen (z. B. Betreuungsvollmacht)<br />

und Unterstützung von Seiten <strong>der</strong> Selbsthilfe<br />

(Alzheimer-Gesellschaft) o<strong>der</strong> Pflegeeinrichtungen<br />

sowie über mögliche Einschränkungen<br />

<strong>der</strong> Fahrtüchtigkeit.<br />

Differenzierte Therapie<br />

Die Leichte Kognitive Störung (MCI) stellt<br />

noch keine Indikation <strong>für</strong> eine medikamentöse<br />

antidementive Therapie dar. Schon<br />

heute würde man aber MCI-Patienten eine<br />

Verlaufs-Kontrolle (nach 6 bis 9 Monaten)<br />

raten und präventive Strategien empfehlen.<br />

Therapeutische Grundprinzipien bei<br />

nachgewiesener Demenz:<br />

Die Therapie sollte „personenzentriert“<br />

(den speziellen Bedürfnissen des Betroffenen<br />

angepasst, unter Berücksichtigung<br />

seiner Biographie), verlaufsabhängig (bei<br />

Patienten im frühen Stadium stehen De -<br />

pression und Angst ebenso im Fokus wie<br />

<strong>der</strong> Erhalt kognitiver Funktionen; im mittleren<br />

Stadium treten psychische Begleitsymptome<br />

und Verhaltensstörungen in den<br />

Vor<strong>der</strong>grund), kombiniert und vernetzt<br />

erfolgen.<br />

Dazu gehören auch die Vermeidung ungeeigneter,<br />

z. B. anticholinerg wirksamer<br />

Medikamente (z. B. Antiparkinsonmittel<br />

wie Biperiden o<strong>der</strong> Metixen, urologische<br />

Chron. progrediente Gedächtnisstörung, Auffälligkeiten<br />

Sprache (Dysphasie) und Wahrnehmung<br />

(Agnosie), motorische Fehlhandlungen (Apraxie)<br />

Je nach Prägnanztyp mit führen<strong>der</strong> Wesensän<strong>der</strong>ung<br />

(Haupttyp), nicht-flüssiger Aphasie (primärprogressive<br />

Aphasie) o<strong>der</strong> flüssiger, semantischer<br />

Aphasie (semantische Demenz)<br />

Progrediente Demenz mit Fluktuation <strong>der</strong> Kognitionen<br />

(insbeson<strong>der</strong>e Aufmerksamkeit, Wachheit),<br />

rezidiv. visuellen Halluzinationen, Parkinsonsymptomatik<br />

bzw. Neuroleptika-Überempfindlichkeit<br />

Langsam progrediente Demenz, die sich bei vorbestehen<strong>der</strong><br />

Parkinsonerkrankung entwickelt, häufig<br />

assoziiert mit Apathie, affektiven und paranoid-halluzinatorischen<br />

Symptomen<br />

Gruppe von Demenzen; z. B. bei Multiinfarkt<br />

Demenz: apoplektischer Beginn; früh einsetzende<br />

fokale Zeichen wie Hemiparese, sensorische Ausfälle,<br />

Gesichtsfelddefekte; fluktuierende o<strong>der</strong> stufenweise<br />

Progression <strong>der</strong> kognitiven Defizite<br />

Spasmolytika wie Solifenacin o<strong>der</strong> Tolterodin<br />

[3] ) und die Behandlung körperlicher<br />

Begleiterkrankungen.<br />

Im Verlauf treten bei fast allen Demenzkranken<br />

und unabhängig von <strong>der</strong> Demenzursache<br />

psychische und Verhaltenssymptome<br />

auf. Folgende Behandlungsstrategien<br />

wurden vor allem bei Alzheimerkranken<br />

untersucht, können aber auch bei Demenzen<br />

an<strong>der</strong>er Genese eingesetzt werden:<br />

■ Es gilt zu klären, ob äußere Stressoren<br />

(z. B. gespannte Beziehung zum Pflegenden,<br />

störende Geräusche) o<strong>der</strong><br />

innere Auslöser (z. B. Schmerz, Obstipation,<br />

Hunger) vorliegen und beeinflusst<br />

werden können.<br />

■ Regelmäßige kognitive Stimulation<br />

verbessert Kognition und Lebensqualität.<br />

[16] Eine Kombination kognitiver<br />

Stimulation mit motorischer Aktivierung<br />

zeigt darüber hin<strong>aus</strong> günstige<br />

Effekte auf Kognition, Depression und<br />

Verhaltensstörungen. [14] Tanzen gilt als<br />

Therapie, die Bewegung anregt, aber<br />

auch Erinnerungen weckt und die Kognitionen<br />

aktiviert. [4]<br />

■ Kognitiv-verhaltenstherapeutische<br />

Techniken führen zu einer Abnahme<br />

<strong>der</strong> Depression – auch bei den Angehö-<br />

rigen. [18]<br />

Atrophie (CCT, MRT) in spezifischen<br />

Hirnarealen, im Verlauf zunehmend;<br />

spezifische Liquorbefunde<br />

Beim Haupttyp: vor allem frontale<br />

und/o<strong>der</strong> temporale Atrophie<br />

Vermin<strong>der</strong>te dopaminerge Aktivität in<br />

den Basalganglien, in SPECT o<strong>der</strong><br />

PET<br />

Keine spezifischen Befunde; CCT<br />

o<strong>der</strong> MRT zum Ausschluss an<strong>der</strong>er<br />

Erkrankungen<br />

In CCT/MRT relevante cerebro-vaskuläre<br />

Läsionen<br />

Potenziell reversible Demenzen Je nach zugrundeliegen<strong>der</strong> Erkrankung<br />

Tabelle 1: Charakteristika <strong>der</strong> wichtigsten Demenzerkrankungen<br />

Psychiatrie<br />

■ Ein auf die Angehörigen zielen<strong>der</strong><br />

Behandlungsansatz schützt diese vor<br />

depressiver Dekompensation und<br />

zögert die Heimeinweisung hin<strong>aus</strong>. [12]<br />

■ Die Schulung <strong>der</strong> Mitarbeiter erwies<br />

sich als wirksam, psychische Symptome<br />

zu min<strong>der</strong>n. [10]<br />

Dagegen ist die Wirksamkeit <strong>der</strong> Validation,<br />

[2,19] einer Technik des empathischen,<br />

bestärkenden, also „validierenden“<br />

Vorgehens, bisher nicht bewiesen.<br />

Uns scheint aber eine entsprechende<br />

Haltung des Personals im Heim o<strong>der</strong><br />

im Krankenh<strong>aus</strong> ein wesentlicher Faktor.<br />

Darüber hin<strong>aus</strong> beobachten wir<br />

positive Effekte eines räumlichen<br />

Umfeldes, das den Demenzkranken die<br />

Orientierung erleichtert. Mittlerweile<br />

liegen Erfahrungen über bauliche Erfor<strong>der</strong>nisse<br />

<strong>für</strong> Demenzkranke vor. [6]<br />

Die Demenzkranken sollten gut geleitet<br />

sein, die Räume sowohl Mobilität als<br />

auch Rückzug ermöglichen sowie Sinnesreize<br />

bieten.<br />

■ Treten schwere psychische und Verhaltenssymptome<br />

wie Unruhe, Schlaflosigkeit,<br />

Depression, Angst o<strong>der</strong> Aggressivität<br />

auf, können Psychopharmaka<br />

unabdingbar sein. Die S3-Leitlinie<br />

„Demenzen“ empfiehlt psychosoziale<br />

Interventionen, hält aber Psychopharmaka<br />

<strong>für</strong> indiziert, „… wenn psychosoziale<br />

Interventionen nicht effektiv, nicht<br />

<strong>aus</strong>reichend o<strong>der</strong> nicht verfügbar“<br />

seien. [1]<br />

Störungen des episodischen Gedächtnisses,<br />

des Neugedächtnisses, <strong>der</strong> Wortfindung,<br />

<strong>der</strong> visuell-räumlichen Organisation<br />

Beim Haupttyp: Inadäquates Sozialverhalten;<br />

Fehlen schwerer Gedächtnis- o<strong>der</strong><br />

visuell-räumlicher Störungen<br />

Demenz mit Einschränkungen im Alltag,<br />

bei <strong>der</strong> Aufmerksamkeit sowie bei exekutiven<br />

und visuo-perzeptiven Funktionen; das<br />

Gedächtnis zu Beginn relativ gut erhalten<br />

Störungen <strong>der</strong> Aufmerksamkeit, exekutiver<br />

Funktionen (z. B. Initiierung und Planung,<br />

kognitive Flexibilität), visuell-räumlicher<br />

Funktionen<br />

Häufig: Verän<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong> Persönlichkeit,<br />

affektive Störungen wie Depression, emotionale<br />

Inkontinenz – neuropsycholog. Störungen<br />

je nach Lokalisation <strong>der</strong> cerebralen<br />

Schädigung<br />

783


Medtropole | Ausgabe 21 | April 2010<br />

Die Leitlinie empfiehlt bei agitiertem und<br />

aggressivem Verhalten und bei Halluzinationen<br />

und Wahn Risperidon (0,5 – 2 mg )<br />

o<strong>der</strong> Aripiprazol (2,5 – 15 mg ), wobei Risperidon<br />

„on label“ wäre, Aripiprazol „off<br />

label“. Im klinischen Alltag haben sich<br />

darüber hin<strong>aus</strong> Quetiapin (50 – 150 mg ),<br />

Melperon (25 – 200 mg ) und Pipamperon<br />

(40 – 120 mg ), bei Unruhe und aggressivem<br />

Verhalten auch Trazodon (bis 150 mg )<br />

bewährt.<br />

Bei Demenzkranken, die mit Antipsychotika<br />

behandelt wurden, sind die Mortalität<br />

höher und zerebrovaskuläre Ereignisse<br />

häufiger. Die Medikamente sollten daher<br />

möglichst niedrig dosiert und nur befristet<br />

eingesetzt werden (ggf. nur Tage o<strong>der</strong><br />

Wochen; in <strong>der</strong> Praxis ist die „3-Monats-<br />

Regel“ adäquat).<br />

Für Patienten mit Demenz und Depression<br />

hat sich die medikamentöse antidepressive<br />

Therapie als wirksam erwiesen. Die besten<br />

Nachweise zu Wirksamkeit und Verträglichkeit<br />

scheinen <strong>für</strong> Citalopram (20– 40 mg),<br />

Mianserin (30 – 60 mg) und Moclobemid<br />

(400 mg ) vorzuliegen. Im klinischen Alltag<br />

setzen wir darüber hin<strong>aus</strong> Mirtazapin<br />

(15 – 45 mg) ein.<br />

Für Demenz und Schlafstörungen wird<br />

keine Evidenz basierte Empfehlung <strong>aus</strong>gesprochen.<br />

[1] Im klinischen Alltag ergeben<br />

sich folgende Optionen: Vorrang haben<br />

nicht pharmakologische Maßnahmen wie<br />

Schlafhygiene (kein Fernsehen am Abend/<br />

kein Schlaf am Tag) sowie Lichtexposition<br />

(1.000 – 10.000 Lux, 30 bis 90 Minuten täglich,<br />

nicht später als drei Stunden vor dem<br />

Schlafen). Auch körperliche Bewegung<br />

wird empfohlen. Eine Kombination gilt als<br />

784<br />

wirksamer als jede <strong>der</strong> einzelnen Maßnahmen.<br />

Beim Versagen: Zolpidem (5 – 10 mg )<br />

o<strong>der</strong> Zopiclon (3,75 – 7,5 mg), Mirtazapin<br />

(7,5 mg ), evtl. Prothipendyl 40 – 80 mg.<br />

Therapie spezieller Demenzformen<br />

M. Alzheimer<br />

Wird eine Demenz vom Alzheimer-Typ<br />

bestätigt, sollte die Behandlung mit einem<br />

Antidementivum begonnen werden. Die<br />

heute zur Verfügung stehenden Antidementiva<br />

sind die drei Cholinesterasehemmer<br />

(ChEHe) Donepezil, Rivastigmin und<br />

Galantamin (bei „leichter“ bis „mittelschwerer“<br />

Demenz) und <strong>der</strong> Wirkstoff<br />

Memantin (bei „mo<strong>der</strong>ater“ und „schwerer“<br />

Demenz).<br />

Die Antidementiva sollten auf die maximal<br />

empfohlene Zieldosis aufdosiert werden.<br />

Nach drei bis sechs Monaten gilt es, den<br />

Erfolg <strong>der</strong> Therapie abzuschätzen. Auf die<br />

Verordnung eines ChEHes reagieren kurzfristig<br />

etwa ein Viertel mit einer Besserung,<br />

die Hälfte stabilisiert sich, ein Viertel verläuft<br />

ungebremst progredient. Erfolg<br />

bedeutet, dass vorübergehend ein Stillstand<br />

des Krankheitsprozesses erreicht<br />

wurde o<strong>der</strong> sogar eine Besserung eintritt.<br />

Bei ungebremster Progression wird <strong>der</strong><br />

Wechsel eines ChEHes auf einen an<strong>der</strong>en<br />

empfohlen; Evidenz da<strong>für</strong>, den ChEHe<br />

beim Fortschreiten <strong>der</strong> Erkrankung und<br />

Erreichen des schweren Verlaufsstadiums<br />

abzusetzen, gibt es bisher nicht. [1]<br />

Für eine bessere Wirkung eines Cholinesterasehemmers<br />

im Vergleich mit den an<strong>der</strong>en<br />

gibt es bisher keinen Beleg. Allerdings<br />

unterscheiden sich die ChEHe in <strong>der</strong> Ver-<br />

abreichungsform sowie bezüglich Nebenwirkungen<br />

und Wechselwirkungen (z. B.<br />

unterschiedliche Wirkung auf das Cyt. P-<br />

System).<br />

Die Datenlage zur Prävention <strong>der</strong> Alzheimerdemenz<br />

ist immer noch unbefriedigend.<br />

Aufgrund weitgehenden Konsenses<br />

unter Experten [1] können <strong>der</strong>zeit alle Maßnahmen<br />

empfohlen werden, die auch vor<br />

Herz-Kreislauf-Erkrankungen schützen<br />

sollen. Hierzu gehören bestmögliche Einstellung<br />

eines Bluthochdrucks, einer Fettstoffwechselstörung<br />

und eines Diabetes<br />

mellitus sowie bei Übergewicht Gewichtsreduktion,<br />

gesunde vitaminreiche („mediterrane“)<br />

Ernährung, regelmäßige körperliche<br />

Bewegung (knapp eine halbe Stunde<br />

täglich körperliche Ertüchtigung [8] ), die<br />

Reduktion eines übermäßigen Alkoholkonsums<br />

(Grenzwert = ca. 0,1 l Wein/d) und<br />

<strong>der</strong> Verzicht auf Nikotin. Als beson<strong>der</strong>s<br />

wichtig wird kognitive Aktivität verbunden<br />

mit sozial aktivem Leben angesehen.<br />

Vorsorgende Maßnahmen sollten möglichst<br />

lange vor dem Alter beginnen.<br />

Frontotemporale Demenz (FTD)<br />

Bezüglich einer antidementiven Medikation<br />

gibt es keine Therapieempfehlung.<br />

Eine kleinere Studie zeigte gute Effekte<br />

von Trazodon auf die Verhaltenssymptome<br />

Irritabilität, Agitiertheit, Depressivität und<br />

Essstörungen. [9]<br />

Lewy-Körperchen-Demenz<br />

Es gibt Hinweise auf die Wirksamkeit von<br />

Rivastigmin auf Verhaltenssymptome. Der<br />

Einsatz bei Lewy-Körperchen-Demenz<br />

wäre „off label“.


Vaskuläre Demenz<br />

Es gibt keine <strong>aus</strong>reichende Evidenz <strong>für</strong> die<br />

Wirksamkeit eines Antidementivums bei<br />

vaskulärer Demenz. Im Einzelfall kann<br />

eine Behandlung mit einem AChEHe o<strong>der</strong><br />

Memantin erwogen werden, es handelt<br />

sich aber um einen „off label“-Gebrauch.<br />

Konsequent sollten alle Risikofaktoren<br />

behandelt werden, die zu weiteren vaskulären<br />

Schädigungen führen könnten.<br />

Parkinsondemenz<br />

Rivastigmin ist als Antidementivum „on<br />

label“. Für Patienten mit Parkinsondemenz,<br />

Lewy-Körperchen-Demenz und verwandten<br />

Erkrankungen, die an psychotischen<br />

Symptomen leiden, sind klassische<br />

und viele atypische Neuroleptika kontraindiziert.<br />

Einsetzbare Neuroleptika sind hier<br />

Clozapin und mit geringerer Evidenz Que-<br />

tiapin. [1]<br />

Potenziell reversible Demenzen<br />

Hier sollte umgehend eine pathogenetisch<br />

orientierte Therapie eingeleitet werden,<br />

etwa mit einem Schilddrüsenhormon bei<br />

Schilddrüsenunterfunktion o<strong>der</strong> mit einer<br />

Vitamin-B12-Substitution bei entsprechendem<br />

Vitaminmangel.<br />

Fazit<br />

In Zukunft werden wir über wirksamere<br />

Medikamente gegen Demenz und speziell<br />

die Alzheimer-Krankheit verfügen. Acetylcholinesterasehemmer<br />

und Memantine<br />

sowie nicht-medikamentöse Therapieverfahren,<br />

eine Optimierung <strong>der</strong> Versorgungsstrukturen<br />

und möglichst früh einsetzende<br />

präventive Maßnahmen sind <strong>der</strong>zeit das<br />

Wirksamste, das wir gegen Demenzen tun<br />

können. Wünschenswert wäre, dass in<br />

weit<strong>aus</strong> größerem Umfang als bisher<br />

Demenzkranke in den Genuss des heute<br />

therapeutisch Möglichen kämen.<br />

Weitere Informationen<br />

Gezielte Schulungsmaßnahmen <strong>für</strong> H<strong>aus</strong>und<br />

Fachärzte:<br />

Deutsche Akademie <strong>für</strong> Gerontopsychiatrie<br />

und -psychotherapie e.V. (DAGPP)<br />

Geschäftsstelle<br />

Postfach 1366, 51657 Wiehl<br />

E-Mail: GS@dagpp.de.<br />

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1999; 39: 546-58.<br />

[11] Melchinger H. Demenzerkrankungen – chronische<br />

Versorgungsdefizite. Deutsches <strong>Ärzte</strong>blatt. 2007; 1004:<br />

A3236-7.<br />

[12] Mittelman MS, Roth DL, Coon DW, Haley WE.<br />

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disease. Am J Psychiatry 2004; 161: 850-6.<br />

[13] Morris JC, Heyman A, Mohs RC et al. The consortium<br />

to establish a registry for Alzheimer’s Disease (CERAD).<br />

Part I. Clinical and neuropsychological assessment of Alzheimer’s<br />

disease. Neurology. 1989; 39(9): 1159-65.<br />

[14] Olazaran J, Muniz R, Reisberg B et al. Benefits of cognitive-motor<br />

intervention in MCI and mild to mo<strong>der</strong>ate<br />

Alzheimer disease. Neurology. 2004; 63: 2348-53.<br />

[15] Shulman K. Clock-Drawing: is it the ideal cognitive<br />

screening test? Int J Geriatr Psychiatry. 2000; 15: 548-61.<br />

[16] Spector A, Thorgrimsen L, Woods B et al. Efficacy of<br />

an evidence based cognitive stimulation therapy programme<br />

for people with dementia. British Journal of Psychiatry.<br />

2003; 183: 248-54.<br />

[17] Stoppe G, Bergmann F, Bohlken J et al. Ambulante<br />

Versorgung von Demenzkranken – Kompetenzen sinnvoll<br />

verbinden. Der H<strong>aus</strong>arzt. 2005; 1: 48-53.<br />

[18] Teri L, Logsdon RG, Uomoto J, McCurry SM. Behavioral<br />

treatment of depression in dementia patients: a controlled<br />

clinical trial. J Gerontol B Psychol Sci Soc Sci. 1997; 57:<br />

159-66.<br />

[19] Toseland RW, Diehl M, Freeman K et al. The impact of<br />

validation group therapy on nursing home residents with<br />

dementia. J Appl Gerontol. 1997; 16: 31-50.<br />

Kontakt<br />

Dr. Cl<strong>aus</strong> Wächtler<br />

V. Abteilung <strong>für</strong> Psychiatrie und<br />

Psychotherapie<br />

Gerontopsychiatrie<br />

<strong>Asklepios</strong> <strong>Klinik</strong> Nord – Ochsenzoll<br />

Langenhorner Ch<strong>aus</strong>see 560<br />

22419 Hamburg<br />

Tel. (0 40) 18 18-87 23 37<br />

Fax (0 40) 18 18-87 16 05<br />

E-mail: c.waechtler@asklepios.com<br />

785


Medtropole | Ausgabe 21 | April 2010<br />

Ventrale Spondylodese bei degenerativen<br />

Erkrankungen <strong>der</strong> Halswirbelsäule<br />

Dr. Gerd Manthei<br />

Die in den 1950-iger Jahren von Smith und Robinson [1] sowie Cloward [2] eingeführte ventrale Diskektomie und<br />

Fusion o<strong>der</strong> ventrale Spondylodese hat sich als Routineeingriff und „Gold-Standard“ in <strong>der</strong> Therapie degenerativer<br />

HWS-Erkrankungen etabliert. Anhand des eigenen Patientengutes <strong>aus</strong> den Jahren 1996 bis 2008 mit 805 operierten<br />

Patienten soll das Behandlungsverfahren vorgestellt und diskutiert werden.<br />

Demographisch bedingt nimmt die Häufigkeit<br />

degenerativer Wirbelsäulenerkrankungen<br />

zu. 20 Prozent aller Arbeits<strong>aus</strong>fälle<br />

und 50 Prozent <strong>der</strong> vorzeitig gestellten<br />

Rentenanträge erfolgen auf Grund bandscheibenbedingter<br />

Erkrankungen. [3] Die<br />

zervikalen Bandscheibenerkrankungen<br />

stellen etwa ein Drittel aller bandscheibenbedingten<br />

Erkrankungen. [4] Die zervikale<br />

Myelopathie gilt in Deutschland und den<br />

Vereinigten Staaten als häufigste Wirbelsäulenerkrankung<br />

<strong>der</strong> über 55-Jährigen. [5]<br />

Mit <strong>der</strong> Alterung <strong>der</strong> Bandscheibe nimmt<br />

mit dem Wassergehalt und die Höhe des<br />

Nucleus pulposus ab, die Scherkräfte am<br />

Faserring nehmen zu. Kommt es zu einem<br />

Einriss im Faserring und einem Austritt<br />

von Bandscheibengewebe, sprechen wir<br />

von einem weichen Bandscheibenvorfall<br />

(softdisc prolapse). Die Verschmälerung<br />

<strong>der</strong> Bandscheibe beeinträchtigt zudem die<br />

Stabilität des Wirbelsegmentes, die Wirbelgelenke<br />

und Bandstrukturen werden überlastet.<br />

Der Körper versucht durch knöcherne<br />

Anbauten an Wirbeln und Wirbelgelenken<br />

diese Instabilität im Sinne einer „Autofusion“<br />

[6] zu beheben. Bedrängen diese Kno-<br />

786<br />

chenanbauten Rückenmarkes o<strong>der</strong> Nervenwurzeln,<br />

sprechen wir von einem harten<br />

Bandscheibenvorfall (harddisc prolapse). [7]<br />

Klinische Symptomatik<br />

Das zervikale Lokalsyndrom macht initial<br />

mit Nackenschmerzen und schmerzhafter<br />

Bewegungseinschränkung auf sich aufmerksam,<br />

beson<strong>der</strong>s bei chronischen Fällen<br />

auch mit Ausstrahlung in den Hinterhauptbereich<br />

(Zervikocephalgie) und vegetativen<br />

Störungen.<br />

Die zervikale Radikulopathie verursacht<br />

häufig bewegungsabhängige Schmerzen<br />

mit einer Ausstrahlung in die Arme<br />

(Brachialgie), bei zunehmen<strong>der</strong> Wurzelkompression<br />

mit sensiblen Störungen<br />

(Dysaesthesien, Paraesthesien) und dem<br />

betroffenen Segment entsprechenden<br />

Paresen. Zeichen einer zervikalen Myelopathie<br />

sind Missempfindungen in Armen<br />

und Beinen, eine spastische Gangstörung<br />

sowie eine Störung <strong>der</strong> Feinmotorik. Häufige<br />

Frühsymptome sind auch eine zeitweise<br />

auftretende Gefühllosigkeit <strong>der</strong><br />

Arme sowie ein anfallartiger Kraftverlust<br />

<strong>der</strong> Hände. [8]<br />

Diagnostik<br />

Neben <strong>der</strong> klinischen Untersuchung ist<br />

heute die MRT, insbeson<strong>der</strong>e mit T2gewichteten<br />

Aufnahmen, die Untersuchungsmethode<br />

<strong>der</strong> Wahl (Abb.1). Sie<br />

ermöglicht eine gute Darstellung des Myelon,<br />

seiner Reserveräume und <strong>der</strong> Nervenwurzeln.<br />

Zur besseren Darstellung <strong>der</strong><br />

knöchernen Verhältnisse kommt die Computertomographie<br />

zum Einsatz. Röntgennativaufnahmen<br />

mit Funktionsaufnahmen<br />

in Ante- und Retroflexion liefern einen Eindruck<br />

über das Ausmaß <strong>der</strong> degenerativen<br />

Verän<strong>der</strong>ungen und weisen mögliche In -<br />

stabilitäten nach.<br />

OP-Indikation<br />

Bei <strong>der</strong> zervikalen Radikulopathie besteht<br />

eine absolute OP-Indikation bei akuten,<br />

signifikanten und progredienten Paresen<br />

(Paresegrad 3/5 o<strong>der</strong> schlechter). Eine<br />

Operation wird empfohlen bei therapiere-


Abb. 1: MRT eines Patienten mit einer Spinalkanal -<br />

stenose HW3/4/5/6 mit intramedullärer Signalanhebung<br />

als Ausdruck einer Myelopathie<br />

sistenten Schmerzen trotz intensiver konservativer<br />

Maßnahmen über vier Wochen,<br />

progredienten neurologischen Ausfällen<br />

sowie persistierenden neurologischen Ausfällen<br />

mit radikulären Schmerzen. [9]<br />

Bei <strong>der</strong> zervikalen spondylotischen Myelopathie<br />

besteht die Indikation zur operativen<br />

Dekompression bei rascher Progredienz<br />

<strong>der</strong> klinischen Symptomatik, Auftreten signifikanter<br />

autonomer Störungen (Blase,<br />

Mastdarm, Potenz) sowie unzureichendem<br />

Erfolg einer konservativen Therapie bei<br />

Progredienz <strong>der</strong> neurologischen Sympto-<br />

matik. [10]<br />

Operatives Vorgehen<br />

Ziel des Eingriffs ist die Dekompression<br />

<strong>der</strong> geschädigten neuronalen Strukturen<br />

sowie die Stabilisierung <strong>der</strong> betroffenen<br />

zervikalen Bewegungssegmente (Abb.2).<br />

Bei <strong>der</strong> zervikalen Radikulopathie erfolgt<br />

die Dekompression über eine ventrale<br />

Discektomie mit Resektion des hinteren<br />

Längsbandes sowie raumfor<strong>der</strong>n<strong>der</strong><br />

Retrospondylophyten mit Erweiterung <strong>der</strong><br />

Neuroforamina. Bei <strong>der</strong> zervikalen Myelopathie<br />

ist zudem häufig eine Entlastung<br />

des Myelon durch eine (partielle) Resektion<br />

eines o<strong>der</strong> mehrerer Wirbelkörper notwendig.<br />

Die Stabilisierung <strong>der</strong> Wirbelsegmente<br />

gewährleistet eine instrumentierte<br />

Abb.2: Schematische Darstellung <strong>der</strong> ventralen Dekompression und Spondylodese<br />

ventrale Spondylodese. Dabei werden als<br />

ventrale Abstützung autologe trikortikale<br />

Knochenspäne o<strong>der</strong> allogene Implantate<br />

(PEEK, Carbon, Titan) verwendet (Abb. 3).<br />

Durch eine ventrale Verplattung lassen sich<br />

ein sekundärer ventraler Höhenverlust<br />

durch Einsinken <strong>der</strong> Implatate und eine<br />

dar<strong>aus</strong> resultierende Kyphosierung verhin-<br />

<strong>der</strong>n. [11]<br />

Eigenes Patientengut<br />

In den Jahren 1995 bis 2008 wurden in<br />

unserer <strong>Klinik</strong> 805 Patienten im Alter zwischen<br />

22 und 92 Jahren in <strong>der</strong> oben geschil<strong>der</strong>ten<br />

Weise operiert (Tab. 1). Bei 548 (68%)<br />

bestand eine radikuläre Symptomatik, bei<br />

204 (25 %) Patienten stand eine medulläre<br />

Symptomatik im Vor<strong>der</strong>grund; 64 dieser<br />

Patienten waren aufgrund <strong>der</strong> medullären<br />

Neurochirurgie<br />

Abb. 3: Intraoperativer Situs bei Versorgung von 2 Wirbelsegmenten: Im oberen Segment ist bereits ein 6 mm Cage<br />

eingefügt. Auffräsen des unteren ZWR, intraoperative Durchleuchtungskontrolle mit korrekter Cagelage<br />

Symptomatik nicht mehr ohne Hilfe gehfähig.<br />

Unter einem zervikalen Lokalsyndrom<br />

litten 53 Patienten (7 %).<br />

Das Durchschnittsalter <strong>der</strong> Patienten mit<br />

einer radikulären Symptomatik betrug<br />

50,8 Jahre, das <strong>der</strong> Patienten mit medullären<br />

Störungen 62 (noch gehfähig) beziehungsweise<br />

72 Jahre (nicht gehfähig). Patienten<br />

mit einer radikulären Störung hatten eine<br />

durchschnittliche Anamnesedauer von<br />

neun (0,5 – 36) Monaten. Bei Patienten mit<br />

medullärer Symptomatik betrug diese 14,8<br />

(0,1 – 94) Monate.<br />

Während <strong>der</strong> Eingriff bei 77 Prozent <strong>der</strong><br />

Patienten mit radikulären Beschwerden auf<br />

ein Bewegungssegment beschränkt werden<br />

konnte, war bei 88 Prozent <strong>der</strong> Patienten<br />

mit einer Myelopathie die Versorgung von<br />

2 – 4 Segmenten notwendig (Abb. 4).<br />

787


Medtropole | Ausgabe 21 | April 2010<br />

Abb. 4: Zervikale Myelopathie, Dekompression und<br />

ventrale Spondylodese HW 3/4/5/6/7<br />

Ergebnisse<br />

662 Patienten (82 %) konnten nach drei und<br />

zwölf Monaten nachuntersucht werden.<br />

Die Behandlungsergebnisse wurden in<br />

Anlehnung an ODOM et al. [7] klassifiziert<br />

(Tab.2).<br />

Beim zervikalen Radikulärsyndrom zeigte<br />

sich bereits drei Monate postoperativ bei<br />

mehr als 90 Prozent <strong>der</strong> Patienten eine gute<br />

bis sehr gute Besserung <strong>der</strong> Beschwerden.<br />

Bei <strong>der</strong> zervikalen Myelopathie zeigten die<br />

neurologischen Ausfälle eine insgesamt<br />

verzögerte Rückbildung. Immerhin profitierten<br />

ein Jahr postoperativ 70 Prozent <strong>der</strong><br />

Patienten von dem Eingriff, vor allem<br />

Patienten mit geringeren neurologischen<br />

Ausfällen (Tab. 3).<br />

Die Komplikationsrate beträgt insgesamt<br />

fünf Prozent. Am häufigsten beobachtet<br />

werden meist passagere Heiserkeit und<br />

Schluckstörungen (Läsion des N. recurrens<br />

in 2 %, lokales Hämatom in 1,2 %). Radikuläre<br />

Läsionen sind selten (0,4 %). Bei sieben<br />

Patienten mit einer zervikalen Myelopathie<br />

war eine zusätzliche Entlastung des<br />

Rückenmarkes von dorsal notwendig.<br />

Fazit<br />

Bei <strong>der</strong> Behandlung degenerativer Halswirbelsäulenerkrankungen<br />

ist die ventrale<br />

Dekompression mit anschließen<strong>der</strong> Fusion<br />

788<br />

Präoperative Symptomatik Alter Anamnese (Monate)<br />

Radilulär (n = 548) 50,8 9 (0,5 – 36)<br />

Medullär, noch gehfähig (n = 140) 62,3 14,8 (0,1 – 94)<br />

Medullär, nicht gehfähig (n = 64) 72 6 (0,1 – 24)<br />

Lokal (n = 53) 57,6 22 (8 – 48)<br />

nach 3 Monaten nach 12 Monaten<br />

n n % n %<br />

Schmerz 514 478 93 493 96<br />

Sensibilität 464 417 90 436 94<br />

Motorik 263 200 76 231 88<br />

nach 3 Monaten nach 12 Monaten<br />

n % n %<br />

Vollständige Remission 478 93 493 96<br />

Gute Rückbildung 417 90 436 94<br />

Geringe Remission 200 76 231 88<br />

Keine Än<strong>der</strong>ung 40 27 6 4<br />

Verschlechtert 9 6 4 3<br />

als zuverlässiges Operationsverfahren etabliert.<br />

Die Erfolgsrate liegt bei Patienten mit radikulären<br />

Beschwerden über 90 Prozent. Seit<br />

einigen Jahren kann diesen Patienten als<br />

alternatives Operationsverfahren die<br />

Implantation einer Bandscheibenprothese<br />

angeboten werden. Dabei sind die initialen<br />

Erfolgsraten im eigenen Patientengut zwar<br />

ähnlich gut, Langzeitergebnisse liegen aber<br />

nicht vor und die Entwicklung dieser<br />

dynamischen Implantate ist nicht abgeschlossen.<br />

Bei <strong>der</strong> zervikalen spondylotischen<br />

Myelopathie ist das primäre Behandlungsziel,<br />

ein Fortschreiten <strong>der</strong> Erkrankung<br />

und damit eine zunehmende Immobilität<br />

zu verhin<strong>der</strong>n. Da insbeson<strong>der</strong>e Patienten<br />

in einem früheren Krankheitsstadium von<br />

einer Operation profitieren, ist bei Vorliegen<br />

verdächtiger Symptome eine frühzeitige<br />

neurologische Differenzialdiagnostik<br />

indiziert.<br />

Literatur<br />

[1] Smith GW, Robinson RA. The treatment of certain cervical-spine<br />

disor<strong>der</strong>s by anterior removal of the intervertebral<br />

disc and interbody fusion.<br />

J Bone Joint Surg. 1958; 40-A(3): 607-23.<br />

[2] Cloward R. The anterior approach for removal of ruptured<br />

cervical discs; J<br />

Neurosurg. 1958; 15: 602-17.<br />

[3] Krämer J. Bandscheibenbedingte Erkrankungen, Ursachen;<br />

Diagnose, Behandlung, Vorbeugung, Begutachtung:<br />

Georg Thieme Verlag, Stuttgart, New York, 5. Aufl. 2006<br />

Tab. 1: Zervikale degenerative<br />

Radikulo-/Myelopathie<br />

n = 805; 366 weibl., 439 männl.,<br />

Alter 22 – 92 Jahre<br />

Tab. 2: Zervikale degenerative Radikulopathie,<br />

Behandlungsergebnisse<br />

nach ventraler Fusion,<br />

n = 514 von 548 Patienten<br />

Tab. 3: Zervikale degenerative Myelopathie,<br />

Behandlungsergebnisse<br />

nach ventraler Fusion, n = 148 von<br />

204 Patienten<br />

[4] Schrö<strong>der</strong> J, Wassmann H. Polymethylmethacrylat<br />

(PMMA) in <strong>der</strong> Halsbandscheibenchirurgie – gegenwärtige<br />

Situation in Deutschland. Zentralbl Neurochir. 2002; 63:<br />

33-6.<br />

[5] Whitecloud TS. Anterior surgery for cervical spondylotic<br />

myelopathy. Spine. 1988; 13: 861-3.<br />

[6] Wang B, Liu H, Wang H, Zhou D. Segmental instability<br />

in cervical spondylotic myelopathy with severe disc degeneration.<br />

Spine. 2006; 12: 1327-31.<br />

[7] Odom GL, Finney W, Woodhall B, Durham NC. Cervical<br />

disc lesions. JAMA 1958; 166: 23-8.<br />

[8] Lunsfort LD, Bissonette D, Janetta PJ, Sheptak PE,<br />

Zorub DS. Anterior surgery for cervical disc disease. Part 2:<br />

Treatment of cervical spondylotic myelopathy in 32 cases. J<br />

Neurosurg. 1980; 53: 12-9.<br />

[9] Leitlinie Zervikales Wurzelkompressionsyndrom (Entwurf)<br />

DGNC, 2008.<br />

[10] AWMF: Leitlinie Zervikale Spondylotische Myelopathie,<br />

DGN, 2008.<br />

[11] Perlick L, Zan<strong>der</strong> D, Kraft N, Wallny T, Diedrich O,<br />

Schmitt O. Operative Ergebnisse <strong>der</strong> monosegmentalen<br />

ventralen Fusion mit Plattenosteosynthese bei <strong>der</strong> therapieresistenten<br />

chronischen Zervikobrachialgie. Z Orthop.<br />

2000; 138: 452-8.<br />

Kontakt<br />

Dr. Gerd Manthei<br />

Sektionsleiter Neurochirurgie<br />

ASKLEPIOS <strong>Klinik</strong> St. Georg<br />

Tel. (0 40) 18 18-85 24 12<br />

Fax (0 40) 18 18-85 34 37<br />

E-Mail: g.manthei@asklepios.com


Marketing o<strong>der</strong> echter Fortschritt?<br />

Der erreichte Stand <strong>der</strong> laparoskopischen<br />

Weiterentwicklungen<br />

Die neuen Techniken lassen sich in drei<br />

Gruppen zusammenfassen:<br />

■ NOTES (natural orifice transluminal<br />

endoscopic surgery):<br />

Narbenfreies Operieren über natürliche<br />

Körperöffnungen wie Magen o<strong>der</strong> Rektum<br />

bei beiden Geschlechtern o<strong>der</strong> die<br />

Scheide <strong>der</strong> Frau<br />

■ SILS/LESS (single incision laparoscopic<br />

surgery/laparoendoscopic single site<br />

surgery): Operieren über eine bis zu<br />

30 mm grosse Inzision am Nabel, wobei<br />

zur Erleichterung <strong>der</strong> technisch komplizierteren<br />

Verfahren neue Instrumente,<br />

z. B. mit winkelbaren Griffen verwendet<br />

werden<br />

■ „Hybrid“-Techniken (auch e-NOTES):<br />

Kombinationen bei<strong>der</strong> Techniken mit<br />

meist transvaginalem Zugang sowie<br />

einem umbilikalen 5-mm-Trokar.<br />

Bei NOTES-Eingriffen kommen flexible<br />

Instrumente <strong>aus</strong> <strong>der</strong> Endoskopie zum Einsatz.<br />

Auch erfahrene Gastroenterologen<br />

und Laparoskopeure erreichen hierbei<br />

jedoch nur schwer eine <strong>aus</strong>reichende Stabilität<br />

<strong>für</strong> eine optimale Gewebedissektion.<br />

Erste Berichte zeigen prohibitiv hohe Komplikationsraten.<br />

[1] Im Gegensatz dazu ist<br />

eine rasche Zunahme von SILS- und<br />

Hybrid-Techniken zu verzeichnen. Hierbei<br />

kommen starre o<strong>der</strong> abwinkelbare Instrumente<br />

zum Einsatz, die bereits <strong>aus</strong> <strong>der</strong><br />

konventionellen Laparoskopie bekannt<br />

sind (Abb. 1). Bei guten laparoskopischen<br />

Vorkenntnissen gestaltet sich die praktische<br />

Umsetzung dieser neuen Techniken<br />

<strong>aus</strong> unserer Erfahrung meist problemlos.<br />

Auch größere Eingriffe sind machbar.<br />

Neue Instrumente versprechen kürzere<br />

Operationszeiten, schnellere Lernkurven<br />

und weniger Komplikationen.<br />

Allgemein- und Viszeralchirurgie<br />

Single Port Surgery macht Fortschritte – aber es gibt noch viele Fragezeichen<br />

Axel Mahn<br />

Prof. Dr. Friedrich Kallinowski<br />

Laparoskopische Operationen, zum Beispiel zur Entfernung <strong>der</strong> Gallenblase, sind heute in den meisten <strong>Klinik</strong>en<br />

Standard. Neue minimalinvasive Operationstechniken scheinen nun rasend schnell um sich zu greifen, so dass<br />

man meinen könnte, die konventionell laparoskopische Operationsweise wäre bereits überholt. Naturgemäß<br />

fasziniert die heutige Weiterentwicklung hin zu einem Zugang, vielleicht sogar zur Nutzung einer natürlichen<br />

Körperöffnung zur narbenfreien Chirurgie, Laien und Fachleute gleichermaßen. Experten sehen aber neben <strong>der</strong><br />

spannenden Technik auch eine verlängerte Lernkurve, längere Operationszeiten, erhöhte Kosten und möglicherweise<br />

erhöhte Komplikationsraten. In einer Zeit, in <strong>der</strong> Patienten das Krankenh<strong>aus</strong> nach schonenden offenen<br />

Operationen, Frühmobilisation und raschem Kostaufbau in <strong>der</strong> Regel am siebten postoperativen Tag auch nach<br />

größeren Eingriffen wie<strong>der</strong> verlassen, fällt es schwer, Vorteile laparoskopischer Entwicklungen zu belegen.<br />

Welche Weiterentwicklungen sind denn vor dem Hintergrund des erreichten hervorragenden Standards beson<strong>der</strong>s<br />

vielversprechend?<br />

Weniger als minimal-invasiv?<br />

Nach 20-jähriger Suche nach dem echten<br />

Vorteil <strong>der</strong> laparoskopischen Operation<br />

wurde festgestellt, dass die Rate an Narbenbrüchen<br />

und die Häufigkeit von Adhäsionen<br />

durch die Bauchspiegelung vermin<strong>der</strong>t<br />

werden. Folgerichtig versucht man<br />

nun, die Anzahl <strong>der</strong> Zugänge bei laparoskopischen<br />

Operationen weiter zu reduzieren,<br />

um diese Vorteile <strong>aus</strong>zubauen. Der<br />

Hauptgrund des klinischen Erfolges <strong>der</strong><br />

laparoskopischen Technik gegenüber <strong>der</strong><br />

offenen Chirurgie liegt nämlich nicht im<br />

besseren kosmetischen Effekt, son<strong>der</strong>n in<br />

<strong>der</strong> rascheren postoperativen Erholung,<br />

<strong>der</strong> vermin<strong>der</strong>ten post-operativen Darmparalyse<br />

sowie <strong>der</strong> Reduktion von Wundinfekten<br />

und Narbenhernien. Sind diese<br />

Vorteile wie im Fall <strong>der</strong> Appendektomie<br />

nicht nachweisbar, wird die Technik nicht<br />

weiter <strong>aus</strong>gebaut. [2] An dieser Stelle beginnen<br />

die Fragezeichen, die nur über die<br />

789


Medtropole | Ausgabe 21 | April 2010<br />

Abb. 1: Single Port Laparoskopische Sigmaresektion erweitert mit Hemikolektomie links bei schwerer Divertikulitis an <strong>der</strong> <strong>Asklepios</strong> <strong>Klinik</strong> Harburg im Februar 2010;<br />

man sieht links das Aufsetzen des vorbereiteten Gelports (Applied Medical), rechts den Situs während <strong>der</strong> Präparation<br />

sorgfältige Analyse <strong>der</strong> Vorgehensweise in<br />

jedem einzelnen Verfahren zu beseitigen<br />

sind.<br />

Für die laparoskopische Cholecystektomie<br />

ist klar, dass <strong>der</strong> Übergang von einer offenen<br />

zu einer laparoskopischen Technik<br />

eine Reduktion <strong>der</strong> Narbenbrüche, aber<br />

auch eine Erhöhung <strong>der</strong> Rate an Gallenwegsverletzungen<br />

gebracht hat. Für die<br />

laparoskopische Appendektomie ist ein<br />

genereller Vorteil nicht mehr nachweisbar.[2]<br />

Bei den laparoskopischen Kolonund<br />

Rektumresektionen wird bestenfalls<br />

ein gleichwertiger Therapiestandard<br />

erzielt. Für an<strong>der</strong>e Eingriffe liegen keine<br />

gesicherten Erkenntnisse vor. Ob bei <strong>der</strong><br />

Single Port-Technik ein – längerer – o<strong>der</strong><br />

bei <strong>der</strong> konventionell laparoskopischen<br />

Technik mehrere – kürzere – Zugänge<br />

„besser“ sind, ist vollständig ungeklärt.<br />

Trotzdem werden die neuen Techniken in<br />

Kursen vermittelt. Die Industrie begleitet<br />

die Einführung mit neuen Geräten, <strong>der</strong>en<br />

Nutzen nicht überprüft ist. Erwartet wird<br />

eine kürzere Erholungszeit <strong>der</strong> Patienten,<br />

aber über die Risiken <strong>der</strong> neuen Techniken<br />

wird wenig gesprochen.<br />

790<br />

Risiken <strong>der</strong> neuen Techniken<br />

■ Auch erfahrene laparoskopische Operateure<br />

benötigen eine gewisse Zeit,<br />

um sich an die notwendigen Arbeitsschritte<br />

zu gewöhnen. Hilfreich sind<br />

Beidhändigkeit und die Bereitschaft,<br />

mit gekreuzten Instrumenten zu arbeiten.<br />

Dies scheint eine Leistung zu sein,<br />

die nicht mehr alle Kandidaten <strong>aus</strong><br />

dem Stand erbringen können. Im Mittel<br />

resultiert eine verlängerte Lernkurve.<br />

■ Die Sicht wird durch die geringen<br />

Winkel <strong>der</strong> Instrumente zueinan<strong>der</strong><br />

eingeschränkt. Daher sind längere<br />

Operationszeiten bei einer SILS/LESS-<br />

Cholezystektomie gegenüber <strong>der</strong> konventionell<br />

laparoskopischen Operation<br />

einzukalkulieren. Bei einem straff organisierten<br />

operativen Tagesprogramm<br />

wird die generelle Einführung <strong>der</strong><br />

Single Port Operationen zu einer Einschränkung<br />

<strong>der</strong> operativen Leistung<br />

führen.<br />

■ Dies führt zu einer Reduktion <strong>der</strong><br />

DRG-Erlöse und gemeinsam mit den<br />

Einmalmaterialien zu erhöhten Kosten<br />

in den INEK-Kalkulationshäusern.<br />

■ Eine längere Operationsdauer bedeutet<br />

auch längere Narkosezeiten, die bei<br />

dem Pneumoperitoneum immer auch<br />

längere kardiale Belastungen bedingen.<br />

■ Ob dadurch erhöhte Komplikationsraten<br />

o<strong>der</strong> eine strengere Patientenselektion<br />

in Kauf zu nehmen sind, ist noch<br />

ungeklärt.<br />

■ Sind Narbenbrüche bei längeren<br />

Zugängen o<strong>der</strong> Adhäsionsbeschwerden<br />

nach SILS-, LESS- o<strong>der</strong> Hybrid-Operationen<br />

wirklich seltener als bei <strong>der</strong> konventionellen<br />

laparoskopischen Technik?<br />

Man muss auch festhalten, dass die heutigen<br />

konventionell laparoskopischen Wahleingriffe<br />

mit abschließenden Hautverschlussmöglichkeiten<br />

vergleichbare<br />

günstige kosmetische Ergebnisse zeigen.<br />

Die Verwendung von Intracutannähten<br />

o<strong>der</strong> Steristrips im Bereich von 5-mm-<br />

Zugängen o<strong>der</strong> generell die Verwendung<br />

von Hautklebern führen zu ansprechenden<br />

Erscheinungsbil<strong>der</strong>n (Abb. 2). Patienten<br />

sind schon begeistert über die Tatsache,<br />

dass bei einem Hautverschluss we<strong>der</strong><br />

Klammern noch Fäden entfernt werden<br />

müssen. Die kleinen Zugänge verheilen<br />

regelhaft gut und führen zu exzellenten<br />

kosmetischen Resultaten.


Patientenselektion<br />

Patienten entscheiden sich <strong>für</strong> die neuen<br />

Verfahren bei sachgerechter Aufklärung<br />

nicht ohne Bedenken. Allerdings nehmen<br />

Patienten auch eine Risikoerhöhung in<br />

Kauf, wenn sie von Vorteilen überzeugt<br />

sind. Schweizer Daten zeigen nicht überraschend,<br />

daß diese Bereitschaft abnimmt, je<br />

höher die eingegangenen Risiken beziffert<br />

werden. [3] Patienten sind zu 97 Prozent<br />

bereit, eine Erhöhung <strong>der</strong> Komplikationsrate<br />

auf drei Prozent hinzunehmen, wenn<br />

die Operation ohne Narben durchgeführt<br />

werden kann. Eine Erhöhung <strong>der</strong> Komplikationsrate<br />

auf neun Prozent führte in dieser<br />

Umfrage zu einer Abnahme <strong>der</strong> Akzeptanz<br />

auf drei Prozent. Einzelne <strong>Klinik</strong>en<br />

berichten, dass die weit überwiegende<br />

Zahl <strong>der</strong> Patienten die neuen Verfahren<br />

wünscht. Diese Einschätzung wird durch<br />

die Erkenntnis relativiert, dass die Laparoskopie<br />

nur gute Ergebnisse zeigt, wenn<br />

sie zügig und komplikationsarm durchgeführt<br />

werden kann. [4] Späte Konversionen<br />

können von prohibitiv hohen Komplikationsraten<br />

gefolgt sein. Daher sind schlankere<br />

und jüngere Patienten mit einfacheren<br />

Befunden eher geeignet, bei entsprechendem<br />

Wunsch mit einem Single Port- o<strong>der</strong><br />

einem Hybrid-Verfahren operiert zu werden.<br />

Fazit<br />

Der rasanten technischen Entwicklung<br />

mo<strong>der</strong>ner Laparoskopie und Endoskopie<br />

steht <strong>der</strong> deutliche Kostendruck des Ge -<br />

sundheitswesens gegenüber. Das Einweginstrumentarium<br />

<strong>für</strong> eine entsprechende<br />

Operation wird kaum durch eine Verkürzung<br />

<strong>der</strong> Liegezeit gegengerechnet werden<br />

können. Ausgewählte Patienten profitieren<br />

möglicherweise bereits jetzt von den mo -<br />

<strong>der</strong>nen Techniken. Das gemeinsame Interesse<br />

<strong>der</strong> Fachwelt und <strong>der</strong> Industrie wird<br />

die Entwicklung neuer Instrumente weiter<br />

vorantreiben. Beispiele sind winkelbare<br />

Optiken, geknickte Instrumente, innovative<br />

Seilzüge und Bewegungstechniken, robo -<br />

tergestützte Operationstechniken, gelartige<br />

Zugangssysteme und vieles an<strong>der</strong>e mehr.<br />

Die Zukunft hat begonnen und wir gestalten<br />

die Entwicklung mit.<br />

Kontakt<br />

Literatur<br />

Allgemein- und Viszeralchirurgie<br />

Abb. 2: Situs am dritten postoperativen Tag nach Single Port Operation (links) und nach konventionell laparoskopischer Sigmaresektion in <strong>der</strong> <strong>Asklepios</strong> <strong>Klinik</strong> Harburg<br />

im Februar 2010<br />

Prof. Dr. Friedrich Kallinowski<br />

Allgemein- und Viszeralchirurgie<br />

Eißendorfer Pferdeweg 52<br />

21075 Hamburg<br />

Tel. (0 40) 18 18-86 25 34<br />

Fax (0 40) 18 18-86 34 57<br />

E-Mail: f.kallinowski@asklepios.com<br />

[1] Nobutsugu A, Hirohisa T, Hisayo U et al. Single port<br />

endoscopic cholecystectomy: a bridge between laparoscopic<br />

and translumenal endoscopic surgery. J Hepatobiliary<br />

Pancreat Surg 2009; 16: 633-8.<br />

[2] Köckerling F, Schug-Paß C, Grund S. Laparoskopische<br />

Appendektomie – <strong>der</strong> neue Standard? Chirurg 2009; 80:<br />

594-601.<br />

[3] Hagen ME, Christen D, Morel P. Cosmetic issues of<br />

Notes: results of an enquiry for possible justification of<br />

NOTES approaches. Endoscopy 2008; 40: 581-3.<br />

[4] Farke S, Roblick UJ: Evidenzbasierte laparoskopische<br />

Chirurgie – Divertikulitis. Viszeralchirurgie 2006; 41: 258-61.<br />

791


Medtropole | Ausgabe 19 | Oktober 2009<br />

Graduierung von Stenosen<br />

<strong>der</strong> A. carotis interna<br />

Revision und Transferierung <strong>der</strong> DEGUM-Ultraschall-Kriterien<br />

in die NASCET-Definition<br />

Prof. Dr. Christian Arning<br />

Bisher bezogen sich die Ultraschallkriterien zur Graduierung von Karotisstenosen in Deutschland auf die lokale<br />

Durchmesserreduktion, entsprechend <strong>der</strong> in <strong>der</strong> europäischen ECST-Studie benutzten Definition. Um die Konfusion<br />

durch verschiedene, nebeneinan<strong>der</strong> benutzte Stenosegrad-Definitionen zu beseitigen, empfiehlt die interdisziplinäre<br />

S3-Leitlinienkonferenz „Karotisstenose“ nun die einheitliche Verwendung <strong>der</strong> in <strong>der</strong> amerikanischen NASCET-<br />

Studie verwendeten Systematik (distaler Stenosegrad).<br />

Wichtigstes Kriterium <strong>für</strong> die Entscheidung<br />

über invasive o<strong>der</strong> nicht-invasive Behandlung<br />

extrakranieller Stenosen <strong>der</strong> A. carotis<br />

interna ist <strong>der</strong> Stenosegrad. [1] Bei asymptomatischen<br />

Stenosen gilt darüber hin<strong>aus</strong> die<br />

rasche Zunahme des Stenosegrades als<br />

Indikator <strong>für</strong> ein erhöhtes Schlaganfallrisiko.<br />

[2] Bei <strong>der</strong> Stenosegradbestimmung ergeben<br />

sich aber nicht unerhebliche Probleme<br />

durch unterschiedliche Stenosegrad-Definitionen:<br />

Nach ECST wird <strong>der</strong> Stenosegrad<br />

in Relation zum ursprünglichen Lumen,<br />

nach NASCET in Relation zum distalen<br />

Lumen <strong>der</strong> A. carotis interna bestimmt<br />

(Abb. 1). [3,4] Für die radiologische Stenosegraduierung<br />

mit DSA, CTA und MRA hat<br />

sich die NASCET-Graduierung weitgehend<br />

durchgesetzt, während sich die Ultraschallkriterien<br />

<strong>der</strong> Deutschen Gesellschaft <strong>für</strong><br />

Ultraschall in <strong>der</strong> Medizin (DEGUM)<br />

weiterhin an ECST orientierten. [6] So kann<br />

dieselbe Stenose vom Radiologen mit 50<br />

Prozent (nach NASCET) und vom Ultraschall-Untersucher<br />

mit 70 Prozent (entsprechend<br />

ECST) graduiert werden.<br />

792<br />

Solange <strong>Ärzte</strong>n dieses Problem bewusst ist,<br />

ist eine Umrechnung von NASCET- auf<br />

ECST-Definition möglich. [7] Werden die<br />

verschiedenen Definitionen aber nicht<br />

beachtet, ist mit einer fehlerhaften Indikationsstellung<br />

zu Interventionen zu rechnen.<br />

Deshalb soll künftig nur noch die Graduierung<br />

anhand <strong>der</strong> NASCET-Definition<br />

verwendet werden.<br />

Die DEGUM-Stenosekriterien wurden<br />

anlässlich <strong>der</strong> Anpassung an die NASCET-<br />

Definition überarbeitet und in einer aktuellen<br />

Übersicht <strong>aus</strong>führlich erläutert. [8]<br />

An<strong>der</strong>s als in <strong>der</strong> angloamerikanischen<br />

Literatur, die im wesentlichen einen Parameter<br />

verwendet, um Stenosen oberhalb<br />

von 70 Prozent (NASCET) zu erfassen,<br />

ermöglicht <strong>der</strong> multiparametrische Ansatz<br />

<strong>der</strong> DEGUM-Graduierung die Beschreibung<br />

hochgradiger Stenosen in Zehn-Prozent-Schritten.<br />

(Tab. 1).<br />

Haupt- und Zusatzkriterien<br />

Alle sonographischen Kriterien haben ihre<br />

Grenzen und können, allein angewandt, zu<br />

Fehlbeurteilungen führen. Der große Vorteil<br />

<strong>der</strong> multiparametrischen Stenosegraduierung<br />

liegt darin, dass sich die verschiedenen<br />

Kriterien ergänzen. So ermöglicht die<br />

zusammenfassende synoptische Bewertung<br />

aller Befunde eine Einteilung in mehrere<br />

gut abgrenzbare Stenosegrade. Wegen<br />

<strong>der</strong> unterschiedlichen Zuverlässigkeit <strong>der</strong><br />

einzelnen Kriterien werden sie in Hauptund<br />

Zusatzkriterien differenziert.<br />

Hauptkriterien sind die Darstellung des<br />

Stenosebefundes im B-Bild beziehungsweise<br />

Farb-Doppler-Bild (zum Nachweis<br />

geringer Stenosebefunde und zur Unterscheidung<br />

zwischen Stenose und Gefäßverschluss),<br />

die Messung <strong>der</strong> Strömungsgeschwindigkeit<br />

im Stenosemaximum (<strong>für</strong><br />

mittelgradige und hochgradige Stenosen)<br />

(Abb. 2), die Messung <strong>der</strong> poststenotischen<br />

Strömungsgeschwindigkeit (zur Erkennung<br />

höchstgradiger Stenosen) sowie <strong>der</strong>


Abb. 1. Verschiedene Stenosegrad-Definitionen: Der<br />

lokale Stenosegrad (nach ECST) bezieht sich auf das<br />

ursprüngliche Lumen, <strong>der</strong> distale Stenosegrad (nach<br />

NASCET) auf das distale Lumen. D: distaler Gefäßdurchmesser,<br />

L: lokaler Gefäßdurchmesser, R: residualer<br />

Gefäßdurchmesser. [5]<br />

Nachweis beziehungsweise das Fehlen von<br />

Kollateralkreisläufen.<br />

Als Zusatzkriterien werden indirekte Stenosezeichen<br />

an <strong>der</strong> A. carotis communis<br />

berücksichtigt, außerdem <strong>der</strong> Nachweis<br />

von Strömungsstörungen, die diastolische<br />

Strömungsgeschwindigkeit, das Konfetti-<br />

Zeichen und gegebenfalls Stenoseindizes.<br />

Die Zusatzkriterien erhöhen die Sicherheit<br />

des Befundes, indem sie die Hauptkriterien<br />

ergänzen, und haben beson<strong>der</strong>e Bedeutung<br />

bei Mehrgefäßprozessen.<br />

DEGUM-Kriterien<br />

Mit dem multiparametrischen Konzept<br />

<strong>der</strong> DEGUM-Kriterien liegen inzwischen<br />

umfangreiche Erfahrungen über einen<br />

Zeit raum von fast 25 Jahren vor: Sie zeigen,<br />

dass Ultraschall eine hervorragende<br />

Methode zur Stenosegraduierung ist, wenn<br />

eine differenzierte synoptische Beurteilung<br />

mit verschiedenen hämodynamischen und<br />

Bildkriterien erfolgt. Wie bei allen diagnostischen<br />

Verfahren sind valide Befunde nur<br />

bei qualifizierter Anwendung durch einen<br />

gut <strong>aus</strong>gebildeten und erfahrenen Unter -<br />

sucher zu erwarten. Dann ist die Sonographie<br />

aber ein äußerst valides Verfahren zur<br />

Diagnostik von Stenoseprozessen an <strong>der</strong><br />

A. carotis, das den Einsatz <strong>der</strong> risikobehafteten<br />

intraarteriellen Angiographie auf<br />

wenige sehr spezielle Fragestellungen<br />

beschränkt.<br />

Literatur<br />

[1] Arning C. Behandlung von Karotisstenosen. Dtsch Med<br />

Wochenschr 2005; 130: 2513-7.<br />

[2] Hennerici M, Hülsbömer HB, Hefter H, Lammerts D,<br />

Rautenberg W. Natural history of asymptomatic extracranial<br />

arterial disease. Results of a long-term prospective study.<br />

Brain 1987;110: 777-91.<br />

[3] ECST Collaborative Group. Randomised trial of endarterectomy<br />

for recently symptomatic carotid stenosis: final<br />

results of the MRC European Carotid Surgery Trial (ECST).<br />

Lancet 1998; 351: 1379-87.<br />

[4] North American Symptomatic Carotid Endarterectomy<br />

Trial Collaborators. Beneficial effect of carotid endarterectomy<br />

in symptomatic patients with high-grade carotid stenosis.<br />

N Engl J Med 1991; 325: 445-53.<br />

[5] Arning C. Farbkodierte Duplexsonographie <strong>der</strong> hirnversorgenden<br />

Arterien, 3. Auflage. Stuttgart – New York: Thieme;<br />

2002<br />

Abb. 2: Ultraschallbefund einer<br />

mittelgradigen Karotisstenose von<br />

etwa 50 Prozent (nach NASCET)<br />

Neurologie<br />

Tab. 1: Stenosegraduierung <strong>der</strong> A. carotis interna (<strong>aus</strong> [8])<br />

Stenosegrad (NASCET-Definition) [%] 10 20 – 40 50 60 70 80 90 Verschluss<br />

Stenosegrad alt (ECST-Definition) [%] 45 50 – 60 70 75 80 90 95 Verschluss<br />

1. B-Bild +++ +<br />

2. Farb-Doppler-Bild + +++ + + + + + +++<br />

3. Syst. Spitzengeschwindigkeit<br />

im Stenosemaximum [cm/s] ca.<br />

200 250 300 350 – 400 100 – 500<br />

Haupt -<br />

kriterien<br />

Zusatzkriterien<br />

4. Syst. Spitzengeschwindigkeit<br />

poststenotisch [cm/s]<br />

5. Kollateralen und Vorstufen<br />

(Periorbitalarterien/ACA)<br />

6. Diastolische Strömungsverlangsamung<br />

prästenotisch (ACC)<br />

7. Strömungsstörungen<br />

poststenotisch<br />

8. Enddiastolische Strömungsgeschwindigkeit<br />

im Stenose -<br />

maximum [cm/s] ca.<br />

[6] Wid<strong>der</strong> B, von Reutern GM, Neuerburg-Heusler D.<br />

Morphologische und dopplersonographische Kriterien zur<br />

Bestimmung von Stenosierungsgraden an <strong>der</strong> A. carotis<br />

interna. Ultraschall in Med 1986; 7: 70-5.<br />

[7] Rothwell PM, Gibson RJ, Slattery J, Sellar RJ, Warlow<br />

CP. Equivalence of measurements of carotid stenosis. A<br />

comparison of three methods on 1001 angiograms. European<br />

Carotid Surgery Trialists' Collaborative Group. Stroke<br />

1994; 25: 2435-9.<br />

[8] Arning C, Wid<strong>der</strong> B, von Reutern GM, Stiegler H, Görtler<br />

M. Ultraschallkriterien zur Graduierung von Stenosen<br />

<strong>der</strong> A. carotis interna. Revision <strong>der</strong> DEGUM-Kriterien und<br />

Transfer in NASCET-Stenosierungsgrade. Ultraschall in<br />

Med 2010; 31 (im Druck).<br />

Kontakt<br />

>50


Medtropole | Ausgabe 21 | April 2010<br />

KONTAKT<br />

Prof. Dr. Ulrich Budde<br />

Hämostaseologie<br />

MEDILYS Laborgesellschaft mbH<br />

Paul-Ehrlich-Straße 1<br />

22763 Hamburg<br />

Tel. (0 40) 18 18-81 59 75<br />

Fax (0 40) 18 18-81 49 48<br />

E-Mail: u.budde@asklepios.com<br />

Prof. Dr. Ulrich Budde<br />

MEDILYS:<br />

Neuer Leiter <strong>für</strong> Hämostaseologie<br />

Prof. Dr. Ulrich Budde leitet seit Januar<br />

den Bereich Hämostaseologie bei MEDI-<br />

LYS. Budde wurde 1944 in Olsberg geboren,<br />

wuchs in Dortmund auf und studierte<br />

Humanmedizin in Bonn. Nach zwei Jahren<br />

Weiterbildung in <strong>der</strong> Anästhesie des Krankenh<strong>aus</strong>es<br />

Düren nahm er 1975 die Weiterbildung<br />

zum Arzt <strong>für</strong> Transfusionsmedizin<br />

im Institut <strong>für</strong> Experimentelle Hämatologie<br />

und Transfusionsmedizin <strong>der</strong> Universität<br />

Bonn unter Prof. Egli auf. 1984 erhielt er<br />

den Johann-Lukas-Schoenlein-Preis und<br />

begann eine langjährige Zusammenarbeit<br />

mit Ted Zimmerman und Zaverio Ruggeri<br />

in <strong>der</strong> Scripps Research Foundation im<br />

kalifornischen La Jolla. 1985 habilitierte<br />

sich Budde mit <strong>der</strong> Arbeit „Das von-Willebrand-Syndrom:<br />

Diagnose, Klassifikation<br />

und Therapie“. Im gleichen Jahr wechselte<br />

er in das Gerinnungslabor des UK Eppendorf,<br />

1986 wurde er dann Leiter <strong>der</strong> Transfusionsmedizin<br />

und Hämostaseologie des<br />

AK Harburg. 1997 wurde Budde zum Professor<br />

<strong>der</strong> Universität Hamburg berufen.<br />

1997 bis 2009 arbeitete er im nie<strong>der</strong>gelassenen<br />

Bereich in Hamburg. Bei MEDILYS<br />

wird Budde das diagnostische Angebot im<br />

Bereich <strong>der</strong> Spezialgerinnung erweitern.<br />

Da<strong>für</strong> steht am Standort Altona rund um<br />

die Uhr ein hochspezialisiertes Labor zur<br />

Verfügung. Ein weiterer wichtiger Aspekt<br />

seiner Arbeit ist die Durchführung großer<br />

Zulassungsstudien.<br />

794<br />

Dr. Jörg Elsner<br />

<strong>Asklepios</strong> <strong>Klinik</strong> St. Georg:<br />

Neuer Sektionsleiter <strong>der</strong><br />

Plastischen- und Handchirurgie<br />

Dr. Jörg Elsner, bisher Geschäftsführen<strong>der</strong><br />

Oberarzt am Diakoniekrankenh<strong>aus</strong> Rotenburg/Wümme,<br />

ist seit dem 1. April als<br />

neuer Sektionsleiter <strong>der</strong> Plastischen-,<br />

Rekonstruktiven- und Handchirurgie des<br />

Chirurgisch-Traumatologischen Zentrums<br />

an <strong>der</strong> <strong>Asklepios</strong> <strong>Klinik</strong> St. Georg tätig.<br />

Elsner wurde bei Köln geboren und wuchs<br />

in Bonn auf. Sein Studium <strong>der</strong> Human -<br />

medizin absolvierte er in Gießen und<br />

Würzburg sowie Teile seiner praktischen<br />

Ausbildung in <strong>der</strong> Schweiz. Seine chirur -<br />

gische Ausbildung absolvierte er unter<br />

an<strong>der</strong>em an den Universitätskliniken in<br />

Düsseldorf und Tübingen. Nach seiner<br />

Facharztanerkennung <strong>für</strong> Chirurgie erhielt<br />

er unter Prof. Dr. Peter Brüser am Malteser<br />

Krankenh<strong>aus</strong> in Bonn seine handchirurgische<br />

Ausbildung, bevor er ans <strong>Klinik</strong>um<br />

Bremen Mitte wechselte.<br />

Elsner ist Facharzt <strong>für</strong> Chirurgie/Hand -<br />

chirurgie und Facharzt <strong>für</strong> Plastische und<br />

Ästhetische Chirurgie. Zudem ist er<br />

ordentliches Mitglied mehrerer nationaler<br />

Fachgesellschaften und Autor bzw. Co-<br />

Autor diverser wissenschaftlicher Artikel<br />

und Studien. Elsner sieht seinen Tätigkeitsschwerpunkt<br />

sowohl in <strong>der</strong> akuten und<br />

elektiven Handchirurgie als auch in <strong>der</strong><br />

KONTAKT<br />

Dr. Jörg Elsner<br />

Fachbereich Plastische, Rekonstruktive und<br />

Handchirurgie<br />

Chirurgisch-Traumatologisches Zentrum<br />

<strong>Asklepios</strong> <strong>Klinik</strong> St. Georg<br />

Tel. (0 40) 18 18-85 24 12<br />

Fax (0 40) 18 18-85 34 37<br />

E-Mail: jo.elsner@asklepios.com<br />

mo<strong>der</strong>nen rekonstruktiven Chirurgie des<br />

Weichgewebes inklusive <strong>der</strong> mikrochirurgischen<br />

Rekonstruktion durch Eigen -<br />

gewebstransfer. Ein weiterer Tätigkeits -<br />

bereich in <strong>der</strong> <strong>Asklepios</strong> <strong>Klinik</strong> St. Georg<br />

wird die elektive Vorfußchirurgie sein. Er<br />

verfügt über die volle Zulassung nach § 37<br />

<strong>der</strong> Berufsgenossenschaften <strong>für</strong> schwere<br />

Handverletzungen.


Dr. Christoph Goetz Prof. Dr. Christian Wülfing<br />

<strong>Asklepios</strong> <strong>Klinik</strong> Harburg:<br />

Neue Sektion Neurochirurgie<br />

Am 1. April 2010 übernahm Dr. Christoph<br />

Goetz, bisher Chefarzt <strong>der</strong> Neurochirurgie<br />

in <strong>der</strong> ENDO-<strong>Klinik</strong> Hamburg, die Leitung<br />

<strong>der</strong> neuen Sektion Neurochirurgie unter<br />

dem Dach <strong>der</strong> Abteilung <strong>für</strong> Orthopädie<br />

und Unfallchirurgie in <strong>der</strong> <strong>Asklepios</strong> <strong>Klinik</strong><br />

Harburg. Nach seinem Medizinstudium in<br />

Göttingen und Lübeck begann Dr. Goetz<br />

seine ärztliche Weiterbildung an <strong>der</strong> <strong>Klinik</strong><br />

<strong>für</strong> Neurochirurgie <strong>der</strong> Medizinischen<br />

Hochschule Hannover unter Prof. Hermann<br />

Dietz. 1991 promovierte er an <strong>der</strong><br />

<strong>Klinik</strong> <strong>für</strong> Augenheilkunde, 1993 erwarb er<br />

die Zusatzbezeichnung Rettungsmedizin<br />

und 1995 die Facharztanerkennung <strong>für</strong><br />

Neurochirurgie. Ab 1996 baute Dr. Goetz<br />

als Leiten<strong>der</strong> Oberarzt mit Prof. Sollmann<br />

die neu eingerichtete Neurochirurgische<br />

<strong>Klinik</strong> des Städtischen <strong>Klinik</strong>ums Braunschweig<br />

auf. Währenddessen erwarb er die<br />

Anerkennung „Spezielle Neurochirurgische<br />

Intensivmedizin“ und schloss eine Ausbildung<br />

„Ärztliches Qualitätsmanagement“<br />

<strong>der</strong> nie<strong>der</strong>sächsischen <strong>Ärzte</strong>kammer ab.<br />

2005 wechselte Dr. Goetz als Chefarzt an<br />

die Hamburger ENDO-<strong>Klinik</strong>. In <strong>der</strong><br />

<strong>Asklepios</strong> <strong>Klinik</strong> Harburg wird Dr. Goetz<br />

neue Schwerpunkte in den Bereichen<br />

Mikrochirurgie <strong>der</strong> Wirbelsäule, Bandscheibenersatz,<br />

Behandlung von Instabilitäten<br />

<strong>der</strong> Wirbelsäule, Hirnchirurgie und<br />

Eingriffe an den Peripheren Nerven aufbauen.<br />

Seine Sektion wird auch an <strong>der</strong> Versorgung<br />

von Wirbelsäulen- und Schädelverletzungen<br />

beteiligt sein. Neben seinen<br />

Aufgaben in <strong>der</strong> <strong>Asklepios</strong> <strong>Klinik</strong> ist Dr.<br />

Goetz als Entwickler von Wirbelsäulen -<br />

implantaten, Gutachter und Betreuer von<br />

Boxern des Boxstalls Universum sowie als<br />

Ringarzt tätig.<br />

KONTAKT<br />

Dr. Christoph Goetz<br />

Sektionsleiter Neurochirurgie<br />

Abt. <strong>für</strong> Orthopädie und Unfallchirurgie<br />

<strong>Asklepios</strong> <strong>Klinik</strong> Harburg<br />

Eißendorfer Pferdeweg 52, 21075 HH<br />

Tel. (0 40) 18 18-86 27 98<br />

Fax (0 40) 18 18-86 30 80<br />

Terminvergabe: (0 40) 18 18-86 23 02<br />

E-Mail ch.goetz@asklepios.com<br />

<strong>Asklepios</strong> <strong>Klinik</strong> Altona:<br />

Neue Leitung <strong>der</strong> Urologie<br />

Am 1. April 2010 übernahm Prof. Dr.<br />

Chris tian Wülfing als Nachfolger von Prof.<br />

Dr. Hermann Becker die Leitung <strong>der</strong> urologischen<br />

Abteilung in <strong>der</strong> <strong>Asklepios</strong> <strong>Klinik</strong><br />

Altona. Der bisherige leitende Oberarzt in<br />

<strong>der</strong> <strong>Klinik</strong> und Poliklinik <strong>für</strong> Urologie am<br />

Universitätsklinikum Münster wurde 1972<br />

in Hiltrup geboren, studierte an <strong>der</strong> Westfälischen-Wilhelms-Universität<br />

in Münster,<br />

London, Basel und Providence (USA).<br />

Wülfing promovierte bei Prof. Hertle in<br />

Münster zum Thema „Immunhistochemische<br />

Untersuchungen von Metallothionein<br />

und des p53-Tumor-Suppressor-Gens an<br />

Harnblasenkarzinomen“ (Summa cum<br />

laude) und absolvierte dort auch seine<br />

Weiterbildung zum Facharzt <strong>für</strong> Urologie.<br />

2005 folgten die Habilitation mit dem<br />

Thema „Molekulare Prognosemarker des<br />

invasiven Harnblasenkarzinoms und <strong>der</strong>en<br />

Bedeutung <strong>für</strong> eine molekulare Therapie“,<br />

die Erteilung <strong>der</strong> Venia legendi <strong>für</strong> das<br />

Fach Urologie und die Ernennung zum<br />

Oberarzt <strong>der</strong> <strong>Klinik</strong> und Poliklinik <strong>für</strong><br />

Urologie.<br />

2006 erhielt Wülfing die Zusatzbezeichnung<br />

„Medikamentöse Tumortherapie“<br />

und 2008 die <strong>für</strong> „Spezielle Urologische<br />

Chirurgie“. Im Januar 2008 wurde er zum<br />

leitenden Oberarzt <strong>der</strong> <strong>Klinik</strong> und Poliklinik<br />

ernannt, im Oktober 2009 zum Außerplanmäßigen<br />

Professor <strong>der</strong> Medizinischen<br />

Fakultät <strong>der</strong> Westfälischen-Wilhelms-Universität<br />

Münster berufen. Wegen seiner<br />

didaktischen Fähigkeiten erhielt er im<br />

Jahre 2003 den Preis „Lehrer des Jahres“<br />

<strong>der</strong> medizinischen Fakultät. Wülfings wissenschaftliche<br />

Schwerpunkte umfassen<br />

unter an<strong>der</strong>en die Molekularbiologie und<br />

KONTAKT<br />

Prof. Dr. Christian Wülfing<br />

Abteilung <strong>für</strong> Urologie<br />

<strong>Asklepios</strong> <strong>Klinik</strong> Altona<br />

Paul-Ehrlich-Straße 1<br />

22763 Hamburg<br />

Tel. (0 40) 18 18-81 16 61<br />

Fax (0 40) 18 18-81 49 10<br />

Ambulanz (0 40) 18 18-81 42 02<br />

E-Mail: c.wuelfing@asklepios.com<br />

Personalia<br />

Prognosefaktoren urologischer Tumore, die<br />

„Molecular Targeted Therapy“ des Nierenzellkarzinoms<br />

sowie die Chemotherapie<br />

des hormonrefraktären Prostatakarzinoms<br />

und des Harnblasenkarzinoms. Er be -<br />

herrscht das gesamte Spektrum <strong>der</strong> ope -<br />

rativen und konservativen Urologie, seine<br />

klinischen Schwerpunkte liegen in <strong>der</strong><br />

urologischen Laparoskopie (retroperito -<br />

neoskopische Nierenchirurgie und lapa -<br />

roskopische Prostatektomie EERPE), <strong>der</strong><br />

Endourologie (PCNL, flexible URS, Laser -<br />

lithotripsie, HAL-TURB) und <strong>der</strong> Uro -<br />

onkologie (radikale Tumorchirurgie, medikamentöse<br />

Tumortherapie).<br />

Wülfing ist Mitglied mehrerer nationaler<br />

und internationaler Fachgesellschaften und<br />

Autor zahlreicher wissenschaftlicher Artikel<br />

und Buchbeiträge. In <strong>der</strong> <strong>Asklepios</strong> <strong>Klinik</strong><br />

Altona möchte Prof. Wülfing das medizinische<br />

Angebot <strong>aus</strong>bauen und um die<br />

Schwerpunkte Uroonkologie und Laparoskopie<br />

erweitern.<br />

795


Medtropole | Ausgabe 21 | April 2010<br />

Tuberkulose – ein Update<br />

Aktuelle Strategien <strong>für</strong> Diagnostik und Therapie<br />

Dr. Hanns Christian Lücking<br />

Prof. Dr. Hinrik von Wulffen<br />

Weltweit stellt die Tuberkulose neben AIDS und Malaria eine <strong>der</strong> größten Her<strong>aus</strong>for<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong> Infektiologie<br />

dar, ein Drittel <strong>der</strong> Weltbevölkerung gilt als latent mit M. tuberculosis infiziert. [1] Dagegen ist <strong>der</strong> Rückgang <strong>der</strong><br />

Tuberkulose im 20. Jahrhun<strong>der</strong>t in Deutschland beeindruckend, und sicher verdanken wir diese Entwicklung <strong>der</strong><br />

Einführung hochpotenter Tuberkulostatika und eines Impfstoffes, aber auch den Än<strong>der</strong>ungen des Hygienebewusstseins<br />

und <strong>der</strong> tatsächlichen hygienischen Verhältnisse. Es ist an dieser Stelle aber auch wichtig, sich über den<br />

Charakter <strong>der</strong> Tuberkulose als einer Epidemie im Klaren zu sein. [2]<br />

Epidemiologie<br />

Epidemien beginnen unter bestimmten<br />

Vor<strong>aus</strong>setzungen irgendwann und ebben<br />

auch wie<strong>der</strong> ab (auch ohne Chemotherapie<br />

und ohne Impfung), meist als Folge eines<br />

gegenseitigen Anpassungsprozesses von<br />

Erreger und Wirt. Sie kehren zurück, sind<br />

mal stärker und mal schwächer. Es liegt in<br />

ihrer Natur, dass dies bei <strong>der</strong> Tuberkulose<br />

langsamer von statten geht als zum Beispiel<br />

bei Noroviren o<strong>der</strong> einer Grippe -<br />

pandemie. Während die sich über Monate<br />

bis Jahre erstrecken, bemisst sich eine<br />

Tuberkuloseepidemie über Jahrzehnte bis<br />

Jahrhun<strong>der</strong>te! Am Anfang stehen rasche<br />

töd liche Verläufe im Vor<strong>der</strong>grund, die<br />

Infektiosität ist noch gering, da es chronische<br />

Verläufe mit offener Lungentuberkulose<br />

zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht<br />

gibt. Später, mit häufigen chronischen Verläufen,<br />

flacht die Mortalität ab, durch die<br />

chronischen Träger nimmt jedoch die In -<br />

fektiosität zu. Irgendwann lässt dann auch<br />

die Morbidität nach. Trifft die voranschreitende<br />

Epidemie auf eine neue, „jungfräuliche“<br />

Population, beginnt sie dort von vorn.<br />

Unsere Tb-Epidemie in Europa begann<br />

ungefähr Mitte des 18. Jahrhun<strong>der</strong>ts mit<br />

dem Beginn <strong>der</strong> industriellen Revolution in<br />

796<br />

England und den damit verbundenen sozialen<br />

Verwerfungen. An<strong>der</strong>e Teile Europas<br />

folgten entsprechend später. Nach Osteuropa<br />

gelangte die Tuberkulose erst spät, noch<br />

1880 war sie in Russland fast unbekannt.<br />

Wahrscheinlich wurde auch Spanien erst<br />

später erreicht. Die Sklaven <strong>aus</strong> Afrika<br />

waren bei ihrer Ankunft in Amerika völlig<br />

frei von Tuberkulose, Äquatorialafrika<br />

wurde wohl erst im 20. Jahrhun<strong>der</strong>t betroffen.<br />

Dies ist auch eine Erklärung, warum<br />

die Verquickung von Tuberkulose und HIV<br />

in Afrika beson<strong>der</strong>s verheerend ist: In Afrika<br />

stieß HIV auf eine Bevölkerung, die sich<br />

noch im aufsteigenden Schenkel <strong>der</strong> Tb-<br />

Pandemie befindet! Weltweit gesehen ist<br />

somit die Tuberkulose noch weiter auf<br />

dem Vormarsch, während sie bei uns in<br />

Deutschland immer weiter an Bedeutung<br />

verloren hat. Auch unsere eigenen Daten<br />

<strong>aus</strong> dem Hamburger Raum <strong>aus</strong> den vergangenen<br />

vier Jahren weisen weiter auf<br />

einen fallenden Trend hin (Abb. 1).<br />

Laut WHO sterben pro Jahr weltweit etwa<br />

drei Millionen Menschen an Tuberkulose,<br />

in Deutschland waren es im Jahr 2007 139.<br />

Weltweit rechnet man <strong>der</strong>zeit mit etwa<br />

neun Millionen Neuerkrankungen pro Jahr,<br />

in Deutschland waren es im Jahr 2007<br />

5.020. Das entspricht einer Inzidenz von<br />

6,1 pro 100.000 Einwohner. Führend sind<br />

dabei die Stadtstaaten, Hamburg an <strong>der</strong><br />

Spitze mit einer Inzidenz von 9,0 im Jahr<br />

2007. [3] Zum Vergleich: Die Inzidenzen in<br />

osteuropäischen Staaten liegen zum Teil<br />

deutlich über 50! So verwun<strong>der</strong>t es nicht,<br />

dass nahezu die Hälfte <strong>der</strong> Neuerkrankungen<br />

in Deutschland bei Bürgern <strong>aus</strong>ländischer<br />

Herkunft gefunden wird (43 Prozent<br />

im Jahr 2007).<br />

TNF-Antagonisten und Tuberkulose<br />

Seit nunmehr zwölf Jahren sind die ersten<br />

TNF-Antagonisten auf dem Markt. Mittlerweile<br />

werden sehr viele Patienten mit diesen<br />

so genannten Biologika behandelt. Das<br />

Indikationsspektrum umfasst neben <strong>der</strong><br />

Rheumatoiden Arthritis und an<strong>der</strong>en rheumatischen<br />

Erkrankungen auch die Psoriasis<br />

und chronisch entzündliche Darmerkrankungen<br />

und somit große Patientenpopulationen.<br />

Bereits relativ früh wurden unter<br />

diesen Therapien Reaktivierungen von<br />

Tuberkulose und an<strong>der</strong>en granulomatösen<br />

Erkrankungen wie Listeriose beobachtet.<br />

Tumornekrosefaktor (TNF) spielt eine zentrale<br />

Rolle bei <strong>der</strong> initialen Immunantwort<br />

gegenüber Infektionen. Bei <strong>der</strong> Tuberkulose<br />

bewirkt TNF eine Aktivierung von<br />

Makrophagen, Rekrutierung weiterer Zel-


len, die Granulombildung sowie die Aufrechterhaltung<br />

<strong>der</strong> Integrität <strong>der</strong> Granulome.<br />

Inzwischen weiß man aber auch, dass es<br />

erhebliche Unterschiede zwischen den Präparaten<br />

gibt: Präparate, die <strong>aus</strong> monoklonalen<br />

Antikörpern gegen TNF bestehen<br />

(z. B. Infliximab o<strong>der</strong> Adalimumab), führen<br />

sehr viel häufiger zu Reaktivierungen als<br />

Präparate wie Etanercept, die als lösliche<br />

TNF-Rezeptoren fungieren. [4] Das Auftreten<br />

und Fortschreiten klinisch apparenter Neuinfektionen<br />

begünstigen dagegen beide<br />

Arten von TNF-Antagonisten vermutlich<br />

gleichermaßen. Je mehr diese Medikamente<br />

auch in Län<strong>der</strong>n mit höherer Tbc-Inzidenz<br />

eingesetzt werden, desto häufiger<br />

wird wohl auch diese unerwünschte Ne -<br />

benwirkung auftreten. Vor einer Therapie<br />

mit TNF-Antagonisten werden Patienten<br />

deswegen heute auf das Vorliegen einer<br />

latenten Tuberkulose untersucht. Im positiven<br />

Fall wird meist eine mehrmonatige<br />

Chemoprävention mit Isoniazid (INH)<br />

empfohlen und <strong>der</strong> Beginn <strong>der</strong> Therapie<br />

mit TNF-Antagonisten um einen Monat<br />

verschoben. Bei Auftreten einer Tuberku -<br />

lose unter <strong>der</strong> Therapie sollten TNF-Antagonisten<br />

aber nicht unbedingt abgesetzt<br />

werden, da es sonst zu paradoxen Ver-<br />

schlechterungen <strong>der</strong> Tuberkulose kommen<br />

kann.<br />

Diagnostik<br />

Neben Mikroskopie (Abb. 2) und Kultur<br />

sind seit einigen Jahren auch molekular -<br />

biologische Verfahren fest im mykobakteriologischen<br />

Labor etabliert. Für den<br />

Direktnachweis von M. tuberculosis in<br />

Originalmaterialien stehen mehrere kommerzielle<br />

Testsysteme zur Verfügung, die<br />

überwiegend auf <strong>der</strong> Technik <strong>der</strong> Poly -<br />

merase-Kettenreaktion basieren. Vor allem<br />

auch <strong>aus</strong> Kostengründen sollten diese Tests<br />

aber nur restriktiv eingesetzt werden:<br />

■ zur Untersuchung (mikroskopisch<br />

negativer) respiratorischer Sekrete von<br />

Risikopatienten (z. B. Immunsupprimierte,<br />

Kin<strong>der</strong>)<br />

■ bei Verdacht auf ein schweres tuberkulöses<br />

Krankheitsbild (z. B. Meningitis,<br />

Generalisation)<br />

■ zur Abklärung mikroskopisch zweifelhafter<br />

Präparate.<br />

Der molekularbiologische Direktnachweis<br />

darf keinesfalls als Kulturersatz verwendet<br />

werden, da die verwendeten Nukleinsäure-<br />

Amplifikationstechniken (NAT) im Vergleich<br />

Labormedizin<br />

Abb. 1: Rückgang <strong>der</strong> Nachweise von M. tuberculosis<br />

(M. tub.) bei gleichbleiben<strong>der</strong> Nachweisrate von M.<br />

avium-intracellulare Komplex (MAI) und M. gordonae<br />

(M. gord.) im Einsendematerial des Tb-Labors von<br />

MEDILYS zwischen 2006 und 2009<br />

zur Kultur bei mikroskopisch negativen<br />

Proben lediglich eine Sensitivität von<br />

80 – 90 Prozent erreichen. Zudem wird<br />

immer eine bewachsene Kultur <strong>für</strong> die<br />

obligat durchzuführende Empfindlichkeitsprüfung<br />

benötigt. Da NAT-gestützte Verfahren<br />

auch Nukleinsäuren nicht mehr<br />

lebensfähiger Bakterien detektieren, eignen<br />

sie sich nicht zur Verlaufskontrolle einer<br />

antituberkulösen Therapie.<br />

Ein zweiter Einsatzbereich molekularbiologischer<br />

Verfahren ist die exakte Speziesbe -<br />

stimmung eines in <strong>der</strong> Kultur gewachsenen<br />

Mykobakteriums. Die molekularbiologischen<br />

Verfahren haben hier gegenüber den<br />

konventionellen, vor allem biochemischen<br />

Methoden den Vorteil, dass sie schneller<br />

und zumeist auch spezifischer sind. Zudem<br />

kann mit abgetötetem, nicht-infektiösem<br />

Bakterienmaterial gearbeitet werden.<br />

Antibiotikaresistenz ist bei M. tuberculosis<br />

mit spontanen Mutationen in bestimmten<br />

Genen assoziiert. Gut validierte kommerzielle<br />

Testsysteme erlauben <strong>der</strong>zeit den<br />

Nachweis von Isoniazid- und Rifampicinspezifischen<br />

Resistenzmutationen. Da<br />

diese Tests innerhalb von 24 Stunden ein<br />

Ergebnis liefern können, sind sie deutlich<br />

schneller als die eine Woche beanspruchen-<br />

797


Medtropole | Ausgabe 21 | April 2010<br />

de konventionelle Empfindlichkeitsprüfung<br />

im Flüssigmedium. Ursprünglich nur <strong>für</strong><br />

die Anwendung an Mykobakterienkulturen<br />

vorgesehen, wurden die Testsysteme<br />

inzwischen auch <strong>für</strong> Originalmaterialien<br />

validiert, was eine zusätzliche deutliche<br />

Zeitersparnis bedeutet. Molekularbiologische<br />

Resistenztestungen stellen <strong>der</strong>zeit<br />

aber nach wie vor nur eine Ergänzung <strong>der</strong><br />

<strong>aus</strong>führlichen konventionellen Empfindlichkeitsprüfung<br />

dar.<br />

Zur Diagnostik <strong>der</strong> latenten Tuberkulose<br />

stand bis vor wenigen Jahren nur <strong>der</strong><br />

Tuberkulin-Hauttest (THT) nach Mendel-<br />

Mantoux zur Verfügung. Er nutzt als Testprinzip<br />

die verzögerte allergische Reaktion<br />

vom zellvermittelten Typ (Typ IV nach<br />

Coombs). Ein wichtiger Nachteil des THT<br />

ist, dass auch Infektionen mit nicht-tuberkulösen<br />

Mykobakterien (NTM) – aufgrund<br />

gemeinsamer Antigene von NTM und M.<br />

tuberculosis – zu einem positiven Ergebnis<br />

im THT führen können. Analog dazu sind<br />

Antigengemeinsamkeiten von M. tuberculosis<br />

und M. bovis die Ursache positiver THT-<br />

Resultate bei BCG-geimpften Personen. Zu<br />

falsch-negativen Ergebnissen führt – neben<br />

Tuberkulin-Applikationsfehlern – insbeson<strong>der</strong>e<br />

eine abgeschwächte Immunkompetenz<br />

<strong>der</strong> getesteten Person.<br />

798<br />

Zwei neu entwickelte Testverfahren beruhen<br />

dagegen auf dem Nachweis von Interferon-<br />

Gamma (IFN-γ), welches im Rahmen einer<br />

M. tuberculosis-Infektion sensibilisierte<br />

T-Lymphozyten bei einem erneuten Antigenkontakt<br />

sezernieren. In vitro werden<br />

diese Lymphozyten mit <strong>für</strong> M. tuberculosis<br />

spezifischen Peptiden stimuliert, welche<br />

bei M. bovis und den NTM (<strong>aus</strong>genommen<br />

vier eher selten beim Menschen anzutreffende<br />

Arten) nicht vorkommen. Im „QuantiFERON<br />

® -TB Gold“ <strong>der</strong> Firma Cellestis<br />

wird anschließend direkt das sezernierte<br />

IFN-γ gemessen, im „T-SPOT ® .TB“ <strong>der</strong><br />

Firma Oxford Immunotec die Anzahl <strong>der</strong><br />

IFN-γ sezernierenden T-Lymphozyten<br />

bestimmt. Beide Testsysteme haben bei<br />

immunkompetenten Personen eine dem<br />

THT vergleichbare Sensitivität, bei immunsupprimierten<br />

Patienten zeigt die bisherige<br />

Datenlage eine Überlegenheit <strong>der</strong> IFN-γ-<br />

Tests an. Insbeson<strong>der</strong>e bei BCG-geimpften<br />

Personen sind beide Testsysteme im Vergleich<br />

zum THT deutlich spezifischer.<br />

Weitere Vorteile <strong>der</strong> IFN-γ-Tests sind,<br />

dass keine Anwendungsfehler (falsche<br />

Tuberkulin-Applikation, ungenaue Ablesung)<br />

das Testergebnis beeinflussen können<br />

und dass wegen des Fehlens einer<br />

Boosterreaktion beliebige Testwie<strong>der</strong>holungen<br />

möglich sind. Allerdings benötigt man<br />

Abb. 2: M. tuberculosis, Ziehl-Neelsen-Färbung (x 1000);<br />

(Quelle: CDC/Dr. G.P. Kubica, 1979)<br />

<strong>für</strong> die Tests ein qualitätsgesichertes Labor,<br />

und die beson<strong>der</strong>en Vorgaben hinsichtlich<br />

Blutentnahme und Transport sind strikt<br />

einzuhalten. Die Kosten <strong>für</strong> die Durchführung<br />

eines IFN-γ-Tests können zudem<br />

diejenigen des THT um ein Mehrfaches<br />

übersteigen. Wie <strong>der</strong> THT können auch die<br />

neuen Tests we<strong>der</strong> zwischen einer frischen<br />

und einer schon länger bestehenden Infektion<br />

noch zwischen einer latenten und<br />

einer aktiven Tuberkulose unterscheiden.<br />

Zur Abklärung einer latenten Tuberkulose<br />

gelten <strong>der</strong>zeit folgende Empfehlungen: [5]<br />

Zunächst sollte ein THT durchgeführt<br />

werden. Ergibt die Ablesung einen Indurationsdurchmesser<br />

> 5 mm, ist anschließend<br />

ein IFN-γ-Test als Bestätigungstest zu veranlassen.<br />

Bei Personen mit bekannt positi -<br />

vem THT nach früherer BCG-Impfung und<br />

Personen mit abgeschwächter Immun kom -<br />

petenz wie HIV-Infizierten, Hämodialyse -<br />

patienten o<strong>der</strong> Patienten vor Therapie mit<br />

TNF-α-Inhibitoren [6] sollte jedoch direkt<br />

ein IFN-γ-Test durchgeführt werden. Dies<br />

gilt auch <strong>für</strong> wie<strong>der</strong>holte Umgebungsuntersuchungen<br />

bei medizinischem Personal<br />

(keine Boosterreaktion bei IFN-γ-Tests!).


Initialtherapie Erhaltungstherapie<br />

2 Monate 4 Monate<br />

Isoniazid Isoniazid<br />

Rifampicin<br />

Pyrazinamid<br />

Rifampicin<br />

Ethambutol [7]<br />

Therapie<br />

Während weltweit bedrohliche Zahlen<br />

über zunehmende Multiresistenzen von<br />

M. tuberculosis bis hin zu extrem resistenter<br />

Tuberkulose (XDR-TB) gemeldet werden,<br />

kommt man bei uns mit dem Standardschema<br />

(Tab. 1) nach wie vor gut zurecht.<br />

Monoresistenzen gegen eines <strong>der</strong> fünf<br />

Standardmedikamente, vor allem gegen<br />

INH, sehen wir gelegentlich (etwa fünf<br />

Prozent), Multiresistenzen (MDR-TB:<br />

gleichzeitige Resistenz gegen Isoniazid<br />

und Rifampicin sowie gegebenenfalls<br />

wei tere Tuberkulostatika <strong>der</strong> ersten Wahl)<br />

praktisch gar nicht.<br />

Bei Patienten <strong>aus</strong> dem Ausland, insbeson<strong>der</strong>e<br />

<strong>aus</strong> den Nachfol ge staaten <strong>der</strong> ehemaligen<br />

Sowjetunion o<strong>der</strong> auch <strong>aus</strong> Asien<br />

o<strong>der</strong> Afrika, sowie bei The rapieversagern<br />

ist aber Vorsicht geboten. Liegt ein voll<br />

empfindliches Austestungs ergebnis vor,<br />

reduziert man die Kombinationstherapie<br />

auch schon während <strong>der</strong> Initialphase auf<br />

eine Dreifachkombination (INH, RMP,<br />

PZA). Bestehen unter viermonatiger, korrekt<br />

durchgeführter Therapie noch positive<br />

Sputumkulturen, liegt definitionsgemäß<br />

ein Therapieversagen vor. Bei gleichzeitigem<br />

Vorliegen einer HIV-Infektion sollte<br />

Tab. 1: Standardschema <strong>für</strong> die Therapie <strong>der</strong><br />

Lungen tuberkulose mit den oral verfügbaren<br />

Erstlinienmedikamenten<br />

immer ein Arzt mit Erfahrung in dieser<br />

schwierig zu behandelnden Koinfektion<br />

hinzugezogen werden.<br />

Ausblick<br />

Trotz großer Erfolge bei <strong>der</strong> Bekämpfung<br />

<strong>der</strong> Tuberkulose im vergangenen Jahrhun<strong>der</strong>t<br />

vor allem in Europa und Amerika<br />

haben wir heute weltweit mehr Tuberkulosekranke<br />

als je zuvor. Es bleibt zu hoffen,<br />

dass die von <strong>der</strong> WHO und an<strong>der</strong>en<br />

Organisationen gerade in den ver-gangenen<br />

Jahren aufgelegten Programme und<br />

zur Verfügung gestellten Gel<strong>der</strong> dazu<br />

führen, dass in absehbarer Zeit neue<br />

Tuberkulostatika und wirksame Impfstoffe<br />

entwickelt werden und vor allem in den<br />

am stärksten betroffenen Regionen die<br />

erfor<strong>der</strong>liche medizinische Infrastruktur<br />

aufgebaut werden kann.<br />

Kontakt<br />

Prof. Dr. Hinrik von Wulffen<br />

Dr. Hanns Christian Lücking<br />

Literatur<br />

Labormedizin<br />

MEDILYS Laborgesellschaft mbh<br />

Zentrales Labor, Bereich Mikrobiologie<br />

c/o <strong>Asklepios</strong> <strong>Klinik</strong> Altona<br />

Paul-Ehrlich-Straße 1<br />

22763 Hamburg<br />

Tel. (0 40) 18 18-81 59 51<br />

Fax (0 40) 18 18-81 49 37<br />

E-Mail: h.wulffen@asklepios.com<br />

c.luecking@asklepios.com<br />

[1] www.rki.de/cln_169/nn_274324/DE/Content/InfAZ/T/<br />

Tuberkulose/Download/TB2007,templateId=raw,property=<br />

publicationFile.pdf/TB2007.pdf<br />

[2] Bates JH, Stead WW. The history of tuberculosis as a<br />

global epidemic. Med Clin North Am 1993; 77: 1205-17.<br />

[3] www.rki.de/cln_169/nn_274324/DE/Content/Infekt/<br />

EpidBull/Merkblaetter/Ratgeber_Mbl_Tuberkulose.<br />

html#doc200728bodyText12<br />

[4] Wallis RS. Tumour necrosis factor antagonists: structure,<br />

function, and tuberculosis risks. Lancet Infect Dis 2008; 10:<br />

601-11.<br />

[5] Diel R, Forßbohm M, Loytved G et al. Deutsches Zentralkomitee<br />

zur Bekämpfung <strong>der</strong> Tuberkulose: Empfehlungen<br />

<strong>für</strong> die Umgebungsuntersuchungen bei Tuberkulose.<br />

Pneumologie 2007; 61: 440-55.<br />

[6] Diel R, Hauer B, Loddenkämper R, Manger B, Krüger<br />

K. Empfehlungen <strong>für</strong> das Tuberkulo-sescreening vor Gabe<br />

von TNF-α-Inhibitoren bei rheumatischen Erkrankungen.<br />

Pneumologie 2009; 63: 329-34.<br />

[7] Greinert U, Jafari C, Zabel P, Lange C. Therapie <strong>der</strong><br />

Tuberkulose. Pneumologe 2007; 4: 175-86.<br />

799


ISSN 1863-8341<br />

<strong>Klinik</strong>bewertung in <strong>der</strong> vierten Dimension<br />

Einweiserzufriedenheit –<br />

ein wichtiger Indikator <strong>für</strong> die<br />

Qualität einer <strong>Klinik</strong><br />

Frie<strong>der</strong>ike Schulz<br />

Wer die richtige <strong>Klinik</strong> <strong>für</strong> eine bestimmte<br />

Erkrankung sucht, muss sich auf individuelle<br />

Erfahrungen und subjektive Urteile Dritter<br />

verlassen, denn das Thema ist äußerst komplex.<br />

Eine echte Vergleichbarkeit von Einrichtungen<br />

gestaltet sich durch unterschiedliche Standards<br />

schwierig. Auch die gesetzlich vorgeschriebenen<br />

Qualitätsberichte tragen selbst bei Experten eher zur<br />

Verwirrung bei.<br />

Viele Patienten verlassen sich daher bei <strong>der</strong><br />

Wahl eines Krankenh<strong>aus</strong>es auf die Empfehlung<br />

ihres <strong>einweisende</strong>n Arztes. Aber<br />

wie zufrieden sind <strong>einweisende</strong> <strong>Ärzte</strong> mit<br />

einer <strong>Klinik</strong>? Für uns ist diese Information<br />

als Bestandteil einer 360°-Zufriedenheitsanalyse,<br />

die Patienten, Einweiser und Mitarbeiter<br />

berücksichtigt, ein wichtiges Indiz<br />

zur Verbesserung <strong>der</strong> Qualität und Ausrichtung<br />

<strong>der</strong> Kundenorientierung. Daher<br />

starten die <strong>Asklepios</strong> <strong>Klinik</strong>en im März<br />

2010 mit dem unabhängigen Befragungsinstitut<br />

Mecon Measure & Consult GmbH<br />

eine Erhebung <strong>der</strong> Einweiserzufriedenheit.<br />

Auf Basis eines gemeinsam entwickelten<br />

Fragebogens, <strong>der</strong> <strong>aus</strong>führlich verschiedene<br />

Aspekte von <strong>der</strong> Aufnahme (z. B. Wartezeit<br />

www.medtropole.de<br />

bis zu einem Aufnahmetermin)<br />

bis zur Entlassung (z. B.<br />

Zufriedenheit mit <strong>der</strong> Entlassungsmedikation)<br />

abfragt, werden die Ergebnisse auf<br />

Abteilungsebene <strong>aus</strong>gewertet und sowohl<br />

auf Konzernebene als auch mit einem großen<br />

Vergleichspool an<strong>der</strong>er <strong>Klinik</strong>en verglichen.<br />

Darüber hin<strong>aus</strong> werden zehn Qualitätsindikatoren<br />

nicht nur intern genutzt,<br />

son<strong>der</strong>n dienen auch als Grundlage einer<br />

neuen Dimension des <strong>Klinik</strong>vergleichs.<br />

Qualitätskliniken.de<br />

Gemeinsam mit den Sana <strong>Klinik</strong>en und <strong>der</strong><br />

Rhön-<strong>Klinik</strong>um AG wird <strong>Asklepios</strong> im<br />

Sommer 2010 ein neues <strong>Klinik</strong>portal im<br />

Internet in Betrieb nehmen.<br />

Das neue Portal Qualitätskliniken.de wird<br />

den Nutzer schnell zum Ziel führen. Nach<br />

individuellen Bedürfnissen und objektiven<br />

Kriterien lassen sich hier Krankenhäuser<br />

anhand von etwa 400 Qualitätsindikatoren<br />

<strong>aus</strong> vier Dimensionen vergleichen – bei<br />

Bedarf spezifisch eingegrenzt nach Ort,<br />

Fachrichtung, Erkrankung und Behandlung<br />

und unterstützt durch ein Körperschema.<br />

Der Nutzer hat so die Möglichkeit, unterschiedliche<br />

Ergebnisse einzusehen und zu<br />

vergleichen: medizinische Ergebnisqualität,<br />

Patientensicherheit, Patientenzufriedenheit<br />

und eben auch die Einweiserzufriedenheit.

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