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Evangelischen Schulwerk - Evangelisches Schulwerk Baden und ...

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“Gesucht wird - “<br />

Anforderungsprofil von Schulleitungen an evangelischen Schulen<br />

Uta Hallwirth<br />

"Gesucht wird ..."<br />

so beginnt die Stellenausschreibung einer evangelischen Schule für ihre neu zu besetzende Lei-<br />

tungsposition, <strong>und</strong> die Annonce trifft damit gleich zu Beginn den "richtigen Ton". Denn die Suche<br />

1<br />

nach geeigneten Schulleiterinnen <strong>und</strong> Schulleitern gehört zu den zunehmend schwieriger werden-<br />

den Aufgabenfeldern, mit denen sich gerade auch Träger evangelischer Schulen auseinanderset-<br />

zen müssen. Nicht zuletzt angesichts des nach wie vor hohen Interesses an Schulneugründungen<br />

stehen sie immer wieder vor der Frage, wie geeignete Leitungspersönlichkeiten zu finden <strong>und</strong><br />

dann auch entsprechend zu qualifizieren sind, damit diese den vielfältigen Anforderungen an einer<br />

Schule in evangelischer Trägerschaft gerecht werden können.<br />

Schulleitung an evangelischen Schulen hat es mit einer Vielzahl von Akteuren zu tun. Neben Kol-<br />

legium <strong>und</strong> Schülerschaft sind es die Eltern, die gerade an evangelischen Schulen besonders en-<br />

gagiert sind, dazu kommen die Verwaltung <strong>und</strong> natürlich der Schulträger. Mit allen wird Schullei-<br />

tung zusammenarbeiten <strong>und</strong> sich dabei auch mit den unterschiedlichen Erwartungen an das eige-<br />

ne Leitungsverständnis auseinander setzen müssen.<br />

In der eingangs zitierten Annonce wird von Bewerber/innen erwartet, dass sie Eigenschaften mit-<br />

bringen wie “pädagogische Leidenschaft <strong>und</strong> Kreativität, Phantasie <strong>und</strong> Freude zur Weiterentwick-<br />

lung des evangelischen Schulprofils, hohe soziale Kompetenz sowie Motivationsfähigkeit <strong>und</strong> visi-<br />

onäres Denken". Vorausgesetzt wird die Verwurzelung in der evangelischen Kirche. Damit sind<br />

schon ganz wesentliche Eckdaten eines Anforderungsprofils für Leitung an evangelischen Schulen<br />

benannt. Die Formulierungen verweisen darauf, dass beim Entwurf der Anzeige die Aspekte von<br />

Schulentwicklung einen hohen Stellenwert hatten <strong>und</strong> das Leitungsverständnis besonders prägen.<br />

Das würde auch Sinn machen, denn ein Anforderungsprofil für Leitende an evangelischen Schulen<br />

hängt davon ab, wie man das künftige Arbeitsfeld "Schule" interpretiert <strong>und</strong> welche Zielvorstellun-<br />

gen die Beteiligten über deren Entwicklung haben. Den Focus dabei auf Weiterentwicklung des<br />

Profils, auf Kreativität <strong>und</strong> visionäres Denken zu richten, macht deutlich, dass hier Schule nicht<br />

statisch, sondern vor allem als ein System in Veränderung begriffen <strong>und</strong> von Leitung entsprechen-<br />

de Unterstützung auf diesem Weg erwartet wird.<br />

Das deckt sich mit einem Verständnis von Schule <strong>und</strong> Schulentwicklung, wie es im Kontext der<br />

"lernenden Organisation" mittlerweile auch vielfältig für Schulen adaptiert wurde - ohne jedoch<br />

Vortrag auf der Veranstaltung "Schulleitung - ein eigenes Berufsprofil?" des Ev. <strong>Schulwerk</strong>s in Württemberg am 5. Juli<br />

2007


notwendig zu den entsprechenden Konsequenzen für die strategische, strukturelle <strong>und</strong> auch per-<br />

sonelle Ausrichtung von Schule zu führen.<br />

2<br />

Im Folgenden sollen daher zunächst Eckdaten eines Verständnisses von evangelischer Schule als<br />

lernender Organisation skizziert werden. Daraus sind die zentralen Aufgabenfelder von Schullei-<br />

tung abzuleiten <strong>und</strong> abschließend ist auf die Konsequenzen für das Berufsbild <strong>und</strong> die Qualifizie-<br />

rung von Leitung einzugehen. Der Schwerpunkt liegt auf den Überlegungen, die für evangelische<br />

Schulen als Schulen in freier Trägerschaft <strong>und</strong> für deren Profilentwicklung als evangelische Ein-<br />

richtungen von besonderer Bedeutung sind.<br />

1. Schule als lernende Organisation<br />

Schule als lernende Organisation 1 zu verstehen, bedeutet, sie zunächst unter dem Aspekt von<br />

Management zu sehen. Entsprechende Ansätze haben daher auch zunehmend die schulpädago-<br />

gische Diskussion der letzten Jahre bestimmt. Sie sind im Kontext einer Professionalisierung des<br />

schulischen Lern- <strong>und</strong> Arbeitsfeldes nicht mehr auszublenden, auch wenn angesichts dieser Ent-<br />

wicklung kritische Einwände aus den Erziehungswissenschaften sicher ihre Berechtigung haben.<br />

So hat z. B. Heinke Röbken 2 die deutliche Orientierung der Schulpädagogik an Managementmo-<br />

dellen <strong>und</strong> "Gurus" der Organisationsentwicklung kritisch reflektiert <strong>und</strong> nach empirischen Belegen<br />

für den Erfolg dieser Ansätze gefragt. Aber er hält auch fest, dass Managementkonzepte nicht ein-<br />

fach für Schulen abzulehnen sind, "schon deshalb nicht, weil sich ihre Ineffizienz fast genauso<br />

schwer nachweisen lässt wie ihre Effizienz". 3<br />

Managementkonzepte bergen die Gefahr, Modeerscheinungen zu sein. Schon lange geht es nicht<br />

mehr nur um Projekt- oder Qualitätsmanagement; zum Wissensmanagement kam das Change-<br />

management <strong>und</strong> gegenwärtig gilt "Diversity Management" 4 als zentrale Kompetenz im Umgang<br />

mit Heterogenität. Die Wirkung all dieser Ansätze liegt in ihrem funktionalen Charakter begründet.<br />

Sie ermöglichen, die Aufmerksamkeit auf zentrale oder gerade aktuelle Aspekte von Schule zu<br />

richten. 5 Ein Problem, eine Aufgabe kann benannt <strong>und</strong> - so scheint es zumindest - auch handhab-<br />

bar <strong>und</strong> lösbar gemacht werden.<br />

1 Zur "lernenden Organisation": s. Peter M. Senge: Die fünfte Disziplin. Kunst <strong>und</strong> Praxis der lernenden<br />

Organisation. 5. Aufl., Stuttgart 1998.<br />

2 Heinke Röbken: Managementkonzepte in der Schulentwicklung. ZfE 2/2006, S. 255 - 271.<br />

3 A. a. O., S. 268.<br />

4 So der Titel des journals für schulentwicklung, Heft 2/2006.<br />

5 Vgl. dazu auch Röbken, a. a. O., S. 268 f.<br />

2


Auch wenn Vorsicht gegenüber einer inflationären Übertragung von Managementbegriffen <strong>und</strong><br />

-ansätzen auf Schule, insbesondere auf evangelische Schule, berechtigt ist, der Ansatz der "ler-<br />

nenden Organisation" geht über aktuelle Bezüge <strong>und</strong> Modeerscheinungen hinaus. Er verweist<br />

vielmehr auf ein Verständnis von Schule, das eine gr<strong>und</strong>legend systemorientierte Sicht beinhaltet<br />

<strong>und</strong> damit gerade für Schulen in freier Trägerschaft eine besondere Berechtigung <strong>und</strong> Bedeutung<br />

erhält. Denn sein Wert liegt darin, dass sich so Schule in ihrer Ganzheit, d. h. im Zusammenspiel<br />

3<br />

aller Beteiligten - intern wie extern - definieren <strong>und</strong> dann auch als veränderbar darstellen lässt. Die<br />

Leitperspektive der “lernenden Schule” ermöglicht, Unterricht <strong>und</strong> Erziehung als Ergebnis eines<br />

bewussten Zusammenwirkens aller Akteure <strong>und</strong> aller Bereiche zu verstehen. Damit wird die Tra-<br />

dierung eines schulischen Selbstverständnisses durchbrochen, das primär die einzelne Lehrkraft<br />

<strong>und</strong> ihren Unterricht in den Blick nimmt.<br />

Schule als lernende Organisation erfordert nicht nur ein verändertes Lehrerbild, sondern wider-<br />

spricht auch einem traditionellen Leitungsverständnis. Aus einem statischen Ansatz, der jedem<br />

seinen festen Bereich <strong>und</strong> seine segmentierten Aufgaben zuteilt, wird ein dynamisches Konzept,<br />

das Veränderung notwendig mitdenkt. Diese wird so systemimmanent, erfolgt nicht nur als Reakti-<br />

on auf Druck <strong>und</strong> äußere Notwendigkeiten, sondern ist vielmehr Konsequenz eigenständiger Ziel-<br />

überprüfung, Fehleranalyse <strong>und</strong> Chancenbewertung. Veränderung in diesem Verständnis ist re-<br />

flektierte Antwort auf neue Erkenntnisse <strong>und</strong> Entwicklungen im Bereich von Gesellschaft <strong>und</strong> Wis-<br />

senschaft, von Unterrichtsforschung oder Personalentwicklung. Als bewusste Entwicklung ist sie<br />

nicht Selbstzweck <strong>und</strong> Ausdruck von Aktionismus, sondern wohlüberlegt im Interesse aller an<br />

Schule Beteiligten. .6.<br />

Schule als lernende Organisation<br />

• analysiert ihr jeweiliges schulisches <strong>und</strong> gesellschaftliches Umfeld <strong>und</strong> bezieht es ein;<br />

• antizipiert Entwicklungen <strong>und</strong> setzt auf kontinuierliche Verbesserung;<br />

• unterstützt Initiative <strong>und</strong> Kreativität;<br />

• arbeitet projekt- <strong>und</strong> teamorientiert.<br />

Unter diesen Prämissen geht es nicht primär um die Reaktion auf Tagesprobleme, um die Ausfüh-<br />

rung von Lösungsansätzen in hierarchischen Strukturen <strong>und</strong> getrennten Arbeitsbereichen, sondern<br />

um kontinuierliche, zielgerichtete Prozesse, die professionell geplant <strong>und</strong> durchgeführt werden.<br />

6 Schon 1995 formulierte die Bildungskommission in NRW: "Schule <strong>und</strong> Unterricht müssen ... kritisch prüfen,<br />

welche pädagogische Relevanz gesellschaftliche Entwicklungen haben. Die Schule muss sich damit aus-<br />

einandersetzen, ob sie den Schülerinnen <strong>und</strong> Schülern nicht stärker als bisher helfen kann, eine eigene<br />

<strong>und</strong> die Interessen anderer berücksichtigende Urteilsfähigkeit, soziale Perspektiven sowie Sinn- <strong>und</strong> Wert<br />

orientierungen zu entwickeln. Auch muss kritisch geprüft werden, wo der heimliche Lehrplan <strong>und</strong> die insti<br />

tutionellen Strukturen zu Vereinzelung, Entsolidarisierung, Konkurrenz <strong>und</strong> Desorientierung beitragen."<br />

Vortrag auf der Veranstaltung "Schulleitung - ein eigenes Berufsprofil?" des Ev. <strong>Schulwerk</strong>s in Württemberg am 5. Juli<br />

2007


4<br />

Ein solches Verständnis von Schule ist gerade für evangelische Schulen unerlässlich. Die Ausrich-<br />

tung auf ein spezifisches Profil <strong>und</strong> die Umsetzung eines protestantischen Bildungsverständnisses<br />

ist letztlich nur möglich, wenn programmatisch wie prozessorientiert die eigenen Ansprüche im<br />

gesamten schulischen Kontext sichtbar, erfahrbar <strong>und</strong> nachhaltig wirksam werden. Dazu müssen<br />

aber profilprägende Ansätze in Unterricht <strong>und</strong> Schulleben von allen Beteiligten mitgetragen wer-<br />

den, was ohne eine gemeinsame Überzeugung vom Auftrag der Schule ebenso wenig möglich ist<br />

wie ohne ein entsprechendes schulentwickelndes Potenzial. Profilbildung <strong>und</strong> -weiterentwicklung<br />

bedarf entsprechender Instrumente, das Modell der lernenden Schule bietet dafür die geeignete<br />

Ansatzstelle, erfordert aber auch entsprechende Konsequenzen für Leitungsverständnis <strong>und</strong> Lei-<br />

tungshandeln.<br />

2. Bedeutung <strong>und</strong> Aufgabenfelder von Schulleitung an evangelischen Schulen<br />

2.1 Schulmanagement in der lernenden Organisation<br />

Die lernenden Schule ist ohne angemessene Führung <strong>und</strong> entsprechendes Management nicht<br />

denkbar. Bei den Leitenden liegt die Verantwortung für die gr<strong>und</strong>legende Gestaltung des Systems,<br />

für seine Prozessabläufe <strong>und</strong> Strategien. Sie werden nach Senge 7 zu „Designern“, die dafür Sorge<br />

tragen, dass alle Teile <strong>und</strong> Bereiche des Systems zusammenwirken <strong>und</strong> auf langfristige Ziele aus-<br />

gerichtet sind <strong>und</strong> bleiben. Wichtig ist dabei nicht nur der Blick nach innen, sondern auch nach<br />

außen, d. h. einer angemessenen Situationseinschätzung <strong>und</strong> Integration im Innern entspricht die<br />

Vernetzung ins schulische Umfeld <strong>und</strong> die Wahrnehmung von Schule als eines Systems mit vielen<br />

Interdependenzen.<br />

Schulleitung setzt dazu an unterschiedlichen Ebenen an. Auf der Zielebene geht es insbesondere<br />

um die Entwicklung von Leitsätzen i. S. eines schulischen Ethos <strong>und</strong> der sich daraus ableitenden<br />

pädagogischen Gr<strong>und</strong>linien. Auf der Umsetzungsebene stehen vor allem Entscheidungsfindung,<br />

Steuerung an den "Knotenpunkten", aber auch Motivation <strong>und</strong> Personalentwicklung im Mittelpunkt.<br />

Der Kommunikationsebene kommt in allen Bereichen eine entscheidende Bedeutung zu. Schließ-<br />

lich ist Schulleitung gefragt, um die Ergebnisse zu sichern, d. h. Verantwortung für die Planung,<br />

Implementierung <strong>und</strong> Durchführung von Evaluation <strong>und</strong> Qualitätssicherung zu übernehmen.<br />

Auf evangelische Schulen angewendet wird Leitung besonders herausgefordert als kreative <strong>und</strong><br />

effiziente Wahrnehmung der Chancen einer Einrichtung in freier Trägerschaft. Es geht um das<br />

Erkennen <strong>und</strong> Nutzen der Freiräume, die den Unterricht ebenso betreffen wie das Schulleben oder<br />

7 Vgl Peter M. Senge, a. a. O.<br />

4


5<br />

die Schulorganisation. In diesem Kontext nicht nur zu verwalten, sondern Schule im Sinne der Pro-<br />

filierung als einer evangelischen Einrichtung aktiv zu gestalten, gehört zu den wesentlichen Mana-<br />

gementaufgaben, denen sich Leitung an evangelischen Schulen gegenübersieht. Gefordert ist die<br />

"Bereitschaft <strong>und</strong> Fähigkeit, Gestaltungsfreiräume zu erkennen, zu nutzen <strong>und</strong> die Schule pädago-<br />

gisch innovativ weiterzuentwickeln. Es geht um die gemeinsame Entwicklung eines Leitbildes <strong>und</strong><br />

um dessen Übersetzung in Schulprogramme <strong>und</strong> Schulentwicklungsprozesse." 8<br />

Dem Leitbild <strong>und</strong> Schulprogramm kommt auf diesem Hintergr<strong>und</strong> eine besonders wichtige Rolle<br />

zu. Als programmatische Aussage, wie sich die Schule als evangelische Einrichtung versteht, soll-<br />

te sie Ergebnis eines Verständigungsprozesses sein, der alle an Schule Beteiligten umfasst. Er<br />

bezieht im Idealfall - <strong>und</strong> je nach Schulart - Leitung <strong>und</strong> Kollegium, Eltern <strong>und</strong> Schüler/innen,<br />

Schulträger <strong>und</strong> -verwaltung ein. In ihm drückt sich eine gemeinsame Vorstellung von dem aus,<br />

was die christlichen Gr<strong>und</strong>lagen <strong>und</strong> pädagogischen Leitlinien der Schule sind <strong>und</strong> sein sollen <strong>und</strong><br />

wie ein christliches Verständnis von Mensch <strong>und</strong> Welt im Schulalltag lebendig werden kann. Einen<br />

solchen Prozess einzuleiten <strong>und</strong> dessen kompetente Durchführung unter Beteiligung aller relevan-<br />

ten Gruppen zu sichern, darin liegt eine wesentliche Aufgabe schulischen Managements an einer<br />

evangelischen Schule. An den so gewonnenen Gr<strong>und</strong>sätzen auch immer wieder die Ziele der<br />

schulischen Arbeit <strong>und</strong> der unterschiedlichen Entwicklungsprozesse auszurichten <strong>und</strong> zu überprü-<br />

fen, gehört dann zu den bleibenden Aufgaben.<br />

In solchen Prozessen zeigt sich die Lernfähigkeit einer Schule. Gerade für evangelische Schulen<br />

ist sie auch eine wichtige Voraussetzung, um innovativ zu sein <strong>und</strong> zu bleiben. Denn evangelische<br />

Schulen verstanden <strong>und</strong> verstehen sich in vielem als pädagogische Vorreiter - dazu gehört aber,<br />

den Wandel zu antizipieren. Nur dann ist es möglich, auch weiterhin exemplarisch wirken zu kön-<br />

nen. Nicht von ungefähr waren evangelische Schulen frühzeitig an der Diskussion um Schulent-<br />

wicklung beteiligt. Von Beginn an stand dabei die Erwartung im Vordergr<strong>und</strong>, auf diese Weise<br />

zentrale Möglichkeit zur Ausformung eines spezifisch evangelisch-christlichen Profils zu gewinnen<br />

<strong>und</strong> die Bedeutung evangelischer Schulen im Kontext öffentlichen Schulwesens zu sichern.<br />

Letzteres ist gerade auch als Positionierung evangelischer Schulen im Umfeld eines nach wie vor<br />

primär staatlich geprägten öffentlichen Schulwesens notwendig, aber auch im Kontext anderer<br />

privater Schulträger. Evangelische Schulen als Schulen in freier Trägerschaft müssen nach vielen<br />

Seiten <strong>und</strong> in vieler Hinsicht Wettbewerbsfähigkeit beweisen, was einschließt, mit knapper wer-<br />

8 Wissenschaftliche Arbeitsstelle Evangelische Schule: Schulleitung an evangelischen Schulen. Anforderungsprofil<br />

<strong>und</strong> Qualifizierungsangebote. Ein Referenzrahmen für die Fortbildung. Hannover 2006, S. 10.<br />

Vortrag auf der Veranstaltung "Schulleitung - ein eigenes Berufsprofil?" des Ev. <strong>Schulwerk</strong>s in Württemberg am 5. Juli<br />

2007


denden Ressourcen umzugehen <strong>und</strong> die eigene Qualität nach innen wie außen sichtbar zu ma-<br />

chen.<br />

Schulleitung als Managementaufgabe trägt dafür eine besondere Verantwortung. Nicht zuletzt<br />

muss sie ein Bewusstein für die Notwendigkeit guter Öffentlichkeitsarbeit entwickeln. Gerade die<br />

zunehmende Anforderung an evangelische Schulen, z. B. über Sponsoring Drittmittel zu gewin-<br />

6<br />

nen, setzt voraus, dass sie ihre Besonderheit <strong>und</strong> Qualität nicht nur für sich selbst geklärt <strong>und</strong> her-<br />

ausgearbeitet haben, sondern diese auch überzeugend nach außen sichtbar <strong>und</strong> kommunizierbar<br />

machen können.<br />

Nicht zuletzt steht Schule unter der Anforderung, die so propagierte Qualität auch unter Beweis zu<br />

stellen. Evaluationsprozesse müssen belegen, ob die pädagogische Arbeit <strong>und</strong> ihre Ergebnisse mit<br />

dem eigenen Programm, seinen Zielen <strong>und</strong> ausgewiesenen Vorhaben übereinstimmen.<br />

Es waren vor allem die großen diakonischen Träger, die als erste im evangelischen Schulwesen in<br />

ihren Einrichtungen Qualitätsmanagementsysteme eingerichtet haben <strong>und</strong> diese entsprechend auf<br />

ihre Schulen übertragen wollten. Die Adaption der Systeme war dabei nicht immer reibungslos.<br />

Was für Krankenhäuser passend ist, lässt sich nicht ohne weiteres auf den pädagogischen Kontext<br />

übertragen. Qualität in pädagogischen Arbeitsfeldern musste neu definiert <strong>und</strong> als Aufgabe in ent-<br />

sprechende Qualitätszirkel übertragen werden. Als Schulen in freier Trägerschaft sind evangeli-<br />

sche Schulen dabei auch an ein Verständnis von K<strong>und</strong>enorientierung geb<strong>und</strong>en, auch wenn der<br />

Begriff mit Recht im pädagogischen Kontext umstritten ist. Aber es geht darum, unterschiedliche<br />

Erwartungen zu berücksichtigen, mit ihnen umzugehen <strong>und</strong> sie möglichst kompatibel zu machen.<br />

Darin liegt auch für Schulen ein wichtiges Aufgabenfeld im Rahmen der Qualitätsentwicklung.<br />

Schließlich können sich evangelische Schulen auch nicht der gegenwärtigen Focussierung der<br />

Qualitätsdebatte auf Vergleichskontrollen entziehen. Outputorientierung <strong>und</strong> die kritische Überprü-<br />

fung der eigenen Ergebnisse im Blick auf andere ist an sich nichts Negatives <strong>und</strong> sollte auch als<br />

Beitrag zur Professionalität verstanden werden. Jedoch wäre darauf zu achten, dass die Spezifika<br />

des eigenen Profils dabei zum Tragen kommen <strong>und</strong> im Blick auf Qualitätsaussagen auch Berück-<br />

sichtigung finden. Entsprechend gilt es, bestehende Modelle anzupassen oder sie neu <strong>und</strong> eigen-<br />

ständig zu entwickeln. .9<br />

9 Vgl. z. B. EchriS (Evaluation an christlichen Schulen) als Ansatz, ein eigenes Evaluationsmodell für christli-<br />

che Schulen zu entwickeln.<br />

6


7<br />

Zusammengefasst gilt: Evangelische Schulen sollen gewährleisten, dass sie als freie Schulen wirt-<br />

schaftlich bestehen können, dass sie "unternehmerisch geführt <strong>und</strong> ihre Ressourcen sachgerecht<br />

<strong>und</strong> effizient eingesetzt werden. Qualitätsmanagement, Evaluation <strong>und</strong> Öffentlichkeitsarbeit sind<br />

daher im Rahmen der Managementaufgaben von Leitenden an evangelischen Schulen unver-<br />

zichtbar." 10<br />

Der Schulleitung kommt bei all dem eine Schlüsselrolle zu, denn ein professionelles Schulmana-<br />

gement wird zum zentralen Garanten für den Erfolg dieser Prozesse. Insbesondere gehört dazu<br />

die Verpflichtung <strong>und</strong> Kompetenz zu einer sachlichen Bestandsaufnahme <strong>und</strong> klaren Analyse der<br />

eigenen Schule mit ihren Stärken <strong>und</strong> Schwächen. Sie erst öffnen den Weg für entsprechende<br />

Entwicklungsprozesse.<br />

2.2 Problemfelder pädagogischer Schulentwicklung als besondere Herausforderung für<br />

Schulleitung<br />

Schulleitung wird sich in besonderer Weise mit den Problemfeldern pädagogischer Schulentwick-<br />

lung auseinandersetzen müssen. Marlies Krainz-Dürr 11 hat zusammengefasst, woran Schulent-<br />

wicklung zu scheitern droht. Als besonders retardierendes Moment erweist sich dabei, dass das<br />

Selbstverständnis <strong>und</strong> Rollenbild von Kollegien <strong>und</strong> Lehrkräften den Prämissen von Schulentwick-<br />

lung <strong>und</strong> der Vorstellung von Schule als lernender Organisation oftmals widersprechen. Anders<br />

ausgedrückt: Schulentwicklung an sich widerspricht in vielem dem Selbstverständnis der Institution<br />

<strong>und</strong> ihrer Beteiligten.<br />

Schulentwicklung setzt auf Teamstrukturen <strong>und</strong> unterschiedliche Lenkungssysteme. Dem stehen<br />

die relativ flachen Hierarchien entgegen, die Schule zumeist kennzeichnen. "Sonderrollen", d. h.<br />

Steuerungsfunktionen auf Zeit aufgr<strong>und</strong> besonderer Aufgaben <strong>und</strong> Kompetenzen sind nicht vorge-<br />

sehen. Es besteht Zurückhaltung, oft auch Misstrauen, wenn einzelne aus dem Kollegenkreis<br />

"herausgehoben" werden. Der potenzielle Vorwurf der Profilierung hemmt daher nicht selten die<br />

Bereitschaft in den Kollegien, innovativ zu sein bzw. zu bleiben, sich in Projekten oder in Steuer-<br />

gruppen zu engagieren. Die Frage nach der Zusammensetzung von Steuergruppen, ihren Aufga-<br />

ben <strong>und</strong> Kompetenzen gehört nicht von ungefähr zu den schwierigsten Punkten, in denen sich<br />

10 Wissenschaftliche Arbeitsstelle Evangelische Schule, Referenzrahmen, a .a. O., S. 10 f.<br />

11 Marlies Krainz-Dürr: Schulentwicklungsarbeit: regelscheu, vergesslich, widerständig. In: Pädagogik<br />

Heft 3 / 2006, S. 11 - 15.<br />

Vortrag auf der Veranstaltung "Schulleitung - ein eigenes Berufsprofil?" des Ev. <strong>Schulwerk</strong>s in Württemberg am 5. Juli<br />

2007


Schulentwicklungsprozesse schon im Anfang bewähren müssen. Letztlich werden hier auch die<br />

Weichen gestellt, ob ein Prozess gelingen kann oder von vornherein zum Scheitern verurteilt ist.<br />

Die Orientierung an flachen Hierarchien betrifft nicht selten auch die Leitung selbst - je nach<br />

8<br />

Schulart bzw. Schulgröße in unterschiedlicher Ausprägung. Häufig entsteht der Eindruck, Leitung<br />

als Führung ist auch bei den Leitenden selbst eher verpönt, man sieht sich lieber als primus inter<br />

pares. Gerade in kleineren Einheiten <strong>und</strong> in Kollegien, die über die Jahre zusammengewachsen<br />

sind <strong>und</strong> wenig Fluktuation <strong>und</strong> Neueinstellungen aufweisen, kann Leitung unter bestimmten Be-<br />

dingungen schwierig werden. Aufgr<strong>und</strong> der Überschaubarkeit <strong>und</strong> des eingespielten Rollenver-<br />

ständnisses geht man vom Postulat gemeinsamer Entscheidungsfindung aus <strong>und</strong> akzeptiert Ver-<br />

änderung nur als Ergebnis eines Konsenses. Problematisch kann das dann werden, wenn not-<br />

wendige, vielleicht unbequeme oder mit Ängsten besetzte Entwicklungsprozesse anstehen, die auf<br />

Widerstand in den Kollegien stoßen. Letztlich kann dies auch die Weiterentwicklung der Schule<br />

hemmen <strong>und</strong> bis zum Stillstand führen.<br />

Noch mal anders stellt sich die Leitungssituation an kleinen Schulen im Aufbau dar. Gerade für<br />

Gr<strong>und</strong>schulen trifft häufig zu, dass die Schulleiterin (selten findet sich hier ein Schulleiter) Teil ei-<br />

nes sehr kleinen Teams ist. Ihre Aufgaben im Unterricht dominieren dann notwendig alles andere;<br />

die Ausprägung eines eigenen Führungs- <strong>und</strong> Leitungsverständnisses wird schwierig <strong>und</strong> von den<br />

aktuellen Tageserfordernissen überlappt, wenn nicht letztlich unmöglich gemacht.<br />

Ein zweites besonderes Problemfeld von Schulentwicklung liegt im Selbstverständnis der Lehren-<br />

den in Bezug auf den Unterricht. Unterrichten gilt als Domäne der einzelnen Lehrkraft, bei der sie<br />

gemäß ihrer pädagogischen Verantwortung selbstständig <strong>und</strong> unabhängig agieren kann <strong>und</strong> soll.<br />

Insbesondere Schulentwicklung als Unterrichtsentwicklung stößt daher leicht auf Widerstände,<br />

wenn es um die Verankerung entsprechender Vereinbarungen im Gesamtkollegium geht. So<br />

scheitern auch an evangelischen Schulen nicht selten Absprachen über veränderte Unterrichts-<br />

formen, z. B. über die Einführung von selbsttätigem Lernen oder von sinnorientierten, fächerüber-<br />

greifenden Unterrichtsangeboten <strong>und</strong> -projekten, weil der Transfer auf andere Lehrkräfte <strong>und</strong> Klas-<br />

sen nicht gelingt. Schulentwicklung läuft so immer Gefahr, das sie das Anliegen oder die Aufgabe<br />

einzelner Lehrkräfte oder isolierter Teams ist bzw. bleibt <strong>und</strong> keine Verbindlichkeit für das Gesamt-<br />

kollegium erhält.<br />

Zum Schwierigsten in der Schulentwicklung gehört daher, in all diesen skizzierten Kontexten eine<br />

solche Verbindlichkeit herzustellen <strong>und</strong> die Bereitschaft zur Veränderung im Kollegium zu wecken<br />

<strong>und</strong> zu verankern. Für Schulleitung bedeutet dies eine zusätzliche Herausforderung, da sie sich an<br />

8


den Schaltstellen der Umsetzung einbringen muss. Hier professionell zu agieren, wird zum ent-<br />

scheidenden Faktor erfolgreicher Schulentwicklung. Managementkompetenz ist gefragt an den<br />

9<br />

Knotenpunkten von Schulentwicklung, d. h. sie setzt die entscheidenden Impulse für die Initiierung<br />

von Veränderung <strong>und</strong> die Motivation der Mitarbeitenden einerseits, wie andererseits für die Ent-<br />

scheidungsvorbereitung <strong>und</strong> -durchsetzung sowie die tatsächliche Umsetzung der Prozesse. Ge-<br />

fordert sind daher Zielorientierung wie auch die Fähigkeit <strong>und</strong> Bereitschaft zu Partizipation <strong>und</strong><br />

Delegation, um viele einzubinden <strong>und</strong> in die Mitverantwortung zu nehmen. Der Erfolg beruht auf<br />

dem richtigen Einsatz der Mitarbeitenden wie auf der Fähigkeit zur Entwicklung von Problemlöse-<br />

strategien.<br />

Angesprochen sind dabei alle Bereiche von Schulentwicklung, d. h. Unterrichts-, wie Organisati-<br />

ons- <strong>und</strong> Personalentwicklung. Der Managementkompetenz der Leitenden kommt in allen drei<br />

Aufgabenfeldern eine entscheidende Schlüsselfunktion zu.<br />

2.3 Schulleitung als Leadership<br />

Schulleitung an evangelischen Schulen bedeutet, „die Schule in ihren pädagogischen, personalen,<br />

wirtschaftlichen <strong>und</strong> organisatorisch-rechtlichen Bereichen verantwortlich <strong>und</strong> zielbewusst zu ges-<br />

talten, <strong>und</strong> nicht nur als Organisator, Verwalter oder als pädagogische Fachkraft tätig zu werden.<br />

Dazu ist es notwendig, mit den vorhandenen Potentialen der Mitarbeitenden wie mit den Finanz-<br />

<strong>und</strong> Sachressourcen so umgehen zu können, dass optimale Ergebnisse erzielt werden 12 .<br />

Schulleitung wird all dies nur leisten können, wenn sie getragen wird von Leitungspersonen, die im<br />

oben dargestellten Sinn gestalten können <strong>und</strong> wollen. Sie sollten daher Führungsaufgaben nicht<br />

unbewusst ablehnen, sondern müssen sie für sich auch als zentrale Aufgabe akzeptieren können.<br />

Führung im Sinne von Leadership stellt hohe Anforderungen, nicht zuletzt an Selbstkompetenz<br />

<strong>und</strong> soziale Kompetenz. Selbstkompetenz 13 zeigt sich unter anderem als Verantwortlichkeit <strong>und</strong><br />

Berechenbarkeit, aber auch als Fähigkeit zur Selbstorganisation <strong>und</strong> als Durchsetzungsvermögen.<br />

Wirksam wird sie in Kombination mit jenen Aspekten einer Sozialkompetenz, die sich vor allem mit<br />

Gesprächs- <strong>und</strong> Konfliktfähigkeit skizzieren lassen. Letztendlich beruht jedes gute Führungshan-<br />

deln auf den Säulen Kommunikation <strong>und</strong> Kooperation. Der richtige Umgang mit Information gehört<br />

ebenso dazu wie die Fähigkeit, Feedback zu geben, aber auch anzunehmen; Vertrauen entgegen-<br />

12 Vgl. dazu Wissenschaftliche Arbeitsstelle Evangelische Schule, Referenzrahmen, a. a. O., S. 9 f.<br />

13 Selbstkompetenz oder personale Kompetenz werden hier synonym gebraucht.<br />

Vortrag auf der Veranstaltung "Schulleitung - ein eigenes Berufsprofil?" des Ev. <strong>Schulwerk</strong>s in Württemberg am 5. Juli<br />

2007


zubringen <strong>und</strong> zu wecken. 14 "Von zentraler Bedeutung für den Erfolg ist dabei der Aufbau einer<br />

10<br />

Beziehungskultur, die den verantwortlichen <strong>und</strong> wertschätzenden Umgang aller mit allen gewähr-<br />

leistet <strong>und</strong> auch der Fürsorgepflicht der Leitungsperson gerecht wird. Die Fähigkeit sich einzufüh-<br />

len, ohne die Distanz zu verlieren, zu motivieren <strong>und</strong> jeden seinen Fähigkeiten entsprechend ein-<br />

zusetzen, Vertrauen zu gewinnen, aber auch anderen entgegenzubringen, gehört zu den zentralen<br />

Kriterien guter Führung. Sozialkompetenz <strong>und</strong> Selbstkompetenz (personale Kompetenz) sind<br />

deshalb ebenso wichtig wie Managementkompetenz im engeren Sinne." 15 Nur dann wird es mög-<br />

lich sein, vorhandene Potenziale bei den Mitarbeitenden zu erkennen <strong>und</strong> zu wecken. Sie sind die<br />

Voraussetzung dafür, dass auch mit den personellen Ressourcen einer Schule angemessen um-<br />

gegangen wird. Dazu gehören die Motivation <strong>und</strong> Aktivierung der Mitarbeitenden im System Schu-<br />

le <strong>und</strong> die Förderung <strong>und</strong> Befähigung zu aktiver, selbstständiger Beteiligung am pädagogischen<br />

Konzept <strong>und</strong> an der Schulkultur.<br />

So ist Sozialkompetenz auf vielen Ebenen gefordert, insbesondere im Blick auf Personalführung<br />

<strong>und</strong> Personalentwicklung. Schulen in evangelischer Trägerschaft suchen sich ihre Mitarbeitenden<br />

in der Regel selbst aus, d. h. Träger <strong>und</strong> Schulleitung müssen meist gemeinsam eine Auswahl<br />

treffen <strong>und</strong> gegebenenfalls auch bei Bewerbermangel überzeugen können, um qualifizierte <strong>und</strong><br />

geeignete Mitarbeitende zu gewinnen. Personalentscheidungen <strong>und</strong> Personalentwicklungsmaß-<br />

nahmen sind von hoher Bedeutung, denn gerade an evangelischen Schulen gelten die Lehrkräfte<br />

als Garanten für die Qualität <strong>und</strong> das Profil der Schule. Das Statement vom Lehrer als dem ent-<br />

scheidenden Profilfaktor evangelischer Schulen wird nach wie vor gern zitiert <strong>und</strong> herangezogen.<br />

Fortbildungsplanung <strong>und</strong> Teamentwicklung sollten daher zum Selbstverständnis von Leitung dazu<br />

gehören; <strong>und</strong> die Wahrnehmung der Führungsaufgabe durch Mitarbeitergespräche <strong>und</strong> Konferen-<br />

zen ist unverzichtbar.<br />

Gerade wenn es darum geht, Bereitschaft für Veränderung <strong>und</strong> Innovation zu wecken <strong>und</strong> zu er-<br />

halten, sind Leitende im Blick auf ihre Fähigkeit <strong>und</strong> Bereitschaft zu Kommunikation, Moderation<br />

<strong>und</strong> Beratung gefordert. Insbesondere der konstruktive Umgang mit Konflikten gehört zu den ent-<br />

scheidenden Instrumenten von Führung, <strong>und</strong> Leitende sollten dafür die entsprechenden Kompe-<br />

tenzen mitbringen. Letztlich wird Schulleitung an evangelischen Schulen immer wieder an ihrer<br />

Sozialkompetenz gemessen werden. Das gilt nicht nur nach innen im Blick auf Schülerinnen <strong>und</strong><br />

Schüler, das Kollegium oder den Schulträger <strong>und</strong> die Eltern. Evangelische Schulen leben auch von<br />

der intensiven Kooperation mit außerschulischen Kooperationspartnern, gerade in der Umsetzung<br />

14 s. dazu insgesamt W.A. Fischer/M. Schratz, Schule leiten <strong>und</strong> gestalten. Mit einer neuen Führungskultur in<br />

die Zukunft. Bibliothek Schulentwicklung Bd. 3.2, aktualisierte Auflage, Innsbruck, Wien, München 1999.<br />

15 Wissenschaftliche Arbeitsstelle, Referenzrahmen, a.a.O., S. 9f.<br />

10


11<br />

besonderer Profilmerkmale wie dem diakonisch-sozialen Lernen oder dem Kontakt mit Kirchenge-<br />

meinden, aber auch generell im Zuge der Verortung im sozialräumlichen Umfeld. Schulleitung ist in<br />

all diesen Kontexten in ihrer Kommunikationsfähigkeit <strong>und</strong> sozialen Kompetenz gefordert.<br />

Dies zu benennen macht zugleich deutlich, dass mit einem so weit gefassten Aufgabenfeld immer<br />

die Gefahr einer permanenten Überforderung verb<strong>und</strong>en ist. Sozialkompetenz <strong>und</strong> Selbstkompe-<br />

tenz gehören daher zusammen; Führungskompetenz muss beide Perspektiven beinhalten. So<br />

kann die Fähigkeit zum Selbstmanagement vom Anforderungsdruck entlasten, was einschließt,<br />

eigene Einstellungen <strong>und</strong> Werthaltungen reflektieren zu können. Aber auch generelle Lernbereit-<br />

schaft <strong>und</strong> die Offenheit für Weiterentwicklung sind Aspekte von Selbstkompetenz, ebenso wie<br />

Verlässlichkeit <strong>und</strong> Berechenbarkeit für andere.<br />

Im Blick auf die hohen Anforderungen sollten Schulleiter/innen auch zu eigenen Fehlern stehen<br />

können. Es geht gerade an evangelischen Schulen nicht nur um Machbarkeit i. S. von Ziel- <strong>und</strong><br />

Ergebnisorientierung, sondern vor allem um Prozesse im sozialen Miteinander. Daher müssen<br />

Leitende nicht nur anderen Feedback geben, sondern auch in der Lage sein, selbst Feedback ein-<br />

zuholen <strong>und</strong> entgegenzunehmen. Zur personalen Kompetenz von Leitenden an evangelischen<br />

Schulen gehört daher auch ein Vertrauen zu den Menschen als Basis für das gemeinsame Mitein-<br />

ander. Damit verb<strong>und</strong>en ist die Souveränität, andere an Entscheidungen zu beteiligen, aber auch<br />

Beschlüsse beharrlich <strong>und</strong> geradlinig umzusetzen. Leitende müssen ungelöste Probleme auch<br />

einmal aushalten <strong>und</strong> mit ihrer eigenen wie mit fremder Unsicherheit umgehen können. Nicht zu-<br />

letzt bedeutet dies immer wieder, Wichtiges von Unwichtigem zu unterscheiden, entsprechend zu<br />

handeln <strong>und</strong> in der Konsequenz dazu auch stehen zu können.<br />

2.4 Schulleitung <strong>und</strong> evangelisches Profil<br />

In all dem Gesagten schwingt bereits mit, dass es bei den geforderten Kompetenzen immer um<br />

Voraussetzungen dafür geht, dass evangelisches Profil in der Schule weiterentwickelt <strong>und</strong> umge-<br />

setzt werden kann. Daher seien an dieser Stelle nur noch einmal drei Aspekte besonders heraus-<br />

gehoben, die in Bezug auf Schulleitung an evangelischen Schulen besonders wichtig scheinen:<br />

Verantwortung für die Konzeption der Schule, Authentizität in Bezug auf die eigene Persönlichkeit<br />

<strong>und</strong> Betonung des Beziehungsaspekts.<br />

Die Bedeutung von Konzeption <strong>und</strong> Leitbild einer evangelischen Schule wurde weiter oben betont.<br />

Dabei geht es nicht nur <strong>und</strong> in erster Linie um das Endprodukt - Leitbilder sind in dem Sinne auch<br />

nie abgeschlossen - sondern vor allem um den Prozess, der für das Profil evangelischer Schulen<br />

Vortrag auf der Veranstaltung "Schulleitung - ein eigenes Berufsprofil?" des Ev. <strong>Schulwerk</strong>s in Württemberg am 5. Juli<br />

2007


seine besondere Bedeutung hat. Die Frage nach diesem Profil immer wieder neu zu stellen, ist<br />

12<br />

bleibender Auftrag an die Schulleiterinnen <strong>und</strong> Schulleiter. Sie sind "in besonderer Weise für die<br />

pädagogische Konzeption der Schule als einer evangelischen Einrichtung verantwortlich. Sie tra-<br />

gen für deren Qualität <strong>und</strong> Weiterentwicklung Sorge. Das setzt voraus, dass sie die Chancen einer<br />

Schule in freier Trägerschaft erkennen <strong>und</strong> den Gestaltungsfreiraum für Unterricht, Schulleben <strong>und</strong><br />

Schulorganisation bejahen <strong>und</strong> nutzen können." 16 Im Sinne Senges geht es zunächst darum, dass<br />

"alle Mitarbeitenden gemeinsam ein (Ideal-)bild für die Zukunft ihrer Schule entwickeln (Vision) <strong>und</strong><br />

in Handlungsperspektiven umsetzen. Bezogen auf evangelische Schule heißt das eine gemeinsam<br />

erarbeitete Vorstellung von ihrem Bildungsauftrag (Leitbild, Menschenbild) dient als Richtlinie des<br />

pädagogischen Handelns in Unterrichtsfächern, Organisationsformen, außerunterrichtlichen Ange-<br />

boten <strong>und</strong> Initiativen im Schulleben. Leitende an evangelischen Schulen müssen diesen Anspruch<br />

glaubwürdig nach innen <strong>und</strong> außen transparent <strong>und</strong> kommunizierbar machen. " 17<br />

Damit stehen Leitende an evangelischen Schulen natürlich selbst in ihrer Rolle wie in ihrer Person<br />

unter der Anforderung, die christlichen Gr<strong>und</strong>lagen evangelisches Profils glaubhaft zu machen..<br />

Schließlich "…sind (sie)… gefordert, die Verantwortung für das geistliche Leben <strong>und</strong> das christli-<br />

che/konfessionelle Selbstverständnis der Schule mitzutragen. Damit tragen sie entscheidend zur<br />

Weiterentwicklung des Profils der Schule bei." 18 Sie benötigen dafür aber auch einen ihrer Person<br />

angemessenen Freiraum <strong>und</strong> Spielraum, um für sich <strong>und</strong> andere authentisch sein <strong>und</strong> bleiben zu<br />

können. Gerade im pädagogischen Kontext von Schule gehört Authentizität zu den besonders<br />

wichtigen Kriterien guter Führung.<br />

Schließlich - aber nicht zuletzt: Schulleitung an einer evangelischen Schule „wird der Orientierung<br />

am christlichen Menschenbild <strong>und</strong> seiner Betonung des Beziehungsaspekts entsprechen müssen.<br />

Der Einzelne steht in Beziehung zu Gott, zum anderen <strong>und</strong> zu sich selbst. Wie Leitende selbst<br />

diese Beziehungen gestalten - davon wird zu einem wesentlichen Teil die Überzeugungskraft des<br />

'<strong>Evangelischen</strong>' einer Schule abhängen. Das trifft natürlich nicht nur für die Schulleitung zu, aber<br />

für sie in besonderem Maße . ". 19<br />

16 Wissenschaftliche Arbeitsstelle Evangelische Schule, Referenzrahmen, a. a. O., S. 8.<br />

17 A.a.O., S. 8 f.<br />

18 ibid.<br />

19 A. a. O., S. 7 f.<br />

12


3. Konsequenzen für Berufsbild <strong>und</strong> Leitungsqualifizierung<br />

Eine so verstandene Schulleitung kann nicht als Teilaufgabe schulischen Handelns <strong>und</strong> Wirkens<br />

13<br />

verstanden werden. Sie lässt sich nicht gleichsam "neben" dem Unterricht durchführen, sondern ist<br />

ein eigenständiger Arbeitsbereich, der die gesamte Arbeitszeit <strong>und</strong> den vollen Einsatz der Beteilig-<br />

ten erfordert. Die nach wie vor hohe Unterrichtsverpflichtung vieler Schulleiterinnen <strong>und</strong> Schulleiter<br />

steht dem jedoch entgegen. Wenn Schulleitung im Sinne von Schulentwicklung <strong>und</strong> Qualitätsver-<br />

besserung wirken soll, muss sie als eigenes Berufsbild gesehen <strong>und</strong> akzeptiert werden. Es bedarf<br />

entsprechender zeitlicher Rahmenbedingungen, die erst zulassen, dass die Anforderungen erfüllt<br />

werden können.<br />

Neben den zeitlichen Ressourcen geht es bei Leitung <strong>und</strong> Führung auch um personelle Ressour-<br />

cen. Die vielfältigen Komponenten <strong>und</strong> Aspekte von Schulmanagement <strong>und</strong> gelingender Führung<br />

können nicht nur Aufgabe einer Person sein. Die Vielfalt dessen, was oben nur in Ansätzen skiz-<br />

ziert werden konnte, legt nahe, Aufgaben <strong>und</strong> Verantwortung auf mehrere Schultern zu verteilen.<br />

Schulmanagement bedarf eines Teams, das miteinander Dinge weiterentwickelt, Prozesse initiiert<br />

<strong>und</strong> in Gang hält <strong>und</strong> entsprechend kooperieren kann. Unterschiedliche Kompetenzen werden zu-<br />

sammenkommen müssen, um die Vielfalt der Anforderungen zu bewältigen <strong>und</strong> den einzelnen<br />

nicht zu überfordern. Das spricht nicht gegen klare Entscheidungsstrukturen, aber für die Klärung<br />

<strong>und</strong> Offenlegung der vielfältigen Führungs- <strong>und</strong> Managementaufgaben, die Schule heute erfordert,<br />

<strong>und</strong> für Überlegungen, wo diese jeweils am besten anzusiedeln sind.<br />

Schulleiterinnen <strong>und</strong> Schulleiter haben ein Anrecht auf angemessene Unterstützung. Hier ist be-<br />

sonders eine entsprechende Schulleiteraus- <strong>und</strong> -weiterbildung gefordert, die die Vermittlung not-<br />

wendigen Wissens <strong>und</strong> entsprechender Kompetenzen ebenso einschließt wie die Möglichkeit zur<br />

Reflexion <strong>und</strong> Auseinandersetzung mit Führungsrollen <strong>und</strong> -aufgaben. Wichtig dafür sind auch die<br />

Rückgriffsmöglichkeiten auf kollegiale Unterstützungssysteme <strong>und</strong> Netzwerke, aber auch auf Su-<br />

pervision oder Coaching.<br />

Konkret ist nach den verschiedenen Zielgruppen zu unterscheiden. Der Bedarf differiert, je nach<br />

dem, ob es um potenzielle Bewerber/innen für Leitungsstellen geht, um Schulleiter/innen, die ge-<br />

rade erst eine Leitungsaufgabe an einer evangelischen Schule übernommen haben oder um Lei-<br />

tende, die bereits seit langem für eine Schule Verantwortung tragen. Dazu kommt die besondere<br />

Situation, in denen sich Schulleiter/innen befinden, die mit dem Aufbau einer Schule betraut sind<br />

<strong>und</strong> die sich den daraus resultierenden, vielfältigen Anforderungen stellen müssen.<br />

Vortrag auf der Veranstaltung "Schulleitung - ein eigenes Berufsprofil?" des Ev. <strong>Schulwerk</strong>s in Württemberg am 5. Juli<br />

2007


Anwärter/innen für Leitungspositionen benötigen Angebote, die einen Selbstklärungsprozess im<br />

Blick auf Eignung <strong>und</strong> Motivation ermöglichen oder im Sinn einer Potenzialanalyse Entschei-<br />

14<br />

dungshilfe geben können. Aber es geht auch um die Ausbildung i. S. gr<strong>und</strong>legender Basiskompe-<br />

tenzen <strong>und</strong> entsprechenden Basiswissens, um sich mit der möglichen künftigen Rolle <strong>und</strong> ihren<br />

Aufgaben vertraut zu machen.<br />

Besondere Beachtung sollte Unterstützungsangeboten für Schulleiter/innen in der Einführungs-<br />

phase gelten 20 . Sie bedürfen einer Qualifizierung, die zusätzlich insbesondere die Konsequenzen<br />

aus dem Rollenwechsel vom Lehrerstatus in eine Führungsposition in den Blick nimmt <strong>und</strong> dabei<br />

Raum gibt für die ersten eigenen Erfahrungen im Leitungshandeln.<br />

Leitende mit Berufserfahrung dagegen brauchen spezielle Angebote, die sie auf neue Entwicklun-<br />

gen hinführen, dabei aber bewusst an ihrem Erfahrungswissen <strong>und</strong> ihren bestehenden Kompeten-<br />

zen ansetzen. Bei ihnen geht es vor allem um adäquate Begleitangebote, die auf der Erfahrung<br />

der Teilnehmenden aufbauen, Coaching bzw. Supervision einschließen <strong>und</strong> auf aktuelle pädago-<br />

gische oder strukturelle Herausforderungen eingehen.<br />

Davon ließen sich noch zielgruppenübergreifend Spezialisierungsangebote unterscheiden, die<br />

besondere Fragen aufgreifen <strong>und</strong> Innovation ermöglichen sollen. Hierzu könnten z. B. Angebote<br />

zum Thema "Ganztagsschule" oder "Projektentwicklung" gehören. Schließlich könnten auch Ver-<br />

treter/innen des Schulträgers in Leitungsfortbildungen einbezogen werden, um den Blick für ge-<br />

meinsame Aufgaben zu schärfen.<br />

Schulleiter/innen an einer Schule in der Aufbauphase, die vor allem mit Personalknappheit <strong>und</strong><br />

vielfältigen zusätzlichen Aufgaben konfrontiert sind, werden Stärkung in Stresssituationen als un-<br />

terstützend empfinden. Zugleich werden besondere Spezialisierungsangebote sinnvoll sein, die<br />

Hilfe geben bei der inhaltlichen oder strategischen Bewältigung der anstehenden Aufgaben.<br />

Im Raum evangelischen Schulwesens hat sich im Blick auf Qualifizierungsangebote für Leitende in<br />

den letzten Jahren viel getan. Einige Fortbildungsmodelle laufen bereits seit mehreren Jahren <strong>und</strong><br />

haben sich zu festen Größen in der Fortbildungslandschaft entwickelt, die auch bereits zu internen<br />

Netzwerken geführt haben. Ein wesentliches Ziel solcher Angebote wäre dann erreicht, wenn das<br />

Verständnis von Schulleitung an evangelischen Schulen sich an Saint Exupérys berühmten Satz<br />

orientieren könnte: "Wenn Du ein Schiff bauen willst, dann trommle nicht Männer zusammen, um<br />

Holz zu beschaffen, Aufgaben zu vergeben <strong>und</strong> die Arbeit einzuteilen, sondern lehre sie die Sehn-<br />

sucht nach dem Meer."<br />

20 S. dazu insgesamt Wissenschaftliche Arbeitsstelle Evangelische Schule, Referenzrahmen, a. a. O., S. 13-18.<br />

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