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Gotteserkenntnis – und Erkenntnis überhaupt – keine nur und in erster Linie rationale<br />
Angelegenheit ist, zeigt der folgende Text aus den „Confessiones“, den<br />
biographischen Bekenntnissen des hl. Augustinus. Hier wird deutlich, daß<br />
Gotteserkenntnis mit Fühlen (und das mit allen Sinnen) zu tun hat, wenn auch auf<br />
einer sublimen Weise. Leider ist die Übersetzung etwas pathetisch, das lateinische<br />
Original ist weit nüchterner und klarer.<br />
Ich liebe Dich Herr – ohne Wank und Zweifel, meiner Liebe voll und fest bewußt. Mein Herz hast<br />
Du mit Deinem Wort getroffen, und ich war Dein. Was aber liebe ich, da ich Dich liebe?<br />
Nicht die Schönheit eines Körpers noch den Rhythmus der bewegten Zeit; nicht den Glanz des<br />
Lichtes,...,nicht die süßen Melodien...nicht der Blumen, Salben, Spezereien Wohlgeruch...nicht<br />
Leibesglieder, die köstlich sind der fleischlichen Umarmung: nichts von alledem liebe ich,<br />
wenn ich liebe meinen Gott. Und dennoch liebe ich ein Licht, und einen Klang und einen Duft<br />
und eine Speise und eine Umarmung, wenn ich liebe meinen Gott: Licht und Klang und Duft<br />
und Speise und Umarmung meinem inneren Menschen. Dort erstrahlt meiner Seele, was kein<br />
Raum erfaßt, dort schmiegt sich an, was kein Überdruß auseinanderlöst. Das ist es, was<br />
ich liebe, wenn ich liebe meinen Gott. (Augustinus 1980, 497ff)<br />
Erkenntnis hat mit Liebe wesenhaft zu tun. Dies drückt der Text sehr sinnenfällig aus.<br />
Der Zusammenhang zwischen Liebe und Erkennen kommt bereits im Hebräischen<br />
deutlich zum Ausdruck. „Erkennen“ hat auch die Bedeutung von Entdecken von<br />
Mann und Frau in ihrer geschlechtlichen Unterschiedenheit mit dem daraus<br />
resultierenden geschlechtlichen Verkehren (vgl. dazu Schmitz 1977, 245). So findet<br />
sich der Ausdruck „Erkennen“ z. B. in Gen 4,1: Adam erkannte Eva; sie wurde<br />
schwanger. Im Neuen Testament ist dieser Zusammenhang im Wort Marias an den<br />
Engel erkennbar: „da ich keinen Mann erkenne“ (Lk 1,34).<br />
Selbsterkenntnis findet sich auch in der Benediktusregel. Der Vater des<br />
abendländischen Mönchtums weist die Brüder an, sie sollen immer im Herzen<br />
erwägen („animo suo semper revolvere“ RB 7,12), sich von jeglicher Art Sünden<br />
freizuhalten (RB 7,12). Und in Vers 18 heißt es weiter: „Der Mönch soll immer seine<br />
schlechten Gedanken gewissenhaft überprüfen und sich vor seiner Schlechtigkeit in<br />
Acht nehmen (observare)“. In der Benediktusregel hat Selbsterkenntnis, wie auch im<br />
Exerzitienbuch eine stark moralische Färbung.