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Leseprobe aus „Das siebte Kreuz“:<br />

Zweites Kapitel, III:<br />

Je<strong>de</strong>r Mensch, vor <strong>de</strong>m die Möglichkeit eines Unglücks auftaucht, besinnt sich<br />

sofort auf <strong>de</strong>n eisernen Bestand, <strong>de</strong>n er bei sich trägt. Dieser eiserne Bestand<br />

kann für <strong>de</strong>n einen seine I<strong>de</strong>e sein, für <strong>de</strong>n an<strong>de</strong>ren sein Glaube, ein dritter<br />

ge<strong>de</strong>nkt allein seiner Familie. Manche haben überhaupt nichts. Sie haben<br />

keinen eisernen Bestand. Sie sind leer. Das ganze äußere Leben mit all seinen<br />

Schrecken kann in sie einströmen und sie füllen bis zum Platzen.<br />

Mo<strong>de</strong>rne Lyrik<br />

(rh) Vom Klang <strong>de</strong>r Sprache<br />

Auf <strong>de</strong>r Suche nach <strong>de</strong>r Lyrik unserer Tage bewegen wir uns durch einen<br />

dichten Dschungel von Textkulissen, die zwar als Lyrik <strong>de</strong>klariert wer<strong>de</strong>n, als<br />

solche aber oftmals nicht zu erkennen sind. Wie sieht die Lyrik unserer Tage<br />

aus, wo kommt sie her, wer schreibt sie und was bewegt die Dichtung im<br />

21. Jahrhun<strong>de</strong>rt?<br />

Vermutlich gibt es mehr Menschen, die Gedichte schreiben, als solche, die<br />

Gedichte lesen. Die Auflagenzahlen, auch bekannter LyrikerInnen, bewegen<br />

sich immer häufiger unter <strong>de</strong>r 1000er Marke. Erstauflagen von 500 Exemplaren<br />

sind keine Seltenheit. Gemessen an <strong>de</strong>r Zahl <strong>de</strong>r Einsendungen, die täglich<br />

in <strong>de</strong>n Lektoraten <strong>de</strong>r Lyrikverlage eingehen, bestätigt sich die Vermutung,<br />

dass immer mehr Bücher immer weniger Leser fin<strong>de</strong>n (Kaiser 1996: 9). Christoph<br />

Buchwald, einer <strong>de</strong>r bei<strong>de</strong>n Herausgeber <strong>de</strong>s Jahresbuches <strong>de</strong>r Lyrik,<br />

schreibt hierzu im Jahrbuch 2004: „Soviel Lyrik war nie. 66,2 Kilogramm<br />

Gedichte, die die Paketboten in München und Amsterdam zuzustellen hatten“<br />

(Buchwald 2003: 150). Vielleicht könnten wir hieraus entnehmen, Dichter sind<br />

so sehr mit ihren eigenen Texten beschäftigt, dass nur noch wenig Zeit bleibt,<br />

auch die Werke ihrer Kollegen zu studieren. Scha<strong>de</strong> eigentlich, <strong>de</strong>nn gera<strong>de</strong><br />

in <strong>de</strong>r Interaktion vom Lesen an<strong>de</strong>rer Gedichte und <strong>de</strong>m Schreiben <strong>de</strong>r eigenen<br />

liegt eine Nahtstelle lyrischer Kommunikation; <strong>de</strong>nn Lyrik lebt nicht nur vom<br />

Dichten, son<strong>de</strong>rn auch vom Erfahrungsraum an<strong>de</strong>rer Dichtungen. Die Interaktion<br />

aus Schreiben und Lesen von Lyrik (und umgekehrt) macht sie erst zu einem<br />

lebendigen Prozess, an <strong>de</strong>m <strong>de</strong>r Leser genussvoll partizipieren kann.<br />

eXperimenta 06/2008: Die Welt <strong>de</strong>s Kreativen Schreibens Seite 15

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