Juni - Experimenta.de
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die Spuren bis zum nächsten Tag erhalten bleiben und beschließe etwas früher<br />
meinen „Arbeitsplatz“ verlassen.<br />
Mittwoch, 7.5.2008<br />
Der knallblaue Himmel, <strong>de</strong>r zart fächeln<strong>de</strong> Wind, die warme Sonne versprechen<br />
einen angenehmen Aufenthalt an „meinem Garten“. Ausgerüstet mit<br />
meinem Schreibbrett, Essen und Trinken, Sonnenhut etc. nehme ich wie<strong>de</strong>r<br />
Platz auf meinem Stuhl. Doch die vielen Fußspuren im Sand lassen mich ziemlich<br />
schnell zum Rechen greifen. Langsam beginne ich meine Run<strong>de</strong>n zu drehen.<br />
Die Menschen bleiben stehen, schauen zu, lassen Bemerkungen fallen, z.<br />
B. dass je<strong>de</strong> Linie eine Be<strong>de</strong>utung habe, dies etwas mit Meditation zu tun<br />
habe usw. Doch kaum jemand hat Muse, mir ein wenig zu Hilfe zu kommen.<br />
Da mir bewusst ist, dass die Besucher erst am Anfang ihrer Wan<strong>de</strong>rung durch<br />
die Gartenanlage sind, lasse ich sie ziehen. Heute kommen einige Gruppen<br />
vorbei und es freut mich sehr, <strong>de</strong>nn ein Halt am Haiku-Garten ist in <strong>de</strong>r Führung<br />
stets eingeplant. Die Gruppenführer erklären wun<strong>de</strong>rbar die Symbolik<br />
und <strong>de</strong>n Sinn <strong>de</strong>s Gartens.<br />
Mir wird wie<strong>de</strong>r „Lob“ ausgesprochen, dass alles „so schön or<strong>de</strong>ntlich sei“,<br />
wenn die Sandlinien vollen<strong>de</strong>t sind.<br />
Es gibt an diesem Tag auch einige wenige Mütter, die <strong>de</strong>n Kin<strong>de</strong>rn ein wenig<br />
Einhalt gebieten, die Linien nicht gleich zu zerstören. Allerdings ermuntere<br />
ich sie, ihre eigenen Muster in <strong>de</strong>n Sand zu malen und vielleicht auch <strong>de</strong>n<br />
Rechen so zu ziehen, dass ihre Fußspuren verwischt wer<strong>de</strong>n. Geduld haben<br />
nur wenige.<br />
Geduld, Ausdauer, Gelassenheit, Ruhe möchten wir fin<strong>de</strong>n in einem solchen<br />
Garten. Doch die Lärmkulisse in diesem Rheintal ist schon beachtlich. Die<br />
Schiffe tuckern unaufhörlich vorbei. Rechts und links <strong>de</strong>s Rheins führen Eisenbahnlinien.<br />
Alle zehn Minuten fährt ein Zug vorbei, so habe ich <strong>de</strong>n Eindruck.<br />
Flugzeuge am Himmel und natürlich konstante Autogeräusche.<br />
Meine Großmütigkeit wird auf eine harte Probe gestellt, wenn meine wun<strong>de</strong>rschönen,<br />
mit Ausdauer gezogenen Linien im Sand in Kürze zertrampelt<br />
wer<strong>de</strong>n. Mit asiatischer Gelassenheit die Situation zu sehen fällt mir schwer<br />
und ein kleiner Anflug von Enttäuschung schleicht in mein Herz.<br />
Im Nu verrinnt die Zeit, gegen 17:00 Uhr lassen die Besucherströme etwas<br />
nach und gegen 18:00 Uhr begebe ich mich wie<strong>de</strong>r auf meinen Heimweg,<br />
nicht ohne vorher nochmals nach <strong>de</strong>n Künstlern zu schauen, die ihre Skulpturen<br />
formen. Am Pfingstmontag wer<strong>de</strong> ich wie<strong>de</strong>r vor Ort sein.<br />
eXperimenta 06/2008: Das Institut Seite 25