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Juni - Experimenta.de

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Unter <strong>de</strong>m Einfluss <strong>de</strong>s Ersten Weltkrieges entstand in <strong>de</strong>n Jahren von 1916<br />

bis 1918 in Zürich eine Kunstbewegung, die durch ihre visuelle, aber auch<br />

literarische Ausdrucksweise <strong>de</strong>n Mainstream <strong>de</strong>r Kunst und <strong>de</strong>r Literatur maßgeblich<br />

beeinflusste. Unter diesen Künstlern tauchen Namen auf, <strong>de</strong>ren Klang<br />

bis heute noch zu hören ist: Hans Arp, Emmy Ball–Hennings, Marcel Janco,<br />

John Heartfield und Tristan Tzara, um nur einige zu nennen.<br />

Kurt Schwitters ließ sich von <strong>de</strong>r Dadainvasion überrollen und adaptierte<br />

die Bewegung ins heimische Hannover. Mit seiner Merzkunst überflutete er die<br />

künstlerische und literarische Welt <strong>de</strong>s untergegangenen Kaiserreiches. Seine<br />

Kunst, die immer auch Literatur war, glich einem gigantischen Aufbruch in<br />

neue Lebenswelten. So schuf er mit seiner Merzdichtung bis dahin völlig unbekannte<br />

Sprachkulissen, in <strong>de</strong>nen sich Dichterinnen, Dichter, Leserinnen und<br />

Leser bewegten, als wür<strong>de</strong>n sie ein an<strong>de</strong>res Universum besuchen.<br />

In seinem Gedichtband an Anna Blume aus <strong>de</strong>m Jahre 1919 hören wir diesen<br />

typischen Schwitters-Dada-Ton, <strong>de</strong>n er in seinen Versen anschlägt, <strong>de</strong>r<br />

auch möglicherweise heute für einige ZeitgenossInnen befremdlich erscheinen<br />

mag. Hier ein Auszug aus seinem Gedicht.<br />

An Anna Blume<br />

O, du Geliebte meiner siebenundzwanzig<br />

Sinne, ich liebe dir! – Du <strong>de</strong>iner, dich dir,<br />

ich dir, du mir. – Wir?<br />

Das gehört (beiläufig) nicht hierher.<br />

Wer bist du, ungezähltes Frauenzimmer? Du<br />

bist – bist du?<br />

Wärest – lass sie sagen, sie wissen nicht,<br />

wie <strong>de</strong>r Kirchturm steht.<br />

Du trägst <strong>de</strong>n Hut auf <strong>de</strong>inen Füßen und<br />

Wan<strong>de</strong>rst auf die Hän<strong>de</strong>, auf <strong>de</strong>n Hän<strong>de</strong>n<br />

Wan<strong>de</strong>rst du.<br />

Hallo <strong>de</strong>ine roten Klei<strong>de</strong>r, in weiße Falten<br />

zersägt. Rot liebe ich Anna Blume, rot liebe<br />

ich dir! – Du <strong>de</strong>iner dich dir, ich dir, du<br />

mir. – Wir?<br />

Das gehört (beiläufig) in die kalte Glut.<br />

Rote Blume, rote Anna Blume, rot liebe<br />

ich dir! – Du <strong>de</strong>iner dich dir, ich dir, du<br />

mir. – Wir?<br />

eXperimenta 06/2008: Die Welt <strong>de</strong>s Kreativen Schreibens Seite 17

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