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Die Fantasie der Lippen - Experimenta.de

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Edita Christ<br />

Rückblick auf das Seminar „<strong>Die</strong> Kunst <strong>de</strong>s Erzählens“<br />

im Kloster Himmerod vom 21.-25.5.2012<br />

Handyempfang? Fernsehen? – Fehlanzeige. Wozu auch,<br />

wenn es darum geht, Worte zu fin<strong>de</strong>n, die aus einem<br />

selbst kommen? Fünf Frauen waren in die Eifel gereist,<br />

um von Herrn Rüdiger Heins „die Kunst <strong>de</strong>s Erzählens“ zu<br />

lernen. Eine kleine Gruppe, die viel Raum für persönliche<br />

Geschichten und künstlerische Entfaltung ließ. Das Kloster<br />

Himmerod war uns dabei Heimstätte, Kulisse und Inspiration.<br />

Mit zehn Übungen für <strong>de</strong>n Schreibprozess wur<strong>de</strong>n wir in die<br />

Materie eingeführt: Wir schrieben z. B. Haiku-Gedichte bei<br />

schönstem Sonnenschein am Ufer <strong><strong>de</strong>r</strong> Salm, portraitierten<br />

jeman<strong>de</strong>n aus <strong><strong>de</strong>r</strong> Umgebung <strong>de</strong>s Klosters o<strong><strong>de</strong>r</strong> machten<br />

eine Bildbetrachtung über eines <strong><strong>de</strong>r</strong> vielen Gemäl<strong>de</strong> im Kloster. Wir wechselten zwischen <strong><strong>de</strong>r</strong> Kühle<br />

unseres Seminarraumes und <strong>de</strong>m heißen Wetter draußen. Rüdiger Heins gab uns Aufgaben und<br />

wenn nötig Impulse, ließ uns Zeit, und wir suchten uns <strong>de</strong>n Ort zum Schreiben, <strong><strong>de</strong>r</strong> uns am besten<br />

gefiel. <strong>Die</strong> Auswahl an schönen Plätzen war groß: Das Ron<strong>de</strong>ll mit <strong>de</strong>m Brunnen vor <strong>de</strong>m Kloster,<br />

die Wei<strong>de</strong>nkapelle, die sonnenbeschienene Fensterbank <strong><strong>de</strong>r</strong> eigenen Zelle o<strong><strong>de</strong>r</strong> ein Plätzchen<br />

im Klostercafé ließen die Gedanken fließen. Allmählich bekam so Manches, was zu Anfang noch<br />

schwierig o<strong><strong>de</strong>r</strong> holprig schien, eine unerwartete Leichtigkeit. Und wie aus <strong>de</strong>m Nichts formte sich<br />

nebenbei so manches Haiku fast von selbst aus Wahrnehmungen beim Schreiben. Ein Beispiel:<br />

www.eXperimenta.<strong>de</strong><br />

Unsichtbar im Gras<br />

sitzt eine Maus und knabbert.<br />

Hör zu und lächle!<br />

Niemand wur<strong>de</strong> gezwungen, das Geschriebene auch vorzulesen. Erschien es uns zu persönlich<br />

o<strong><strong>de</strong>r</strong> nicht gut genug, so konnten wir es auch <strong>de</strong>m Mülleimer o<strong><strong>de</strong>r</strong> in feinen Schnipseln <strong><strong>de</strong>r</strong> Salm<br />

anvertrauen, die unsere Worte verschwiegen fort trug.<br />

Über das Thema Märchen arbeiteten wir uns vor bis zu einem etwas längeren Text, einer Short<br />

Story aus <strong>de</strong>m eigenen Leben. Nach Bewältigung dieser größeren Aufgabe ließen wir das Seminar<br />

am Freitag mit Han Shan-Gedichten im Klostercafé ausklingen.<br />

Wir haben gelernt, uns selbst etwas zuzutrauen und aus alltäglichen Anregungen Impulse zum<br />

Schreiben zu gewinnen. Je ruhiger es dabei zugeht, <strong>de</strong>sto besser. So konnte, wem <strong><strong>de</strong>r</strong> Tag nicht<br />

reichte, nachts weiterschreiben, wenn die Klosterglocke die Mönche um 4.15 Uhr zum Gebet rief<br />

und uns aus <strong>de</strong>m Schlaf riss. In <strong>de</strong>n frühen Morgenstun<strong>de</strong>n danach übertraf die Klosterruhe sich<br />

selbst und beflügelte <strong>de</strong>n Geist beim Schreiben.<br />

Wer hätte das gedacht? – In <strong><strong>de</strong>r</strong> Ruhe liegt – das Wort! © Edita Christ<br />

Edita Christ lebt mit ihrer Familie am Südrand <strong>de</strong>s Taunus. Von <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Ausbildung her Diplom-Geografin, arbeitet sie seit einigen Jahren als<br />

Lehrerin an einer Privatschule. Ihre Lei<strong>de</strong>nschaft für das Schreiben<br />

ent<strong>de</strong>ckte sie durch ihre Familiengeschichte, die sie in jahrelanger<br />

Arbeit recherchiert und zu einem Buch zusammengefasst hat.<br />

56 Juli/August 2012

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