28.08.2013 Aufrufe

262 - Fandom Observer

262 - Fandom Observer

262 - Fandom Observer

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Breitsameter/FO<strong>262</strong>/ buch/rezensionen<br />

Wim war nicht nur Schriftsteller, sondern<br />

auch Musiker, der unter dem Projektnamen<br />

MARYSON veröffentlichte. Ich traf Wim, der<br />

perfekt und fließend deutsch sprach, zum<br />

letzten Mal Mitte 2005 im Hause des Lübbe-<br />

Verlages, denn wir hatten zu dieser Zeit in<br />

Stefan Bauer den selben Lektor. Wim war<br />

damals bereits seit Wochen auf einer Art<br />

„Europa-Tour“ durch alle Länder und Verlage,<br />

die seine Bücher in Übersetzung verlegten.<br />

Es war seine Art, Jahresurlaub zu zelebrieren.<br />

Schade, dass ein so resoluter und<br />

umtriebiger Mensch wie Wim so früh abtreten<br />

musste; jemand, der für seine Träume<br />

und Ideen lebte und für das Bedürfnis, persönlichen<br />

Kontakt mit allen Leuten zu halten,<br />

die zu seiner Autorenwelt gehörten,<br />

auch gerne wochenlang durch Europa reiste.<br />

Quelle: W.J. Maryson Forum, Wikipedia<br />

Claudia Kern:<br />

sissi, die Vampirjägerin<br />

Wien, im Februar 1853. Auf den Kaiser<br />

Österreichs, Franz Joseph I., wird ein<br />

Anschlag verübt. Den wahren Grund für<br />

diesen Anschlag werden seine Untertanen<br />

jedoch nie erfahren – Franz Joseph I. ist ein<br />

Vampir.<br />

Genau das Wesen, das die Familie um<br />

Herzog Max in Bayern bekämpft und zu<br />

dessen Vernichtung die Töchter Helene und<br />

Elisabeth einer speziellen Ausbildung unterzieht.<br />

Als Helene von Franz Joseph in die<br />

Sommerresidenz nach Bad Ischl eingeladen<br />

wird, scheint der Plan perfekt. Wäre da nicht<br />

Elisabeth, die ihren Kopf durchsetzt und<br />

gegen den Willen der Familie ebenfalls nach<br />

Bad Ischl reist, um dort sämtliche Pläne<br />

unbeabsichtigt über einen Haufen zu werfen<br />

– verliebt sie sich doch in Franz Joseph.<br />

Dem aufmerksamen Leser wird nicht<br />

entgangen sein, welch berühmte, historische<br />

Persönlichkeiten hier von Claudia Kern<br />

in einen völlig neuen Kontext gesetzt worden<br />

sind. Sissi und Franz Joseph – ein Paar,<br />

das den ultimativen Stoff für verschiedene<br />

Vorlagen bildet. Sei es für eine verklärte<br />

Sicht, die uns die Sissi-Filme in den 50ern<br />

vorgaukelte, oder für die Comedy-Sicht, die<br />

uns Bully Herbig bescherte. Sogar als<br />

Zeichentrickserie musste Sissi schon herhalten,<br />

die Musical-Maschinerie hat sich auf sie<br />

gestürzt. Allerdings unterscheidet Claudia<br />

Kerns neuestes Werk sich von den erwähnten<br />

Vorlagen in einem Punkt: es ist gut<br />

recherchiert und hält sich an die diversen<br />

Eckdaten.<br />

Diese Grundidee vermischt mit den historischen<br />

Fakten birgt zwei Gefahren. Entweder<br />

liest sich die Geschichte zu trocken, weil sie<br />

immer wieder in den historischen Kontext<br />

FO <strong>262</strong> · 4/2011<br />

gepackt werden muss<br />

oder aber sie rutscht<br />

schnell in den Slapstick<br />

ab. Mein erster<br />

Gedanke, als ich von<br />

der Neu ankündigung<br />

erfahren habe, war<br />

dann auch ein ehrliches<br />

„Oh nein,<br />

Claudia, spring du<br />

bitte nicht auch noch<br />

auf den Vampirzug<br />

auf, ich brauche keinen<br />

Glitzerkaiser.“<br />

Aller dings war ich<br />

auch schnell neugierig,<br />

schließlich gehöre<br />

ich zu der Generation,<br />

die mit den Sissi-<br />

Filmen aufgewachsen<br />

ist und immer noch<br />

einen Teil dieses verklärten<br />

Blicks mit sich<br />

herum trägt.<br />

Meine Be geisterung<br />

war dann<br />

auch riesig, als sich<br />

beim Lesen schnell<br />

herausstellte, dass<br />

Claudia Kern bekannte<br />

Elemente der Filme<br />

in die Geschichte einbaute.<br />

Sei es das „na<br />

bravo“, mit dem der<br />

grenzdebile Vampir<br />

Ferdinand das Geschehen kommentiert,<br />

oder die Tatsache, dass Erzherzogin Sophie<br />

als strenges Oberhaupt des Vampirclans im<br />

Hintergrund die Fäden fest in der Hand hält.<br />

Allerdings drängte sich mir auch unwillkürlich<br />

der Vergleich zu „Buffy“ auf. Ein junges<br />

hübsches Mädchen, das dazu ausgebildet<br />

worden ist, Vampire zu töten und sich<br />

dummerweise in den Vampir verliebt.<br />

Vielleicht ist die Umsetzung der Geschichte<br />

Claudia Kern auch deswegen so gelungen<br />

– weder Buffy noch Sissi nehmen sich ernst.<br />

Streng genommen ist „Sissi, die Vampirjägerin“<br />

dann auch eine Horror komödie, die<br />

alles auf die Schippe nimmt, das die aktuelle<br />

Twilight-Generation als romantisch einstuft.<br />

Da werden Menschen im Blutrausch<br />

gnadenlos so niedergemetzelt, dass die<br />

Vampire selbst beinahe in den Blutlachen<br />

ausrutschen. Oder die simple Tatsache, dass<br />

die farbenblind sind und ihnen jeder Sinn<br />

für Kunst fremd ist.<br />

Allen Seitenhieben und jedem<br />

Augenzwinkern zum Trotz fehlt der<br />

Geschichte jedoch nicht der Spannungsbogen.<br />

Claudia Kern streut Hinweise, die<br />

den Leser erst vor kleine Rätsel stellen, ihm<br />

im Showdown dann aber eine Lösung präsentiert,<br />

die einfach nur rund und sehr<br />

durchdacht ist. Dadurch rückt nicht nur die<br />

Liebesgeschichte zwischen Sissi und Franz<br />

Joseph in den Fokus, sondern auch die des<br />

Gegenspielers, der mal eben nichts besseres<br />

zu tun hat, als die Weltherrschaft an sich<br />

reißen zu wollen. Beides hält sich in der<br />

gesamten Geschichte über in einer wunderbaren<br />

Balance.<br />

Stilistisch ist Claudia Kern sich treu<br />

geblieben. Sie gehört zu den Autoren, die<br />

trotz – oder gerade wegen – ihres schnörkellosen<br />

Stils lebhafte Bilder im Kopf des<br />

Lesers formen kann und ihn in eine andere<br />

Welt eintauchen lässt. Kurzum: ein stimmiges,<br />

rundes Lesevergnügen für alle, die von<br />

Edward und Co. die Nase voll haben und<br />

mal wieder ein vernünftiges Vampirbuch<br />

lesen möchten, das sich selbst nicht ernst<br />

nimmt.<br />

Eine Lesung zu „Sissi, die Vampirjägerin“<br />

findet am 28.04.2011 um 17 Uhr auf der<br />

FedCon in Bonn statt.<br />

Katrin Hemmerling<br />

Claudia Kern – Sissi, die Vampirjägerin<br />

Softcover, Panini Books<br />

Februar 2011<br />

ISBN 978-3-8332-2254-2<br />

317 Seiten<br />

9

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!