30.08.2013 Aufrufe

2000-22 Schwerpunkt aktueller Forschung: die ...

2000-22 Schwerpunkt aktueller Forschung: die ...

2000-22 Schwerpunkt aktueller Forschung: die ...

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Schweiz Med Wochenschr <strong>2000</strong>;130: Nr <strong>22</strong><br />

Fortbildung<br />

wickelt; (2.) Bei Gesunden ist kein Zusammenhang<br />

zwischen sehr lebhaften oder<br />

schwach auslösbaren Eigenreflexen und der<br />

Bewegungsdurchführung bekannt.<br />

Bei funktionellen Bewegungsabläufen wie dem<br />

Gehen besteht eine komplexe Wechselbeziehung<br />

zwischen verschiedenen Reflexmechanismen<br />

sowie spinalen und supraspinalen Regulationszentren:<br />

Die rhythmische Aktivierung<br />

der Beinmuskeln durch spinale Generatoren<br />

wird durch eine multisensorische, d.h. von<br />

Haut, Muskel, Gelenk stammende Afferenz<br />

moduliert und an <strong>die</strong> jeweiligen Erfordernisse<br />

angepasst. Sowohl zentrale Programmierung<br />

wie Reflexaktivität stehen unter supraspinaler<br />

Kontrolle. Bei Funktionsstörungen von Reflexen,<br />

Rezeptormechanismen oder der supraspinalen<br />

Kontrolle kommt es zu sehr charakteristischen<br />

Gangstörungen bei zerebellärer<br />

Läsion, extrapyramidalem Syndrom oder<br />

spastischer Parese (zur Übersicht s. [1]).<br />

Pathophysiologie<br />

Weder <strong>die</strong> zeitliche Abfolge der EMG-Aktivität<br />

noch <strong>die</strong> reziproke Form der Innervation antagonistischen<br />

Beinmuskeln zeigen einen grundsätzlichen<br />

Unterschied zwischen Patienten mit<br />

Spastik und Gesunden. Im Vergleich zu Gesunden<br />

ist <strong>die</strong> EMG-Aktivität der Wadenmuskeln<br />

bei Patienten mit Spastik in der Amplitude<br />

vermindert und weniger moduliert. Die geringe<br />

Modulation der Gastrocnemiusaktivität beim<br />

Gehen entspricht dem Fehlen einer raschen Regulation<br />

der Entladungsfrequenz motorischer<br />

Einheiten, <strong>die</strong> das gesunde motorische System<br />

charakterisiert [2, 3].<br />

Es wird gemeinhin angenommen, dass <strong>die</strong> gesteigerten<br />

Eigenreflexe für den spastischen<br />

Muskeltonus und konsequenterweise für <strong>die</strong><br />

Gangstörung verantwortlich sind. Beim Gehen<br />

sind jedoch eine Vielzahl von Reflexmechanismen<br />

beteiligt, deren Bedeutung durch <strong>die</strong><br />

Analyse der durch Störreize beim Gehen hervorgerufenen<br />

kompensatorischen Muskelantworten<br />

eingeschätzt werden kann. Während<br />

im gesunden Bein keine monosynaptische, hingegen<br />

starke polysynaptische Reflexantworten<br />

ausgelöst werden, erscheinen in spastischen<br />

Beinmuskeln monosynaptische Reflexe, <strong>die</strong><br />

funktionell wesentlichen polysynaptischen<br />

Reflexantworten aber fehlen. Die Gesamtaktivität<br />

in spastischen Muskeln ist trotz<br />

der «enthemmten» monosynaptischen Reflexpotentiale<br />

vermindert [4, 5].<br />

Die gesteigerten Eigenreflexe sind wahrscheinlich<br />

auf eine verminderte präsynaptische Hem-<br />

mung von Gruppe-Ia-Fasern zurückzuführen.<br />

Sonst findet sich experimentell kein Hinweis<br />

auf eine erhöhte Aktivität der Motoneurone<br />

bei der Spastik. Auch indirekte Hinweise auf<br />

eine gesteigerte neuronale Aktivität fehlen: Es<br />

bestehtkeinegesteigerteGamma-Motoneuronaktivität<br />

(d.h. der kleinen motorischen Neurone<br />

im Rückenmark, <strong>die</strong> <strong>die</strong> Muskelspindeln<br />

innervieren) und ein dadurch verstärkter Impulseinstrom<br />

der Gruppe-Ia-Fasern, über <strong>die</strong><br />

der monosynaptische Dehungsreflex vermittelt<br />

wird [6], oder ein «Sprouting» von Gruppe-Ia-<br />

Fasern an den Motoneuronen, d.h. Aussprossen<br />

<strong>die</strong>ser Fasern nach spinaler oder supraspinaler<br />

Läsion, mit der Konsequenz gesteigerter<br />

Reflexe.<br />

Bei Patienten mit Spastik kann der pathologische<br />

Muskeltonus beim Gehen nicht durch <strong>die</strong><br />

EMG-Aktivität erklärt werden. Im Vergleich<br />

zu Gesunden ist <strong>die</strong> Beinmuskelaktivierung<br />

entsprechend dem Grad der Parese vermindert.<br />

Gesteigerte monosynaptische Dehnungsreflexe<br />

stellen nur einen kleinen Teil der Gesamtaktivierung<br />

der Beinmuskeln dar [4, 8]. Bei Patienten<br />

mit spastischer Hemiparese zeigt sich<br />

eine grundsätzlich unterschiedliche Spannung-/<br />

Kraftentwicklung im Triceps surae und dadurch<br />

Unterstützung des Körpers während des<br />

Gehens [4, 5, 9]: Am nicht betroffenen Bein<br />

korreliert <strong>die</strong> Spannungsentwicklung an der<br />

Achillessehne mit der Modulation der EMG-<br />

Aktivität (entsprechend gesunden Personen),<br />

während <strong>die</strong> Spannungsentwicklung am spastischen<br />

Bein an <strong>die</strong> Dehnung des gering tonisch<br />

aktivierten Wadenmuskels gekoppelt ist<br />

(Abb. 1). Es besteht keine sichtbare Verbindung<br />

der Spannungsentwicklung mit dem Auftreten<br />

der «gesteigerten» monosynaptischen<br />

Reflexpotentiale. Nach <strong>die</strong>sen Beobachtungen<br />

muss der spastische Muskeltonus und <strong>die</strong> Bewegungsstörung<br />

mit einer Veränderung der<br />

Spannungsentwicklung eines Muskels ohne<br />

verstärkte Aktivität der Mononeurone erklärt<br />

werden.<br />

Die Untersuchungen funktioneller Bewegungen<br />

bei der Spastik führen zu der Schlussfolgerung,<br />

dass es nach einer supraspinalen Läsion<br />

zu einer Veränderung der funktionellen Eigenschaften<br />

der motorischen Einheiten kommt,<br />

mit der Folge, dass <strong>die</strong> Muskelspannung auf<br />

einfacherer Ebene reguliert wird. Eine derartige<br />

Transformation von motorischen Einheiten<br />

ist insofern sinnvoll, als der Patient das<br />

Körpergewicht beim Gehen unterstützen kann.<br />

Eine schnelle Bewegungsdurchführung ist jedoch<br />

nicht mehr möglich. Eine derartige Muskeltransformation<br />

benötigt Zeit, weshalb es<br />

nicht verwunderlich ist, dass es nach einem<br />

831

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!