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2000-22 Schwerpunkt aktueller Forschung: die ...

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Schweiz Med Wochenschr <strong>2000</strong>;130: Nr <strong>22</strong><br />

Gehen mit dem Rückenmark<br />

Abbildung 2<br />

Schematische Darstellung<br />

der beim Gehen involvierten<br />

Mechanismen. Die Beinmuskeln<br />

werden durch neuronale<br />

Rückenmarkszentren<br />

aktiviert. Diese Aktivität<br />

wird durch Informationen<br />

der Rezeptoren von Muskeln,<br />

Gelenken und Haut<br />

moduliert und an <strong>die</strong> aktuellen<br />

Erfordernisse angepasst<br />

(Unebenheiten des Bodens).<br />

Sowohl der Eigenapparat<br />

des Rückenmarks wie auch<br />

<strong>die</strong> Reflexmechanismen stehen<br />

unter der Kontrolle von<br />

Hirnstamm und Grosshirn.<br />

Fortbildung<br />

schmerzhaften Symptome erreicht werden<br />

kann, ohne wesentliche unerwünschte Nebenwirkungen<br />

[13, 17].<br />

Nach den pathophysiologischen Grundlagen<br />

der Spastik ist <strong>die</strong> Physiotherapie bei mobilen<br />

wie immobilen Patienten <strong>die</strong> wichtigste Behandlungsform.<br />

Sowohl aktivierende wie auch<br />

passiv durchbewegende Behandlungsmassnahmen<br />

sind bei beiden Patientengruppen von entscheidender<br />

Bedeutung. Dadurch soll einerseits<br />

<strong>die</strong> noch mögliche Muskelaktivierung bei einem<br />

natürlichen Bewegungsablauf mobilisiert<br />

und trainiert werden; andererseits sollen früh<br />

einsetzende und später nur noch schwer behandelbare<br />

Kontrakturen vermieden werden.<br />

Das Rückenmark stellt nicht nur ein Leitungsorgan<br />

für Kommandosignale vom Gehirn zu<br />

den Extremitätenmuskeln dar. Vielmehr ist aus<br />

Untersuchungen, zuerst an der Katze, später<br />

auch am Menschen, bekannt, dass das Rückenmark<br />

einen neuronalen Eigenapparat besitzt,<br />

der auf äussere Reize hin eine komplexe Muskelaktivierung<br />

auslöst (Abb. 2). So kann zum<br />

Beispiel bei neugeborenen Säuglingen <strong>die</strong><br />

Berühung der Fusssohlen Schreitbewegungen<br />

der Beine auslösen. Im Vergleich zur rückenmarkverletzten<br />

Katze zeigen paraplegische Patienten<br />

üblicherweise jedoch keine lokomotionsähnliche<br />

Aktivität. Dies wurde auf eine<br />

grössere Dominanz der motorischen Zentren<br />

des Gehirns über das Rückenmark zurückge-<br />

Es scheint unerheblich zu sein, welche Formen<br />

der Physiotherapie bei den Patienten angewandt<br />

werden. Fragwürdig erscheinen dagegen<br />

spezifische Behandlungsansätze verschiedener<br />

«Schulen», da deren Behandlungsgrundlagen<br />

«auf neurophysiologischer Basis» auf<br />

heute nicht mehr haltbaren Analysen von Reflexmechanismen<br />

beruhen. Die <strong>die</strong>sen Behandlungsformen<br />

zugrundeliegenden Modelle stimmen<br />

nicht mit den aktuellen Kenntnissen der<br />

physiologischen Grundlagen von Bewegungsabläufen<br />

überein. Eine tatsächliche Überlegenheit<br />

einer <strong>die</strong>ser Methoden gegenüber anderen<br />

konnte zudem nie demonstriert werden.<br />

führt. Trotzdem konnten auch beim paraplegischen<br />

Menschen gewisse Formen einer vom<br />

Rückenmark koordinierten rhythmischen<br />

Aktivität unter bestimmten Bedingungen hervorgerufen<br />

werden. Unwillkürliche Schreitbewegungen<br />

wurden in den letzten Jahren mehrfach<br />

bei Patienten mit inkompletter Rückenmarksläsion<br />

beschrieben, d.h. bei Patienten,<br />

bei denen unterhalb der Läsion noch sensible<br />

und/oder motorische Restfunktionen erhalten<br />

sind. Ausserdem konnte gezeigt werden, dass<br />

bei komplett paraplegischen Patienten das<br />

Rückenmark unterhalb der Verletzungsstelle<br />

Informationen aus der Peripherie, wie <strong>die</strong> von<br />

Kraftrezeptoren, adäquat verarbeiten und in<br />

eine funktionell sinnvolle Muskelaktivierung<br />

umsetzen kann.<br />

Vor einigen Jahren wurde begonnen, <strong>die</strong> von<br />

motorischen Hirnzentren abgekoppelten für<br />

<strong>die</strong> Stand- und Gangregulation wesentlichen<br />

Rückenmarkszentren durch periphere Reize zu<br />

aktivieren, um eine Bewegungsverbesserung zu<br />

erreichen [18]. Gegenüber der direkten elektrischen<br />

Stimulation der gelähmten Muskeln hat<br />

<strong>die</strong>ser Behandlungsansatz den Vorteil einer<br />

natürlichen Form der Muskelaktivierung.<br />

Aus tierexperimentellen Untersuchungen ist<br />

bekannt, dass beim Säugetier eine Fortbewegung<br />

auf Rückenmarksebene möglich ist. Nach<br />

einer kompletten Rückenmarksläsion kann<br />

eine erwachsene Katze so trainiert werden,<br />

dass sie wieder ein Bewegungsmuster entwickelt,<br />

das in vielen Aspekten dem des intakten<br />

Tieres gleicht [18].<br />

Neuere Untersuchungen haben gezeigt, dass<br />

unter bestimmten Voraussetzungen auch bei<br />

Patienten mit inkompletter QuerschnittslähmungFortbewegungsmusteraufRückenmarks-<br />

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