die Entscheidung des Obersten Gerichtshofes im Jahr 1992, dass Abtreibung unter bestimmten Umständen erlaubt sei: Dann nämlich, wenn das Leben der Mutter in Gefahr ist – auch durch einen möglichen Selbstmord. Damals drohte eine 14jährige Frau, die durch eine Vergewaltigung schwanger geworden war, sich umzubringen, wenn sie das Kind austragen müsste. Zunächst sollte ihr durch eine einstweilige Verfügung die Ausreise nach Großbritannien, um dort die Schwangerschaft abzubrechen, verweigert werden. Doch der Oberste Gerichtshof hob die einstweilige Verfügung mit einer Mehrheit von drei zu zwei Stimmen auf. Mit dem „NEIN“ zum Regierungsvorschlag bleibt also das Höchstgerichtsurteil gültig, das eine physische Bedrohung des Lebens einer schwangeren Frau einer psychischen gleichstellt. Fortsetzung des Kampfes. Dennoch brachte der heurige 8. März Irlands Frauen eher ein erleichtertes Durchatmen vor Fortsetzung des Kampfes, denn triumphierendes Feiern. Abtreibung ist und bleibt in Irland verboten. Seit 1861 gilt Abtreibung als Kapitalverbrechen. Nach einer Volksabstimmung 1983, in der sich eine Mehrheit gegen die Legalisierung der Abtreibung aussprach, ist der Schutz des ungeborenen Lebens in der Verfassung festgeschrieben:„The state acknowledges the right to life of the unborn and, with due regard to the equal right to life of the mother, guarantees in its laws to respect, and, as far as practicable, by its laws to defend and vindicate that right.“ Opfer von Inzest und Vergewaltigung müssen ebenso nach Großbritannien reisen wie all die anderen Frauen, die aus den unterschiedlichsten Gründen eine Schwangerschaft abbrechen wollen. Premierminister Ahern stimmte in den Chor der Pro-Life AktivistInnen ein, die angesichts des knappen Ergebnisses (50,42 % „Nein“ zu 48,58 % „Ja“) die Botschaft der Bevölkerung ganz anders lesen möchten als Frauenorganisationen und die linken Parteien: Schließlich hatte ein radikaler Flügel der AbtreibungsgegnerInnen den Regierungsvorschlag ebenfalls abgelehnt: Weil Abtreibung hier definiert ist als „gezielte Zerstörung ungeborenen menschlichen Lebens nach Einnistung in die Gebärmutter“. Darin sahen die Pro-Life-<strong>An</strong>hängerInnen die Gefahr einer Legalisierung der „Pille danach“ sowie offene Türen für Embryonenforschung. Unter Berücksichtigung dieser Stimmen, so die AbtreibungsgegnerInnen, hätte sich eine Mehrheit der IrInnen im Referendum gegen jegliche Liberalisierung in der Abtreibungsfrage ausgesprochen. Die Oppositionsparteien Fine Gael, Labour und Grüne hatten bereits vor dem Referendum einen Gesetzesvorschlag für nach den Wahlen im Mai angekündigt, der, dem Urteil im „X Case“ folgend, Abtreibung im Fall von Suizidgefahr legalisiert hätte. Während Fine Gael sich auf den Suizidfall beschränken will, hat Labour-Führer Ruairi Quinn angekündigt, am nächsten DelegiertInnenkongress Vor<strong>schläge</strong> zur Diskussion zu stellen, die Abtreibungen auch im Fall von Inzest und Vergewaltigung ermöglichen könnten. Effektive Verhütung notwendig. Die Irish Family Planning Association und Frauenorganisationen wie „The Well Woman“ fordern nun eine rasche Gesetzgebung. Alison Begas, chief executive von „Well Woman“ pocht darauf: „Wir wollen, dass die Gesetzgebung die Regelung aus dem „X Case“ umsetzt. Und wir glauben auch, dass eine Frau mit einem nicht lebensfähigen Fötus Zugang zu Abtreibung haben sollte. Wir sind in Irland noch nicht so weit, eine liberale Regelung zu fordern. Viel lieber würden wir effektive präventive Maßnahmen umgesetzt sehen, also hinsichtlich Bildung und Selbstwertgefühl. Frauen sollen Zugang zu Verhütungsmethoden haben, sie sollen wissen, was gut für sie ist. Wir machen die Erfahrung, dass eine sehr große Unwissenheit herrscht, was Möglichkeiten der Verhütung betrifft, aber auch Grundwissen über Biologie und Fruchtbarkeit.“ Eine Studie der „Well Woman“, bei der 850 Frauen befragt wurden, die an einer britischen Klinik eine Schwangerschaft abgebrochen hatten, ergab, dass 45 % der Frauen zum Zeitpunkt der Empfängnis keinerlei Verhütungsmethoden angewandt hatten. 45 % gaben an, Kondome verwendet zu haben. „Wenn dies der Fall ist, haben sie sie nicht effektiv verwendet. Eine substantielle Änderung der Haltung gegenüber Verhütung ist notwendig“, ist Begas überzeugt. Ein Punkt an die Frauen. Nach wie vor ist in der irischen Verfassung festgeschrieben, dass die „wertvolle Rolle“ der Frau jene daheim bei den Kindern ist. Außerdem ist festgehalten, dass „ökonomische Notwendigkeiten niemals dazu führen sollen, dass die Frau diese Pflicht vernachlässigt“. Die irischen Frauen sind allerdings vorerst nicht nur mit gesetzlichen Hindernissen konfrontiert: Das Referendum selbst war ein politischer Kuhhandel, ein Tribut der Mitte-Rechts-Partei des Premierministers und der Progressive Democrats an jene vier unabhängigen Konservativen, die die konservative Koalition ermöglichen und auch nach den Wahlen im Mai unterstützen sollen. Die Diskussion rund um das Referendum selbst bot jede Menge Zynismus. So vertrat etwa der Familienminister Dermot Ahern die Meinung, das Austragen eines Babys sei doch möglicherweise für eine depressive Frau die bessere Therapie als eine Abtreibung. Am Vorabend des Referendums wurde der Täter des „X Case“ nach einer weiteren Vergewaltigung zu 3,5 Jahren Haft verurteilt. Seine ursprüngliche Haftstrafe (14 Jahre) war nach Berufung auf 4 Jahre reduziert worden. 1997 war er durch Schlamperei der Behörden entgegen den geltenden Bestimmungen zu einer Taxi-Lizenz gekommen. 1999 vergewaltigte er ein 15jähriges Mädchen in seinem Taxi. Feststimmung kommt also ganz und gar nicht auf. Jedoch sind die Irinnen auf ihrem Weg bestärkt. Langsam aber sicher ändert sich die Einstellung gegenüber der Sexualität und der Rolle der Frau in der Gesellschaft. Früher oder später wird die Legalisierung der Abtreibung den Weg in die irischen Gesetzbücher finden. Auch der juristische Kampf um die „Pille danach“, der wohl demnächst in Irland ausbrechen wird, wird nur ein weiterer Punkt in einem Game sein, das schlussendlich an die irischen Frauen gehen wird. ❚ irlandinternationalpolitik The Well Woman: Frauengesundheits-NGO, gegründet 1978: Gesundheitsservice mit mehreren Kliniken in Dublin. Information über Verhütung, Abtreibung Menopause, etc., Vor- und Nachsorge bei Abtreibung in UK, medizinische Versorgung; Kurse und Bildungsprogramme mit dem Ziel, auch das soziale Wohlbefinden der Frauen zu fördern. Hat unter anderem das Recht auf Information über Abtreibung gerichtlich durchgesetzt. http://www.wellwomancentre.ie Informationen der Referendums Kommission, z.B. Text des Referendums: http://www.refcom.ie Geschichte der Diskussion rund um den Schwangerschaftsabbruch http://www.ireland.com/focus/abor tion/issues/chronology.htm april <strong>2002</strong>an.<strong>schläge</strong> 15
Fo t o : M a g d a l e n a B l a s zc z u k themaälterefrauen 16 an.<strong>schläge</strong>april <strong>2002</strong> Raum zum Altern Ältere Frauen sind eine große Bevölkerungsgruppe in Österreich und hätten viel zu geben. Doch anstatt ihr Potential zu fördern, werden sie in vieler Hinsicht benachteiligt. Die aktuelle Pensionsdebatte geht an der Realität vorbei. Von Gabi Horak