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Gruppenarbeit mit "frühgewordenen Eltern" - Auf der Bult

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<strong>Gruppenarbeit</strong> <strong>mit</strong> "<strong>frühgewordenen</strong> Eltern"<br />

Auswirkungen einer Gruppenteilnahme auf die psychische Befindlichkeit<br />

<strong>der</strong> Mutter, ihre Einstellung zum Kind sowie auf nachfolgende<br />

Schwangerschaften<br />

ACHIM P. NEUBAUER, MICHAEL WACHTEN DORF<br />

Zusammenfassung: Seit 1985 wird den Eltern sehr unreifer Frühgeborener am Kin<strong>der</strong>krankenhaus<br />

auf <strong>der</strong> <strong>Bult</strong>, Hannover, die Teilnahme an einer professionell geleiteten Elterngruppe angeboten. Die<br />

Gruppenteilnahme <strong>der</strong> Eltern beginnt wenige Tage nach <strong>der</strong> Geburt ihres Frühgeborenen und endet<br />

nach durchschnittlich drei Jahren. In einer Fragebogen-gestützten Untersuchung wurde geprüft, weIchen<br />

Einfluss eine Gruppenteilnahme auf die psychische Befindlichkeit <strong>der</strong> Mutter, auf ihre Einstellung<br />

zum Kind sowie auf nachfolgende Schwangerschaften hat. Die Mehrzahl <strong>der</strong> Mütter bestätigte,<br />

dass ihnen die Gruppe bei <strong>der</strong> seelischen Verarbeitung <strong>der</strong> Frühgeburt geholfen hätte. Von Müttern<br />

<strong>mit</strong> Gruppenteilnahme wurden Therapieangebote für ihre Kin<strong>der</strong> intensiver wahrgenommen.<br />

Von diesen war eine größere Zahl erneut schwanger geworden und bei ihnen verliefen nachfolgende<br />

Schwangerschaften häufiger ohne Komplikationen.<br />

Schlüsselwörter: Frühgeborene, Eltern, Elterngruppen<br />

Group Work with "Premature Parents". Impact of Group Attendance on the Psychical<br />

Condition of Mothers, their Attitude towards their Child and Following Pregnancies<br />

Summary: 5ince 1985, parents of very premature infants are offered to participate in a professional-<br />

Iy guided parent group at the Children's Hospital auf <strong>der</strong> <strong>Bult</strong>, Hannover. Theirparticipation begins<br />

a few days after the birth of their premature infant and usually ends after about three years. An<br />

evaluation assessed the influence of the attendance at the group sessions on the mother's psychical<br />

condition, her attitude toward$ the infant and towards possibly following pregnancies. The majority<br />

of mothers confirmed on their questionnaire that the group was helpful in the process of mentally<br />

coping with apremature delivery. Mothers attending the group more readily accepted child therapy<br />

otters. A larger number of these mothers became expectant again and the following pregnancies<br />

proceeded more frequently without complications.<br />

Keywords: Prematurity, parents, parent groups<br />

Einleitung<br />

Mit den heute zur Verfligung stehenden medizinisch-technischen<br />

Mitteln überleben auch<br />

kleinste Frühgeborene <strong>mit</strong> Geburtsgewichten<br />

weit unter 1000 g.1hr Entwicklungsrisiko ist<br />

nicht nur durch die Unreife und Komplikationen<br />

in <strong>der</strong> Neonatalphase, son<strong>der</strong>n entscheidend<br />

auch durch psychosoziale Faktoren<br />

bestimmt, <strong>der</strong>en Einfluss jenseits des 2. Lebensjahres<br />

an Bedeutung zunimmt (Ohrt 1999).<br />

Nach <strong>der</strong> Geburt eines sehr kleinen Frühgeborenen<br />

reagieren die betroffenen Mütter häufig<br />

<strong>mit</strong> einer schweren emotionalen Krise (Pe<strong>der</strong>son<br />

et al. 1987, Trause und Kramer 1983), die<br />

Frühför<strong>der</strong>ung interdisziplinär. 22. Jg.. S. 12 - 19 (2003)<br />

~ Ernst Reinhardt Verlag München Basel<br />

den <strong>Auf</strong>bau einer stabilen Mutter-Kind-Beziehung<br />

nachhaltig beeinträchtigt (Jeffcoate et<br />

al. 1979). Obwohl inzwischen ein großes Wissen<br />

über die psychologischen Vorgänge<br />

während und nach <strong>der</strong> Frühgeburt vorliegt,<br />

existiert bisher kein einheitliches, allgemein<br />

anerkanntes Modell einer psychosozialen Betreuung<br />

von Eltern frühgeborener Kin<strong>der</strong>.<br />

Eine zunehmende Bedeutung hat die Betreuung<br />

von Eltern in sog. "Support-groups"<br />

erlangt, die bereits in den 80er Jahren an den<br />

großen neonatologischen Zentren <strong>der</strong> USA<br />

und Kanadas entstanden sind (Boukydis 1982,<br />

Fontanaetal. 1988, Macnabetal. 1985, Nance<br />

1986). Zunehmend wird auch über Elterngrup-


pen in Deutschland berichtet (Hofmann et al.<br />

1991, Kluitmann 1991, Wolf-von Lüpke 1992,<br />

Von<strong>der</strong>lin 1999), die zum größeren Teil nach<br />

dem Selbsthilfemodellorganisiert sind. Übereinstimmend<br />

wird von den Autoren angenommen,<br />

dass sich die Teilnahme an einer Elterngruppe<br />

positiv auf die Bewältigung <strong>der</strong> emotionalen<br />

Krisensituation auswirkt und eine<br />

gute Beziehung zum Kind för<strong>der</strong>t.<br />

Da diese psychologischen Effekte bislang<br />

allerdings kaum in kontrollierten Studien<br />

überprüft worden sind, ist über den tatsächlichen<br />

Nutzen o<strong>der</strong> eventuelle Gefahren, die aus<br />

einer Gruppenteilnahme resultieren, gegenwärtig<br />

wenig bekannt. In einer kontrollierten<br />

Studie zu diesem Thema kamen Minde et al.<br />

zu dem Ergebnis, dass Gruppenteilnehmer zufriedener<br />

<strong>mit</strong> <strong>der</strong> Betreuung ihres Kindes in<br />

<strong>der</strong> Klinik waren, ihre Kin<strong>der</strong> häufiger besuchten<br />

und sich aktiver als die Kontrollgruppe<br />

verhielten. In einer randomisierten<br />

Längsschnittstudie konnten Brisch et al. (1999)<br />

nachweisen, dass die psychotherapeutische<br />

Einzel- und Gruppenbetreuung <strong>der</strong> Eltern<br />

positive Effekte auf den <strong>Auf</strong>bau <strong>der</strong> Eltern-<br />

Kind-Interaktion hat. Die emotionale Krise<br />

<strong>der</strong> Eltern wird durch die psychotherapeutische<br />

Begleitung besser bewältigt.<br />

Tabelle I: Darstellung des Gruppenkonzeptes<br />

Gruppenstruktur während <strong>der</strong> "klinischen Phase"<br />

<strong>Gruppenarbeit</strong> <strong>mit</strong> "<strong>frühgewordenen</strong> Eltern'<br />

Gruppenkonzept - klinische Phase<br />

Seit 1985 wird am Kin<strong>der</strong>krankenhaus auf <strong>der</strong><br />

<strong>Bult</strong>, Hannover, den Eltern sehr unreifer Frühgeborener<br />

die Teilnahme an einer geleiteten<br />

Elterngruppe angeboten. Die anfangs gewählte<br />

Gruppenstruktur wurde im Wesentlichen<br />

beibehalten (Tabelle 1). Als Gruppenleiter<br />

nehmen ein Arzt <strong>der</strong> Intensivstation sowie<br />

je eine Kin<strong>der</strong>krankenschwester einer <strong>der</strong><br />

drei Neugeborenenstationen des Kin<strong>der</strong>krankenhauses<br />

teil. Die Einladung zur Teilnahme<br />

erfolgt im persönlichen Gespräch <strong>mit</strong> einem<br />

<strong>der</strong> Gruppenleiter bereits wenige Tage nach<br />

<strong>der</strong> Geburt. Kriterium für die <strong>Auf</strong>nahme in die<br />

Gruppe ist vor allem die Unreife des Kindes:<br />

es werden nur Eltern o<strong>der</strong> allein erziehende<br />

Mütter von Frühgeborenen unreifer als 32 SSW<br />

aufgenommen. Die Sitzungen finden einmal<br />

wöchentlich in einem Gruppenraum <strong>der</strong> Klinik<br />

statt und dauern 90 Minuten.<br />

Die Teilnehmerzahl ist auf maximal 7 Elternpaare<br />

beschränkt. Frei werdende Plätze<br />

können durch neue Eltern eingenommen werden,<br />

wodurch sich eine halb offene Gruppenstruktur<br />

ergibt. Die Anzahl potenzieller Teilnehmer<br />

war stets größer als die Anzahl<br />

verfügbarer Gruppenplätze. Eine dann not-<br />

Leitung: Arzt <strong>der</strong> neonatologischen Intensivstation, Kin<strong>der</strong>krankenschwestern <strong>der</strong> Neugeborenenstationen<br />

(max. 3)<br />

Teilnehmer: Eltern/alleinerziehende Mütter von Frühgeborenen< 32 SSW, maximal 7 Elternpaare<br />

Setting: Gruppenabende einmal wöchentlich, Dauer ca. 90 min<br />

Inhalte: medizinische Information, emotionale Auseinan<strong>der</strong>setzung <strong>mit</strong> <strong>der</strong> "Frühgeburt",<br />

Interaktionen <strong>mit</strong> dem Klinikpersonal, Verlegung von <strong>der</strong> Intensiv- auf die Frühgeborenenstation,<br />

Vorbereitung auf die Klinikentlassung, Informations-Abend im SPZ<br />

Gruppenstruktur während <strong>der</strong> "nachklinischen Phase"<br />

Leitung: 2 Mitarbeiter des SPZ: Kin<strong>der</strong>arzt <strong>mit</strong> psychotherapeutischer Ausbildung, Diplompsychologe<br />

o<strong>der</strong> Diplom-Pädagoge<br />

Setting: im I. Jahr 10-12 Sitzungen, danach bis Gruppenende 2-5 Sitzungen pro Jahr. Halbjährlich<br />

Eltern- Kind-Nach<strong>mit</strong>tage<br />

Inhalte: erste Erfahrungen zu Hause, Rolle <strong>der</strong> Väter, Verän<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Paarbeziehung, Reaktion<br />

von Freunden, Verwandten und Bekannten auf das frühgeborene Kind, Auseinan<strong>der</strong>setzung<br />

<strong>mit</strong> dem Gedanken an ein weiteres Kind, Ängste über die zukünftige Entwicklung<br />

des Frühgeborenen


14 Achim P. Neubauer, Michael Wachtendorf F11/2003<br />

wendige Auswahl erfolgte während des Untersuchungszeitraumes<br />

nach einem "Zufallsprinzip",<br />

An<strong>der</strong>e Eltern konnten selbst dann<br />

nicht an <strong>der</strong> Gruppe teilnehmen, wenn sie dies<br />

ausdrücklich wünschten. Da<strong>mit</strong> soll verhin<strong>der</strong>t<br />

werden, dass sich in <strong>der</strong> Gruppe die<br />

beson<strong>der</strong>s engagierten Eltern versammeln,<br />

während die eher ängstlichen und zurückgezogenen<br />

ihr fernbleiben.<br />

Die inhaltliche Gestaltung <strong>der</strong> Gruppensitzungen<br />

wird den Teilnehmern überlassen,<br />

Dennoch sind die Themen in allen Gruppen<br />

ähnlich. Zu Beginnje<strong>der</strong> Sitzung berichten die<br />

Eltern über die Entwicklung ihres Kindes sowie<br />

über evtl. eingetretene Komplikationen in<br />

<strong>der</strong> zurückliegenden Woche. Unsere anfänglichen<br />

Befürchtungen, an<strong>der</strong>e Eltern würden<br />

dadurch verängstigt und verunsichert, bestätigten<br />

sich nicht, Im Gegenteil: die Teilnehmer<br />

werden dadurch eher ermutigt, eigene<br />

Ängste und Phantasien anzusprechen.<br />

Ein großer Teil <strong>der</strong> zur Verfügung stehenden<br />

Zeit wird genutzt, um dem großen Informationsbedürfnis<br />

<strong>der</strong> Eltern gerecht zu werden.<br />

Arzt und Schwestern können Fragen in <strong>der</strong><br />

Gruppe ausführlich, verständlich und bei Bedarf<br />

auch mehrmals beantworten und medizinische<br />

Befunde in ihrer Bedeutung erläutern.<br />

Einen breiten Raum nimmt die emotionale<br />

Auseinan<strong>der</strong>setzung <strong>mit</strong> <strong>der</strong> Frühgeburt ein.<br />

Neue Teilnehmer berichten über Schwangerschaftsverlauf,<br />

Geburt und die sich anschließende<br />

Trennungszeit und sie sprechen dabei<br />

über ihre Ängste, Schuldgefühle und Enttäu-<br />

schungen.<br />

In <strong>der</strong> Gruppe werden die Eltern auf die<br />

Verlegung von <strong>der</strong> Intensiv- auf die normale<br />

Neugeborenenstation und schließlich auf die<br />

Entlassung nach Hause vorbereitet. Zur Vorbereitung<br />

auf die Klinikentlassung gehört jeweils<br />

auch ein Besuch des Sozialpädiatrischen<br />

Zentrums, das dem Kin<strong>der</strong>krankenhaus auf<br />

<strong>der</strong> <strong>Bult</strong> unter gleicher Trägerschaft angeglie<strong>der</strong>t<br />

ist. Bei diesem Besuch bietet sich die<br />

Gelegenheit, über die später notwendigen Entwicklungskontrollen<br />

zu informieren und auch<br />

Behandlungsmöglichkeiten aufzuzeigen.<br />

Gruppenkonzept - nachklinische Phase<br />

Noch während sich die Kin<strong>der</strong> in <strong>der</strong> Klinik<br />

befinden, wird den Eltern angeboten, nach <strong>der</strong><br />

Klinikentlassung an einer weiterführenden<br />

Frühgeborenen-Elterngruppe im Sozialpädiatrischen<br />

Zentrum (SPZ) teilzunehmen, wofür<br />

sich nach unseren Erfahrungen weitaus die<br />

meisten Eltern entscheiden. Die Elterngruppe<br />

im SPZ beginnt ca. 2 - 3 Monate nach <strong>der</strong><br />

Klinikentlassung <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong>. Die Teilnehmer<br />

rekrutieren sich aus den schon bestehenden EIterngruppen<br />

<strong>der</strong> Frühgeborenen- Intensivstation.<br />

Die Gruppen werden im SPZ von jeweils<br />

zwei Diplom-Psychologen, Diplom-Pädagogen<br />

o<strong>der</strong> Kin<strong>der</strong>ärzten <strong>mit</strong> zusätzlicher Psychotherapieausbildung<br />

betreut. Die Gruppensitzungen<br />

finden im ersten Jahr <strong>der</strong> Betreuung<br />

einmal monatlich statt. Ab dem zweiten Jahr<br />

<strong>der</strong> Betreuung werden die zeitlichen Abstände<br />

<strong>der</strong> Gruppenkontakte vergrößert. Zusätzlich<br />

werden zweimal pro Jahr in je<strong>der</strong> Gruppe<br />

Kin<strong>der</strong>nach<strong>mit</strong>tage vereinbart, an denen<br />

alle frühgeborenen Kin<strong>der</strong>, <strong>der</strong>en Geschwister<br />

und alle Eltern <strong>der</strong> Gruppe teilnehmen.<br />

Typische Themen in <strong>der</strong> nachklinischen<br />

Gruppenphase:<br />

. Wie wurde die Zeit im Kin<strong>der</strong>krankenhaus<br />

erlebt?<br />

. Worauf ist bei <strong>der</strong> Entwicklung zu achten?<br />

. Gibt es bestimmte Verhaltensweisen beim<br />

Kind, z. B. Schlafstörungen, die durch den<br />

langen Krankenhausaufenthalt hervorgerufen<br />

werden?<br />

. Wie wird <strong>der</strong> Krankenhausaufenthalt vom<br />

Kind verkraftet werden, wie werden die<br />

Erlebnisse verarbeitet?<br />

. Wie ernähre ich mein Kind?<br />

. Wie werden Entwicklungsdefizite aufgeholt?<br />

. Welche Bedeutung haben Komplikationen<br />

wie z. B. eine Hirnblutung?<br />

. Wie haben Geschwister die Krankenhaus-<br />

zeit erlebt?<br />

. Wie haben die Väter die Krankenhauszeit<br />

erlebt?<br />

. Erleben <strong>der</strong> sozialen Umgebung <strong>der</strong> Eltern<br />

bzgl. <strong>der</strong> Frühgeburt.


F11/2003<br />

Partnerschaftsverän<strong>der</strong>ung durch die Früh-<br />

geburt.<br />

Auseinan<strong>der</strong>setzung <strong>mit</strong> dem Gedanken an<br />

ein weiteres Kind.<br />

Das vorgestellte Gruppenkonzept wurde von<br />

den Teilnehmern überwiegend positiv beurteilt<br />

(Neubauer 1987). Dennoch blieb<br />

die Frage offen, ob sich auch langfristig<br />

positive Effekte nachweisen lassen würden.<br />

In <strong>der</strong> vorliegenden Studie haben wir<br />

geprüft, welche Auswirkungen eine Gruppenteilnahme<br />

auf die psychische Befindlichkeit<br />

<strong>der</strong> Mutter, auf ihre Einstellung zum<br />

Kind sowie auf nachfolgende Schwangerschaften<br />

hat.<br />

Methode<br />

Da zur Erfassung <strong>der</strong> zu überprüfenden Faktoren<br />

kein geeignetes Untersuchungsinstrument<br />

verf"ugbar war, haben wir einen psychologischen<br />

Fragebogen entwickelt, in dem neben<br />

soziodemografischen Daten folgende<br />

Bereiche erfasst wurden:<br />

1. Erleben <strong>der</strong> Schwangerschaft und <strong>der</strong> Geburt<br />

(4 Items)<br />

2. Auswirkung <strong>der</strong> Frühgeburt auf die eigene<br />

Lebenssituation sowie auf die Beziehung<br />

zum Partner, zu Verwandten und<br />

Freunden ( 8 Items)<br />

3. Psychische Befindlichkeit <strong>der</strong> Mutter vor<br />

bzw. nach <strong>der</strong> Klinikentlassung des Kindes<br />

(7 Items)<br />

Tabelle 2<br />

angeschrieben<br />

Fragebogen zurückgeschickt<br />

Männlich/weiblich<br />

Alter des Kindes z. Zt. <strong>der</strong><br />

Fragebogenerhebung (Monate)<br />

Gestationsalter (Wochen)<br />

Alter des Vaters (Jahre)<br />

Alter <strong>der</strong> Mutter (Jahre)<br />

<strong>Gruppenarbeit</strong> <strong>mit</strong> "<strong>frühgewordenen</strong> Eltern" 15<br />

4. Auswirkung <strong>der</strong> Frühgeburt auf die Entwicklung<br />

des Kindes einschließlich <strong>der</strong><br />

sich daraus ergebenden Behandlungen und<br />

Therapien (10 Items)<br />

Darüber hinaus wurden die Mütter um eine<br />

Beurteilung <strong>der</strong> Hilfsangebote <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong>klinik<br />

(4 Items) sowie um Angaben über den Verlauf<br />

nachfolgen<strong>der</strong> Schwangerschaften gebeten<br />

(3 Items). Für jedes Item waren 6 Antwortmöglichkeiten<br />

vorgegeben (trifft sehr zu<br />

- trifft zu - trifft etwas zu - trifft eher nicht<br />

zu - trifft nicht zu - trifft gar nicht zu), von<br />

denen eine anzukreuzen war.<br />

100 Müttern, von denen 50 an einer Elterngruppe<br />

teilgenommen hatten, wurde ein Fragebogen<br />

zugeschickt. Alle Frühgeborenen hatten<br />

bei Geburt ein Gestationsalter von weniger als<br />

32 Schwangerschafts wochen gehabt und auf<br />

<strong>der</strong> Neugeborenen-Intensivstation des Kin<strong>der</strong>krankenhauses<br />

auf <strong>der</strong> <strong>Bult</strong>, Hannover, gelegen.<br />

Mütter von Mehrlingen sowie von verstorbenen<br />

Frühgeborenen blieben unberücksichtigt.<br />

Die Überprüfung <strong>der</strong> gewonnenen Daten<br />

auf Signifikanz erfolgte <strong>mit</strong> dem X2- Vierfel<strong>der</strong>test<br />

sowie dem Mann- Whitney-U- Test für<br />

den Vergleich zweier unverbundener Stichproben.<br />

Die statistische Datenanalyse führten<br />

wir <strong>mit</strong> dem Programmsystem "SPSS" durch.<br />

Ergebnisse<br />

Gruppen-Teilnehmer<br />

n Median Range<br />

50<br />

41 (82%)<br />

16/25<br />

57<br />

29<br />

32<br />

29<br />

Von den 100 versandten Fragebögen erhielten<br />

wir 81 ausgefüllt zurück. Der Rücklauf war<br />

in beiden Gruppen nahezu gleich (82 % vs.<br />

16-82<br />

26-32<br />

21-50<br />

18-41<br />

Nicht-Teilnehmer<br />

n Median<br />

50<br />

40 (80%)<br />

16/24<br />

51<br />

30<br />

31<br />

28<br />

Range<br />

15 - 78<br />

25-32<br />

18-58<br />

20-40


Achim P. Neubauer, Michael Wachtendorf<br />

80%). Zwischen den Gruppen fanden sich<br />

keine signifikanten Unterschiede bezüglich<br />

des Familienstandes, <strong>der</strong> Schulbildung, <strong>der</strong><br />

Wohnsituation sowie <strong>der</strong> Zahl vorausgegangener<br />

Schwangerschaften. Weitere Daten sind<br />

in Tabelle 2 zusammengefasst.<br />

Die Beurteilung <strong>der</strong> Index-Schwangerschaft<br />

ergab keine signifikanten Unterschiede<br />

zwischen Teilnehmerinnen und Kontroll-<br />

Müttern. 80 % aller Schwangerschaften waren<br />

geplant, 86 % <strong>der</strong> Mütter seien von <strong>der</strong><br />

Frühgeburt überrascht worden und immerhin<br />

25 % <strong>der</strong> Mütter meinten, ihre behandelnden<br />

Ärzte hätten die Frühgeburt verhin<strong>der</strong>n können.<br />

<strong>Auf</strong> die Frage, ob sich durch die Frühgeburt<br />

die Beziehung zum Partner wesentlich<br />

verän<strong>der</strong>t habe, antworteten 35 % bzw. 38 %<br />

<strong>der</strong> Mütter <strong>mit</strong> ,ja". Signifikant häufiger (57 %<br />

vs. 38 %) meinten die Gruppenteilnehmerinnen,<br />

dass ihr Leben ohne die Frühgeburt an-<br />

F11/2003<br />

<strong>der</strong>s verlaufen wäre. Weitere Ergebnisse sind<br />

in Tabelle 3 aufgeführt.<br />

Zwischen Teilnehmerinnen und Kontrollmüttern<br />

fanden wir keinen Unterschied bezüglich<br />

<strong>der</strong> Möglichkeit, das Kind nach <strong>der</strong><br />

Entlassung zu Hause zu stillen. Hingegen fand<br />

sich eine signifikante Abhängigkeit von <strong>der</strong><br />

Schulbildung <strong>der</strong> Mutter: während immerhin<br />

45 % <strong>der</strong> Frauen <strong>mit</strong> Abitur ihr Kind stillen<br />

konnten, gelang dies nur 22 % <strong>der</strong> Frauen <strong>mit</strong><br />

Haupt- o<strong>der</strong> Realschulabschluss.<br />

Bei 30 % aller Kin<strong>der</strong> lägen nach Ansicht<br />

ihrer Mutter "Erkrankungen o<strong>der</strong> Störungen<br />

vor, die <strong>mit</strong> <strong>der</strong> Frühgeburt in Zusammenhang<br />

stehen". Ein signifikanter Unterschied zwischen<br />

Gruppen- und Kontrollmüttern bestand<br />

nicht, dennoch hatten die Kin<strong>der</strong> <strong>der</strong> Mütter<br />

<strong>mit</strong> Gruppenteilnahme ein breiteres Therapieangebot<br />

in Anspruch genommen (Abbildung<br />

I). Bei <strong>der</strong> Psychomotorik ist <strong>der</strong> Unterschied<br />

statistisch signifikant (p < 0,0 I).<br />

Tabelle 3: Es ist jeweils <strong>der</strong> Median aller ausgewerteten Antworten angegeben.<br />

(Antwortmöglichkeiten: I = "trifft sehr zu" ... 6 = "trifft gar nicht zu"; * nicht signifikan1<br />

Teilnehmer Kontrolle<br />

Nach <strong>der</strong> Entlassung bin ich <strong>mit</strong> <strong>der</strong> Versorgung meines<br />

Kindes gut zurechtgekommen<br />

2<br />

2 n.s.*<br />

Das Baby verhielt sich so, wie ich es erwartet hatte<br />

4<br />

3 n.s.*<br />

Freunde und Verwandte haben mir sehr geholfen<br />

Ich habe jedem stets erzählt, dass mein Kind zu früh<br />

3<br />

2 n.s.*<br />

geboren wurde<br />

2<br />

2 n.s.*<br />

Ich war stets stolz auf mein Kind<br />

Im Umgang <strong>mit</strong> meinem Kind fühlte ich mich manchmal<br />

1<br />

1 n.s.*<br />

hilflos<br />

Ich denke manchmal, es war meine Schuld, dass mein Kind<br />

3 s p=O,O5<br />

so früh geboren wurde<br />

Manchmal hatte ich große Wut auf mein Kind<br />

3<br />

4<br />

6<br />

5<br />

p=O,O2<br />

n.s.*<br />

Ohne die Frühgeburt wäre mein Leben ganz an<strong>der</strong>s verlaufen<br />

Oft konnte ich schlecht schlafen<br />

3<br />

3<br />

5<br />

3<br />

p=O,O4<br />

n.s.*<br />

Ich habe Kontakt zu Müttern an<strong>der</strong>er Frühgeborener<br />

Für mich ist mein Kind kein "Frühchen" mehr,<br />

3<br />

5 p=O,OO2<br />

son<strong>der</strong>n ein ganz normales Kind<br />

Für mein Kind ist es ein großer Nachteil,<br />

2 p = 0,0002<br />

zu früh geboren zu sein<br />

Der Gedanke an eine weitere Schwangerschaft<br />

4 5 n.s.*<br />

hat mich geängstigt 2 3 p=O.O6


F11/2003 <strong>Gruppenarbeit</strong> <strong>mit</strong> "<strong>frühgewordenen</strong> Eltern" 17<br />

1l 20 8 4 1 0 3<br />

KIanken- Ergo- Psycho- sonstige<br />

gymnastik therapie motorik Therapie<br />

Teilnehmer. Nicht-Teilnehmer<br />

Abbildung 1: Inanspruchnahme von Therapien im<br />

Vergleich<br />

64 % <strong>der</strong> ledigen o<strong>der</strong> geschiedenen Mütter<br />

"fühlten sich im Umgang <strong>mit</strong> ihrem Kind<br />

manchmal hilflos", während nur 39 % <strong>der</strong> in fester<br />

Partnerschaft lebenden Frauen <strong>mit</strong> ,ja" antworteten<br />

(p = 0,01). "Manchmal hatte ich große<br />

Wut auf mein Kind" gaben 45 % <strong>der</strong> allein erziehenden<br />

Mütter an, <strong>der</strong> Unterschied zu den<br />

Angaben <strong>der</strong> in Partnerschaft lebenden Frauen<br />

(21 %) ist ebenfalls signifikant (p = 0,03).<br />

32 % aller Mütter waren nach <strong>der</strong> Frühgeburt<br />

wie<strong>der</strong> schwanger geworden. Der Anteil<br />

<strong>der</strong> Frauen <strong>mit</strong> erneuter Schwangerschaft war<br />

bei den Gruppenteilnehmerinnen größer<br />

(39 %) als bei den Kontroll-Müttern (25 %),<br />

und ein größerer Anteil <strong>der</strong> Schwangerschaften<br />

war ohne Komplikationen verlaufen: 61 %<br />

bei den Teilnehmerinnen gegenüber 42 % bei<br />

den Kontroll-Müttern. Betrachtet man nur die<br />

Mütter <strong>mit</strong> regelmäßiger Gruppenteilnahme,<br />

so wird <strong>der</strong> Unterschied zu den nur sporadisch<br />

o<strong>der</strong> gar nicht an <strong>der</strong> Elterngruppe teilnehmenden<br />

Frauen noch deutlicher.<br />

Das Gruppenkonzept wurde von den Teilnehmerinnen<br />

durchweg positiv beurteilt (Tabelle<br />

4). Von den Müttern <strong>der</strong> Kontrollgruppe<br />

gaben 69 % an, sie hätten an einer fachlich<br />

geleiteten Gruppe teilgenommen, wenn es<br />

ihnen angeboten worden wäre.<br />

Diskussion<br />

Der überwiegende Teil aller Mütter äußerte<br />

sich zufrieden über die medizinische und pflegerische<br />

Betreuung ihres Kindes und fühlte<br />

i.- ~<br />

sich über Erkrankungen und Therapien gut aufgeklärt<br />

und auf die Entlassung nach Hause gut<br />

vorbereitet. Im Gegensatz zu den Ergebnissen<br />

von Minde et al. (1980) ließ sich in diesem<br />

Punkt kein Unterschied zwischen Müttern <strong>mit</strong><br />

o<strong>der</strong> ohne Gruppenteilnahme nachweisen. Das<br />

dürfte daran liegen, dass die Betreuung <strong>der</strong> Eltern<br />

und ihre Einbeziehung in die Abläufe <strong>der</strong><br />

Frühgeborenen-Station einen allgemein hohen<br />

Standard erreicht hat. In einigen Punkten<br />

antworteten die Mütter <strong>mit</strong> Gruppenteilnahme<br />

sogar deutlich kritischer. Das kann daran liegen,<br />

dass die Gruppe dazu beigetragen hat, das<br />

Bewusstsein für die Problematik <strong>der</strong> Frühgeburtlichkeit<br />

stärker zu wecken als in <strong>der</strong> Kontrollgruppe,<br />

wodurch auch die Kritikfähigkeit<br />

<strong>der</strong> Mütter gestärkt wurde. Dieser Effekt wird<br />

noch dadurch verstärkt, dass die Mütter auf <strong>der</strong><br />

Station ähnliche Erfahrungen gemacht haben,<br />

sich darüber in <strong>der</strong> Gruppe austauschen konnten<br />

und für sich realisierten, <strong>mit</strong> ihren emotionalen<br />

Erfahrungen nicht alleine zu sein.<br />

Diese Solidarisierung <strong>mit</strong> starkem Selbsthilfecharakter<br />

eignete sich hervorragend als eine von<br />

vielen Diskussionsgrundlagen in <strong>der</strong> Gruppe.<br />

Im Gegensatz zu einer reinen Selbsthilfegruppe<br />

hat die professionell geleitete Gruppenbetreuung<br />

den Vorteil, dass z. B. auch tiefergehende<br />

psychische Probleme bei einzelnen<br />

Gruppenteilnehmern aufgefangen und bei<br />

Bedarf in einem Einzelgespräch angesprochen<br />

werden können. Durch die Professionalität<br />

im medizinischen, psychologischen und<br />

pflegerischen Bereich ist eine umfassende Be-<br />

treuungssituation gewährleistet.<br />

Bei den professionellen Gruppenleitern<br />

findet nach Möglichkeit kein personeller<br />

Wechsel statt, da<strong>mit</strong> das Vertrauen und die Sicherheit<br />

<strong>der</strong> Eltern in die Konstanz und die<br />

Kontinuität <strong>der</strong> Betreuung erhalten bleibt.<br />

Diesem Gruppenkonzept kommt im Verlauf<br />

<strong>der</strong> sich über mehrere Jahre erstreckenden<br />

Begleitung <strong>mit</strong> immer wie<strong>der</strong> neu auftretenden<br />

Fragestellungen <strong>der</strong> Eltern eine erhebliche<br />

Bedeutung zu.<br />

Durch die Bearbeitung <strong>der</strong> oft erlebten<br />

Hilflosigkeit, <strong>der</strong> zurückliegenden o<strong>der</strong> aktu-


18 Achim P. Neubauer, Michael Wachtendorf F11/2003<br />

Tabelle 4: Die Elterngruppe in <strong>der</strong> Beurteilung <strong>der</strong> Teilnehmer. Es ist jeweils <strong>der</strong> Median aller ausgewerteten<br />

Antworten angegeben. (Antwortmöglichkeiten: "trifft sehr zu" - "trifft zu" - "trifft etwas zu"<br />

- "trifft eher nicht zu" - "trifft nicht zu" - "trifft gar nicht zu")<br />

Es hat mir sehr geholfen, in <strong>der</strong> Gruppe <strong>mit</strong> gleichbetroffenen<br />

Eltern zusammen zu sein<br />

0 "trifft sehr zu"<br />

Die Elterngruppe hat mir bei <strong>der</strong> seelischen Verarbeitung <strong>der</strong><br />

Frühgeburt geholfen<br />

c:> "trifft zu "<br />

In <strong>der</strong> Gruppe fiel es mir leicht, über meine Sorgen und Ängste<br />

im Zusammenhang <strong>mit</strong> meinem Kind zu sprechen<br />

Es war für mich wichtig, dass eine Kin<strong>der</strong>krankenschwester und<br />

r:> "trifft zu "<br />

ein Arzt an <strong>der</strong> Gruppe teilnahmen<br />

Ich hätte es bedauert, wenn ich nicht zur Gruppe eingeladen<br />

L) "trifft sehr zu"<br />

worden wäre<br />

Ich hatte/habe auch außerhalb <strong>der</strong> Gruppe Kontakt zu an<strong>der</strong>en<br />

I:> "trifft zu'<br />

"Gruppeneltern"<br />

Die Teilnahme an einer Gruppe sollte allen Eltern frühgeborener<br />

c:> "trifft eher nicht zu'<br />

Kin<strong>der</strong> ermöglicht werden r:> "trifft sehr zu«<br />

ellen Ängste und <strong>der</strong> unbewussten und bewussten<br />

Schuldgefühle konnten Mütter in den<br />

professionell geleiteten Gruppen ihre eigene<br />

emotionale Befindlichkeit offener und kritischer<br />

beurteilen als nicht betreute Mütter. Einer<br />

sich später auf nachfolgende Schwangerschaften<br />

evtl. negativ auswirkenden Verdrängung<br />

von emotionalen Konflikten konnte<br />

daher frühzeitig entgegengewirkt werden.<br />

Bei den nicht in <strong>der</strong> Gruppe betreuten Müttern<br />

ist die Gefahr <strong>der</strong> Verdrängung <strong>der</strong> erlebten<br />

emotionalen Konflikte in Bezug auf die<br />

Frühgeburt sehr groß. Dies offenbart sich in<br />

Antworten, die eher dem Wunsch <strong>der</strong> Mütter<br />

als <strong>der</strong> Realität entsprechen. Die Abwehr dieser<br />

Problematik kann von den Müttern zwar<br />

kurzfristig als subjektiv angenehmer erlebt<br />

werden, wird jedoch als emotionales Problem<br />

langfristig latent vorhanden sein.<br />

Bezüglich <strong>der</strong> Inanspruchnahme verschiedener<br />

Therapieverfahren für ihre Kin<strong>der</strong><br />

fanden wir Unterschiede zwischen Kin<strong>der</strong>n<br />

von gruppenbetreuten und nicht betreuten<br />

Müttern. Eine Ergotherapie wurde bei Kin<strong>der</strong>n<br />

von Gruppenmüttern doppelt so häufig durchgeführt<br />

wie in <strong>der</strong> Vergleichsgruppe. Eine<br />

psychomotorische Therapie wurde bei Kin<strong>der</strong>n<br />

aus <strong>der</strong> Vergleichsgruppe überhaupt nicht<br />

angewandt. Die häufigere Inanspruchnahme<br />

von Therapien durch die Gruppenmütter hat<br />

nach unserer Ansicht folgende Gründe: Gruppenmütter<br />

erhalten durch die betreute Elterngruppe<br />

mehr Informationen über die unterschiedlichen<br />

Therapieangebote und sind durch<br />

die Teilnahme an den Elterngruppen meist<br />

stärker sensibilisiert und motiviert, für ihr<br />

Kind eine Therapie in Anspruch zu nehmen.<br />

Dies bezieht sich auch auf die Erfahrungen<br />

über die möglichen Therapieformen, die die<br />

Eltern untereinan<strong>der</strong> austauschen.<br />

Schwellenängste, institutionelle Therapieangebote<br />

in Anspruch zu nehmen, existieren<br />

kaum, da die weiterführende Elterngruppe<br />

durch Mitarbeiter des Sozialpädiatrischen<br />

Zentrums geleitet wird, unter dessen<br />

Dach sämtliche Therapierichtungen angeboten<br />

werden.<br />

Die höhere Zahl <strong>der</strong> Schwangerschaften<br />

sowie die geringere Komplikationsrate bei<br />

Gruppenmüttern resultiert vermutlich aus <strong>der</strong><br />

tieferen emotionalen Auseinan<strong>der</strong>setzung und<br />

<strong>Auf</strong>arbeitung <strong>der</strong> Frühgeburt und <strong>der</strong> da<strong>mit</strong><br />

zusammenhängenden Fähigkeit, <strong>mit</strong> den entstehenden<br />

Ängsten in einer erneuten Schwangerschaft<br />

kompetenter und (selbst)bewusster<br />

umzugehen als bei nicht betreuten Müttern.<br />

Hierbei spielt die Unterstützung durch die EIterngruppe<br />

eine bedeutende Rolle. Ängste und


F11/2003 <strong>Gruppenarbeit</strong> <strong>mit</strong> "<strong>frühgewordenen</strong> Eltern' 19<br />

Schuldgefühle werden in <strong>der</strong> Gruppe <strong>mit</strong>geteilt<br />

und von den Teilnehmern diskutiert. Es<br />

findet ein Erfahrungsaustausch unter Betroffenen<br />

statt.<br />

Die erste erneute Schwangerschaft einer<br />

Mutter in einer Elterngruppe wird von allen<br />

Eltern <strong>mit</strong>getragen und als Gruppenschwangerschaft<br />

angesehen. Darüber hinaus werden<br />

an<strong>der</strong>e Mütter <strong>der</strong> Elterngruppe zu einer<br />

erneuten Schwangerschaft motiviert, so<br />

dass oftmals in kürzerer Zeit weitere Schwangerschaften<br />

in einer Elterngruppe zustande<br />

kommen.<br />

Während <strong>der</strong> erneuten Schwangerschaften<br />

findet zwischen den Eltern in <strong>der</strong> Gruppe ein<br />

reger Austausch bzgl. des Schwangerschaftsverlaufes<br />

statt. <strong>Auf</strong>tretende Ängste können<br />

in <strong>der</strong> Gruppe besprochen werden, wobei<br />

dem Austausch <strong>der</strong> Mütter untereinan<strong>der</strong> eine<br />

beson<strong>der</strong>e Bedeutung zukommt. Gerade bei<br />

Müttern, die relativ regelmäßig an den EIterngruppen<br />

teilnehmen, sind die Komplikationen<br />

während <strong>der</strong> erneuten Schwangerschaft<br />

weitaus geringer als bei nichtbetreuten Müttern.<br />

Dies lässt den Schluss zu, dass sich die<br />

betreute Elterngruppe auch positiv auf den<br />

Verlauf erneuter Schwangerschaften auswirkt.<br />

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Kin<strong>der</strong>krankenhaus auf <strong>der</strong> <strong>Bult</strong>,<br />

Neugeborenen-Abteilung<br />

Janusz-Korczak-Aliee 1 z<br />

D-30173 Hannover<br />

Michael Wachtendorf, Dipl. Psych.<br />

Sozialpädiatrisches Zentrum<br />

Janusz-Korczak-Allee 8<br />

D-~o17~Hannover

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