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Kunst als Handlungsfeld, Birte Kleine-Benne

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konstruiert wird und „gar dem Experiment <strong>als</strong> Eingriff in die Wirklichkeit zugewandt<br />

ist“ 41 .<br />

Auf der Grundlage dieser Differenz schlage ich, basierend auf den von mir<br />

beobachteten empirischen Indizien aktueller künstlerischer Produktionen, eine<br />

Variante der <strong>Kunst</strong>definition vor, die keine Statuierung, schon gar nicht eine<br />

ontologische Statuierung von <strong>Kunst</strong>, sondern vielmehr deren produktions-,<br />

rezeptions-, intentions- und wirkungsästhetische Dimensionen bezeichnet und die<br />

u.a. die Aspekte Operativität, Prozessualität, Dynamik, Un(ab)geschlossenheit, Inter-<br />

/Aktivität und Experimentalität vorweist. Diese Definition entspricht in idealer Weise<br />

den Praktiken zeitgenössischer <strong>Kunst</strong>, indem sie statt der bis dahin das Feld der<br />

<strong>Kunst</strong> begrenzenden Objekte Zeit und Struktur <strong>als</strong> Material nutzen und<br />

Existenzdispositive schaffen. Die ausgewählten Praktiken tragen auf der Grundlage<br />

einer deontologisierten Beobachtung eine Operation des Verschiebens vor, die einer<br />

systemischen, komplexen, raum-zeitlichen und operativen Betrachtung und<br />

Wahrnehmung von <strong>Kunst</strong> aufsetzt und darauf ausgerichtet ist, Verfestigungen und<br />

Setzungen beweglich zu machen, bestehende Verhältnisse überraschend zu stören,<br />

dabei Variationen oder Ableitungen zu formen. Insofern dienen die ausgewählten<br />

Beispiele künstlerischer Praxis weniger der punktuellen Untersuchung eines Status<br />

quo <strong>als</strong> vielmehr einer Dynamik, die in der <strong>Kunst</strong> eine Transformationsfunktion und<br />

eine katalytische Kraft vorfindet und beispielhaft deren (kommunikationstheoretisch<br />

betrachteten) Erschließungsdiskurs vorträgt. Dessen Aufgabe besteht im Gegensatz<br />

zum Argumentations- und zum Grenzdiskurs darin, den von gewissen Regeln<br />

eingegrenzten kommunikativen Raum, dessen Kontext und dessen Situationsdefinition<br />

zu durchbrechen und eine Transformation von Kriterien vorzunehmen<br />

(Krieger). Nicolas Bourriaud 42 nimmt (in seiner Analyse des Werks Félix Guattaris)<br />

zum funktionalen Sachverhalt eine signifikante Metaphorisierung vor: Das<br />

ästhetische Paradigma sei <strong>als</strong> Kritik des szientistischen Paradigmas dazu berufen,<br />

„alle Register des Diskurses zu verseuchen, in alle Wissensfelder das Gift der<br />

schöpferischen Ungewissheit und der deliranten Erfindung einzuimpfen.“ 43 Die<br />

Gesamtheit aller Wissenschaften und Techniken könne, ausgehend von einem<br />

ästhetischen Paradigma, neu modelliert werden. Stefan Weber 44 beobachtet eine<br />

insbesondere durch die Netzmedialisierung ausgelöste Transformationsdynamik und<br />

kennzeichnet das „Netz <strong>als</strong> Turbo-Transformator“ 45 ; ich füge seinem aus dieser<br />

Beobachtung extrahierten Vorschlag, eine Wissenschaftsdisziplin für Wandel,<br />

Zukunft und Transformation unter dem Namen ‚Transformatik‘ zu etablieren, hinzu,<br />

aufgrund der hier extrahierten Formations- und Transformationsdynamik von <strong>Kunst</strong><br />

ein erstes interdisziplinäres Bündnis einzugehen.<br />

41 Deleuze/Guattari 1977, S. 21.<br />

42 Nicolas Bourriaud (Jhg. 1965) ist Kurator und <strong>Kunst</strong>kritiker sowie Mitgründer und Co-Direktor des<br />

Palais de Tokyo in Paris.<br />

43 Bourriaud 1995, S. 53.<br />

44 Stefan Weber (Jhg. 1970) ist Medienepistemologe mit den Forschungsschwerpunkten Medienphilosophie<br />

und Konstruktivismus.<br />

45 Weber 2001, S. 91.<br />

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