Kunst als Handlungsfeld, Birte Kleine-Benne
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Dekonstruktion, wie sie <strong>als</strong> philosophischer Topos 1967 durch Derridas<br />
Ausführungen ‚De la grammatologie‘ 112 in den philosophischen Diskurs eingeführt<br />
wurde, und deren stets mitlaufender Vorbehalt. 113<br />
<strong>Kunst</strong>wissenschaftliche Anmerkungen<br />
Mit der Umarbeitung eines objektfixierten, ontologisch-essentialistischen oder<br />
substantialistisch verfassten <strong>Kunst</strong>begriffs schließen meine Untersuchungen zur<br />
<strong>Kunst</strong> <strong>als</strong> <strong>Handlungsfeld</strong> an inhaltliche und formale Verschiebungen durch Theorien<br />
und <strong>Kunst</strong>produktionen seit Ende der sechziger, Anfang der siebziger Jahre sowie<br />
Anfang der neunziger Jahre an und lassen sich zwei ordnende und fortgesetzt<br />
auszudifferenzierende Motive extrahieren: das Motiv der Selbstreferenz und das der<br />
Operationalisierung. Zuvor verweise ich auf komprimierte kunsttheoretische Motive,<br />
die sowohl in der Konzeptkunst <strong>als</strong> auch in der Kontextkunst aufzufinden sind und<br />
von gegenwärtigen, hier zu diskutierenden <strong>Kunst</strong>tendenzen fortgeschrieben werden:<br />
„[...] deren bekanntes Beharren auf der Kontextualität von Bedeutung, das Primat<br />
des Rahmens über den (Bedeutungs-) Inhalt, die Kritik institutioneller Eingebundenheit,<br />
die Auflösung der Differenzen <strong>Kunst</strong>/Leben und Produzent/Rezipient, die<br />
Betonung des Prozesshaften gegenüber dem fixierten Objekt, die Kritik an der<br />
Warenform von <strong>Kunst</strong>, die Akzentuierung von Ortsgebundenheit, schließlich die<br />
interdisziplinäre, diskursiv-ästhetische Hybridität [...]“ 114 .<br />
Bei einer Anbindung meiner Untersuchungen an die Conceptual Art der späten<br />
sechziger und frühen siebziger Jahre sowie an die Kontextkunst der neunziger Jahre,<br />
bei der es sich nur scheinbar um eine historische Debatte und um eine Ausblendung<br />
aus aktuellen Verwicklungen handelt, interessieren insbesondere deren selbstreferentiellen<br />
Vorgänge, die ich <strong>als</strong> Möglichkeitsbedingung für die Ablöseprozesse<br />
von der Repräsentationsstrategie der <strong>Kunst</strong> zugunsten von Operationen anerkenne.<br />
Konzeptkunst und Kontextkunst schließen zeitlich die in den achtziger Jahren<br />
stattfindenden thematischen und methodischen Untersuchungen und selbstbezüglichen<br />
Beobachtungen der Systemtheorie sowie die im Umkreis der Second-Order<br />
Cybernetics 115 stattfindenden Debatten des Radikalen Konstruktivismus 116 zu<br />
Themen der Selbstreferentialität ein, die die sich auch aktuell noch in der Erkundungsphase<br />
befindliche Theorie der Selbstreferenz 117 fortgesetzt ausdifferenzierten.<br />
Die Theorie selbstreferentieller Systeme behauptet, dass eine Ausdifferenzierung<br />
von Systemen nur durch Selbstreferenz zustande kommen kann. Das bedeutet, dass<br />
Systeme in der Konstitution ihrer Elemente und ihrer elementaren Operationen auf<br />
sich selbst Bezug nehmen, wobei alle Vorgänge der Aufrechterhaltung der eigenen<br />
Identität untergeordnet werden. 118 Systeme müssen eine Beschreibung ihres Selbst<br />
erzeugen und gleichermaßen damit arbeiten; sie müssen, so behauptet die System-<br />
112 Derrida 1994.<br />
113 Zur Analyse der Bruchstellen, um die Kontingenz vermeintlich grundlegender Annahmen und die<br />
zum Erhalt dieser Prämissen verschleierten Machtverhältnisse zu diagnostizieren, vgl. u.a. Butler<br />
1993 a, S. 36.<br />
114 Höller 1995, S. 112.<br />
115 Vgl. u.a. Foerster 1993 und Baecker 2003, S. 70f.<br />
116 Eine Übersicht über die philosophischen Grundlagen des Radikalen Konstruktivismus und entsprechende<br />
Anwendungsbeispiele wie auch umfangreiche bibliographische Hinweise bietet Schmidt<br />
(Hg.) 1987.<br />
117 Baecker 2002, S. 75f.<br />
118 Schmidt 1987, S. 55.<br />
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