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Kunst als Handlungsfeld, Birte Kleine-Benne

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prozesse durch die beteiligten Konstituenten verlaufen, und welche Anschlussoperationen<br />

von den kulturverwaltenden Systemstellen gebildet werden. 2.: Einer<br />

Wissenschaftsdisziplin ‚Transformatik‘ zuordbare künstlerische Praktiken probieren<br />

Variationen von Formen, Codierungen und Schließungen, indem sie bestehende<br />

Formen zu deren Re- oder Transformation mit Kapazitäten des <strong>Kunst</strong>diskurses und<br />

anderer Diskurse anreichern und experimentiell verhandeln, in bestehende<br />

Verhältnisse intervenieren und Formableitungen anregen. Die konkreten Interventionen<br />

von WochenKlausur beispielsweise generieren neue dynamische<br />

Möglichkeiten der Morphogenese, der Entstehung von Formen, und schöpferische<br />

neue Wendungen 104 , in den nichtlinearen Wissenschaften <strong>als</strong> Bifurkationspunkte<br />

(Abb. 8) bezeichnet – Übergangsstellen zu alternativen Möglichkeiten der Fortsetzung,<br />

die durch kleinste äußere Einflüsse herbeiführbar sind. Durch diese<br />

zeitlichen wie auch räumlichen Symmetriebrüche – eine Qualität, die Baecker<br />

veranlasst, das Prinzip der Nichtlinearität <strong>als</strong> Joker zu kennzeichnen 105 – entstehen<br />

in Wirksamkeit künstlerischer Prozesse diskontinuierliche, nichtlinear dynamische<br />

Veränderungen in gesellschaftlicher Breite und mit aktueller Relevanz. Diese<br />

Prozesse sind mit der bereits eingeführten und fortgesetzt auszuformulierenden<br />

Operation des Verschiebens (eine Torpedierung fixierter Relationen in eingerichteten<br />

Ordnungen und deren Zustandsveränderungen) theoretisierbar.<br />

Vor dem hier zur Anwendung gebrachten Theoriehintergrund existieren Unterschiede<br />

der drei zu diskutierenden künstlerischen <strong>Handlungsfeld</strong>er neben ihrer Form<br />

und Funktion auch im Grad ihrer Komplexität, im Maß des Ordnungszustandes, in<br />

ihrer Steuer-, Kalkulier- und Prognostizierbarkeit; denn die Komplexität der<br />

Nichtlinearität liegt in der Unbestimmtheit, die eine exponentielle Wirkung nicht<br />

zwingend, sondern möglich macht: WochenKlausur hält intern die Dynamik und die<br />

Eigenkomplexität kombinatorischer Möglichkeiten überschaubar und die Ordnung der<br />

prozeduralen Methodik straff organisiert, regt mittels des interventionistischen<br />

Eingriffs in die lineare Zukunftsentwicklung eine alternative Zukunft an, die nach<br />

vorab festgelegten Maßgaben zielgerichtet und ergebnisorientiert angesteuert wird.<br />

Als Zielpunkt ihrer Dynamiken dient ein exakt vordefinierter Attraktor, der den<br />

anzustrebenden Ordnungszustand vorgibt und gegen den die Handlungen konvergieren.<br />

AVL praktiziert ein weites Spektrum an möglichen eigenen Zukünften, ist<br />

neben Selbstorganisation und starker (Rück-) Bezüglichkeit zu Veränderungen der<br />

eigenen Struktur und zu raum-zeitlichen Entwicklungen aufgrund nichtlinearer<br />

Wechselwirkungen zwischen den beteiligten Elementen in der Lage 106 , kann jedoch<br />

die Störungen von außen in Form regulierender Maßnahmen nicht abfangen und<br />

reagiert mit der programmatischen Änderung, die blinden Flecke mittels der Bildung<br />

eines autonomen Raumes innerhalb eines überregulierten Staates zur Anschauung<br />

zu bringen. Ihre Produktivkräfte und Produktionsergebnisse entspringen häufig<br />

einem kollektiven Zufall, häufig sind sie Nebenprodukte von List und Strategie der<br />

Subversion, sie selbstorganisieren sich aus dem Chaos heraus und treiben durch<br />

systemimmanente Operationen die Bildung neuer Ordnungen voran – eine zweite Art<br />

von Chaos 107 , das <strong>als</strong> ein aktives Chaos, <strong>als</strong> sog. „Quelle des Kreativen“ 108 wirkt.<br />

104 Holtgrewe 2001, S. 173.<br />

105 Baecker 2002, S. 83.<br />

106 Zu komplexen Systemen zweier Arten, die sich in der Un-/Veränderbarkeit ihrer dynamischen<br />

Struktur unterscheiden, vgl. Nakamura/Mori 1999, S. 89f.<br />

107 Vgl. Prigogine 1984.<br />

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