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Kunst als Handlungsfeld, Birte Kleine-Benne

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Ökonomie, Ökologie und Wissenschaft. 152 Hierbei handelt es sich jedoch noch nicht<br />

um die im Folgenden zu behandelnden Begriffe und Konzepte wie Konnektivität,<br />

Interaktion, Emergenz und Netzwerke, sondern prinzipiell um die Analyse und/oder<br />

Kritik eines Gefüges, dem, wie sich zeigen wird, nicht mehr nur referentiell, sondern<br />

zeitlich und damit strukturell begegnet wird. Ausgewählte Beispiele künstlerischer<br />

Praxis nehmen Oszillationen von Text und Kontext sowie unterschiedliche Re-Entries<br />

vor (wie das der <strong>Kunst</strong> in andere Funktionssysteme durch die Interventionen von<br />

WochenKlausur, der Anschlussfähigkeit in den White Cube durch AVL oder der<br />

Interaktion von Wertschöpfung und Wertschätzung in die <strong>Kunst</strong> durch etoy), wie sie<br />

von den theoretischen Bestrebungen des sog. Kontextualismus nicht aufgefangen<br />

werden, die das zunächst isolierte <strong>Kunst</strong>werk sodann mit (s)einem kulturellen,<br />

ökonomischen, religiösen oder sozialen Zusammenhang in Beziehung setzen. Denn<br />

dies hieße, einen lediglich sekundären Kontext und zwar „von Gnaden der<br />

<strong>Kunst</strong>geschichte“ 153 methodologisch zu kreieren und deren „Geburtsfehler“ 154 durch<br />

überragend kompensatorische Maßnahmen zu beheben oder zumindest zu<br />

verdecken.<br />

Hinsichtlich der bereits vorgetragenen Konzeption der <strong>Kunst</strong>definition, die<br />

Tendenzen der Deontologisierung und Operationalisierung folgt, schließe ich an die<br />

von Derrida 1968 alternativ zur Metaphysik der Präsenz entwickelte Denkfigur der<br />

‚différance‘ 155 und deren Doppelstrategie der Verzeitlichung und Verräumlichung an,<br />

die auf der Grundlage einer deontologisierten Beobachtung zur Explikation einer<br />

<strong>Kunst</strong>definition <strong>als</strong> eine Operation des Verschiebens anregt. Hierin befinde ich mich<br />

in theoretischer Nähe zu der <strong>als</strong> Resultat ihrer bereits in den späten achtziger Jahren<br />

begonnenen künstlerischen Auseinandersetzungen mit dem Betriebssystem <strong>Kunst</strong><br />

extrahierten Position Andrea Frasers 156 von 1995, die zwischen Formen kultureller<br />

Produktion und künstlerischer Praxis unterscheidet. <strong>Kunst</strong> in der Form künstlerischer<br />

Praxis definiert Fraser „<strong>als</strong> die Analyse von und Intervention in soziale/n<br />

Beziehungen“ 157 , die ehedem verkannt zu kulturellen Produktionen und ihren<br />

manifestierenden symbolischen Systemen umgearbeitet wurden. Die <strong>Kunst</strong>form der<br />

künstlerischen Praxis hätte sich gegen die Reduktion auf die bloße Reproduktion<br />

ihrer Produktionsverhältnisse behaupten können; deren organisierendes Prinzip<br />

seien nicht die arbiträre Manifestation, Vergegenständlichung und Reproduktion der<br />

Kompetenzen und Dispositionen von Produzent und Rezipient in Form sog.<br />

kultureller Produktionen, sondern ein Mittel der unmittelbaren, praktischen und<br />

relationalen Auseinandersetzung mit den Determinanten. Die kulturellen Produktionen<br />

– zu ihnen zählt Fraser genreübergreifend ein jedes <strong>Kunst</strong>objekt, eine jede<br />

künstlerische Konstruktion und Aktivität, die nicht der Maßgabe der Kritik mit dem<br />

152 Weibel 1994, S. XIII. Zur Kritik an Weibels vorgenommener Terminologisierung und Theoretisierung<br />

von ,Kontext-<strong>Kunst</strong>‘ vgl. Kube Ventura 2002, S. 72f.<br />

153 Kemp 1991, S. 93.<br />

154 Kemp 1991, S. 94.<br />

155 Derrida 1993 b.<br />

156 Andrea Fraser (Jhg. 1965), amerikanische Künstlerin und Mitglied der V-Girls, lebt und arbeitet in<br />

New York und Europa und realisiert seit Mitte der achtziger Jahre Ausstellungen, Performances und<br />

Installationen.<br />

157 Fraser 1995, S. 35.<br />

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